Die Indigo – Pigmentextraktion aus Blättern vom Japanischen Färberknöterich beschäftigt mich schon eine Weile und ich sammle immer neue Erfahrungen (z.B. zum Sedimentieren des Pigmentes). Bei meinen neuesten Versuchen ging mir neulich ein Gedanke nicht aus dem Kopf: Kann man nicht auch mit der Neonfarbenen Fermentations-Flüssigkeit färben (auf Englisch manchmal wegen seiner Farbe “mermaid juice” genannt)? Der darin enthaltene Farbstoff ist ja die wasserlösliche Vorstufe des Indigo, genau die gleiche, die auch bei der Salzmethode freigesetzt wird, nur eben hier durch die vorangehende Fermentation. Ich hab es ausprobiert, und (Spoiler) es geht! So hab ich es gemacht.

Der Fermentationsprozess zur Pigmentgewinnung in Kürze

Ich fasse nochmal kurz die Schritte zusammen, die ich für die Pigment-Gewinnung aus Japanischem Färberknöterich durchlaufe:

  1. Stängel ernten, Blätter zupfen und in Wasser einlegen.
  2. Abwarten und die Flüssigkeit beobachten. Sobald ein metallischer Schimmer auf der Oberfläche erscheint und die Flüssigkeit einen neongrünen Farbton bekommt, geht es weiter zum nächsten Schritt.
  3. Blätter aus dem Fermentationsansatz entfernen (abseihen oder herausnehmen).
  4. Belüften und Alkalisieren mit Calciumhydroxid
  5. Pigment sedimentieren und ggf trocknen.

Wie genau ich das mache, habe ich im Detail in diesem Blogartikel schon beschrieben.

neonfarbene Fermentationsflüssigkeit von Japanischem Färberknöterich. EIne Hand hält ein Glas in die Kamera. Blaufärben Indigo.
Das ist die neonfarbene Flüssigkeit mit der wasserlöslichen Indigo-Vorstufe. Mermaid juice trifft es ganz gut…

Der relevante Schritt, um den es hier geht, ist der Schritt 3. Im Verlauf von Schritt 2 findet eine Fermentation der Blätter statt, bei der eine wasserlösliche Vorstufe des Indigo in die Fermentationsflüssigkeit übergeht. Diese Vorstufe verleiht ihr offenbar den neonfarbenen Charakter. In Schritt 3 beendet man die Fermentation.

Färben mit der Fermentationsflüssigkeit – ginge das?

In Schritt 3 hat man also für eine kurze Zeit im Grunde das vorliegen, was man später aus dem blauen Pigment nur noch durch Verküpung erreicht: die wasserlösliche Form des Indigo, die in der Lage ist, auf Fasern aufzuziehen.
Wenn man nun am Schritt 3 eine Pause einlegt und die darin enthaltenen wasserlöslichen Indigovorstufen dazu bewegt, auf die Fasern aufzuziehen und dann dort zu verblauen, dann könnte man sich ja eigentlich eine Runde Belüften und Alkalisieren inklusive sedimentieren und trocknen des Pigments sparen? Plus: der pH einer Fermentation ist deutlich wolleschonender als der einer Küpe! Das Ganze müsste im Grunde wie ein Küpenprozess funktionieren.

Garnstränge in Fermentationsflüssigkeit werden grünblau gefärbt mit Japanischem Färberknöterich.
Ein Garnstrang in der Fermentationsflüssigkeit, nachdem ich die Blätter herausgenommen habe. Spannend!

Drumroll please: Es funktioniert!!

Bei der letzten Fermentation habe ich es kurzerhand ausprobiert. Nichts abgewogen, einfach ein paar Stängel geerntet und mit Leitungswasser angesetzt. Als die Fermentation nach ein paar Tagen so weit war, habe ich die Blätter entfernt und einfach einen Wollstrang in die Flüssigkeit gelegt. Dabei habe ich darauf geachtet, so wenig Luft wie möglich in die Flüssigkeit einzubringen und den Strang ab und an etwas zu bewegen.

Der Strang lag ca. 15 min in der Flüssigkeit, danach habe ich ihn herausgenommen und an der Luft verblauen lassen. So macht man das ja auch bei der Küpenfärbung, die Farbtiefe wird dadurch erreicht, dass man die Fasern mehrfach in die Küpe legt und sozusagen Schicht für Schicht aufbaut. Das Verblauen dazwischen ist sehr wichtig, und es ist besser, 3 × 10 min zu färben als 1 × 30 min. Während nun der erste Strang an der Luft verblaute, habe ich in der Zwischenzeit einen zweiten (etwas dickeren) Strang in die Fermentationsflüssigkeit gelegt. Die beiden Stränge habe ich immer abgewechselt und jeden immer ca. 15 min in der Flüssigkeit belassen. Jeder Strang war 3 oder 4 Mal in der Flüssigkeit (ich hab mich zwischendrin verzählt und vergessen, Strichlisten zu machen – ein freifliegendes Experiment sozusagen).

hell mint grüner Strang Wolle hängt auf einem Wäscheständer und tropft. Gefärbt mit Japanischem Färberknöterich, Fermentationsmethode.
Und so sah der Strang nach einem Tauchbad aus. Definitiv: bläulich.

Und natürlich, ich habe ja schon gespoilert: Es hat funktioniert! Die Farbtiefe nahm mit jedem Dip zu, aber es war schon spätabends und irgendwann wurde es zu dunkel, um weiterzuarbeiten, und so habe ich dann einfach ordentlich belüftet und alkalisiert. Und siehe da: es war noch genügend Pigment enthalten, das ich noch fällen konnte!

blaues Indigo Pigment aus Japanischem Färberknöterich als Sediment in einem Marmeladenglas, Nahaufnahme. Der Überstand ist noch leicht blau.
In dem Ansatz verbliebenes Pigment, nachdem ich schon zwei Stränge Wolle gefärbt hatte. Das reicht definitiv noch für ein bisschen mehr Wolle!

Das Besondere an der Fermentationsmethode

Methodisch ist diese Methode des Blaufärbens zwischen der schnellen Salz- bzw. Eis-Methode und der Küpenfärbung anzusiedeln – man muss sich noch nicht an eine Küpe rantrauen, aber man braucht auch schon ein wenig Zeit für die Fermentation. Außerdem muss man lernen, die Zeichen der fertigen Fermentation zu erkennen. Aber das hat man meist nach ein paar Versuchen gemeistert

Die Fermentationsmethode zum Blaufärben ist ein echtes Überraschungsei – jede Charge und vielleicht sogar jeder Strang wird anscheinend ein Unikat. Meine beiden Stränge waren schon leicht unterschiedlich gefärbt, obwohl es die gleichen Fasern aus derselben Spinn-Charge waren! Der dünnere Strang (der zuerst in die Flüssigkeit kam) wurde etwas dunkler, der dickere Strang blieb etwas heller und grünlicher. Die Dicke des Strangs hat vermutlich beeinflusst, wie viel Platz er in der Flüssigkeit hatte und wie gleichmäßig er die Farbe aufnehmen konnte. Wenn Du also gerne Pullovermengen färbst oder gerne immer den gleichen Blauton treffen möchtest, dann ist eine Küpenfärbung vielleicht doch besser.

zwei Stränge mit Japanischem Färberknöterich blau gefärbte Garne
Und so sahen meine Stränge aus. Links der etwas hellere dicke Strang, rechts der etwas dunklere dünne Strang. Die Unterschiede sind nicht sehr groß.

Im Gegensatz zur Küpenfärbung hat man mit dieser Methode keine Möglichkeit, den Farbstoffgehalt zu bestimmen oder gar einzustellen. Mit einer Küpe weiß man, wie viel Indigo man einwiegt und wie intensiv die Färbung wird, mit der Fermentationsmethode wird es definitiv eine Überraschung!

Der Farbton auf meinen Strängen war vergleichbar mit einer Eisbad- oder Salzmethode. Er war weniger intensiv und deutlich grünstichiger als bei einer Küpenfärbung. Der Grünstich könnte von der Fermentationsflüssigkeit und ggf Chlorophyll kommen und sich vielleicht mit der Zeit verflüchtigen, das werde ich beobachten.

Mein Fazit: I like!

Auf diese Weise kann man also quasi zwei Prozesse miteinander kombinieren und das Beste aus zwei Welten haben. Man kann schon mal Fasern färben (und vielleicht auch den Blaugehalt testen bzw prüfen, ob die Fermentation schon fertig ist?), und im Anschluß gewinnt man noch das restliche enthaltene Pigment, das man dann später immer noch im alkalischen verküpen kann. Ich denke, das werde ich in Zukunft öfter so machen, vielleicht probiere ich auch nochmal bei Tageslicht, wie lange man mit so einer Fermentation färben kann, bis es nicht mehr funktioniert, und ob das vielleicht auf Eis länger funktioniert.


Hast Du schon mal mit Fermentationsflüssigkeit blau gefärbt? Schreib mir gerne Deine Erfahrungen in die Kommentare.