Meine Faserexperimente sind ja immer sehr unterschiedlich – mal sind es verschiedene Schafrassen, dann wieder Spinntechniken oder verschiedene Arten der Faservorbereitung. Für dieses Jahr hat sich nun still und leise ein Langzeitprojekt angeschlichen: #1qmlein. In dem Hochbeet, in dem letztes Jahr noch der Japanische Färberknöterich gewohnt hat, habe ich Ende April 1 qm Leinsamen ausgesät. Wenn alles gutgeht, habe ich im Herbst ein kleines Bündel selbst angebauter Fasern in der Hand – vom Saatkorn zum Garn im eigenen Hochbeet! Aussaat, Raufen, Trocknen, Rösten, Brechen, Schwingen, Hecheln: Hier werde ich nach und nach von den einzelnen Etappen berichten.

Das Projekt „1 qm Lein“

Das Projekt „1qm Lein“ wurde von Mona Knorr und Christiane Seufferlein in Deutschland und Österreich initiiert. Es ist ein Mitmach- und Communityprojekt, das sich zum Ziel gesetzt hat, das Wissen über die Pflanze und ihre Verarbeitung wiederzuholen und die Pflanze in Gärten, Schaubeeten und Schulen wieder sichtbar zu machen.

Seinen Ursprung hat das Ganze in Skandinavien, wo man offenbar in öffentlichen Einrichtungen wie Bibliotheken Saatgut bekam und bei sich zu Hause anbauen konnte. Christiane (die manche vielleicht vom Verein Berthas Flachs kennen) hat die Idee während eines Flachsworkshops in Dresden mit Mona besprochen und dann zusammen mit ihr in Absprache mit den skandinavischen Organisatoren nach Österreich (1qmlein.at) und Deutschland (1qmlein.de) gebracht. Ende 2024 gab es für das Projekt „1qm Lein“ ein Crowdfunding, in dem ich mir mein Saatgut sichern konnte. Mittlerweile ist das Saatgut überall angekommen. Es gibt erste Anleitungs-Newsletter mit Tipps und Tricks sowie eine Community-Plattform für alle, die mitmachen. Das sind neben Privatpersonen auch viele Institutionen, Schulen, Freiluftmuseen etc., die oft sogar noch die Geräte zur Flachsverarbeitung haben und Veranstaltungen zur gemeinsamen Verarbeitung im Herbst organisieren.

1 qm Lein in Berlin

Hier in Berlin gibt es im Allmende-Kontor auf dem Tempelhofer Feld ein Beet und Aktionen. Außerdem (aber ich glaube nicht am Projekt selbst beteiligt) gibt es ein Faserpflanzenbeet im Berliner Botanischen Garten, das ich mir unbedingt mal ansehen will!

Warum jetzt ausgerechnet Flachs? Meine Motivation und bisherigen Erfahrungen

In einem früheren Anfall akuter Neugier hatte ich mich vor ein paar Jahren schon einmal mit dem Spinnen von Flachs beschäftigt. Flachszöpfe konnte ich damals nirgends auftreiben, aber es gab Flachs als Kardenband zu kaufen. Das hatte ich noch nie gesehen und wollte es mal ausprobieren. Solches Kardenband enthält ja eher kürzere Fasern und zählt eigentlich zu den eher niedrigen Qualitäten (es ist ähnlich wie Werg). Es verarbeitete sich ganz anders als Kardenband aus Wolle, war stachelig und sperrig und ich fand es überhaupt nicht angenehm. Wie man solches Zeug zu feinen Leinentüchern verarbeiten können sollte, war mir ein Rätsel. (Heute weiß ich: gar nicht. Da lag mein Gefühl schon richtig. Flachs ist nicht gleich Flachs, hab ich gelernt).

Kathrin sitzt im Garten auf einem Stuhl, vor ihr steht eine Hechel. In der linken Hand hält sie ein Bündel Leinenfasern und hechelt. Photo Credit: Ulrike Kohn
Hier hechele ich zum ersten Mal im Leben Flachs bei einem Workshop im Wandelgrund. Es war der Beginn meiner zweiten Flachs-Erkundungsphase.

Ich legte das Ganze also als „nä, nichts für mich“ ad acta. Bis ich dann Anfang 2024 an diesem Flachs-Workshop im Wandelgrund teilnahm… Durch den Workshop und die tolle (und sehr fachkundige) Anleitung von Christiane war ich dann doch durchaus angetan und wollte dem Flachs nochmal eine Chance geben. Ich besorgte mir Zöpfe und einen Standrocken über ein beliebtes online-Auktionshaus und hechelte und spann. Was soll ich sagen: auf einmal machte es deutlich mehr Spaß als früher und ich war neugierig, was es bedeutet, den Flachs auch selbst anzubauen.

Und nun hab ich nicht nur schon selbst Flachs verarbeitet und einen Kurs dazu gegeben, sondern sogar ein eigenes Beet dafür angelegt… Tja, so kann’s kommen.

Regionale Sorten: Flachs ist nicht gleich Flachs

Flachs ist ja nicht gleich Flachs, es gibt unterschiedliche Sorten mit leicht unterschiedlichen Eigenschaften. Früher war es offenbar so, dass es regional unterschiedliche Sorten gab, die an die Boden- und Klimabedingungen der jeweiligen Region bestens angepasst waren. Im Workshop im Wandelgrund erfuhr ich z. B. von der Sorte „Löbauer Blau“, die rund um Dresden beheimatet war. Mit der Industrialisierung der Flachsproduktion wurden jedoch (so wie ich es verstanden habe) vermehrt nur die wenigen Sorten angebaut und weitergezüchtet, die den höchsten Ertrag mit den längsten, feinsten Fasern versprachen. Hier bin ich aber nicht so tief in die Recherche eingestiegen.

Ältere Flachs-Sorten haben oft schön klingende Frauennamen. Meine Sorte heißt „Felice“. Das ist wohl eine durchaus krankheitsresistente Sorte, die zwar zuerst langsamer wächst als andere Sorten, aber auch eine hohe Stroh- und Faserausbeute haben soll. Nur Wind und Starkregen verträgt sie nicht so gut und knickt dann um. (Randnotiz: unbedingt noch Schnüre spannen als Windschutz!)
Es gab im Crowdfunding auch eine andere Sorte, nämlich „Christine“, und es wird sicher spannend zu sehen, was die anderen in der Community über ihre Sorten, Anbaubedingungen und Ausbeuten berichten.

Beet vorbereiten und Aussaat

Flachs wird traditionell am 100. Tag des Jahres ausgesät und dann ca. 100 Tage später geerntet. Rein rechnerisch fiele die Aussaat also auf den 10. April, man kann aber schon Ende März oder aber erst im Mai aussäen. Für mich war der 22. April 2025 ein guter Zeitpunkt.

Der einzige geeignete Platz bei uns ist das Hochbeet. Letztes Jahr wuchs hier Japanischer Färberknöterich. Die Erde war übers Jahr ganz schön abgesackt, also habe ich flugs einfach die über den Winter stehengebliebenen Pflanzenreste ausgerupft und in die Erde eingearbeitet. Weil das noch nicht ausreichte, kamen noch ein paar Säcke Blumenerde obendrauf. In die Mitte meines Beetes habe ich zwei Ollas platziert, das sind praktische kleine Wasserspeicher aus porösem Ton. Das Wasser wird nach und nach nach aussen abgegeben und das Beet trocknet nicht so schnell aus.

Kurz vor der Aussaat habe ich in die oberste Schicht Erde noch etwas Sand eingearbeitet und eine Tüte Aussaaterde verteilt – bloß gut, dass ich nochmal den Begleit-Newsletter gelesen habe! Flachs mag es offenbar nicht so nährstoffreich. Das Beet blieb dann noch zwei Wochen liegen, um zu sehen, ob da noch Unkraut hochkommt, das am besten vor der Aussaat entfernt werden sollte. Kam aber nicht.
Mit einem Kinderharken-Stiel habe ich dann Saatrinnen in die Erde gedrückt, die Samen mit ein bissel Sand vermischt und in den Rinnen verteilt. Der Sand hilft ein bisschen, die Samen zu „verdünnen“, damit sie nicht zu dicht ausgesät werden. Trotzdem sind mir die Samen vermutlich an einigen Stellen viel zu dicht geraten … aber wenigstens konnte ich durch den Sand gut sehen, wo ich schon war. (Das mit dem Sand war ein Tipp aus der Community, da wäre ich selber nie drauf gekommen!)

Aufsicht auf ein metallenes Hochbeet mit 5 Saatreihen. Die Saatreihen sind heller als die sie umgebende Blumenerde, weil sie mit Sand gefüllt sind. Im Hochbeet sind in der Mitte 2 Ollas als Wasserspeicher eingelassen.
Das ist mein Hochbeet mit den Ollas und den Saatrinnen. Die Saatreihe ganz rechts liegt morgens länger im Schatten der Hochbeetwand.
Nahaufnahme einer Saatreihe für Faserlein. Die Dichte der Saatkörner ist sehr hoch.
Stellenweise waren meine Samen vermutlich doch ein bissel dicht geraten… Normalerweise sollen so 6-10 Samen pro Daumenabdruckfläche ausgebracht werden, da liege ich wohl doch etwas drüber. Leider ist das Bild ein bissel unscharf…ich übe das noch.

Die Saatrinnen habe ich dann zugedrückt, angegossen, und dann hieß es: Warten auf die ersten grünen Blättchen (im Fachjargon heißt das „auflaufen“, den Begriff kannte ich bislang nur von Fußballspielen). Eine der Saatrinnen bekam durch den Hochbeetrand etwas mehr Schatten als die anderen 3 Reihen – hier bin ich gespannt, ob sich das auf die Pflanzen auswirkt.

Eine Woche später (genauer gesagt an Tag 6) schoben sich die ersten Blättchen aus den Sonnen-Reihen vorsichtig aus der Erde – juhuuu, der erste Teil hat schon mal geklappt! Und siehe da: die Schattenreihe brauchte 4 Tage länger zum Keimen. Bleibt abzuwarten, wie sich der Schatten auf die weitere Entwicklung auswirkt – spätestens ab 20 cm Wuchshöhe bekommen alle die gleiche Menge Sonne.

Frisch gekeimte Faserlein-Pflänzchen im Hochbeet 6 Tage nach der Aussaat.
Nach 6 Tagen kommen die ersten Blättchen durch die Erde. Juhuu!
Flachskeimlinge, 8 Tage nach Aussaat. Nahaufnahme.
Nach 8 Tagen sind die Stielchen schon etwas länger. Das Wetter war diesen Mai erst relativ trocken, dann zwar feuchter, aber immer recht kühl.

Jetzt heißt es erst mal warten und gegebenenfalls jäten.

Tag 11

Flachskeimlinge, 11 Tage nach dem Keimen. Nahaufnahme.
Tag 11: Die nächsten Blättchen schieben sich raus!

Tag 20

Flachspflanzen 20 Tage nach der Aussaat. Mehrere Blattpaare sind sichtbar.
Nach 20 Tagen sind schon mehrere Blattpaare sichtbar.

Tag 30

Mein Flachs wächst und gedeiht, das ist richtig schön anzusehen! 30 Tage nach der Aussaat schauen die ersten Spitzen schon über den Rand des Hochbeetes und ich muss langsam mal die Stützfäden spannen…

Was ich bislang beobachtet habe:

  • Die Seite des Beetes, die mehr Sonne und Wasser bekommt (links im Bild), ist ca. 3 Tage früher gekeimt als die Schattenseite (rechts im Bild).
  • Über der Querstrebe in der Mitte des Beetes wachsen die Pflänzchen deutlich schlechter. (Die Querstrebe stabilisiert die Konstruktion, damit das Beet nicht durch das Gewicht der Erde ausbeult.) Ob da nur nicht genug Erde drüber ist oder die Wurzeln sich sonstwie gestört fühlen, weiß ich gar nicht so genau.
Flachsbeet (Hochbeet) 30 Tage nach der Aussaat. Die Pflanzen am rechten Beetrand sind kleiner als am linken Beetrand.
Links die Sonnenseite, rechts die Schattenseite. Der Größenunterschied ist etwas verfälscht durch die Tatsache, dass der Boden nicht eben ist – links ist die Erde höher als rechts. Aber die Schattenpflanzen sind etwas kleiner als die Sonnenpflanzen. Mal sehen, ob sich das verstetigt, wenn alle die gleiche Menge Sonne sehen, sobald sie über den Beetrand schauen.
Flachspflanzen im Hochbeet 30 Tage nach Aussaat. In der Mitte wachsen die Pflanzen spärlicher und ein Schriftfeld erklärt "Querstrebe".

Ich bin schon so gespannt, wie sich die Pflanzen entwickeln! Im Augenblick kann ich mich an dem Grün noch nicht sattsehen und streichle immer über die leuchtenden Köpfchen, wenn ich am Beet vorbeikomme.

Tag 40

Nach knapp 40 Tagen war es dann doch mal Zeit, eine Stütze für den Flachs zu installieren. So richtig gespannt sind die Fäden nicht (die Stäbe sitzen zu locker in der Erde), aber vielleicht hilfts trotzdem.

Flachspflanzen in einem Hochbeet, von oben fotografiert. Darüber ist ein Stütznetz aus Schnüren angebracht, das die Pflanzen noch nicht erreichen.

Komischerweise waren eines Morgens ein paar Pflanzen umgefallen, und zwar ausgerechnet dort, wo am meisten Wasser und Sonne hingelangt. Ob das diese “Lagerneigung” ist, von der ich schon mal gelesen habe? Habt ihr sowas auch beobachtet?

Flachspflanzen in einem Hochbeet, von oben fotografiert. Darüber ist ein Stütznetz aus Schnüren angebracht, das die Pflanzen noch nicht erreichen. Die Pflanzen in der Mitte wachsen über einer Querstrebe und sind viel kleiner.

Der Kümmerwuchs der Pflanzen über der Querstrebe des Hochbeets hat sich verstetigt, dort ist jetzt eine richtige „Delle“, die man aber gar nicht mehr so sieht, weil die anderen Pflanzen sie mittlerweile überwuchern.

Und ich stelle fest: nächstes Mal muss ich vielleicht doch nicht ganz so dicht säen…

Tag 50

Halbzeit beim #1qmlein !

In den letzten Tagen ist alles nochmal kräftig geschossen – ein Glück hatte ich noch die Schnüre gezogen. Über der Querstrebe des Bettes in der Mitte sind die Pflanzen immer noch nicht weiter. Vermutlich ist der Wurzelraum einfach zu klein. Nächstes Jahr kommt mehr Erde drauf!

Flachspflanzen in einem grauen Hochbeet, dahinter eine Ligusterhecke. Die Flachspflanzen werden mit Stützschnüren gestützt, die an Tomaten- und Bambusstäben befestigt sind.

Jetzt warte ich sehnsüchtig auf die ersten Blüten…

Tag 58 – Blüten!

…und siehe da, spät am Abend von Tag 57 blitzte es blau von den Knospen, und am Morgen von Tag 58 gab es die ersten Blüten. Herrlich!!

Nahaufnahme einer Flachsblüte vor unscharfem grünem Hintergrund. Tag 58 nach Aussaat.

Tag 60

Nach und nach öffnen sich die Blüten – morgens wirken sie irgendwie noch schläfrig und öffnen sich erst nach 7 Uhr. Ob das daran liegt, dass ein Teil des Beetes morgens noch im Schatten liegt? Spätestens mittags sind alle wieder geschlossen. Ein paar Bienen versuchen sich am Bestäuben, aber sie sind scheinbar zu schwer und können nicht so richtig landen. Kleine leichte Fliegen haben es da einfacher…

Nahaufnahme einer Flachsblüte, hell lila, vor unscharfem grünem Hintergrund.

Das Wetter war bislang eher trocken und kühl, erst in den letzten Tagen ist es richtig heiß geworden. Starkregen hatten wir bislang zum Glück noch nicht, aber die Pflanzen sehen auch recht stabil aus in ihrem Stütznetz.

Flachspflanzen im Hochbeet 60 Tage nach der Aussaat. Kleine blaue Blüten sind zu erkennen. Im Hintergrund ist eine Strebe eines Klettergerüstet zu sehem sowie eine Ligusterhecke.

Das merke ich mir für das nächste Jahr:

  • Hochbeeterde nivellieren und evtl. mit der Wasserwaage ausrichten.
  • Protokoll-Parameter: Tageshöchsttemperatur und Wetter (Regen) notieren, Pflanzhöhe messen und notieren (vll alle 10 Tage)

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