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Schlagwort: Naturfarben

Indigo aus Japanischem Färberknöterich – Färben und Pigment gewinnen in einem Ansatz!

Die Indigo – Pigmentextraktion aus Blättern vom Japanischen Färberknöterich beschäftigt mich schon eine Weile und ich sammle immer neue Erfahrungen (z.B. zum Sedimentieren des Pigmentes). Bei meinen neuesten Versuchen ging mir neulich ein Gedanke nicht aus dem Kopf: Kann man nicht auch mit der Neonfarbenen Fermentations-Flüssigkeit färben (auf Englisch manchmal wegen seiner Farbe “mermaid juice” genannt)? Der darin enthaltene Farbstoff ist ja die wasserlösliche Vorstufe des Indigo, genau die gleiche, die auch bei der Salzmethode freigesetzt wird, nur eben hier durch die vorangehende Fermentation. Ich hab es ausprobiert, und (Spoiler) es geht! So hab ich es gemacht.

Der Fermentationsprozess zur Pigmentgewinnung in Kürze

Ich fasse nochmal kurz die Schritte zusammen, die ich für die Pigment-Gewinnung aus Japanischem Färberknöterich durchlaufe:

  1. Stängel ernten, Blätter zupfen und in Wasser einlegen.
  2. Abwarten und die Flüssigkeit beobachten. Sobald ein metallischer Schimmer auf der Oberfläche erscheint und die Flüssigkeit einen neongrünen Farbton bekommt, geht es weiter zum nächsten Schritt.
  3. Blätter aus dem Fermentationsansatz entfernen (abseihen oder herausnehmen).
  4. Belüften und Alkalisieren mit Calciumhydroxid
  5. Pigment sedimentieren und ggf trocknen.

Wie genau ich das mache, habe ich im Detail in diesem Blogartikel schon beschrieben.

neonfarbene Fermentationsflüssigkeit von Japanischem Färberknöterich. EIne Hand hält ein Glas in die Kamera. Blaufärben Indigo.
Das ist die neonfarbene Flüssigkeit mit der wasserlöslichen Indigo-Vorstufe. Mermaid juice trifft es ganz gut…

Der relevante Schritt, um den es hier geht, ist der Schritt 3. Im Verlauf von Schritt 2 findet eine Fermentation der Blätter statt, bei der eine wasserlösliche Vorstufe des Indigo in die Fermentationsflüssigkeit übergeht. Diese Vorstufe verleiht ihr offenbar den neonfarbenen Charakter. In Schritt 3 beendet man die Fermentation.

Färben mit der Fermentationsflüssigkeit – ginge das?

In Schritt 3 hat man also für eine kurze Zeit im Grunde das vorliegen, was man später aus dem blauen Pigment nur noch durch Verküpung erreicht: die wasserlösliche Form des Indigo, die in der Lage ist, auf Fasern aufzuziehen.
Wenn man nun am Schritt 3 eine Pause einlegt und die darin enthaltenen wasserlöslichen Indigovorstufen dazu bewegt, auf die Fasern aufzuziehen und dann dort zu verblauen, dann könnte man sich ja eigentlich eine Runde Belüften und Alkalisieren inklusive sedimentieren und trocknen des Pigments sparen? Plus: der pH einer Fermentation ist deutlich wolleschonender als der einer Küpe! Das Ganze müsste im Grunde wie ein Küpenprozess funktionieren.

Garnstränge in Fermentationsflüssigkeit werden grünblau gefärbt mit Japanischem Färberknöterich.
Ein Garnstrang in der Fermentationsflüssigkeit, nachdem ich die Blätter herausgenommen habe. Spannend!

Drumroll please: Es funktioniert!!

Bei der letzten Fermentation habe ich es kurzerhand ausprobiert. Nichts abgewogen, einfach ein paar Stängel geerntet und mit Leitungswasser angesetzt. Als die Fermentation nach ein paar Tagen so weit war, habe ich die Blätter entfernt und einfach einen Wollstrang in die Flüssigkeit gelegt. Dabei habe ich darauf geachtet, so wenig Luft wie möglich in die Flüssigkeit einzubringen und den Strang ab und an etwas zu bewegen.

Der Strang lag ca. 15 min in der Flüssigkeit, danach habe ich ihn herausgenommen und an der Luft verblauen lassen. So macht man das ja auch bei der Küpenfärbung, die Farbtiefe wird dadurch erreicht, dass man die Fasern mehrfach in die Küpe legt und sozusagen Schicht für Schicht aufbaut. Das Verblauen dazwischen ist sehr wichtig, und es ist besser, 3 × 10 min zu färben als 1 × 30 min. Während nun der erste Strang an der Luft verblaute, habe ich in der Zwischenzeit einen zweiten (etwas dickeren) Strang in die Fermentationsflüssigkeit gelegt. Die beiden Stränge habe ich immer abgewechselt und jeden immer ca. 15 min in der Flüssigkeit belassen. Jeder Strang war 3 oder 4 Mal in der Flüssigkeit (ich hab mich zwischendrin verzählt und vergessen, Strichlisten zu machen – ein freifliegendes Experiment sozusagen).

hell mint grüner Strang Wolle hängt auf einem Wäscheständer und tropft. Gefärbt mit Japanischem Färberknöterich, Fermentationsmethode.
Und so sah der Strang nach einem Tauchbad aus. Definitiv: bläulich.

Und natürlich, ich habe ja schon gespoilert: Es hat funktioniert! Die Farbtiefe nahm mit jedem Dip zu, aber es war schon spätabends und irgendwann wurde es zu dunkel, um weiterzuarbeiten, und so habe ich dann einfach ordentlich belüftet und alkalisiert. Und siehe da: es war noch genügend Pigment enthalten, das ich noch fällen konnte!

blaues Indigo Pigment aus Japanischem Färberknöterich als Sediment in einem Marmeladenglas, Nahaufnahme. Der Überstand ist noch leicht blau.
In dem Ansatz verbliebenes Pigment, nachdem ich schon zwei Stränge Wolle gefärbt hatte. Das reicht definitiv noch für ein bisschen mehr Wolle!

Das Besondere an der Fermentationsmethode

Methodisch ist diese Methode des Blaufärbens zwischen der schnellen Salz- bzw. Eis-Methode und der Küpenfärbung anzusiedeln – man muss sich noch nicht an eine Küpe rantrauen, aber man braucht auch schon ein wenig Zeit für die Fermentation. Außerdem muss man lernen, die Zeichen der fertigen Fermentation zu erkennen. Aber das hat man meist nach ein paar Versuchen gemeistert

Die Fermentationsmethode zum Blaufärben ist ein echtes Überraschungsei – jede Charge und vielleicht sogar jeder Strang wird anscheinend ein Unikat. Meine beiden Stränge waren schon leicht unterschiedlich gefärbt, obwohl es die gleichen Fasern aus derselben Spinn-Charge waren! Der dünnere Strang (der zuerst in die Flüssigkeit kam) wurde etwas dunkler, der dickere Strang blieb etwas heller und grünlicher. Die Dicke des Strangs hat vermutlich beeinflusst, wie viel Platz er in der Flüssigkeit hatte und wie gleichmäßig er die Farbe aufnehmen konnte. Wenn Du also gerne Pullovermengen färbst oder gerne immer den gleichen Blauton treffen möchtest, dann ist eine Küpenfärbung vielleicht doch besser.

zwei Stränge mit Japanischem Färberknöterich blau gefärbte Garne
Und so sahen meine Stränge aus. Links der etwas hellere dicke Strang, rechts der etwas dunklere dünne Strang. Die Unterschiede sind nicht sehr groß.

Im Gegensatz zur Küpenfärbung hat man mit dieser Methode keine Möglichkeit, den Farbstoffgehalt zu bestimmen oder gar einzustellen. Mit einer Küpe weiß man, wie viel Indigo man einwiegt und wie intensiv die Färbung wird, mit der Fermentationsmethode wird es definitiv eine Überraschung!

Der Farbton auf meinen Strängen war vergleichbar mit einer Eisbad- oder Salzmethode. Er war weniger intensiv und deutlich grünstichiger als bei einer Küpenfärbung. Der Grünstich könnte von der Fermentationsflüssigkeit und ggf Chlorophyll kommen und sich vielleicht mit der Zeit verflüchtigen, das werde ich beobachten.

Mein Fazit: I like!

Auf diese Weise kann man also quasi zwei Prozesse miteinander kombinieren und das Beste aus zwei Welten haben. Man kann schon mal Fasern färben (und vielleicht auch den Blaugehalt testen bzw prüfen, ob die Fermentation schon fertig ist?), und im Anschluß gewinnt man noch das restliche enthaltene Pigment, das man dann später immer noch im alkalischen verküpen kann. Ich denke, das werde ich in Zukunft öfter so machen, vielleicht probiere ich auch nochmal bei Tageslicht, wie lange man mit so einer Fermentation färben kann, bis es nicht mehr funktioniert, und ob das vielleicht auf Eis länger funktioniert.


Hast Du schon mal mit Fermentationsflüssigkeit blau gefärbt? Schreib mir gerne Deine Erfahrungen in die Kommentare.

Indigo aus Japanischem Färberknöterich – wenn das Pigment nicht sedimentieren will

Dieses Jahr habe ich ein ganzes halbes Beet voll mit Japanischem Färberknöterich. Ich wollte schauen, wie viel Pigment ich bekomme und ob das wohl für eine Küpe reichen wird. Die erste Mini-Probe Anfang Juli gab eindeutig ein schönes Blau, und so setzte ich den ersten Eimer zum Fermentieren an. Aber ach – das Indigo-Pigment will nicht sedimentieren! In diesem Artikel gehe ich auf Ursachenforschung.

(Willst Du nochmal schnell nachlesen, wie man Indigopigment aus Japanischem Färberknöterich gewinnt? Bitte hier entlang!

Ansatz Nr. 1: drei Fermentationen, aber langsame Sedimentation

Für meinen ersten Ansatz habe ich in meinem Enthusiasmus die Blätter nicht gewogen, aber wenigstens hinterher die Stängel gezählt: Es waren 49. Die Blätter waren relativ dicht gepackt in meinem kleinen schwarzen Eimer vom Möbelschweden. Und dann hieß es warten und beobachten.

neonfarbene Fermentationsflüssigkeit von Japanischem Färberknöterich. EIne Hand hält ein Glas in die Kamera. Blaufärben Indigo.
So ungefähr sieht die Flüssigkeit aus, wenn sie gut fermentiert hat. Der neon-Touch, der dem Ganzen im Englischen den Begriff „mermaid juuice“ eingebracht hat, kommt auf dem Foto gar nich so gut rüber.

Ich war dieses Jahr sehr vorsichtig und hab schon bei den ersten Anzeichen von neongrün die Blätter aus dem Ansatz genommen, dann belüftet und alkalisiert. Das Wetter war zwar eher suboptimal (zu kalt, zu wenig Sonne die letzten Wochen), und so hat das Ganze über 3 Tage gedauert.

Aber huiuiui, ist die erste Probe blau geworden! Und die Blätter sahen noch aus wie frisch gepflückt, knackig grün und taufrisch, also gab ich gleich nochmal Wasser drauf und setzte ich damit eine zweite Fermentation an. Die war schon nach einem Tag wieder neongrün mit Schlieren an der Oberfläche und gab wieder blau. Und die Blätter sahen größtenteils immer noch gut aus, daher ich wagte eine dritte Fermentation. Was soll ich sagen: sogar die dritte Extraktion hat geklappt!

EIn Reagenzglas mit blauem Sediment vor einem grünen Rasen im Hintergrund. Blau färben mit Japanischem Färberknöterich.
Als Test, ob die Fermentation schon gut ist, nehme ich immer ein bißchen Flüssigkeit in ein kleines Reagenzglas, schüttele und alkalisiere um zu schauen, ob schon Pigment enthalten ist. Wenn nichts blau wird, ist es noch nicht so weit (oder shcon zu spät…) und es lohnt nicht, den kompletten Ansatz zu verarbeiten. In diesem Fall: Definitiv blau!

Die erste Fermentation habe ich beendet, als sich gerade die ersten metallischen Schlieren auf der Oberfläche bildeten (ich war wie gesagt sehr vorsichtig). Das Pigment in der Flüssigkeit war eher graublau (nicht so leuchtend wie die Ansätze im letzten Jahr) und es brauchte über eine Woche, um sich einigermaßen am Boden abzusetzen (vermutlich sehr kleine Partikel, die schlecht sedimentieren).

Metallische Schlieren auf der Oberfläche einer Fermentation von Blättern des Japanischen Färberknöterichs. Blau färben, Indigo Pigment. faserexperimente.
Bei der zweiten Fermentation sind die metallischen Schlieren und die bläuliche Verfärbung der Bläschen an der Oberfläche sehr gut zu erkennen.

Auch bei der zweiten Fermentation war das Pigment eher graublau und sedimentierte sehr langsam.

Die dritte Fermentation war nach weniger als 24 Stunden fertig, war viel intensiver neongrünblau als die beiden ersten und zeigte deutliche Schlieren auf der Oberfläche. Hier war die Pigmentfarbe intensiver blau (wenn auch nicht so intensiv wie 2023), und das Pigment sedimentierte etwas schneller.

Und nun (fast 4 Wochen später) warte ich immer noch darauf, dass das Pigment vollständig sedimentiert ist… oder ich nehme einfach den Ansatz und mache direkt eine Fructoseküpe daraus, wenn mir das Warten zu lang dauert. Dank des betreuten Färbens im Kurs von Elke (Flora und Farbe) bin ich da überhaupt nicht mehr zögerlich!

Aber Sedimentation hin oder her – ich hab das Gefühl, dieses Jahr ist ein gutes Indigojahr!

Blätter von Japanischem Färberknöterich nach der ersten Fermentation. Frisch und knackig.
So sahen meine Blätter nach der ersten Fermentation aus. Knackig und fast wie frisch gepflückt.

Ansatz Nr. 2 – viel Pigment und wieder langsame Sedimentation

Dieses Jahr möchte ich ja möglichst viel Pigment gewinnen, und so habe ich kurz darauf einen weiteren Ansatz gestartet (diesmal gewogen: mit 388 g Blättern). Auch bei diesem Ansatz konnte ich mehr als eine Fermentation machen (nämlich zwei). Das Pigment ist jetzt dabei zu sedimentieren, aber das geht leider wieder nur sehr langsam, offenbar ist auch hier die Partikelgröße sehr gering. Dementsprechend habe ich jetzt keine Gefäße mehr frei, um weitere Fermentationen anzusetzen… Merke: mehr Anbaufläche allein reicht nicht, um die Produktion zu steigern. Ich brauche auch viele hohe Gläser und Stellfläche für die anschließende Pigmentextraktion und Fällung. Vielleicht muss ich doch mal wieder auf einen Flohmarkt…

Aufsicht auf ein Gefäß mit tiefblauer Flüssigkeit und blauem Schaum auf der Oberfläche. Ein Schneebesen steht in der Flüssigkeit.
Nach dem Belüften und Alkalisieren wird die Flüssigkeit tiefblau.

Überlegungen zur Partikelgröße

Die sehr langsame Sedimentation ließ mir irgendwie keine Ruhe, und so recherchierte ich nochmal in meinen Unterlagen zu den Zusammenhängen.

Es gibt verschiedene Überlegungen, wie man die Partikelgröße des ausfallenden Indigo beeinflussen kann. Fakt ist: je langsamer das Indigo braucht, um sich am Boden des Gefäßes zu sammeln (also zu sedimentieren), desto kleiner sind die Partikel. Wer also schnell ein Sediment haben möchte, weil die Gefäße wieder gebraucht werden, möchte möglichst große Partikel.

In einer Facebook-Gruppe las ich die Überlegung, dass man die Flüssigkeit erst belüften soll und dann mit Ca(OH)2 alkalisieren soll (und dann nur noch rühren und nicht mehr groß bewegen). Das Blau entsteht wohl schon vor dem Alkalisieren, aber sobald Ca(OH)2 dazukommt, hilft das den bereits gebildeten Indigopartikeln, auszufallen. Beim Lösen von Ca(OH)2 in Wasser entsteht wohl CaCO3 (Kreide), an das dann die Indigopartikel binden und quasi „huckepack“ ausfallen. Wenn man alkalisiert, sollte der Sauerstoff also idealerweise schon eingeführt sein, damit sozusagen alle Zutaten zusammen sind und sich große Partikel bilden können. Außerdem soll das starke Bewegen der Flüssigkeit durch Schäumen oder Hin- und Her-Gießen nach dem Alkalisieren dazu führen, dass die Partikel klein bleiben.

Eigentlich hatte ich mich daran gehalten und erst belüftet und nach dem Alkalisieren nur noch ein wenig gerührt, trotzdem scheint das nicht gereicht zu haben. Und bei meinen ersten Extraktionen habe ich es genau anders herum gemacht und es sedimentierte auch problemlos… So ganz kann ich diese Theorie also nicht bestätigen, bzw. es muss noch andere Einflussfaktoren geben.

Die zweite Möglichkeit ist das Wasser selbst: Unser Leitungswasser ist vergleichsweise hart, daher dachte ich, ich nehme mal lieber weicheres, gefiltertes Wasser für die Extraktionen. Wasserhärte ist (unter anderem) die sogenannte Carbonat-Härte, die hauptsächlich durch Calcium- und Magnesiumcarbonat im Wasser entsteht. Wenn Calciumcarbonat aber das Ausflocken des Indigopigments befördern soll… ist gefiltertes Wasser dann vielleicht doch gar nicht so gut wie Leitungswasser?

In einem dritten Ansatz wollte ich dem Ganzen nochmal auf den Grund gehen.

Ansatz Nr. 3 – das richtige Wasser und die richtige Reihenfolge

Ich habe es also nochmal mit Leitungswasser versucht, das Blättergewicht habe ich aber diesmal nicht bestimmt. Das Leitungswasser war handwarm, und die Fermentation war nach 2 Tagen schon fertig. Nach dem Entfernen der Blätter habe ich die Flüssigkeit belüftet, indem ich sie 45 x von einem Gefäß in ein anderes hin- und hergeschüttet habe. (Pro-Tipp: setze nur so viel Flüssigkeit an, wie Du problemlos 100 x hochheben kannst.) Die Flüssigkeit wurde etwas dunkler, aber nicht tiefblau, auch der Schaum wurde nicht blau. Nach der Zugaben von Ca(OH)2 habe ich nur noch gerührt.

Und siehe da: am nächsten Morgen war alles sedimentiert und der Überstand klar. Das werde ich also mal weiter verfolgen, nur noch Leitungswasser verwenden und wirklich lange belüften, bevor ich alkalisiere. Genug Blätter hab ich ja noch 🙂

blaues Indigo Pigment aus Japanischem Färberknöterich als Sediment in einem Marmeladenglas, Nahaufnahme. Der Überstand ist noch leicht blau.
So sieht das gut sedimentierende Indigopigment aus. Der Überstand ist noch leicht blau, aber die Partikel sind groß und werden auch noch auf den Boden sinken. Wenn man auch nach Tagen keine Grenzfläche zwischen Sediment und Überstand sehen kann, dann sind die Partikel zu klein.

Ich habe auch hier nochmal einen zweiten Ansatz versucht und die Blätter nach der ersten Fermentierung nochmal mit Wasser übergossen und angesetzt. Diesmal war das Wasser nach 1 Tag schon neonfarben, aber auch trüb und roch ganz anders als bei einer guten Fermentation. Das Pigment sedimentierte schnell, aber es war eher graublau als Indigoblau. Merke: Pigment aus einem überfermentierten Ansatz wird farblich ganz anders!

grünblaues Sediment überfermentierter Blätter vom Japanischen Färberknöterich. Sediment ist in einem Glas, Nahaufnahme.
Sediment eines überfermentierten Ansatzes. Definitiv nicht indigo-blau, eher so taubenblau. Aber: auch damit kann ich experimentieren!

Wenn Du dazu ein paar Gedanken hast, schreib mir gerne einen Kommentar!

Der Färberwaid und sein Pigment – das gleiche Indigo und doch ganz anders

Das Blaue Pigment hat mich ja in seinen Bann gezogen. Nach ersten Erfolgen mit Japanischem Färberknöterich (oft abgekürzt als JFK, aber nicht zu verwechseln mit einem gewissen Präsidenten) wollte ich es nun auch mit der einheimischen Pigmentquelle versuchen: dem Färberwaid. Das Prinzip sollte das gleiche sein wie mit JFK: Blätter ernten, mit Wasser bedecken und eine Weile stehen lassen (Fermentation), Blätter zum richtigen Zeitpunkt entfernen, Alkalisieren und Belüften, um das Pigment zu bilden und zu fällen, setzen lassen, fertig.

Theoretisch.

Wie ich lernen durfte, steckt aber doch etwas mehr dahinter. Und ich erlaube mir an dieser Stelle einen Disclaimer: Nach dem Lesen des Artikels könnte es sein, dass Du das unstillbare Verlangen hast, Waid anzubauen. Ich lehne jegliche Verantwortung dafür ab und verweise auf den Abschnitt Literatur und weitere Quellen am Ende des Artikels. Und nun viel Spaß beim Lesen!

Der Färberwaid und sein Pigment

Die Pflanze

Färberwaid (Isatis tinctoria) ist eine zweiährige, eher unscheinbare rosettenbildende Pflanze, die eine Pfahlwurzel ausbildet. Im ersten Jahr bildet sie Blätter und im zweiten Jahr dann einen Blütenstand (Kreuzblüter), aus dem wieder Samen gewonnen werden können. In manchen Gegenden z. B. der USA gilt Waid als invasiv und darf dort nicht angebaut werden.

Nahaufnahme der Blattrosette einer Waidpflanze.
Meine Waidpflanzen im Juli ihres ersten Jahres. Noch recht klein, vermutlich war der Topf, den ich ihnen zugedacht hatte, doch etwas zu klein.

Der Farbstoff (bzw. die Vorstufen) sitzen in den Blättern, die mehrmals im Jahr geerntet werden können. Die Quellen sind sich allerdings nicht einig, wann der beste Zeitpunkt ist. Schweppe sagt auf S. 295 „Man beginnt mit ihrem Einsammeln im Juni des zweiten Jahres nach ihrer Aussaat“, die meisten anderen jedoch empfehlen hingegen die Blätter aus dem ersten Jahr.

Das Pigment

Wir erinnern uns: Das Indigo liegt in den Pflanzen als Vorstufe vor (z. B. als Indican, Isatin A oder Isatin B). Bei der Fermentation wird aus der Vorstufe durch die Arbeit von Enzymen das Indoxyl freigesetzt, das ist quasi eine Hälfte des Indigo-Moleküls. In Anwesenheit von Sauerstoff und im Alkalischen können daraus Indigotin (der blaue Farbstoff), Indigorubin (ein rötliches Isomer von Indigotin) und das Isatin (ein orange-gelber Farbstoff, der quasi auch nur eine Hälfte des Indigotins enthält) entstehen. Meist liegen im Indigopigment auch alle diese Moleküle in veränderlichen Gewichtsanteilen nebeneinander vor. Das macht genau den Charakter des natürlichen Indigopigments aus (im Gegensatz zum chemisch synthetisierten, das fast nur das Indigotin enthält). Ein hoher Anteil von Indigotin im Pigment ist dabei ein gewisses Qualitätsmerkmal. Waid enthält weniger Indigo (bzw. Indigovorstufen) als beispielsweise echter Indigo.

Schemazeichnung der Indigoextraktion aus Waid.
Indigo-Chemie in Kürze. Die verschiedenen Vorstufen werden durch Enzyme abgebaut und setzen daraus das Indoxyl frei. In Anwesenheit von Sauerstoff und im Alkalischen können mehrere Pigmente entstehen. Erwünscht ist natürlich das Indigotin.

Die Blätter des Färberwaids enthalten also die Vorstufe des Indigo. Während der Japanische Färberknöterich Indican enthält, liegen im Waid überwiegend Isatan A und Isatan B vor (wobei Isatan A den Hauptteil darstellt, siehe D. Cardon S. 337 ff). Diese Erkenntnisse sind sogar noch recht neu – erst im Jahre 2004 wurde die genaue Struktur von Isatan B von Oberthür et al. aufgeklärt.

Die Spaltung der Vorstufe ist für Isatan etwas anders als für Indican, aber sobald das passiert ist, ist die Chemie die gleiche wie bei den anderen Indigopflanzen auch. Das Spaltprodukt, das wir für das Indigo brauchen, ist das Indoxyl, das dann in Anwesenheit von Sauerstoff und im Alkalischen weiterreagiert zu Indigotin.

Färberwaid früher und heute

Ich bin historisch wirklich nicht gut bewandert und bringe Zahlen immer fürchterlich durcheinander. Aber so viel sei gesagt: Waid hat früher eine enorme Rolle gespielt. Klassisches Anbaugebiet in Deutschland war Thüringen, Thüringer Waid zeichnete sich offenbar durch eine besonders gute Qualität aus. Ab dem 17. Jh verdrängte der aus Übersee importierte Indigo mit seiner tieferen Farbe und höheren Ausbeute den Waid als Quelle für blauen Farbstoff, und wurde selbst später von synthetisch hergestelltem Indigo verdrängt.

Traditionell hat man in Thüringen in Waid-Mühlen aus den Blättern Waidbälle gemacht. Die Blätter wurden gewaschen, gequetscht und zu Bällen geformt. Die Bälle wurden getrocknet und gelagert und konnten später mit Wasser und Urin zur Gärung gebracht werden, um Küpen anzusetzen und zu färben.

Auf die Techniken und Hintergründe möchte ich an dieser Stelle aber gar nicht eingehen. Wenn Du Dich dafür interessierst, empfehle ich Dir z. B. das Buch „Natural Dyes“ von Dominique Cardon oder „Die Textilfärberei vom Spätmittelalter bis zur frühen Neuzeit“ von Sabine Struckmeier.

Die letzte Waidmühle Deutschlands schloß wohl Anfang des 20.Jh ihre Tore. Heute wird nur noch in kleinem Maßstab Waid angebaut und unter Erfurter Blau zum Färben eingesetzt und vermarktet. Die Inhaberin gibt auch Workshops zum Thema Waid, und offenbar wird demnächst ein Crowdfunding gestartet, um einen Trickfilm zu schaffen, der Waid und seine Verarbeitung erklären soll.

Vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit und der Umweltbelastung durch Küpen mit synthetischen Reduktionsmitteln gab es von 2000 bis 2004 ein EU-gefördertes Projekt namens SPINDIGO (Sustainable Production of Plant-Derived Indigo, den finalen Projekt-Bericht gibt es hier). Darin wurde die Machbarkeit (d. h. Wirtschaftlichkeit) eines Revivals des Waid-Anbaus in verschiedenen Ländern Europas untersucht. Die Ergebnisse waren durchaus hoffnungsvoll, aber leider ist daraus nichts Weiterführendes hervorgegangen.

Waid ist anders als Japanischer Färberknöterich

Die im Waid vorhandene Indigovorstufe ist das Isatan (s. o.). Im „Handbook of Natural Colorants“ fand ich nun interessante Hinweise zu experimentellen Bedingungen, die die Ausbeute für die Pigmentgewinnung aus Isatanen erhöhen sollen. Ich lasse die ganze Chemie mal weg und sag nur: Säure. Die Spaltung der Isatane geht wohl im Sauren besonders gut, und zusätzlich stabilisiert die Säure das Spaltprodukt Indoxyl (vor dem Belüften und Alkalisieren). Das Indican hingegen (also die Vorstufe aus dem JFK) ist leichter im Alkalischen zu spalten.

Ein zweiter interessanter Hinweis war die Verwendung von heißem Wasser, mit dem die Blätter anfangs übergossen wurden, bevor der Ansatz dann bei Raumtemperatur weiter inkubiert wurde. Diese Variante wurde in der Literatur speziell für Waid empfohlen.

Diese beiden Bedingungen wollte ich also in mein Experiment einfließen lassen. Und wie ich feststellen musste, unterscheiden sich Waid und Färberknöterich in weiteren Punkten…aber dazu weiter unten mehr.

Meine ersten Versuche mit Waid

Meine Samen gingen gut auf und die 3 Pflanzen wuchsen gut an. Als ich im Juli meine zweite Extraktion des Jahres mit JFK ansetzte, schnitt ich ein paar Blätter Waid mit ab und setzte eine separate kleine Waid-Extraktion mit kaltem Wasser an.

Schon an dieser Stelle kamen die ersten Unterschiede zutage. Die Waid-Fermentation blieb einfach mal fast farblos bis blassgrün. Ich schloss daraus, dass mein Waid vielleicht (noch) keinen Farbstoff enthielt – vielleicht war ja der Topf zu klein, die Pflanzen noch zu jung, oder ich hatte nicht richtig gedüngt? Etwas enttäuscht und verwirrt kippte ich die Fermentation ohne Alkalisieren in die Büsche. Naja, ich hatte wenigstens ein bißchen blau vom JFK.

Zum Vergleich: Beim JFK wird die Flüssigkeit nach 1 – 4 Tagen neonfarben (auf englisch wird oft von mermaid-colour oder anti-freeze colour gesprochen) und zeigt mir an, dass es Zeit wird, die Fermentation zu beenden, zu alkalisieren und zu belüften.

grünlichblaue Flüssigkeit nach Indigo Fermentation in einem Eimer
So sah die neonfarbene Fermentationsflüssigkeit beim Japanischen Färberknöterich aus, bereit zum Belüften und Alkalisieren.
Nahaufnahme Fermentation Waidblätter. Die Blätter sind submers, mit einem Stein und einem Brett beschwert. Der Überstand ist bräunlich.
Und so sah das Ganze mit Waid aus. Kein Neon.

Dann fiel mir ein, wie ich ganz schnell testen könnte, ob die Blätter überhaupt schon blauen Farbstoff enthielten: Ich muss einfach nur ein Blatt zwischen zwei Küchentücher legen und draufhämmern! Gesagt, getan und siehe da: das Blatt roch arg komisch und blieb stur grün. Wo war nur der Farbstoff?

Ich probierte weiter mit der Hammer-Methode: altes Blatt vs. junges Blatt. Aha! Ein junges Blatt wurde ganz ganz leicht blau am Stängelansatz! Ich muss also junge Blätter nehmen!

Auf Küchenkrepp gehämmerte Waid-Blätter. links ein junges Blatt, rechts ein älteres. Ein roter Pfeil zeigt beim jungen Blatt auf eine Blauverfärbung.
Gehämmerter Abdruck von Waid-Blättern. Links ein junges Blatt, rechts ein älteres. Beide bleiben sehr grün (und riechen intensiv unlecker), aber beim genauen Hinschauen meinte ich im Stiel-Ansatz des jungen Blattes etwas Blaues zu sehen (Pfeil).

Eine systematische Versuchsreihe

Diese Ergebnisse standen nun in komplettem Gegensatz zu dem, was andere herausgefunden hatten. Anne von yellowobjects berichtete, dass bei ihr die älteren Blätter mehr Farbstoff enthielten.

Es wurde Zeit, das Ganze etwas systematisch anzugehen. Die Frage „alte vs. junge Blätter“ kombinierte ich mit der Frage „sauer oder neutral fermentieren“, und so setzte ich folgenden Mini-Versuch in Einweckgläsern an:

  1. alte Blätter neutrale Fermentation
  2. alte Blätter saure Fermentation
  3. junge Blätter neutrale Fermentation
  4. junge Blätter saure Fermentation

Zum Ansäuern in 2 und 4 gab ich einfach einen Schluck Essigessenz ins Glas (pH war dann ca. 3)

Nahaufnahme Waid-Extraktion Mini-Maßstab in 1L-Einmachgläsern. Vier Gläser stehen auf einem Tisch, beschriftet mit "1" bis "4". Sie enthalten Flüssigkeit und Blätter.
Alle 4 Mini-Ansätze auf einem Tisch. Gläser 2 und 4 enthielten die Säure und sahen auch irgendwie „eingelegt“ aus.

Meine Erwartung war: wenn überhaupt, dann sehe ich bei den jungen Blättern etwas Pigment, und wenn die Literaturangaben stimmen, dann im Sauren mehr als im Neutralen.

Und so wartete ich und beobachtete meine Gläser. In der Literatur wurde eine Extraktion von 2 bis 4 h beschrieben, ich war gespannt, was „mein“ Waid in dieser Zeit machen würde.

Nach 1,5 h hielt ich es nicht mehr aus und führte einen ersten Fällungstest mit kleinen Mengen Flüssigkeit in Reagenzgläsern durch. Ich gab ein Spatelspitzchen Ca(OH)2 hinzu (=Alkalisieren), verschloß das Glas mit einem Stopfen und schüttelte (=Belüften). Und siehe da: überall wurde etwas Pigment ausgefällt! Das war doch durchaus vielversprechend.

Nahaufnahme: Vier Reagenzgläser vor einer weißen Rauhputzwand. Sie enthalten Überstände und Sedimente. Die Überstände sind in allen 4 grünlich blau. Die Überstände der beiden linken Gläser sind gelblich, die der beiden rechten grünlich blau.
Erste Fällungsversuche nach 1,5 h. Die Reagenzgläser sind v.l.n.r. 1 bis 4. Der Überstand der alten Blätter war deutlich gelber, aber alle enthielten Pigment!

Ich inkubierte tapfer weiter und hoffte auf irgendwas neonfarbiges oder einen metallischen Film an der Oberfläche. Nach 8h war immer noch nichts in diese Richtung passiert. Da ich nun schon deutlich über der empfohlenen Zeit war, entschloss ich mich, die Fermentation zu beenden und das Pigment zu fällen.

Ich gab eine großzügige Spatelspitze (und damit vermutlich viel zu viel) Ca(OH)2 zu jedem Glas und schüttelte ca. 30 Sekunden. Und siehe da: überall fiel etwas aus, und es gab in allen Gläsern einen Farbumschlag von gelblich nach grün! Entgegen meinen Erwartungen wurde also auch aus den älteren Blättern Pigment gefällt. Wer hätte das gedacht!

Nahaufnahme extrahiertes Waid-Pigment in Marmeladengläsern. Vier Marmeladengläser stehen auf einem Tisch vor einer Ziegelwand. Die Gläser sind mit "1" bis "4" beschriftet. In jedem befindet sich gelblicher bis grünlicher Überstand und ein grünlich blaues Sediment.
Nachdem sich das Pigment gesetzt hatte, war ich erst mal frohen Mutes: das sah schon einigermaßen blau aus auf den ersten Blick. Und in den Gläsern mit dem Extrakt aus alten Blättern war definitiv mehr drin (es war ja auch mehr Blattmaterial reingegangen).

Nachdem sich das Pigment gesetzt hatte, sah es sogar blaugrün aus, der Überstand darüber war gelb. Grünblau ist zwar nicht die Zielfarbe, aber der Überstand war sehr gelb, und gelb + blau = grün, oder?

Nahaufnahme vier Reagenzgläser mit grünlichen Sedimenten vor einer weißen Rauhputzwand. Die beiden linken Gläser enthalten mehr und dunkleres Pigment, die beiden rechten Gläser enthalten weniger und helleres Pigment.
So sah das gesammelte Pigment der Ansätze 1 bis 4 aus. V.l.n.r. (1) alte Blätter neutrale Extraktion, (2) alte Blätter saure Extraktion, (3) junge Blätter neutrale Extraktion, (4) junge Blätter saure Extraktion. In diesem Licht war das blau doch eher… sagen wir mal: zurückhaltend.

Eine Frage führt zur nächsten…

Nun, das Pigment war da, aber blau… so richtig blau war es nicht. Eher so potentiell blau. Wenn ich die Informationen aus der Facebook-Gruppe richtig interpretiert habe, dann deutet Grünblau wohl darauf hin, dass der Ansatz überfermentiert war und auch Flavonoide und deren Abbauprodukte mit gefällt wurden. Also doch gelb + blau = grün. Naja. Und schon formte sich das nächste Experiment in meinem Kopf…

Da ich in meiner Küche keine Möglichkeit habe, die chemische Natur des Pigments näher zu untersuchen, wollte ich ihm auf andere Weise auf die Spur kommen. Mir stellten sich zwei Fragen:

  1. Wenn ich das grünblaue Pigment intensiv wasche, bis der Überstand klar ist, wird es dann blauer (nach der Rechnung grün – gelb = blau)?
  2. Ist das Pigment reduzierbar und kann man damit Wolle färben?

Und so schlossen sich nahtlos zwei Folgeversuche an.

Für den Waschversuch verwendete ich Sedimente 2 und 4 (die saure Extraktion). Das Waschen des Pigments aus Glas Nr. 2 mit Wasser (saure Extraktion aus älteren Blättern) war sehr aufwändig, das gelb wurde und wurde nicht weniger. Am Ende war das gewaschene Pigment ein bisschen weniger grün und ein bisschen mehr blau, aber indigo-blau war es definitiv nicht.

Collage aus 2 Bildern zum Vergleich vorher nachher. Nahaufnahme 2 Reagenzgläser. Linkes Sediment ist tiefgrün auf dem linken Bild und blau auf dem rechten Bild (Sediment mit Essig gewaschen). Das rechte Sediment ist unbehandelt und hell grün.
Wenn man mit viel Liebe hinschaut, dann erscheint das mit Wasser und Essig gewaschene Pigment Nr. 2 blau.

In einem letzten Wasch-Schritt habe ich dann etwas Weißweinessig zugesetzt, um auch die letzten Reste kalkhaltiger Verunreinigungen zu entfernen. In der Literatur wurde zwar Citronensäure verwendet, aber die hatte ich grad nicht da. Aber siehe da: in Reagenzglas 2 wurde blau(er)! Houston, wir haben blaues Pigment!

Der Knaller kam dann, als ich das Pigment aus Ansatz 4 (junge Blätter, saure Extraktion) mit Essig wusch: es wurde kanariengelb. Und nach dem Auswaschen des Essigs mit Wasser wurde es wieder grün. Was immer ich da also aus jungen Blättern extrahiert habe, Indigotin war es wohl nicht…

Vergleich Pigment 4 und 2 nach Essig-Waschschritt. Zwei Reagenzgläser vor unscharfen grünen Hintergrund. Das linke Reagenzglas enthält strahlend gelbes Sediment, das linke Reagenzglas enthält blaues Sediment.
Das mit Essig gewaschene Sediment Nr. 4 (linkes Reagenzglas) war kanariengelb. Dagegen sah das mit Essig gewaschene Sediment Nr. 2 fabelhaft blau aus.

Die Reduzierbarkeit untersuchte ich mit den Sedimenten aus der neutralen Extraktion (Sedimente 1 und 3). In kleinen Gläsern resuspendierte ich das Pigment aus Glas 1 (ältere Blätter) und Glas 3 (jüngere Blätter) mit etwas von dem alkalisierten Überstand, der nach der Extraktion übrig geblieben war. Vorsichtig streute ich eine Spatelspitze Entfärber aus dem Drogeriemarkt darüber (das ist Natriumdithionit, ein starkes Reduktionsmittel). Und siehe da: In beiden Gläsern gab es einen Farbumschlag von grün zu gelb! Meine Pigmente waren also reduzierbar.

Allerdings gab immer noch keinen metallischen Schimmer an der Oberfläche, so wie es in den Anleitungen steht. Dass mein Pigment reduzierbar war, heißt noch nicht, dass es auch Indigo ist. Dafür muss es bei der Re-Oxidation blau werden. Ich legte also für 20min ein kleines Strängchen Wolle in die Gläser ein und wartete gespannt. Und siehe da: der Strang aus Glas 1 wurde an der Luft wieder ganz leicht grün!

Yeah, das Pigment ist reduzierbar und oxidierbar!

Ein zweiter Dip brachte leider keine signifikante Vertiefung der Farbe, und in Glas 3 konnte ich überhaupt keine Färbung der Wolle sehen. Vielleicht war es einfach zu wenig Pigment. Oder eben nicht das richtige (in den Waschversuchen wurde das Pigment ja auch kanariengelb statt blau).

Am nächsten Tag hatte sich in Glas 1 die Oberfläche des Bodensatzes an Pigment schon wieder grünblau gefärbt, es war also schon teilweise zurückoxidiert, während das in Glas 3 noch gelb blieb.

Ein letztes Experiment

Eins ließ mir jedoch keine Ruhe, und ich musste es wissen: Erscheint irgendwann dieser metallische Schimmer auf der Oberfläche des Fermentationsansatzes, der das Pigment anzeigt? Wie verändert sich die Fermentation über die Zeit? Was sehe ich, was rieche ich?

Also schnitt ich noch ein paar mehr Blätter ab und setzte wieder eine kleine Fermentation an, dieses Mal mit kaltem Wasser. Ich wollte einfach nur eine kleine Zeitreihe machen.

Nach 24h beobachtete ich leichte Schaumbildung auf der Oberfläche, einen (unangenehmen) vergorenen Pflanzengeruch und definitiv keine schimmernde Oberfläche. Ein Fällungsversuch brachte ganz leicht hellblaues Pigment.

Waid-Fermentation Tag 1
Kalte Waid-Fermentation nach 24 h. bräunlicher Überstand, aber blauer Schimmer ? Fehlanzeige.
Waid-Fermentation Tag 1 Schaum auf Oberfläche
Nach 24 h Kalt-Fermentation hatte sich Schaum gebildet, aber kein metallischer Schimmer.

Nach 48 h roch der Ansatz wirklich übel, es hatte sich eine schimmernde Haut gebildet. Ein erster Hinweis auf Pigment! Die Flüssigkeit war aber sehr trüb, und die Fällung brachte einen eher bräunlichen Niederschlag.

Waid-Fermentation Tag 2 Überstand grün
Nach 48 h Kalt-Fermentation : trüb grüne Brühe.
Waid-Fermentation Tag 2 Schimmer
Der metallische Schimmer auf der Oberfläche sah im ersten Moment vielversprechend aus, vermutlich zeigte er aber nur eine Kahmhaut an.

Nach 36h war der Gestank phänomenal, alles war nur noch eine trübe Brühe und der Niederschlag war graubraun. Kein Blau. Nur Bäh.

Waid-Fermentation Tag 3 Schimmer
Nach 36 h sah das Ganze so aus. Zum Glück überträgt das Internet noch keine Gerüche…
Waid-Fermentation Präzipitate Tag 1 bis 3
Die Sedimente (v.l.n.r. 24 h, 48 h und 36 h) sehen alles andere als blau aus.

Ergebnisse

1) Die Fermentationsdauer ist sehr kurz. Die Waid-Fermentation braucht selbst mit kaltem Wasser im August (tagsüber ca. 30°C) deutlich weniger als 1 Tag bis zur Reife. Man müsste das mal im 2h-Abstand testen…

2) Warte nicht auf den Schimmer. Ein Schimmer erschien bei mir erst, als der Ansatz deutlich überfermentiert war. Der beobachtete Film könnte auch einfach eine Kahmhaut sein. Vermutlich ist in so kleinen Ansätzen auch zu wenig Farbstoff für einen Film enthalten.

Was habe ich gelernt?

Eine Menge.

  1. Es geht! Mein Waid enthält Indigo. Sogar die alten Blätter.
  2. Die Fermentation sieht ganz anders aus als die mit Japanischem Färberknöterich. All die visuellen und olfaktorischen Marker, die ich gesetzt hatte in meinem Gehirn, funktionieren nicht für Waid. Für Waid muss ich neue Marker setzen.
  3. Beobachten und interpretieren. Ich muss mich darin üben zu schauen, ob die Annahmen und Erwartungen, mit denen ich in den Versuch gegangen bin, wirklich zutreffen oder nicht. Üben, ergebnisoffen zu experimentieren und nicht voreilig Schlüsse zu ziehen, die meine Annahmen bestätigen.
  4. Mein Waid war nach 8h offenbar überfermentiert. Nächstes Mal kürzer fermentieren (oder einen kalten Ansatz machen oder beides).
  5. Ich brauche mehr Waid.
  6. Ich LIEBE Experimente.
  7. Youtube ist mein Freund. Auch VOR dem Experimentieren.

Darauf achte ich beim nächsten Versuch

Blauschimmer an Grenzflächen. In einem youtube-Video wurde gezeigt, dass man an den Grenzflächen der Flüssigkeit manchmal einen Blauschimmer sehen kann. Ich vermute aber, dass mein Mini-Ansatz dafür zu wenig Pigment enthielt und ich diesen Schimmer deshalb nicht sehen konnte. Offenbar enthält Waid auch deutlich andere Pigmente als Japanischen Färberknöterich und somit ist der Überstand natürlich auch anders gefärbt. Hinzu kommt, dass Waid deutlich weniger Pigment(vorstufen) enthält und somit die anderen Pigmente alles überdecken, was man bei JFK so schön sehen kann.

Blauer Schaum und langes Belüften. Das einzige wirklich sichere Zeichen für Pigment ist offenbar der blau werdende Schaum beim Belüften (und auch das ist bei ganz kleinen Ansätzen nicht immer gegeben). In meinen Gläsern (und auch den Reagenzgläsern) war intensives Belüften nicht gut möglich, sodass dieser Teil des Experimentes vermutlich suboptimal verlaufen ist. In einem größeren Ansatz sollte das besser funktionieren.


Hast Du schon mal mit Waid gearbeitet? Wie sind Deine Erfahrungen?


Literatur und Quellen

H. Schweppe “Handbuch der Naturfarbstoffe” (1993). Nicol Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Hamburg. ISBN 3-933203-46-5

“Handbook of Natural Colorants” 2nd Ed. (2023). Wiley. ISBN 9781119811718

Dominique Cardon “Natural Dyes. Sources, Tradition, Technology and Science”. (2007).Archetype Publications Ltd. ISBN 978-1-904982-00-5.

Sabine Struckmeier “Die Textilfärberei vom Spätmittelalter bis zur Frühen Neuzeit (14.-16.Jh). Eine naturwissenschaftlich-technische Analyse deutschsprachiger Quellen.”(2011). Waxmann.ISBN 978-3-8309-2527-9

Jenny Dean, Karen Diadick Casselman “Wild Color” (2010). Watson-Guptill Publications. ISBN 978-0-8230-5879-2

Fibershed hat einen wunderbaren Guide:
http://fibershed.org/wp-content/uploads/2018/01/indigo-planting-harvesting-nov2017.pdf

Facebook-Gruppe zur Pigmentextraktion https://www.facebook.com/groups/indigopigmentextractionmethods/

Blogbeiträge

Achtung, keine Https-Verbindung:

http://blog.kirsten-koester.de/2013/10/18/farben-mit-waid/?fbclid=IwAR1UVlNOxkaVUt6vbLFy53uKM4qj327bw25KWg5gE0N9XRFm1OIn_ZTVqf0

http://blog.kirsten-koester.de/2009/05/22/zweijahriger-waid/

Youtube
https://youtu.be/llaesV8Pbq4?si=oQ9BFzTsxCJ4WlIj
https://youtu.be/C-VZyygvwbc?si=kciduXcVcvq714Oa
https://youtu.be/objcrgLQq60?si=bpiAqrErLrZgUFcS

Saatgutquelle:
https://www.stillgarments.com/shop/saatgut/faerberpflanzen-saatgut-set/.

Färben mit Naturfarben – macht die Faser den Unterschied?

Nehmen unterschiedliche Schafrassen Naturfarben wie z.B. Krapp unterschiedlich an? Wird auf Merino das gleiche Färbeergebnis erzielt wie auf Coburger Fuchs oder Wensleydale? Diese Frage ließ mich nach einem Frisörbesuch nicht mehr los, also machte ich mich ans Experimentieren. Das Spinnen und Färben sowie die anschließende Auswertung zog sich über ein gutes halbes Jahr hin.
Dieser Artikel erschien in gekürzter Form im Magazin der Handspinngilde „Mit Spinnrad und Spindel“, Ausgabe 31 (Herbst 2020).

Ich saß entspannt beim Frisör, ließ meine Haare färben und blätterte in der Ausgabe „Down Breeds“ des PLY-Magazins (Frühling 2017). Einen Artikel fand ich besonders interessant: es ging um die Färbung verschiedener Rohwollen von Schafen der Down-/ Down-like Gruppe mit Säurefarbstoffen (S. 22-27 dort). Die Autorin erläutert ihre Methode zur Färbung (Redding Method of Dyeing, www.reddingmethod.com) und zeigt, dass Fasern verschiedener Down-Rassen bestimmte (Säure-) Farben unterschiedlich annehmen. Beispielsweise nahm Cheviot besonders rot gut an, Hampshire besonders blau und grün, Oxford hingegen nahm nur grün mit wirklich guter Sättigung an. Dies wurde von der Autorin auf die jeweilige Schuppenstruktur der Fasern (Schuppenfrequenz, -höhe, -breite und –länge) sowie deren internen Struktur (cell membrane complex (CMC), Cortex, sowie Proportionen und Orientierung der Zellen innerhalb des Cortex) zurückgeführt. Die Down-Wollen bezeichnete sie als Wolle mit niedriger Affinität (low affinity wools).

Diese Redding-Methode kannte ich nicht, und auch mit dem genauen Aufbau einer Wollfaser hatte ich mich noch nie auseinandergesetzt. Wie kommt die Farbe in die Faser, und wo genau ist sie da…? Meine Neugier war geweckt.

Etwas Theorie vorneweg

Werfen wir erst einmal einen Blick auf den Aufbau einer Wollfaser. Im Querschnitt einer Faser lassen sich mikroskopisch zwei verschiedene Regionen erkennen: Paracortex und Orthocortex, beide zusammen bilden den Cortex. Manchmal findet man auch einen Mesocortex, der liegt dann zwischen Ortho- und Paracortex. Unterschiede zwischen Ortho- und Paracortex sind, grob vereinfacht, für den Crimp (also die Kräuselung der Faser) verantwortlich.

Der Cortex wird von Cortexzellen gebildet, die sich über die gesamte Länge der Faser aneinanderreihen und das Keratin enthalten. Jede einzelne Cortexzelle ist wiederum von einem Zellmembrankomplex (engl. Cell Membrane Complex, CMC, s.o.) umgeben (vgl. diese Abbildung . Aufgrund von Copyright kann ich sie hier nicht direkt abbilden), eine Art „Zement“, der sich durch die gesamte Faser zieht.

Der äußere Teil der Faser wird von Schuppen ummantelt. Die Schuppen (engl. Cuticle Cells) sind einzelne, sich überlappende Zellen, die ebenfalls mit dem Zellmembrankomplex (dem „Zement“) in Kontakt stehen.

Schematischer Aufbau einer Wollfaser
Schematischer Aufbau einer Wollfaser. Genutzt unter der Creative Commons License. Photographer: Textile and Fibre Technology.
Quelle: https://www.scienceimage.csiro.au/library/textile/i/2489/diagram-of-wool-fibre-structure/3

Wie kommt nun die Farbe in die Faser?

Im Buch „The Coloration of Wool and other Keratin Fibres“ wird beschrieben, dass Farbstoffe hauptsächlich über die Zwischenräume zwischen den Schuppen in die Faser eindringen, sich über den Zellmembrankomplex im Inneren verteilen und schließlich in keratinhaltigen Bereichen binden. Für diesen Prozess werden erhöhte Temperaturen und eine ausreichend lange Verweilzeit im Färbebad benötigt, da sonst die Farbstoffe aufgrund unvollständiger Bindung wieder ausbluten können (S. 66, S. 68 f.). Jeanne M. Buccigross („The Science of Teaching with Natural Dyes“) beschreibt, dass nur ein Teil des Keratins Farbstoffe binden kann, da die großen Farbstoffmoleküle nicht in die dicht gepackten Keratin-Bereiche (Fibrillen) eindringen können sondern nur in lockerer gepackte, sog. Amorphe Bereiche (S.82).

Der Färbevorgang läuft dabei in vier (kontinuierlichen) Schritten ab (nach Lewis & Rippon, S. 60):

  1. Diffusion des Farbstoffes durch das Färbebad zur Faseroberfläche (dieser Schritt läuft am schnellsten ab)
  2. Bindung des Farbstoffs an die Faser
  3. Transport des Farbstoffes über die Faseroberfläche nach innen
  4. Diffusion des Farbstoffes von der Oberfläche durch die gesamte Faser

Faktoren, die Einfluss auf das Färbeergebnis haben können, sind z.B. (unvollständige Liste):

  1. Lanolingehalt (könnte das Eindringen des Farbstoffes in die Faser verhindern),
  2. Menge des Farbstoffes im Färbebad (auch im Verhältnis zur Wollmenge)
  3. Art des Farbstoffs (molekulare / chemische Eigenschaften)
  4. pH, Anwesenheit von Salzen und Benetzungsmitteln

Unterschiede in der natürlichen Zusammensetzung des Zellmembrankomplexes (z.B. in Abhängigkeit von der Schafrasse) könnten diesen Überlegungen zufolge ebenfalls Einfluss auf die Färbeergebnisse haben, indem sie verschiedene Farbstoffe aufgrund ihrer molekularen / chemischen Eigenschaften unterschiedlich gut binden.

Das Experiment

Mir stellte sich nun die Frage, ob Fasern verschiedener Schafrassen Naturfarben genauso unterschiedlich binden wie die Säurefarbstoffe, die Frau Redding benutzt hat. Allerdings hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch keine Erfahrungen mit Naturfarben gesammelt (vom Frisör mal abgesehen…).

So wurde die Idee geboren, Garne verschiedener Schafrassen mit Naturfarben zu färben und nach Unterschieden zu suchen. Da es fertige rassespezifische Garne in Deutschland nur sehr begrenzt zu kaufen gibt, bestellte ich kurzerhand 20 Kammzüge zu 100g beim Wollhändler meines Vertrauens und machte mich ans Spinnen. Jeder fertige 100g-Strang wurde in sechs ca. 15g-Strängchen unterteilt, die für das Färben zur Verfügung standen, die verbliebenen ca. 10g blieben ungefärbt als Referenz.

Auswahl der Fasern

Bei der Auswahl der Fasern sollten möglichst viele Fasergruppen (entsprechend Fleece and Fiber Source Book) berücksichtigt werden.

Die Zuordnung zu den dort definierten Gruppen war jedoch nicht immer eindeutig möglich, z.B. waren regionale Rassen wie etwa Coburger Fuchs im Buch nicht aufgeführt, und einige der kommerziell angebotenen Fasern schienen mehr auf ein Gemisch verschiedener Schafrassen einer Region hinzuweisen als eine wirkliche Rasse (z.B. Falkland, Island, Polarfuchs, Norwegische). In solchen Fällen habe ich die Fasern nach Spinnverhalten zugeordnet (z.B. Falkland), die nachfolgend vorgestellte Einteilung ist daher meine eigene. Wenn mehrere Farbvarianten zur Auswahl standen, habe ich mich für die weiße Faser entschieden.

Als weitere regionale Rasse wollte ich eigentlich neben Cobuger Fuchs auch das Bergschaf im Experiment berücksichtigen. Davon war allerdings zum Zeitpunkt der Bestellung kein Kammzug, sondern nur Vlies erhältlich. Die Faservorbereitung sollte aber für alle Fasern möglichst gleich sein, um Unterschiede in der Farbe durch verschiedene Faservorbereitungen und / oder Spinntechniken auszuschließen. Somit blieb es beim Coburger Fuchs als Deutsche Rasse.

Und so packte ich mir meinen virtuellen Einkaufswagen voll und hatte kurze Zeit später ein riesiges Paket Flausch vor der Tür.

Eine Kiste voller kleiner Tüten mit Kammzügen
Ein Paket voller Flauschrausch 🙂

Nachfolgend stelle ich die Gruppen und jeweils verwendeten Fasern kurz vor. Nicht alle ausgewählten Fasern repräsentieren eine bestimmte Rasse, einige sind nur Bezeichnungen für die Herkunft der Fasern (z.B. Falkland, Polarfuchs, evtl. Finnische, Norwegische).

Gruppe 1: Down Breeds

  • Southdown: Hauptsächlich weiße Faser mit guter Kräuselung. Sie ergibt aus meiner Erfahrung elastische Garne, filzt schlecht und wird von mir daher gerne zum Spinnen von Sockenwolle verwendet
  • Suffolk: Die angebotene Faser war graues Suffolk. Beim Bestellen der Faser habe ich dies nicht hinterfragt, jedoch ist mir bei der genaueren Recherche im Fleece and Fiber Sourcebook ein Kommentar der Autorinnen aufgefallen (S. 80 dort). Sie weisen darauf hin, dass Suffolk weiße Schafe sind, jedoch eine kommerzielle Faser als „graues Suffolk“ angeboten wird. Diese Faser zeigt kaum Ähnlichkeit mit echtem Suffolk bezüglich Stapellänge, Kräuselung usw., eine Recherche der Autorinnen zur Identität der eingeflossenen Fasern erbrachte jedoch keine Ergebnisse. Ich habe die Faser dennoch aufgrund der schönen Naturfarbe im Experiment belassen.

Gruppe 2: Cheviot Gruppe

  • Cheviot: Weiße Fasern mit schöner Kräuselung, Down-ähnliche Eigenschaften, robust, filzt schlecht. Wird in Großbritannien zu den Hochlandrassen (Hill Breeds) gezählt.

Gruppe 3: English Longwools

  • Blue Faced Leicester: Lange, seidige Fasern mit schönem Glanz. Feiner als die anderen Longwools.
  • Teeswater: Sehr lange, glänzende Faser, gröber als Wensleydale, deutlich cremefarben.
  • Wensleydale: Sehr lange, glänzende Faser, gröber als Blue Faced Leicester, weiß.

Gruppe 4: Black Face Mountain Family

  • Swaledale: Den Angaben im Fleece & Fiber Sourcebook zufolge eine grobe Wolle, es hat mich jedoch sehr überrascht, wie weich sie doch war. Sie ist definitiv Pullover-geeignet! Matte, moderat gekräuselte Faser mit hellbrauner Farbe, obwohl die Abbildungen der Schafe weiße Wolle zeigten, nur die Lämmer sind dunkel. Mir stellte sich daher die Frage, ob es sich auch hier (ähnlich wie bei Suffolk) um ein Fasergemisch mit Namen „Swaledale“ handeln könnte, vgl. dazu auch den Abschnitt „What’s in a name?“ auf S. 16 und 17 im Fleece & Fiber Sourcebook. Hier wird die Garnlinie Purelife von Rowan beschrieben, die zwar Namen von Schafrassen tragen, aber aus einem Fasergemisch verschiedener britischer Rassen bestehen.

Gruppe 5: Merino / Fine Wools

  • Bio-Merino: Feine weiche Wolle, die wohl jeder kennt. Ich habe sie für die Färbungen als Referenzfaser verwendet.
  • Rambouillet: Feine, weiche Wolle, weniger Glanz als Merino (eher matt), aber aufgrund der Kräuselung sind die Garne elastischer als Merino.

Gruppe 6: Nordeuropäische Kurzschwanzschafe (Northern European Short-Tailed)

  • Finnische: Finnschaf-Wolle ist (im Gegensatz zu den anderen Rassen der Gruppe) single coated, sie filzt leicht und hat nur moderate Kräuselung. Meine Wolle war mittelweich/ robust und recht lang.
  • Island: Island-Schaf-Wolle ist Double coated. Diese Wolle war weiß, langstapelig und eher grob, anscheinend wurden Deckhaar und Unterhaar gemeinsam verarbeitet.
  • Polarfuchs: Nach meinen Recherchen ebenfalls Island-Wolle, Polarfuchs ist aber deutlich feiner. Möglicherweise wurden die Deckhaare abgetrennt und nur die weiche Unterwolle verarbeitet, dies ist aber nur eine Vermutung aufgrund der Weichheit der Faser. Hellbeige Farbe.
  • Norwegische: Laut „World of Wool“ eine der ältesten Schafrassen der Welt, ist jedoch nicht im Fleece & Fiber Sourcebook gelistet. Gröbere Wolle mit eher längerer Stapellänge, aber feiner als Isländische.
  • Shetland: Sehr vielfältige Wolle hinsichtlich z.B. Farbe und Feinheit, es gibt sowohl single als auch double coated. Interessanterweise kann sich die Bezeichnung „Shetland“ zum einen auf die Rasse beziehen (es gibt auch Shetland-Schafe außerhalb der Shetlandinseln), aber unabhängig von der Rasse auch auf die Herkunft (ähnlich wie bei „Falkland“). Dementsprechend kann ich nicht sicher sagen, ob die von mir verwendeten Fasern rassetypisch sind. Sie waren recht weich und dem Anschein nach nicht von double coated Schafen (wie z.B. Island).

Gruppe 7: Andere (Other)

  • Charollais: Ursprünglich entstanden im 19.Jh. aus der Kreuzung von Leicester Longwool und französischen Landrassen, auch Southdown. Die Fasern sind fein bis mittelweich und recht kurz.
  • Corriedale: Ursprünglich entstanden aus Lincoln, eventuell Leicester, und Merino in Neuseeland. Etwas längere, mittelfeine Fasern, gleichmäßige Kräuselung. Angenehm zu spinnen, robuster als Merino, aber noch recht weich.
  • Jacob: Sehr unterschiedliche Faserqualitäten sind möglich, eher auf der robusten Seite, Stichelhaare sind möglich. Kann Down-Breed ähnliche Eigenschaften aufweisen. Mein Kammzug war für robuste Fasern auf der weichen Seite.
  • Polwarth: Ursprünglich entstanden aus der Kreuzung von Merino-Böcken mit Merino/Lincoln Auen. Sehr feine Fasern, die sehr aufgeflufft sind. Mir ist nicht ganz klar, warum sie nicht unter „Fine Wools“ wie Merino geführt wird im Fleece & Fiber Sourcebook.
  • Falkland: Erwartet habe ich eine Merino- oder Polwarth-ähnliche, weiche Faser. Der Kammzug war jedoch eher auf der groben Seite und verhielt sich spinntechnisch eher wie eine grobe Longwool (lange Stapellänge). Daher habe ich diese Faser bei der Auswertung eher bei den Longwools angesiedelt.

Gruppe 8: Deutsche Rassen

  • Coburger Fuchs: Relativ grobe und matte, wenig gekräuselte Faser, der charakteristische rötliche Schimmer war nur schwach ausgeprägt, mein Kammzug war eher weiß mit wenigen rötlichen Haaren.

Spinnen der Fasern

Gesponnen habe ich die Garne auf meinem Lendrum DT mit dem Woollee Winder. Bei der Wahl der Spinntechnik spielten mehrere Faktoren eine Rolle. Zum einen wollte ich die Länge der jeweiligen Fasern berücksichtigen, zum anderen war mein Ziel, mögliche Unterschiede bei den Färbungen durch die verwendete Spinntechnik auszuschließen. Ein kurzer Auszug mit Glattstreichen der Fasern führt zu einem eher glatten, tendenziell stärker glänzenden Garn, der lange Auszug jedoch eher zu einem matteren Garn, da das Licht von den Fasern in verschiedenste Richtungen reflektiert wird.

Meine Wahl fiel auf den kurzen Auszug, weil dieser für alle Kammzüge geeignet war (ausreichende Stapellänge) und den Glanz und somit die Farbbrillianz begünstigt. Ein langer Auszug hätte sich für die längeren Fasern (Longwools) wahrscheinlich weniger gut geeignet und den Glanz dieser Fasern wohl auch nicht so zur Geltung gebracht (ich habe es aber nicht ausprobiert).

In den meisten Fällen zog ich nach vorn aus, in einigen Fällen (z.B. Rambouillet, Charollais) eignete sich der kurze Auszug nach hinten besser für die Fasern. Glattgestrichen habe ich in beiden Fällen, wobei ich beim Charollais etwas Drall in die Auszugszone gelassen habe.

Um schön weiche Garne zu bekommen, habe ich mit möglichst wenig Spinndrall gesponnen (überwiegend 6:1) und dann mit etwas mehr Drall zweifach verzwirnt (10:1). Die genaue Drallmenge (Anzahl der Tritte pro Auszug / Zwirnlänge) richtete sich nach der jeweiligen Faser (Longwools deutlich weniger als Fasern mit mehr Kräuselung). Bis auf das BFL waren alle Garne für meinen Geschmack gut ausgeglichen.

Und damit das Ganze nicht zu einem Jahresprojekt ausufert, wollte ich die Garne eher etwas dicker als für mich üblich spinnen, wobei ich jedoch keine Ziel-Dicke im Kopf hatte. Innerhalb eines Garns habe ich versucht, so konsistent wie möglich zu spinnen.

Die Longswools habe ich zu Beginn des Projektes gesponnen. Sie sind deutlich dünner und näher an meinem „Autopilot-Garn“ als die zuletzt gesponnenen mit mehr Kräuselung. Dies hat seine Ursache sicher zum einen darin, dass ich mich anfangs noch an das „Dick-Spinnen“ heranarbeiten musste, zum anderen fluffen stärker gekräuselte Fasern nach dem Entspannungsbad aber auch deutlich stärker auf als z.B. die Longwools.

Jeder 100g-Strang wurde in sechs ca. 15g-Strängchen unterteilt, die für das Färben zur Verfügung standen, die verbliebenen ca. 10g blieben ungefärbt als Referenz.

Material: Fasern von „Das Wollschaf“, dort gibt es meines Wissens das größte Sortiment.

Gerät: Lendrum DT, Woolee Winder 6:1 und 10:1

Auszug: überwiegend kurzer Auszug nach vorne, in wenigen Fällen nach hinten (das ging z.B. bei Rambouillet und Charollais besser)

Finish: Entspannungsbad in lauwarmem Wasser, Stränge in Handtüchern ausgedrückt, etwas ausgeschlagen und hängend getrocknet.

Tabelle mit den Garnkennzahlen WPI, Lauflänge, TPI, Zwirnwinkel etc
Kennzahlen der gesponnenen Garne

Färben der Fasern

Für das Färben der Stränge holte ich mir professionelle Hilfe von einer Handfärberin, die sich auf naturgefärbte Garne spezialisiert hat. Da ich nur eine kleine Küche und auch nicht ausreichend Utensilien zum Färben großer Mengen habe, war ich sehr froh, unter Elkes Anleitung und tatkräftiger Mithilfe in ihrer Werkstatt arbeiten zu dürfen. Wir entwarfen einen Färbeplan und entschieden uns für folgende Kombinationen:

Tabelle verwendete Färbematerialien und -bedingungen
Verwendete Färbematerialien und -bedingungen.

Bei der Malvefärbung 1. Zug wurden die Blüten überbrüht und 15min ziehen lassen, bevor der Farbbeutel entfernt und die Wolle für die angegebene Zeit eingelegt wurde. Für den 2. Zug wurde der Färbebeutel wieder hineingegeben und 45 min ausgekocht. Anschließend wurde die Wolle eingelegt und gefärbt.

Die Extrakte wurden aus färbetaktischen Gründen gewählt (kein Einweichen / Auskochen der Droge erforderlich, Pulver kann direkt eingewogen und verwendet werden, das spart deutlich Zeit). Beim Färbevorgang konnte man beobachten, dass die Wollen die Farben unterschiedlich schnell annahmen (siehe unten, Beginn der Färbung mit Blauholz bzw. Zwiebel). Allerdings sind viele der Nuancen am Ende des Färbeprozesses wieder verschwunden, als die Färbung die Sättigung erreichte.

Am Ende der Färbung war das erste, was ins Auge fiel, die deutlich dunklere Färbung des Cheviot. Dies ließ die Vermutung aufkommen, dass es sich möglicherweise um superwash-ausgerüstete Fasern handeln könnte (was ist superwash, fragst Du? Hier habe ich einen Artikel dazu geschrieben). Dieser Vermutung ging ich in einem Ergänzungsversuch bei mir zu Hause auf den Grund. Dafür habe ich verschiedene Kammzüge (Cheviot und Cheviot superwash vom Wollschaf, Cheviot von Flinkhand, sowie zur Vergleichbarkeit bzw. als Kontrolle Falkland und Rambouillet von Flinkhand) auf die gleiche Art gesponnen wie auch die anderen Proben und anschließend mit Malvenblüten gefärbt wie oben beschrieben.

Bemerkenswert ist die deutlich intensivere Färbung der Fasern im Nach-Versuch, obwohl das gleiche Verhältnis Wolle:Färbematerial verwendet wurde. Einzige Unterschiede waren anderes Leitungswasser sowie eine längere Verweilzeit in der Kaltbeize (>2 Tage).

Die Ergebnisse

Für die Auswertung habe ich Fotos der jeweiligen Farben (immer oben im Bild) mit Bio-Merino als Referenz (immer unten im Bild) gemacht. Fasern, die nicht naturweiß / cremefarben waren, sind in der ersten Spalte grau hinterlegt.

Vergleich der Färbung der jeweiligen Rasse mit Merino, Teil 1
Vergleich der Färbung der jeweiligen Rasse mit Merino, Teil 2
Vergleich der Färbung der jeweiligen Rasse mit Merino, Teil 3
Die Farbtreue auf den Fotos ist leider sehr unterschiedlich, je nachdem, welche Farben nebeneinander lagen, wirken sie auf den Fotos dunkler oder heller (der untere Strang ist immer Merino, sieht jedoch in den Bildern immer unterschiedlich aus). Malve II ist in Wirklichkeit viel dunkler als auf den Fotos, ungefähr so, wie auf dem Foto der Bio-Merino alleine.

Auf den Fotos kommen die mit dem Auge wahrnehmbaren Unterschiede nicht immer gut zur Geltung (ich bin leider kein guter Fotograf…), daher habe ich eine Matrix zur schematischen Darstellung der Ergebnisse erstellt, die die Farbintensität der jeweiligen Färbung im Vergleich zu Merino wiedergibt (mit meinen Augen gesehen):

0 = gleich intensiv; /= etwas weniger intensiv; // = deutlich weniger intensiv; + = etwas intensiver; ++ deutlich intensiver

Tabellarische Matrix-Auswertung
Matrix zur schematischen Erfassung der Farbintensitäten auf den verschiedenen Schafrassen.

Um zu schauen, ob innerhalb einer Rasse vielleicht eine Farbe besonders gut angenommen wird, habe ich für jede Rasse alle Färbungen nebeneinandergelegt und fotografiert.

Abbildung der gefärbten Stränge, nach Rasse geordnet, 6 Färbungen und ungefärbt
Darstellung aller Farben, zusammengefasst für jede Schafrasse.

Außerdem habe ich alle 20 Stränge / Rassen in der jeweiligen Färbung sowie ungefärbt fotografiert:

Legende für die Zuordnung der Garne in den Fotos der jeweiligen Färbungen.
Legende für die Zuordnung der Garne in den Fotos der jeweiligen Färbungen.

Auswertung der Ergebnisse

Das erste, was ins Auge fiel, war die deutlich dunklere Färbung der Cheviot-Stränge in allen Färbungen. Dies ließ die Vermutung aufkommen, dass es sich möglicherweise um superwash-ausgerüstete Fasern handeln könnte (s.o., obwohl ich definitiv nicht die superwash-Variante bestellt hatte). Diese Vermutung konnte in einem Ergänzungsversuch bestätigt werden (vgl. diese Abbildungen). Das unbehandelte Cheviot aus zwei verschiedenen Quellen (Wollschaf, Flinkhand) war in seiner Färbung vergleichbar mit Falkland.

Ziehen die Farben nun unterschiedlich auf die Rassen auf?

Ja! Während des Färbevorgangs war zu beobachten, dass die Farben auf die unterschiedlichen Garne unterschiedlich schnell aufzogen (vgl. diese Abbildungen). Jedoch waren die Unterschiede am Ende des Färbevorgangs wieder ausgeglichen: anscheinend dringen die Farbstoffe unterschiedlich schnell in die Fasern ein, am Ende sind jedoch vergleichbare Farbstoffmengen in den verschiedenen Fasern gebunden. Ob es sich hierbei um unterschiedliche Affinitäten der diversen Fasern zu den verschiedenen Farbstoffmolekülen handelt, müsste in weiteren (recht komplexen) Versuchen geklärt werden. Dieser Befund verdeutlicht, warum eine ausreichend hohe Einwirkzeit für das Färben mit Naturfarben erforderlich ist.

Zwiebelschalen brachten die meisten Unterschiede zwischen den Rassen heraus, die wenigsten Unterschiede waren bei den Malve-Färbungen und Reseda zu beobachten.

Zusammenfassende Auswertung der Färbungen im Vergleich zu Merino. Berücksichtigt wurden nur die weißen Fasern.

Gibt es Unterschiede in der Farbaufnahme zwischen den Rassen oder Gruppen?

Die Schafrassen zeigten keine so deutliche Präferenz für bestimmte Farben, wie es im PLY-Artikel für Säurefarben gezeigt wurde. Um die Nuancen besser beurteilen zu können, habe ich jede Faser immer mit Merino als Referenzfaser verglichen und versucht zu ermitteln, ob sie dunkler oder heller gefärbt war als Merino. Diese „augische“ Methode ist natürlich sehr fehleranfällig, da jedes Auge die Farben anders sieht. Ein Labor zur Bestimmung der Farbintensität stand mir jedoch leider nicht zur Verfügung. Da die nicht-weißen Fasern (v.a. Suffolk, Swaledale, Polarfuchs) immer dunkler waren als Merino, liefen sie ein wenig „außer Konkurrenz“. Die zu beobachtenden Effekte (vgl. diese Tabelle ) waren dennoch sehr interessant. So war z.B. Polwarth in fast allen Farben blasser als alle anderen Fasern, während bei den Langwollen BFL und Wensleydale tendenziell intensiver gefärbt waren.

Down Breeds (1): keine Unterschiede in Farbtiefe zu Merino feststellbar (Southdown). Interessante Färbung des naturbraunen Suffolk.

Cheviot (2): deutlich intensiver als Merino (außer bei Reseda, da nur wenig intensiver). Verdacht auf superwash-Ausrüstung. Bestätigt durch 2. Experiment.

Longwools (3): Naturfarbe etwas dunkler (cremefarben), BFL hat Zwiebel, Rotholz und Blauholz besser angenommen, Wensleydale Malve II und Rotholz. Bei Teeswater und Falkland ließ sich kein Unterschied zu Merino feststellen.

Black Face  Mountain (4): Swaledale – durch die Naturfarbe dunklere Färbung bei Reseda, Zwiebel, Rotholz und Blauholz. Interessanterweise ist die Malvenfärbung nicht so intensiv (evtl. zu dicht an der Naturfarbe?).

Fine Wool / Merino (5): Rambouillet- Rot und Orange-Töne etwas intensiver als Merino.

North European Short tailed (6): Fast kein Unterschied zu Merino. Shetland war mit Rotholz etwas intensiver gefärbt als Merino. Trotz der deutlich dunkleren Naturfärbung des Polarfuchs wurden die Farben nur wenig dunkler als bei Merino.

Other (7): Fast keine Unterschiede zu Merino. Charollais ist etwas intensiver gefärbt bei Zwiebel, Rotholz und Blauholz. Polwarth ist außer bei Rotholz und Blauholz blasser als Merino.

Deutsche Rasse (8): Coburger Fuchs ist in der Naturfarbe etwas dunkler als Merino, bei den Farben sieht man aber nur bei Zwiebelschalen ebenfalls eine dunklere Färbung, ansonsten keine Unterschiede zu Merino.

Bewertung in Bezug auf Lanolingehalt und Wolle

Die von mir verwendeten Kammzüge waren industriell hergestellt und enthielten daher auch kein Rest-Lanolin. Ein Einfluss auf das Färbeergebnis ist demnach auszuschließen. Bei der Verwendung von Rohwolle, so wie bei der Redding-Methode, ist es hingegen möglich, dass unterschiedlicher Lanolingehalt (auch wenn Lanolin durch Waschen entfernt wird) die Färbung beeinflusst / beeinträchtigt. Auch sind bei der Verwendung von Vliesen einzelner Tiere im Vergleich zu Industrieware sicherlich größere Unterschiede möglich.

Bewertung in Bezug auf die Farbstoffkonzentration

Alle Färbebäder enthielten große Mengen Farbstoff (Farbstoffüberschuss), keines war am Ende des Färbevorganges erschöpft und man hätte noch mindestens 1 – 2 Züge färben können. Ein „Wettbewerb“ der verschiedenen Fasern um die vorhandenen Farbstoffmoleküle ist daher unwahrscheinlich. Unterschiede in den Farbintensitäten auf den Garnen sind also ausschließlich auf die Eigenschaften der Faser zurückzuführen und nicht auf Farbstoffmangel.

Um Präferenzen für einzelne Farben ganz genau vergleichen zu können (also ob eine Faser stärker rot als blau bindet), wäre es erforderlich, immer gleiche Konzentrationen an Farbstoff einzustellen (z.B. 1%, 5% o.ä.), wie es für Säurefarben gemacht werden kann. Bei Naturfarben ist es aber deutlich schwieriger, einheitliche Färbelösungen herzustellen, da die Menge an Farbstoff im Pflanzenmaterial bzw. in daraus gewonnenen Extrakten nicht auf bestimmte Konzentrationen eingestellt ist. Zudem haben auch Faktoren wie z.B. die Qualität des beim Färben verwendeten Wassers, die Wachstumsbedingungen der Pflanzen, der Erntezeitpunkt sowie Trocknungsbedingungen (um nur einige zu nennen) einen deutlich höheren Einfluss auf das Resultat.

Fasereigenschaften

Interessant ist, dass Polwarth bei den meisten, aber nicht bei allen Farben (nämlich nicht bei Rotholz- und Blauholzextrakt) die Farbe schwächer annahm als Merino. Es wäre interessant zu wissen, worin sich z.B. die Schuppenstruktur oder der CMC des Polwarth von Merino unterscheidet, und auch welche chemische Struktur die Farbstoffe genau haben.

Ausblick

Dieses Experiment hat mir in vielerlei Hinsicht die Augen geöffnet. Einmal mehr wurde mir bewusst, dass es „die Schafwolle“ eigentlich gar nicht gibt, denn die Vielfalt der Fasern verschiedener Schafrassen ist wirklich bemerkenswert. Allein die unterschiedlichen Nuancen in „weißer“ Wolle sind faszinierend, ebenso wie ihr Spinnverhalten und die Verwendungsmöglichkeiten der Fasern. Ich bin immer noch hingerissen von den leuchtenden Farben und vielfältigen Schattierungen, die mit Naturfarben erzielt werden können. Es ist gut vorstellbar, dass das Ganze noch komplexer wird, wenn man keine industriell gefertigten Kammzüge (homogen gemischte Fasern vieler Tiere) sondern einzelne Vliese verarbeitet.

Mir wurde auch noch einmal bewusst, dass ich auch beim Einkauf genau auf das Label schauen muss (vgl. graubraunes Suffolk, Falkland, Polarfuchs), und dass eine superwash-Behandlung nicht immer an der Faser erkannt werden kann, wenn man keine Vergleichsfaser daneben liegen hat.

Ich nehme auch die Erkenntnis mit, dass ich mir der Rasse nur wirklich sicher sein kann, wenn ich das Schaf kannte, von dem die Wolle kam, und ich auch das Vlies verarbeitet habe. Kommerziell aufbereitete und über Großhändler bezogene Wolle ist ein wunderbarer Weg, an viele verschiedene Fasern zu kommen und sie kennenzulernen. Jedoch kann man als Kunde nicht immer problemlos nachvollziehen, welche Fasern zu einem bestimmten Produkt verarbeitet wurden.

Das führt mich direkt zu der Frage nach Struktur-Funktions-Beziehungen bei Wollfasern der unterschiedlichen Rassen: Gibt es z.B. auf molekularer Ebene Unterschiede, die zu verschiedenen Morphologien (Kräuselung, Glanz) führen? Hier wird wohl einiges an Literaturrecherche anstehen. Auch weiterführende Färbeversuche fände ich interessant, z.B. Zeitreihenversuche mit Zwiebelschalen oder Blauholz zu machen, um den Verlauf des Aufzugs der Farbe bis zur Sättigung zu dokumentieren. Oder: Wie verhalten sich die lokalen Schafrassen, die ich hier gar nicht berücksichtigt habe? Ganz sicher ist: es wird weitere Experimente geben!

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Bunte Stränge mit Naturfarben gefärber Wolle in lila, rot, orange, gelb und grün hängen an einer Kleiderstange zum Trocknen

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