Im ersten Artikel zu meinem Jahresprojekt „Flachs im Hochbeet anbauen“ ging es um den landwirtschaftlichen Teil, also vom Samen bis zur Ernte der Flachspflanzen. In diesem Artikel zeige ich Dir, wie ich meinen Flachs bis zum Garn weiterverarbeitet habe. So schließt sich der Kreis der Flachsverarbeitung vom Samenkorn zum Textil.

Das Riffeln

Mein geraufter Flachs hatte zwei Wochen schön Zeit, an einem luftigen Ort zu trocknen, bevor ich mich ans Riffeln gemacht habe. Mit einer kleinen Probe hab ich mich ein bisschen warmgeriffelt und schon mal geübt, bevor ich mir die dicken Bündel vorgenommen habe.

eine selbstgebaute Riffelstation aus einer weißen Plastik-Aufbewahrungsbox, an der mit Klemmen ein Lockenkamm befestigt ist. Im Hintergrund ein Bündel Flachsstroh, im Vordergrund geriffelte Samenkapseln.
Meine Riffelstation – mit Lockekamm und Box vom Möbelschweden.

Es ging recht schnell, für mein gutes Kilo Flachsstroh habe ich (inkl. Aufbau und Fluchen) etwas über eine Stunde gebraucht. Riffeln ist nett, aber was mich absolut FUCHSIG gemacht hat: Die Stängel haben sich an den Samenkapseln ständig verhakt, wenn man die dickeren Büschel aufteilen wollte. Und das Zeug fliegt ÜBERALL hin, wenn man es nicht vorsichtig macht. Nächstes Jahr überleg ich mir eine Konstruktion mit Deckel, glaub ich.

Ausbeute: Vor dem Riffeln 1230 g (inkl. Erde), Nach dem Riffeln: 990g (ohne Erde).

Die Samenkapseln kann man dann noch weiter trocknen, mit einem Nudelholz öffnen und einem Goldgräber gleich in einer flachen Schale die Spelzen vorsichtig von den Samen pusten. Das ist eine sehr befriedigende Arbeit, finde ich.

Nahaufnahme goldgelber Flachs-Samenkapseln in einer Schüssel
Samenkapseln vom Flachs.
Nahaufnahme Leinsamen Flachssamen in eiiner Schüssel
Meine ersten eigenen Leinsamen!

Die Röste

Beim Rösten hat man die Wahl zwischen Wasserröste und Tauröste. Beides dient dazu, den „Kleber“ aufzulösen, der in den Stängeln die holzigen mit den faserigen Bestandteilen fest verbindet. Mikroorganismen und Feuchtigkeit sorgen dafür, dass dieser Kleber abgebaut wird. Wenn man sie läßt, machen die Mikroorganismen das so lange weiter, bis auch von den Fasern nicht mehr viel übrig ist. Man sollte die Röste daher zum besten Zeitpunkt abbrechen, nämlich dann, wenn man die Fasern mühelos vom Holz trennen kann. Die Röste ist einer der kritischen Schritte der Flachsverarbeitung. Zu wenig geröstet und man hat schäbigen Flachs, zu viel geröstet und man hat brüchige Fasern.

Für die Wasserröste legt man die Flachsbündel in ein ausreichend großes Gefäß und bedeckt sie vollständig mit Wasser. Alternativ könnte man die Bündel auch in ein fließendes Gewässer (z.B. einen Bach) legen, ganz früher hatte man manchmal spezielle Gruben außerhalb des Dorfes dafür. Die Wasserröste geht mitunter recht schnell vonstatten, ist aber olfaktorisch nicht ganz neutral und man hat hinterher eine Wanne voll mit stinkender Brühe. Wer schon mal eine Brennesseljauche angesetzt hat, weiß vielleicht, was ich meine… Im großen Stil ist Wasserröste in Deutschland daher auch aus umweltrelevanten Gesichtspunkten verboten.

Die Tauröste hingegen dauert etwas länger, meist zwischen 7 und 14 Tagen. Man legt dafür die Stängel dünn auf einer Wiese oder einem Stück Rasen aus, sodass der Morgentau die Stängel befeuchten kann. Das Chlorophyll im Gras spielt wohl auch eine Rolle bei der Röste, reiner Sand geht nicht, hab ich gehört. Alle paar Tage wendet man den Flachs, damit die Stängel von allen Seiten gleichmäßig geröstet sind.

Ich habe mich dieses Mal für eine Tauröste entschieden, meinen Flachs auf unserem Rasen ausgelegt und ihn alle paar Tage gewendet. Das Wetter war ziemlich feucht.

Ein kleines Bündel Stängel hatte ich noch vor dem eigentlichen Raufen immer mal aus dem Beet gesammelt, weil mir die Pflanzen bereits dort angerottet zu sein schienen. Dieses Mini-Bündel hatte ich auch ausgelegt, nach 5 Tagen Röste aber schon mal den Brecheltest gemacht. Das ging schon ziemlich gut (und hat ziemlich gekrümelt…) und *tadaaa* : Ich hab mein erstes Bündel(chen) Fasern. Brechen und Schwingen hab ich in einem Schritt mit diesem Holztool gemacht. Das ging super gut! Ein einfaches Holzbrettchen hätte es aber bestimmt auch getan.

Ein Büschel grob gebrochener und gehechelter Flachsfasern liegt neben einem Holztool mit der Gravur "1qmlein.de" auf einem Holztisch.
Mein erstes Büschelchen gebrochener und geschwungener Flachsfasern aus meinem eigenen Beet! Die Transformation vom Stroh zur Faser ist wirklich beeindruckend.

Nach 7 Tagen wurde ich für die Hauptmenge Flachsstroh dann doch etwas nervös: Die Stängelspitzen auf dem Rasen wurden schwarz und überall zeigten sich Flecken auf den Stängeln, manche wurden silbergrau. Daher habe ich voller Schwung auch den nach 100d geernteten Flachs dem Brecheltest unterzogen und der zeigte: nä, diese Stängel brauchen noch ein bissel. Brechen kann man ihn schon, aber das Holz sitzt noch zu fest.

Brecheltest

Für den Brecheltest wickelt man einen getrockneten Stängel um einen Finger, so dass die Holzbestandteile brechen, und wickelt ihn dann wieder ab. Wenn die Holzbestandteile sich nun ganz leicht von den Fasern trennen lassen, ist die Röste erfolgreich. Kleben Holz und Fasern noch zu sehr aneinander, kann man die Röste noch etwas verlängern.
Hilfreich ist auch ein Testbündel, das man einen Tag vor den restlichen Bündeln auslegt. Dieses Bündel ist dann immer 24h weiter als der Hauptteil und selbst, wenn man das Testbündel etwas überröstet hat, kann man die anderen Bündel dann noch retten.

Nach 12 Tagen war es soweit: Das Holz ließ sich recht einfach von den Fasern trennen und ich beschloss, die Röste abzubrechen. Die Stängel wurden nun wieder locker gebündelt und unter einem Dach an frischer Luft getrocknet.

Nahaufnahme taugerösteter Flachsstängel. Überall siind silbrig-schwarze Flecken auf den Stängeln zu erkennen.
So sahen meine taugerösteten Stängel nach der Tauröste aus. Silbrig-schwarze Flecken überall.

Brechen, Schwingen, Hecheln – Flachsfest auf dem Tempelhofer Feld

Der nächste Verarbeitungsschritt ist das Brechen. Das war früher ein gemeinschaftlich durchgeführter Arbeitsschritt, zu dem das ganze Dorf zusammenkam und jeder seine Aufgabe hatte. Es braucht dafür auch spezielle Geräte, die Brecheln, die findet man heutzutage höchstens in Museen oder auf Dachböden. Manchmal wurde der Flachs auch kurz vor dem Brecheln noch über einem Feuer gedarrt.

Eine Brechel habe ich nicht, und so hatte ich für meinen Brecheltest das kleine Holztool verwendet (s. Bild oben). Für alle meine Bündel wäre das aber eine ganz schön mühsame Angelegenheit geworden. Was für ein Glück, dass die Schönfärberinnen auf dem Tempelhofer Feld ein Flachsfest ausgerichtet haben! Sie hatten verschiedene Werkzeuge bereitgestellt, unter anderem zwei kleine Brecheln, und so konnte ich bei stimmungsvollem Wetter in netter Gesellschaft meinen Flachs brechen und die Hälfte sogar noch schwingen bzw. ribben. (Leider hab ich da keine schönen Fotos gemacht, wenn Du wissen willst, wie es war, schau mal bei den Schönfärberinnen auf Instagram.)

Das Brechen dient dazu, die Holzteile kleinzukriegen, damit sie sich gut von den Faserteilen abtrennen lassen. Das anschließende Schwingen bzw. Ribben und Hecheln entfernt dann nach und nach alle Holzteile (die sogenannten Schäben), um am Ende einen wunderschönen Zopf Langflachs (oder mehrere) in der Hand zu haben. Beim Brechen passiert die Magie: Man geht mit einem Bündel Stroh rein und kommt mit einem (noch etwas zauseligen) Zopf heraus.

Zöpfe aus geschwungenen Flachsfasern liegen auf dunkel marmoriertem Tisch. Oben im Bild 115 Tage gewachsener Flachs, unten 100 Tage gewachsener Flachs.
Das sind alle meine Flachszöpfe aus gebrochenen und geschwungenen Fasern.

Vor allem beim Hecheln fallen auch etliche kurze Fasern an, die ebenfalls gesammelt und zu gröberem Leinen versponnen werden können. Aber was am Ende beim Hecheln rauskommt, ist wirklich faszinierend: saubere, glänzende ordentliche Fasern, zu Zöpfchen gedreht und wunderschön anzuschauen.

Und wie war nun die Ausbeute? Aus dem knappen Kilo Flachsstroh nach dem Riffeln blieben ganze 79 Gramm Zöpfchen übrig. Über den Dicken Daumen sind das nicht ganz 8 % Ausbeute, und da ist noch kein Garn gesponnen (da geht bestimmt auch noch etwas verloren). Ist das eine gute Ausbeute? Keine Ahnung. Auf jeden Fall ist es wenig.

Nahaufnahme Hechelwerg
Was vom Hecheln übrig blieb: Werg.
Zöpfe aus gehechelten Flachsfasern vor grünem Blätterhintergrund.
Und so sahen die Fasern nach dem Hecheln aus – schon viel feiner und glänzender! Ganz rechts im Bild sieht man auch, dass sich eine „Faser“ noch in viele Fasern aufspalten kann – ganz anders als bei Wolle.

Und endlich: Spinnen!

Endlich, endlich hatte ich Fasern in der Hand, die ich spinnen konnte. Ich wollte immer schön der Reihe nach vorgehen und nahm mir zuerst das Schwing-Werg. Und hab es nach ein paar Metern direkt wieder gelassen. Mei, war das stachelig! Ständig riss der Faden, weil er so ungleichmäßig wurde wegen der Holzteilchen, und die Fasern waren selbst auch nicht die stabilsten. Meine Erkenntnis: Schwing-Werg ist prima zum Stopfen von Sitzkissen oder als Feueranzünder.

Nahaufnahme von Leinengarn aus Schwing-Werg gesponnen. Sehr viele Schäben sind sichtbar.
Zweifädiges garn aus Schwingabfall. Das war kein Spaß…

Als nächstes nahm ich mir das Hechel-Werg vor, das ging schon viel besser. Immer noch etwas struppig, aber deutlich besser verarbeitbar.

Nahaufnahme von Leinengarn aus Hechel-Werg gesponnen. Einige Schäben sind sichtbar.
Zweifädiges Garn aus Hechel-Werg. Das ging schon viel besser!

to be continued…

Was ich mir fürs nächste Mal merke:

  • Ich muss gründlicher brecheln, ggf. mit einem Fleischklopfer oder Hammer. Die sehr harten Wurzelbereiche sollten komplett entfernt sein, bevor es ans Schwingen geht.
  • Die Stängel müssen beim Brechen absolut trocken sein.
  • Es ist hilfreich, die Bündel übers Knie zu brechen, bevor sie in die Brechel kommen.
  • Beim Brechen und Hecheln: möglichst wenig Kraft anwenden, viele kleine sanfte Bewegungen ausführen, um die Fasern zu schonen.