An einem sonnigen Februarwochenende war ich in Dresden, wo der Verein Werk & Wandel e.V. auf dem Wandelgrund einen Workshop zum Thema Flachsanbau und -verarbeitung organisiert hat. Gehalten wurde er von Christiane Seufferlein vom Verein Bertas Flachs.
Was soll ich sagen?
Es. War. Großartig.
Wieder einmal habe ich gemerkt, wie himmelweit der Unterschied ist zwischen „Ich habe etwas mit dem Kopf verstanden“ und „Ich habe es mit eigenen Händen und am eigenen Körper erfahren“. Zwischen „Ich hab mir ein paar Videos angeschaut und es nachgemacht. War gar nicht so schwer.“ und „Ich habe einen richtig guten Kurs besucht und einen Aha-Moment nach dem anderen gehabt“.
Obwohl ich letztes Jahr ja schon mal den sprichwörtlichen Zeh in die Flachsverarbeitung gehalten habe (ich berichtete hier und dort auf Instagram), hat sich mir erst am Wochenende die Flachs-Welt so richtig offenbart.
Flachs ist nicht nur Faserpflanze. Flachs verbindet Menschen, auch über hundertfünfzig Jahre nach seinem Anbau. Er war Lebensversicherung für Frauen, wenn sie in Notlage kamen, konnten sie den Flachs verkaufen. Wolle kann man zur Not noch alleine verarbeiten, aber beim Flachs (insbesondere bei mehr als einer Handvoll) braucht es eine Gemeinschaft.
- Raufen.
- Trocknen.
- Rösten,
- Trocknen.
- Brechen.
- Schwingen.
- Hecheln.
- Ribben.
- Spinnen.
- Weben.
Für das Brechen, Schwingen, Hecheln und Ribben braucht es spezielle Werkzeuge und manchmal sogar eine spezielle Feuerstelle. Das kann kein Mensch ganz alleine machen. Vielmehr hat man sich zusammengetan und reihum den Flachs von jedem Hof des Dorfes verarbeitet. Für meine Handvoll Fasern habe ich einen ganzen Nachmittag gebraucht.
Was mir gar nicht so klar war: Flachs wird über die Jahre immer feiner, weil das, was man für eine „Faser“ hält, oftmals ein Bündel Fasern ist, das durch Pektine und Gummis zusammengehalten wird. Erst über die Jahre wird dieser „Kitt“ abgebaut und legt die Fasern frei. Wer also Unterwäsche machen wollte, legte den Flachs erst mal 20 Jahre auf die Seite. Bei Wolle ist das ja anders: Da liegen die einzelnen Fasern von Anfang an vor.
Der heute bei Handspinner*innen so beliebte Langflachs wurde von den Frauen damals allerdings nur ein paar Mal im Leben überhaupt versponnen – er kam ja in die Brautkisten der Mädchen und war ihre Lebensversicherung. Wenn es hart auf hart kam, konnte die Frau den Flachs verkaufen und musste so nicht hungern. Die allermeiste Zeit wurde überwiegend Werg versponnen – für Säcke, Scheuertücher, Heutücher … Arbeitstextilien eben.
Die krasseste Erkenntnis: Alles, was man als Handspinner*in heute an Flachszöpfen kaufen kann, ist alt – und es werden keine neuen Zöpfe mehr für den Verkauf an Handspinner*innen produziert. Flachsanbau für Handspinner*innen passiert im Grunde nur noch für den Eigenbedarf. Und damit verschwindet auch das Wissen um den Anbau und die Verarbeitung. Auch viele regionale Flachs-Varianten sind dem Saatgut für industriell gut verarbeitbaren Flachs gewichen.
In diesem Workshop haben wir nicht nur unglaublich viele Inhalte und spannende Geschichten von Christiane bekommen, sondern wir haben auch besprochen, wie man den Flachsanbau und die -verarbeitung wieder bekannter machen kann. Dazu wird demnächst auf dem Wandelgrund Flachs angebaut, und es sind Mitmach-Aktionen geplant, die den Flachs und Leinen erfahrbar machen sollen. Denn: Flachs ist ein Community-Projekt. Ich freu mich drauf!
Mona und Ulrike vom Projektteam haben einen schönen Blogartikel dazu geschrieben, schau gerne dort vorbei.
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