Die Indigo – Pigmentextraktion aus Blättern vom Japanischen Färberknöterich beschäftigt mich schon eine Weile und ich sammle immer neue Erfahrungen (z.B. zum Sedimentieren des Pigmentes). Bei meinen neuesten Versuchen ging mir neulich ein Gedanke nicht aus dem Kopf: Kann man nicht auch mit der Neonfarbenen Fermentations-Flüssigkeit färben (auf Englisch manchmal wegen seiner Farbe “mermaid juice” genannt)? Der darin enthaltene Farbstoff ist ja die wasserlösliche Vorstufe des Indigo, genau die gleiche, die auch bei der Salzmethode freigesetzt wird, nur eben hier durch die vorangehende Fermentation. Ich hab es ausprobiert, und (Spoiler) es geht! So hab ich es gemacht.
Der Fermentationsprozess zur Pigmentgewinnung in Kürze
Ich fasse nochmal kurz die Schritte zusammen, die ich für die Pigment-Gewinnung aus Japanischem Färberknöterich durchlaufe:
Stängel ernten, Blätter zupfen und in Wasser einlegen.
Abwarten und die Flüssigkeit beobachten. Sobald ein metallischer Schimmer auf der Oberfläche erscheint und die Flüssigkeit einen neongrünen Farbton bekommt, geht es weiter zum nächsten Schritt.
Blätter aus dem Fermentationsansatz entfernen (abseihen oder herausnehmen).
Belüften und Alkalisieren mit Calciumhydroxid
Pigment sedimentieren und ggf trocknen.
Wie genau ich das mache, habe ich im Detail in diesem Blogartikel schon beschrieben.
Der relevante Schritt, um den es hier geht, ist der Schritt 3. Im Verlauf von Schritt 2 findet eine Fermentation der Blätter statt, bei der eine wasserlösliche Vorstufe des Indigo in die Fermentationsflüssigkeit übergeht. Diese Vorstufe verleiht ihr offenbar den neonfarbenen Charakter. In Schritt 3 beendet man die Fermentation.
Färben mit der Fermentationsflüssigkeit – ginge das?
In Schritt 3 hat man also für eine kurze Zeit im Grunde das vorliegen, was man später aus dem blauen Pigment nur noch durch Verküpung erreicht: die wasserlösliche Form des Indigo, die in der Lage ist, auf Fasern aufzuziehen. Wenn man nun am Schritt 3 eine Pause einlegt und die darin enthaltenen wasserlöslichen Indigovorstufen dazu bewegt, auf die Fasern aufzuziehen und dann dort zu verblauen, dann könnte man sich ja eigentlich eine Runde Belüften und Alkalisieren inklusive sedimentieren und trocknen des Pigments sparen? Plus: der pH einer Fermentation ist deutlich wolleschonender als der einer Küpe! Das Ganze müsste im Grunde wie ein Küpenprozess funktionieren.
Drumroll please: Es funktioniert!!
Bei der letzten Fermentation habe ich es kurzerhand ausprobiert. Nichts abgewogen, einfach ein paar Stängel geerntet und mit Leitungswasser angesetzt. Als die Fermentation nach ein paar Tagen so weit war, habe ich die Blätter entfernt und einfach einen Wollstrang in die Flüssigkeit gelegt. Dabei habe ich darauf geachtet, so wenig Luft wie möglich in die Flüssigkeit einzubringen und den Strang ab und an etwas zu bewegen.
Der Strang lag ca. 15 min in der Flüssigkeit, danach habe ich ihn herausgenommen und an der Luft verblauen lassen. So macht man das ja auch bei der Küpenfärbung, die Farbtiefe wird dadurch erreicht, dass man die Fasern mehrfach in die Küpe legt und sozusagen Schicht für Schicht aufbaut. Das Verblauen dazwischen ist sehr wichtig, und es ist besser, 3 × 10 min zu färben als 1 × 30 min. Während nun der erste Strang an der Luft verblaute, habe ich in der Zwischenzeit einen zweiten (etwas dickeren) Strang in die Fermentationsflüssigkeit gelegt. Die beiden Stränge habe ich immer abgewechselt und jeden immer ca. 15 min in der Flüssigkeit belassen. Jeder Strang war 3 oder 4 Mal in der Flüssigkeit (ich hab mich zwischendrin verzählt und vergessen, Strichlisten zu machen – ein freifliegendes Experiment sozusagen).
Und natürlich, ich habe ja schon gespoilert: Es hat funktioniert! Die Farbtiefe nahm mit jedem Dip zu, aber es war schon spätabends und irgendwann wurde es zu dunkel, um weiterzuarbeiten, und so habe ich dann einfach ordentlich belüftet und alkalisiert. Und siehe da: es war noch genügend Pigment enthalten, das ich noch fällen konnte!
Das Besondere an der Fermentationsmethode
Methodisch ist diese Methode des Blaufärbens zwischen der schnellen Salz- bzw. Eis-Methode und der Küpenfärbung anzusiedeln – man muss sich noch nicht an eine Küpe rantrauen, aber man braucht auch schon ein wenig Zeit für die Fermentation. Außerdem muss man lernen, die Zeichen der fertigen Fermentation zu erkennen. Aber das hat man meist nach ein paar Versuchen gemeistert
Die Fermentationsmethode zum Blaufärben ist ein echtes Überraschungsei – jede Charge und vielleicht sogar jeder Strang wird anscheinend ein Unikat. Meine beiden Stränge waren schon leicht unterschiedlich gefärbt, obwohl es die gleichen Fasern aus derselben Spinn-Charge waren! Der dünnere Strang (der zuerst in die Flüssigkeit kam) wurde etwas dunkler, der dickere Strang blieb etwas heller und grünlicher. Die Dicke des Strangs hat vermutlich beeinflusst, wie viel Platz er in der Flüssigkeit hatte und wie gleichmäßig er die Farbe aufnehmen konnte. Wenn Du also gerne Pullovermengen färbst oder gerne immer den gleichen Blauton treffen möchtest, dann ist eine Küpenfärbung vielleicht doch besser.
Im Gegensatz zur Küpenfärbung hat man mit dieser Methode keine Möglichkeit, den Farbstoffgehalt zu bestimmen oder gar einzustellen. Mit einer Küpe weiß man, wie viel Indigo man einwiegt und wie intensiv die Färbung wird, mit der Fermentationsmethode wird es definitiv eine Überraschung!
Der Farbton auf meinen Strängen war vergleichbar mit einer Eisbad- oder Salzmethode. Er war weniger intensiv und deutlich grünstichiger als bei einer Küpenfärbung. Der Grünstich könnte von der Fermentationsflüssigkeit und ggf Chlorophyll kommen und sich vielleicht mit der Zeit verflüchtigen, das werde ich beobachten.
Mein Fazit: I like!
Auf diese Weise kann man also quasi zwei Prozesse miteinander kombinieren und das Beste aus zwei Welten haben. Man kann schon mal Fasern färben (und vielleicht auch den Blaugehalt testen bzw prüfen, ob die Fermentation schon fertig ist?), und im Anschluß gewinnt man noch das restliche enthaltene Pigment, das man dann später immer noch im alkalischen verküpen kann. Ich denke, das werde ich in Zukunft öfter so machen, vielleicht probiere ich auch nochmal bei Tageslicht, wie lange man mit so einer Fermentation färben kann, bis es nicht mehr funktioniert, und ob das vielleicht auf Eis länger funktioniert.
Hast Du schon mal mit Fermentationsflüssigkeit blau gefärbt? Schreib mir gerne Deine Erfahrungen in die Kommentare.
Dieses Jahr habe ich ein ganzes halbes Beet voll mit Japanischem Färberknöterich. Ich wollte schauen, wie viel Pigment ich bekomme und ob das wohl für eine Küpe reichen wird. Die erste Mini-Probe Anfang Juli gab eindeutig ein schönes Blau, und so setzte ich den ersten Eimer zum Fermentieren an. Aber ach – das Indigo-Pigment will nicht sedimentieren! In diesem Artikel gehe ich auf Ursachenforschung.
Ansatz Nr. 1: drei Fermentationen, aber langsame Sedimentation
Für meinen ersten Ansatz habe ich in meinem Enthusiasmus die Blätter nicht gewogen, aber wenigstens hinterher die Stängel gezählt: Es waren 49. Die Blätter waren relativ dicht gepackt in meinem kleinen schwarzen Eimer vom Möbelschweden. Und dann hieß es warten und beobachten.
Ich war dieses Jahr sehr vorsichtig und hab schon bei den ersten Anzeichen von neongrün die Blätter aus dem Ansatz genommen, dann belüftet und alkalisiert. Das Wetter war zwar eher suboptimal (zu kalt, zu wenig Sonne die letzten Wochen), und so hat das Ganze über 3 Tage gedauert.
Aber huiuiui, ist die erste Probe blau geworden! Und die Blätter sahen noch aus wie frisch gepflückt, knackig grün und taufrisch, also gab ich gleich nochmal Wasser drauf und setzte ich damit eine zweite Fermentation an. Die war schon nach einem Tag wieder neongrün mit Schlieren an der Oberfläche und gab wieder blau. Und die Blätter sahen größtenteils immer noch gut aus, daher ich wagte eine dritte Fermentation. Was soll ich sagen: sogar die dritte Extraktion hat geklappt!
Die erste Fermentation habe ich beendet, als sich gerade die ersten metallischen Schlieren auf der Oberfläche bildeten (ich war wie gesagt sehr vorsichtig). Das Pigment in der Flüssigkeit war eher graublau (nicht so leuchtend wie die Ansätze im letzten Jahr) und es brauchte über eine Woche, um sich einigermaßen am Boden abzusetzen (vermutlich sehr kleine Partikel, die schlecht sedimentieren).
Auch bei der zweiten Fermentation war das Pigment eher graublau und sedimentierte sehr langsam.
Die dritte Fermentation war nach weniger als 24 Stunden fertig, war viel intensiver neongrünblau als die beiden ersten und zeigte deutliche Schlieren auf der Oberfläche. Hier war die Pigmentfarbe intensiver blau (wenn auch nicht so intensiv wie 2023), und das Pigment sedimentierte etwas schneller.
Und nun (fast 4 Wochen später) warte ich immer noch darauf, dass das Pigment vollständig sedimentiert ist… oder ich nehme einfach den Ansatz und mache direkt eine Fructoseküpe daraus, wenn mir das Warten zu lang dauert. Dank des betreuten Färbens im Kurs von Elke (Flora und Farbe) bin ich da überhaupt nicht mehr zögerlich!
Aber Sedimentation hin oder her – ich hab das Gefühl, dieses Jahr ist ein gutes Indigojahr!
Ansatz Nr. 2 – viel Pigment und wieder langsame Sedimentation
Dieses Jahr möchte ich ja möglichst viel Pigment gewinnen, und so habe ich kurz darauf einen weiteren Ansatz gestartet (diesmal gewogen: mit 388 g Blättern). Auch bei diesem Ansatz konnte ich mehr als eine Fermentation machen (nämlich zwei). Das Pigment ist jetzt dabei zu sedimentieren, aber das geht leider wieder nur sehr langsam, offenbar ist auch hier die Partikelgröße sehr gering. Dementsprechend habe ich jetzt keine Gefäße mehr frei, um weitere Fermentationen anzusetzen… Merke: mehr Anbaufläche allein reicht nicht, um die Produktion zu steigern. Ich brauche auch viele hohe Gläser und Stellfläche für die anschließende Pigmentextraktion und Fällung. Vielleicht muss ich doch mal wieder auf einen Flohmarkt…
Überlegungen zur Partikelgröße
Die sehr langsame Sedimentation ließ mir irgendwie keine Ruhe, und so recherchierte ich nochmal in meinen Unterlagen zu den Zusammenhängen.
Es gibt verschiedene Überlegungen, wie man die Partikelgröße des ausfallenden Indigo beeinflussen kann. Fakt ist: je langsamer das Indigo braucht, um sich am Boden des Gefäßes zu sammeln (also zu sedimentieren), desto kleiner sind die Partikel. Wer also schnell ein Sediment haben möchte, weil die Gefäße wieder gebraucht werden, möchte möglichst große Partikel.
In einer Facebook-Gruppe las ich die Überlegung, dass man die Flüssigkeit erst belüften soll und dann mit Ca(OH)2 alkalisieren soll (und dann nur noch rühren und nicht mehr groß bewegen). Das Blau entsteht wohl schon vor dem Alkalisieren, aber sobald Ca(OH)2 dazukommt, hilft das den bereits gebildeten Indigopartikeln, auszufallen. Beim Lösen von Ca(OH)2 in Wasser entsteht wohl CaCO3 (Kreide), an das dann die Indigopartikel binden und quasi „huckepack“ ausfallen. Wenn man alkalisiert, sollte der Sauerstoff also idealerweise schon eingeführt sein, damit sozusagen alle Zutaten zusammen sind und sich große Partikel bilden können. Außerdem soll das starke Bewegen der Flüssigkeit durch Schäumen oder Hin- und Her-Gießen nach dem Alkalisieren dazu führen, dass die Partikel klein bleiben.
Eigentlich hatte ich mich daran gehalten und erst belüftet und nach dem Alkalisieren nur noch ein wenig gerührt, trotzdem scheint das nicht gereicht zu haben. Und bei meinen ersten Extraktionen habe ich es genau anders herum gemacht und es sedimentierte auch problemlos… So ganz kann ich diese Theorie also nicht bestätigen, bzw. es muss noch andere Einflussfaktoren geben.
Die zweite Möglichkeit ist das Wasser selbst: Unser Leitungswasser ist vergleichsweise hart, daher dachte ich, ich nehme mal lieber weicheres, gefiltertes Wasser für die Extraktionen. Wasserhärte ist (unter anderem) die sogenannte Carbonat-Härte, die hauptsächlich durch Calcium- und Magnesiumcarbonat im Wasser entsteht. Wenn Calciumcarbonat aber das Ausflocken des Indigopigments befördern soll… ist gefiltertes Wasser dann vielleicht doch gar nicht so gut wie Leitungswasser?
In einem dritten Ansatz wollte ich dem Ganzen nochmal auf den Grund gehen.
Ansatz Nr. 3 – das richtige Wasser und die richtige Reihenfolge
Ich habe es also nochmal mit Leitungswasser versucht, das Blättergewicht habe ich aber diesmal nicht bestimmt. Das Leitungswasser war handwarm, und die Fermentation war nach 2 Tagen schon fertig. Nach dem Entfernen der Blätter habe ich die Flüssigkeit belüftet, indem ich sie 45 x von einem Gefäß in ein anderes hin- und hergeschüttet habe. (Pro-Tipp: setze nur so viel Flüssigkeit an, wie Du problemlos 100 x hochheben kannst.) Die Flüssigkeit wurde etwas dunkler, aber nicht tiefblau, auch der Schaum wurde nicht blau. Nach der Zugaben von Ca(OH)2 habe ich nur noch gerührt.
Und siehe da: am nächsten Morgen war alles sedimentiert und der Überstand klar. Das werde ich also mal weiter verfolgen, nur noch Leitungswasser verwenden und wirklich lange belüften, bevor ich alkalisiere. Genug Blätter hab ich ja noch 🙂
Ich habe auch hier nochmal einen zweiten Ansatz versucht und die Blätter nach der ersten Fermentierung nochmal mit Wasser übergossen und angesetzt. Diesmal war das Wasser nach 1 Tag schon neonfarben, aber auch trüb und roch ganz anders als bei einer guten Fermentation. Das Pigment sedimentierte schnell, aber es war eher graublau als Indigoblau. Merke: Pigment aus einem überfermentierten Ansatz wird farblich ganz anders!
Wenn Du dazu ein paar Gedanken hast, schreib mir gerne einen Kommentar!
Diesen Sommer tauche ich voll in Pflanzenfarben ein – allerdings eher in verschiedene Techniken als viele bunte Farbtöne. Und obwohl ich eigentlich gar nichts mit Aquarellmalerei am Hut habe (ich kann sowas nicht…), fasziniert mich die Tatsache, dass man offenbar mit Pflanzenfarben nicht nur Textilien färben und Tinte gewinnen kann, sondern auch Pigmente für Aquarellfarben. Eine kurze Recherche im Internet hat verschiedene Anleitungen ergeben, ich hab mir daraus eine eigene gestrickt und zeige euch hier, wie ich es gemacht habe. Da kann man sicher noch dran feilen, aber fürs Erste war ich sehr zufrieden!
Was ist denn ein Lack-Pigment (engl. lake pigment)?
Bei Lack-Pigment könnte man zuerst mal an Autolack denken, aber dem ist nicht so! Das Thema „Pigmente“ ist sehr umfangreich und ich hab da inhaltlich noch nicht mal die Oberfläche angekratzt, daher hole ich hier heute auch nicht sehr weit aus. Wenn Du mehr lesen möchtest, hat Wikipedia einen umfangreichen Übersichtsartikel über Pigmente für Dich.
Lackpigmente sind wasserunlösliche Metallsalz-Verbindungen von organischen Farbstoffen.
Ich versuche es mal in wenigen Worten zu sagen. Farbige Stoffe (genauer gesagt: farbige chemische Verbindungen) unterscheidet man allgemein in Farbstoffe und Pigmente. Farbstoffe sind (wasser-) lösliche Stoffe, Pigmente hingegen sind nicht in Wasser löslich.(Biologen verkomplizieren die Sache, indem sie alle in einem Organismus vorkommenden Farbstoffe als Pigmente bezeichnen, Löslichkeit hin oder her… Je nachdem, mit wem man spricht, ist die Pigment-Definition also leicht anders!)
Wenn Du aus Pflanzenteilen eine Flotte auskochst, dann extrahierst Du daraus die löslichen Farbstoffe. Eine Besonderheit bei den Pflanzenfarbstoffen ist dabei das Indigo. Indigo wird nicht durch Auskochen gewonnen, sondern durch Fermentation und Umwandlung zum Pigment , das man dann verküpen muss. Nur in seiner reduzierten Leuko-Form ist Indigo wasserlöslich und somit ein Farbstoff. In dieser Form kann Indigo auf Fasern aufziehen. Wird diese Leukoform dann an der Luft oxidiert, wird aus dem Farbstoff ein wasserunlösliches Pigment (das berühmte blau), das auf der Faser liegenbleibt. Die Indigo-Chemie habe ich in diesem Artikel schon einmal zusamengefasst.
Neben Indigo gibt es unter anderem noch mineralische Pigmente (farbige Erden, Ocker) und eben die Lack-Pigmente, um die es hier gehen soll. Lack-Pigmente sind nichts weiter als wasserunlösliche Metallsalz-Verbindungen von organischen Farbstoffen. Klingt erst mal kompliziert, ist aber im Grunde nichts anderes als das, was beim Färben gebeizter Wolle passiert: Beim Beizen binden Metall-Ionen an die Wolle. Bei Kaltbeize oder Alaun ist das Aluminium, bei einer Eisenbeize wäre das Eisen. Sobald man die gebeizte Wolle in eine Färbeflotte legt, binden die Farbstoffe der Flotte das Metall, das ja schon an die Fasern gebunden ist. Diese Metallion-Farbstoff-Verbindung ist nun ein Pigment, d.h. sobald es gebildet ist, wird es unlöslich in Wasser, fällt an Ort und Stelle (also auf bzw. im Inneren der Faser) aus und bewegt sich dort nicht mehr weg. Tadaa: Wolle gefärbt. Dieser chemische Vorgang nennt sich übrigens „Verlackung“, daher auch der Name „Lack-Pigment“ (hier entlang zum Wikipedia-Artikel zu Verlackung).
Die Lack-Pigmente kann man nun nicht nur in und auf der Wollefaser bekommen, sondern auch komplett in Abwesenheit von Wolle. Sobald man nämlich Aluminium-Ionen z. B. in Form von Alaun zu der Färbeflotte gibt, bilden sich besagte Farbstoff-Aluminium-Verbindungen und fallen genauso als Pigment aus. Nur eben nicht auf der Wolle. Das Ganze wird dann noch mit Natron oder Waschsoda neutralisiert und ausgefällt.
So habe ich mein Lack-Pigment gemacht
Auf der Suche nach einer Anleitung habe ich im Internet einige Anleitungen gefunden (die leider chemisch nicht ganz korrekt und daher für mich nicht ganz so vertrauenswürdig waren). Außerdem habe ich in einem meiner Färbebücher (Boutrup & Ellis 2018) ein Rezept gefunden, das ich dir ganz unten im Abschnitt Literatur referenziere.
Schritt 1: Pflanzenmaterial auskochen
Der Prozess ist dem Färben mit Pflanzenmaterial sehr ähnlich: Zuerst kocht man sich eine Flotte. Da bei uns die Goldrute gerade wunderbar blüht, bot sich also Goldrutenpigment an.
Bei einem Abendspaziergang habe ich Blüten gesammelt, einen halben Topf voll. Die Blüten habe ich von den harten Stielen abgezupft, gut mit Wasser bedeckt, über Nacht eingeweicht und am nächsten Tag ausgekocht (ca. 1h, leicht simmernd).
Und weil mich das Experiment so begeistert hat, habe ich im Anschluss gleich ein paar Avocadokerne ausgekocht und ebenfalls das Pigment gefällt (das Vorgehen war das gleiche wie für die Goldrute).
Schritt 2: Pigment mit Alaun fällen
Den etwas abgekühlten Sud (es waren insgesamt 1,75l) habe ich auf zwei Einweckgläser aufgeteilt und zu jedem Glas (ca. 850 ml Flüssigkeit) 20 g Alaun gegeben. Den Sud habe ich dann noch einmal erhitzt, weil das so in der Anleitung stand, die ich gefunden habe. Allerdings war diese Anleitung chemisch nicht ganz korrekt und so bin ich auch gar nicht sicher, ob das weitere Erhitzen wirklich nötig ist. Eine Hälfte des Sudes blieb, wie sie war, der anderen Hälfte setzte ich noch etwas Eisenwasser zu, um ein Grün zu bekommen. Ich habe dem Pigment ca. 10min Zeit gegeben, um sich zu bilden.
Anschließend habe ich mit 10 g Natron neutralisiert (das Alaun ist leicht sauer) und das Pigment ausgefällt. Das Natron habe ich in etwas heißem Wasser so gut es ging gelöst und dann als Lösung zu dem Farb-Pigment-Bad gegeben. Das musste ich wirklich Löffelchen für Löffelchen machen, denn dabei ist ganz schön viel Schaum entstanden. Da kam echt Badeschaumvulkan-Feeling auf! Schaut mal in meinem Instagram – Post dazu, da habe ich ein kurzes Video aufgenommen. Ziel ist es, an einem neutralen pH anzukommen.
Nachdem alles Natron eingerührt war, verschwand der Schaum irgendwann und man konnte das Pigment in großen Klumpen umherwirbeln sehen. Das Ganze stand dann über Nacht, damit sich das Pigment setzen konnte.
Für die erforderliche Menge an Alaun habe ich sehr unterschiedliche und auch unterschiedlich präzise Angaben gefunden. Von „4 Teelöffel auf 250ml Farbsud“ bis „10 g /l“ bei Boutrup & Ellis war alles dabei. Die 20 g Alaun, die ich verwendet habe, sind deutlich mehr, als in der Literatur bei Boutrup & Ellis angegeben ist, aber ich hatte ja auch eine unbenutzte Flotte und folglich vermutlich viel mehr Pigment in der Flotte. Boutrup & Ellis verwenden benutzte Färbeflotten, die noch Restpigment enthalten und recyceln so quasi das Pigment. Entsprechend kann es natürlich sein, dass sie weniger Alaun benötigen. In ihrem Rezept wird die Flotte nach Alaunzugabe auch nicht weiter erhitzt.
Mir fiel auf, dass nach Zugabe des Alauns und des Natrons mein Überstand immer noch gelb war – d. h. ich habe nicht allen Farbstoff ausgefällt, es war zu wenig Alaun. Also hab ich im Nachgang nochmal Alaun zugegeben, und in der Tat fiel noch Pigment aus, allerdings war das nur sehr blass gelb. Offenbar kann man also mit der Alaunmenge etwas spielen.
Schritt 3: Pigment filtrieren und trocknen
Das Pigment habe ich anschließend über einen Kaffeefilter gegeben und so eine Paste bekommen. Diese Paste lässt sich so wie sie ist schon sehr gut zum Malen verwenden!
Um sie haltbar zu machen, habe ich sie allerdings getrocknet. Wenn man mit den getrockneten Pigmenten dann irgendwann malen möchte, empfiehlt es sich, das Pigment im Mörser ganz fein zu reiben und mit Wasser aufzuschlämmen. Für echte Aquarellfarben sollte man wohl auch etwas Gummi Arabicum (bzw. Aquarell-Medium) zugeben, aber damit kenne ich mich wiederum überhaupt nicht aus.
Erste Malversuche haben mich sehr begeistert: Dieses Gelb! Wahnsinn! Wenn zu viel Pigment auf einer Stelle liegt, dann wird es beim Trocknen brüchig – vielleicht hilft ja hier dieses magische Gummi Arabicum? Da werde ich wohl noch weiter probieren.
Was macht man mit Lack-Pigmenten?
Malen!
Mit Lack-Pigmenten kann man super malen, auch wenn man kein Aquarell-Künstler ist. Ich werde meine Pigmente vermutlich in Kombination mit einer alten neuen Leidenschaft verwenden: Kalligrafie. Ein Hintergrund aus Naturfarben, davor ein schön geschriebener Text. Ich übe schon mal Alphabete!
Textilien bedrucken!
Ansonsten könnte man natürlich (mit dem richtigen Bindemittel) auch Textilien bedrucken. Man muss eben nur dafür sorgen, dass das unlösliche Pigment an den Fasern haften bleibt. Ich habe davon leider überhaupt keine Ahnung. Wenn Du sowas schon mal gemacht hast, schreib gerne einen Kommentar, das würde mich sehr interessieren! Ich bin nicht sicher, ob sie Lack-Pigmente verwendet, aber drucken auf Textilien mit Pflanzenfarben habe ich schon mal bei Susan Krieger von der Manufaktur Blausieb gesehen. Sie gibt manchmal Workshops, vielleicht auch zu diesem Thema?
Wieder färben!
Boutrup und Ellis beschreiben eine Methode (Rezept Nr. 18), wie man diese Pack-Pigmente zum Färben von Proteinfasern (Wolle) benutzen kann. Dabei werden die Lack-Pigmente wieder in eine lösliche Form überführt (offenbar ist die Verlackung reversibel und bei pH 3,5 trennen sich Metall-Ion und Farbstoff wieder), mit der Wolle in Kontakt gebracht und durch anschließendes Anheben des pH wird das Lackpigment wieder auf der Faser ausgefällt. Sehr interessant!
Habt ihr schon mal versucht, nach dem Färben verbliebene Pigmente aus der Flotte zu fällen, um sie so vollständig zu nutzen? Was sind eure Erfahrungen?
Literatur und weiterführende Links
Joy Boutrup, Catharine Ellis „The Art and Science of Natural Dyes. Principles, Experiments, and Results“ 2018 (Schiffer Publishing Ltd.) ISBN 978-0-7643-5633-9
Mädchenaugen im Färbergarten sind eine tolle Sache. Dieses Jahr hatte ich sie das erste Mal angepflanzt und gleich ein paar Probefärbungen gemacht. Und ich bin begeistert! Das Farbspektrum reicht (je nach Färbebedingungen) von gelb-orange über rot bis zu olivgrün. Die Blüten sind sehr ergiebig und die Färbung auch relativ lichtecht (zumindest in meinem Versuch). Ein Überraschung brachte mein Versuch mit verschiedenen pH-Werten. Aber lies selbst…
In den Töpfen auf meiner Terrasse wächst von Jahr zu Jahr mehr Farbe. Angefangen hat alles mit Japanischem Färberknöterich, letztes Jahr kamen Schwefelkosmee, Mädchenauge (Coreopsis tinctoria) und Färberkamille hinzu. Einige Pflanzen haben den Winter überlebt und neu ausgetrieben (obwohl sie als einjährig beschrieben wurden). Aus der Blattform schloss ich, dass es sich um Schwefelkosmeen handeln müsse, und säte nur noch ein paar Mädchenaugen aus. Die Überraschung war dann doch groß, als sich die ersten Blüten öffneten und es sich doch ebenfalls um Mädchenaugen handelte. Nun, so hatte ich dieses Jahr eben eine reiche Ernte und genug Material, um einige Färbeversuche zu starten.
Mädchenaugen haben diesen ganz speziellen Duft. Immer wenn ich die Blüten ernte, steigt er mir in die Nase, markant, speziell, eindringlich. Ganz unverwechselbar Coreopsis. Und dann die Blüten: jede ist etwas anders und individuell, obwohl sich doch alle ähnlich sind. Manche haben einfach eine rotbraune Mitte und einen gelben Rand. Manche sind fast vollständig rotbraun, bei anderen ist die Mitte schon fast gemustert und gestreift.
Die Pflanze – Anzucht und Wachstum
Mädchenauge ist eine buschige Pflanze, die den ganzen Sommer über viele kleine Blüten produziert. Je mehr man erntet, desto mehr Blüten produziert sie. Mein Saatgut habe ich bei Elke gekauft, und aus ihrem Buch über Färberpflanzen habe ich mich über die Anbaubedingungen informiert. Auf meiner Terrasse ist es sehr sonnig, und ich habe den Pflanzen ein windgeschütztes Eckchen gesucht, in dem sie sich prächtig entwickelt haben.
Ich ziehe die Pflanzen immer vor, weil ich es nicht abwarten kann, die Färbepflanzensaison zu beginnen. Leider herrschen bei uns drinnen sehr subotpimale Lichtbedingungen und die Pflanzen werden trotz Südfenster tendenziell lang und dünn. Meine nächste Anschaffung wird also wohl eine Pflanzlampe sein, unter der ich wenigstens die Anzucht so gestalten kann, dass die Pflanzen ausreichend kräftig sind und im Frühlingswind nicht gleich umknicken.
Dieses Jahr brachten meine Pflanzen unglaublich viele Blüten hervor, die ich regelmäßig abgeerntet habe, um die Blütenbildung weiter anzuregen. Ich ernte sie erst, wenn sich die Blütenblätter zum Stängel hin neigen, dann sind sie schon ein paar Tage alt und die Insekten hatten genügend Zeit, ihre Nahrung bei ihnen zu suchen. (Coreopsisblüten sind immer sehr beliebt bei einer Reihe von Insekten, nicht nur Bienen).
Färben mit Coreopsis tinctoria
Normalerweise heißt es ja, Färbungen mit Blüten sind nicht so intensiv und nicht so lichtecht. Eines meiner ersten Färbeexperimente vor einigen Jahren war ein Versuch mit Ritterspornblüten, und das Ergebnis war … nunja, eher unspektakulär. Blass gelb halt.
Bevor ich also große Mengen Wolle färbe, wollte ich auf jeden Fall ein paar Aspekte im kleinen Maßstab austesten:
Welches Farbspektrum geben Coreopsis-Blüten?
Welche Mengen (WOF) braucht man für einigermaßen intensive Farben?
Wie konzentriert kann man die Flotte ansetzen?
Außerdem wollte ich untersuchen, welche Rolle das Flottenvolumen für das Färbeergebnis spielt. Will sagen: wenn ich eine bestimmte Menge X an Farbstoff habe, wie verändert sich die Färbung auf dem Garn, wenn diese Menge X z. B. in dem doppelten Volumen verteilt ist (um z.B. mehr Stränge zu benetzen). Der Farbstoff liegt ja dann quasi nur in halber Konzentration vor. Üblicherweise würde ich sagen: je geringer die Konzentration (also je dünner die Flotte) desto blasser die Farbe. Aber beim Färben mit Naturfarben steht üblicherweise nur die Angabe „% WOF“, ohne Angabe irgendeines Volumens.
Erste Vorversuche
Für alle Versuche habe ich (wie allermeistens) meine Garne und Fasern mit Kaltbeize gebeizt. Wenn nicht anders angegeben, habe ich 45 min bei 80-85°C Flottentemperatur gefärbt. Das Gewicht der Stränge lag immer zwischen 15 und 19 g.
Für die Flotte habe ich 44 g Blüten über Nacht in ca. 1l Wasser eingeweicht. Am nächsten Morgen habe ich die Blüten in dem Einweichwasser auf unserem Gasherd langsam auf 80 – 85°C erhitzt, 45min die Temperatur gehalten, und anschließend über Nacht abkühlen lassen.
Erster Zug (normale Färbung, ohne Farbbeutel): Zum Färben im 1. Zug habe ich den Farbbeutel aus dem Topf genommen, weil sonst nicht genug Platz für das Garn gewesen wäre.
Zweiter Zug (ohne Farbbeutel, normale Flotte vs. verdünnte Flotte, plus Eisen-Weiterentwicklung): Nach dem ersten Zug habe ich die Flotte halbiert und auf 2 Weckgläser aufgeteilt. Eine Hälfte habe ich direkt so gelassen und einen Strang eingelegt, die zweite Hälfte habe ich mit Wasser auf das doppelte Volumen aufgefüllt und 2 Stränge eingelegt. Einer dieser Stränge war für eine Eisen-Nachbehaldlung vorgesehen. (So richtig vergleichbar mit der anderen Hälfte ist es dadurch natürlich nicht, weil ich ja somit auch die Garnmenge verdoppelt habe, aber ich wollte einfach nur mal schauen, was passiert).
Dritter bis sechster Zug (mit Zugabe des Farbbeutels): Die Flottenhälfte aus Zug 2, die kein Eisen bekommen hat, wurde einfach so lange weiter mit Garn (und zum Schluß in Ermangelung von fertig gebeizt Garn mit Fasern) bestückt, bis die Flotte erschöpft war.
Das Farbspektrum – von gelb-orange über ziegelrot bis olive
Die Farben aus dieser Färbung waren sehr intensiv ziegelrot bis orange, und selbst im 5. und 6. Zug war die Färbung noch nicht wirklich als “blass” zu bezeichnen.
Die Eisennachbehandlung veränderte die Farbe in ein schönes Olivgrün.
Und wie ist es mit der Konzentration der Flotte, hat die eine Auswirkung auf das Färbeergebnis? Zwischen der konzentrierten und der verdünnten Variante des zweiten Zuges konnte ich unter den von mir gewählten Bedingungen keinen Unterschied feststellen. Über den Zusammenhang von Farbstoffmenge und Konzentration werde ich mir also nochmal Gedanken machen und vielleicht andere Bedingungen wählen, um weiter zu testen.
Was ich beobachtet habe: mit Farbbeutel ist die Flotte viel intensiver. Im ersten Zug habe ich den Farbbeutel rausgenommen, im dritten Zug wieder dazugegeben, und das Farbergebnis war nahezu identisch. Erst im vierten Zug wurde es blasser. Einen so deutlichen Effekt des Farbbeutels habe ich nicht immer bei einer Färbung beobachtet.
Die Färbung ist pH-abhängig
Und dann interessierte mich noch die Sache mit dem pH – ändert sich die Farbe im Sauren oder Basischen?
Für diesen Versuch teilte ich meine Flotte in drei gleich große Teile: ein Teil mit Essig zum Ansäuern, einer neutral (zum Vergleich mit dem ersten Versuch) und einer mit Pottasche zum Alkalisieren.
Dorothea Fischer beschreibt in ihrem Buch, dass man eigentlich schon die Blüten bzw. die Flotte mit Pottasche ansetzen soll. Das hätte aber dann in meinem Fall dazu geführt, dass ich drei getrennte Flotten hätte ansetzen müssen, womit sie nicht mehr komplett vergleichbar gewesen wären. Hier schlägt wieder die Laborarbeit durch (immer schön alle Proben eines Versuchs aus einem Mastermix ansetzen, um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten …).
Färbebedingungen
1 = neutral (ohne Zusätze) 2 = 5% Weinsteinrahm, 15% Weizenkleie, pH 4 3 = 13,2% Pottasche, pH 11 (das war vielleicht ein bisschen viel…). Der pH nahm von Zug zu Zug ab und lag nach dem 3. Zug nur noch bei 8.
3 x 15 g = 45 g Blüten, 3 x 25 g Garn (=60% WOF)
Das Ergebnis war faszinierend: Im sauren werden die Farben blasser und gelber, im alkalischen hingegen intensiver und roter. Und zwar so richtig rot! Leider ist diese Farbe nicht dauerhaft, und im Essigspülgang nach dem Färben wurde das Garn dann doch wieder normal orange.
Die Überraschung kam im Alkalischen mit Eisen-Nachbehandlung. Gar nicht grün, sondern es bleibt im roten Bereich und wandelt sich leicht ins bräunliche! Wow, was für ein Farbton! (Ich habe noch nicht untersucht, ob das Rot dauerhaft ist. Es scheint aber so.)
Am schönsten finde ich insgesamt aber immer noch den hellen Grünton im Sauren nach der Eisenbehandlung. Oder doch das Rotbraun vom Alkalischen…?
Lichtechtheit – überraschend gut für Blüten
Auf das Ergebnis der Lichtechtheit war ich echt gespannt. Ich habe Garne vom 1., 2. und 2. Zug mit Eisen-Weiterentwicklung um eine Karte gewickelt, diese ins Südfenster gelegt und zur Hälfte abgedeckt. Die Karte lag ca. 2 Monate dort (Ende August / Anfang September bis Ende Oktober). In dieser Zeit konnte ich nur ein kaum wahrnehmbares Verblassen bei der Färbung im 2. Zug und der Eisen-Weiterentwicklung sehen. Das Garn aus dem 1. Zug scheint unverändert.
Mein Fazit: Favoritenpotenzial!
Mädchenaugen sind eine sehr ergiebige Farbstoffquelle. In meinen Versuchen mit 60 – 100 % WOF war die Farbe immer sehr intensiv und mehrere Züge waren möglich. Die Farbtöne sind intensiv und relativ lichtecht (das werde ich vielleicht nächsten Sommer wiederholen, dieses Jahr war ich dafür schon recht spät dran).
Auch die Eisen-Weiterentwicklung finde ich fantastisch. Die Farben aller Züge und Nachentwicklungen könnte man problemlos in einem Strick- oder Webstück verarbeiten, sie sind einfach unglaublich gut kombinierbar.
Die pH-Abhängigkeit ist (so, wie ich es gemacht habe) leider nur transient. Vielleicht ändert sich das, wenn man den pH statt in der fertigen Flotte schon bei der Extraktion der Blüten (also der Herstellung der Flotte) einstellt. Das ist ein Experiment für das nächste Jahr (oder diesen Winter…)
Literatur
D. Fischer „Naturfarben auf Wolle und Seide“. ISBN 3-8334-4691-9
Das Blaue Pigment hat mich ja in seinen Bann gezogen. Nach ersten Erfolgen mit Japanischem Färberknöterich (oft abgekürzt als JFK, aber nicht zu verwechseln mit einem gewissen Präsidenten) wollte ich es nun auch mit der einheimischen Pigmentquelle versuchen: dem Färberwaid. Das Prinzip sollte das gleiche sein wie mit JFK: Blätter ernten, mit Wasser bedecken und eine Weile stehen lassen (Fermentation), Blätter zum richtigen Zeitpunkt entfernen, Alkalisieren und Belüften, um das Pigment zu bilden und zu fällen, setzen lassen, fertig.
Theoretisch.
Wie ich lernen durfte, steckt aber doch etwas mehr dahinter. Und ich erlaube mir an dieser Stelle einen Disclaimer: Nach dem Lesen des Artikels könnte es sein, dass Du das unstillbare Verlangen hast, Waid anzubauen. Ich lehne jegliche Verantwortung dafür ab und verweise auf den Abschnitt Literatur und weitere Quellen am Ende des Artikels. Und nun viel Spaß beim Lesen!
Der Färberwaid und sein Pigment
Die Pflanze
Färberwaid (Isatis tinctoria) ist eine zweiährige, eher unscheinbare rosettenbildende Pflanze, die eine Pfahlwurzel ausbildet. Im ersten Jahr bildet sie Blätter und im zweiten Jahr dann einen Blütenstand (Kreuzblüter), aus dem wieder Samen gewonnen werden können. In manchen Gegenden z. B. der USA gilt Waid als invasiv und darf dort nicht angebaut werden.
Der Farbstoff (bzw. die Vorstufen) sitzen in den Blättern, die mehrmals im Jahr geerntet werden können. Die Quellen sind sich allerdings nicht einig, wann der beste Zeitpunkt ist. Schweppe sagt auf S. 295 „Man beginnt mit ihrem Einsammeln im Juni des zweiten Jahres nach ihrer Aussaat“, die meisten anderen jedoch empfehlen hingegen die Blätter aus dem ersten Jahr.
Das Pigment
Wir erinnern uns: Das Indigo liegt in den Pflanzen als Vorstufe vor (z. B. als Indican, Isatin A oder Isatin B). Bei der Fermentation wird aus der Vorstufe durch die Arbeit von Enzymen das Indoxyl freigesetzt, das ist quasi eine Hälfte des Indigo-Moleküls. In Anwesenheit von Sauerstoff und im Alkalischen können daraus Indigotin (der blaue Farbstoff), Indigorubin (ein rötliches Isomer von Indigotin) und das Isatin (ein orange-gelber Farbstoff, der quasi auch nur eine Hälfte des Indigotins enthält) entstehen. Meist liegen im Indigopigment auch alle diese Moleküle in veränderlichen Gewichtsanteilen nebeneinander vor. Das macht genau den Charakter des natürlichen Indigopigments aus (im Gegensatz zum chemisch synthetisierten, das fast nur das Indigotin enthält). Ein hoher Anteil von Indigotin im Pigment ist dabei ein gewisses Qualitätsmerkmal. Waid enthält weniger Indigo (bzw. Indigovorstufen) als beispielsweise echter Indigo.
Die Blätter des Färberwaids enthalten also die Vorstufe des Indigo. Während der Japanische Färberknöterich Indican enthält, liegen im Waid überwiegend Isatan A und Isatan B vor (wobei Isatan A den Hauptteil darstellt, siehe D. Cardon S. 337 ff). Diese Erkenntnisse sind sogar noch recht neu – erst im Jahre 2004 wurde die genaue Struktur von Isatan B von Oberthür et al. aufgeklärt.
Die Spaltung der Vorstufe ist für Isatan etwas anders als für Indican, aber sobald das passiert ist, ist die Chemie die gleiche wie bei den anderen Indigopflanzen auch. Das Spaltprodukt, das wir für das Indigo brauchen, ist das Indoxyl, das dann in Anwesenheit von Sauerstoff und im Alkalischen weiterreagiert zu Indigotin.
Färberwaid früher und heute
Ich bin historisch wirklich nicht gut bewandert und bringe Zahlen immer fürchterlich durcheinander. Aber so viel sei gesagt: Waid hat früher eine enorme Rolle gespielt. Klassisches Anbaugebiet in Deutschland war Thüringen, Thüringer Waid zeichnete sich offenbar durch eine besonders gute Qualität aus. Ab dem 17. Jh verdrängte der aus Übersee importierte Indigo mit seiner tieferen Farbe und höheren Ausbeute den Waid als Quelle für blauen Farbstoff, und wurde selbst später von synthetisch hergestelltem Indigo verdrängt.
Traditionell hat man in Thüringen in Waid-Mühlen aus den Blättern Waidbälle gemacht. Die Blätter wurden gewaschen, gequetscht und zu Bällen geformt. Die Bälle wurden getrocknet und gelagert und konnten später mit Wasser und Urin zur Gärung gebracht werden, um Küpen anzusetzen und zu färben.
Auf die Techniken und Hintergründe möchte ich an dieser Stelle aber gar nicht eingehen. Wenn Du Dich dafür interessierst, empfehle ich Dir z. B. das Buch „Natural Dyes“ von Dominique Cardon oder „Die Textilfärberei vom Spätmittelalter bis zur frühen Neuzeit“ von Sabine Struckmeier.
Die letzte Waidmühle Deutschlands schloß wohl Anfang des 20.Jh ihre Tore. Heute wird nur noch in kleinem Maßstab Waid angebaut und unter Erfurter Blau zum Färben eingesetzt und vermarktet. Die Inhaberin gibt auch Workshops zum Thema Waid, und offenbar wird demnächst ein Crowdfunding gestartet, um einen Trickfilm zu schaffen, der Waid und seine Verarbeitung erklären soll.
Vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit und der Umweltbelastung durch Küpen mit synthetischen Reduktionsmitteln gab es von 2000 bis 2004 ein EU-gefördertes Projekt namens SPINDIGO (Sustainable Production of Plant-Derived Indigo, den finalen Projekt-Bericht gibt es hier). Darin wurde die Machbarkeit (d. h. Wirtschaftlichkeit) eines Revivals des Waid-Anbaus in verschiedenen Ländern Europas untersucht. Die Ergebnisse waren durchaus hoffnungsvoll, aber leider ist daraus nichts Weiterführendes hervorgegangen.
Waid ist anders als Japanischer Färberknöterich
Die im Waid vorhandene Indigovorstufe ist das Isatan (s. o.). Im „Handbook of Natural Colorants“ fand ich nun interessante Hinweise zu experimentellen Bedingungen, die die Ausbeute für die Pigmentgewinnung aus Isatanen erhöhen sollen. Ich lasse die ganze Chemie mal weg und sag nur: Säure. Die Spaltung der Isatane geht wohl im Sauren besonders gut, und zusätzlich stabilisiert die Säure das Spaltprodukt Indoxyl (vor dem Belüften und Alkalisieren). Das Indican hingegen (also die Vorstufe aus dem JFK) ist leichter im Alkalischen zu spalten.
Ein zweiter interessanter Hinweis war die Verwendung von heißem Wasser, mit dem die Blätter anfangs übergossen wurden, bevor der Ansatz dann bei Raumtemperatur weiter inkubiert wurde. Diese Variante wurde in der Literatur speziell für Waid empfohlen.
Diese beiden Bedingungen wollte ich also in mein Experiment einfließen lassen. Und wie ich feststellen musste, unterscheiden sich Waid und Färberknöterich in weiteren Punkten…aber dazu weiter unten mehr.
Meine ersten Versuche mit Waid
Meine Samen gingen gut auf und die 3 Pflanzen wuchsen gut an. Als ich im Juli meine zweite Extraktion des Jahres mit JFK ansetzte, schnitt ich ein paar Blätter Waid mit ab und setzte eine separate kleine Waid-Extraktion mit kaltem Wasser an.
Schon an dieser Stelle kamen die ersten Unterschiede zutage. Die Waid-Fermentation blieb einfach mal fast farblos bis blassgrün. Ich schloss daraus, dass mein Waid vielleicht (noch) keinen Farbstoff enthielt – vielleicht war ja der Topf zu klein, die Pflanzen noch zu jung, oder ich hatte nicht richtig gedüngt? Etwas enttäuscht und verwirrt kippte ich die Fermentation ohne Alkalisieren in die Büsche. Naja, ich hatte wenigstens ein bißchen blau vom JFK.
Zum Vergleich: Beim JFK wird die Flüssigkeit nach 1 – 4 Tagen neonfarben (auf englisch wird oft von mermaid-colour oder anti-freeze colour gesprochen) und zeigt mir an, dass es Zeit wird, die Fermentation zu beenden, zu alkalisieren und zu belüften.
Dann fiel mir ein, wie ich ganz schnell testen könnte, ob die Blätter überhaupt schon blauen Farbstoff enthielten: Ich muss einfach nur ein Blatt zwischen zwei Küchentücher legen und draufhämmern! Gesagt, getan und siehe da: das Blatt roch arg komisch und blieb stur grün. Wo war nur der Farbstoff?
Ich probierte weiter mit der Hammer-Methode: altes Blatt vs. junges Blatt. Aha! Ein junges Blatt wurde ganz ganz leicht blau am Stängelansatz! Ich muss also junge Blätter nehmen!
Eine systematische Versuchsreihe
Diese Ergebnisse standen nun in komplettem Gegensatz zu dem, was andere herausgefunden hatten. Anne von yellowobjects berichtete, dass bei ihr die älteren Blätter mehr Farbstoff enthielten.
Es wurde Zeit, das Ganze etwas systematisch anzugehen. Die Frage „alte vs. junge Blätter“ kombinierte ich mit der Frage „sauer oder neutral fermentieren“, und so setzte ich folgenden Mini-Versuch in Einweckgläsern an:
alte Blätter neutrale Fermentation
alte Blätter saure Fermentation
junge Blätter neutrale Fermentation
junge Blätter saure Fermentation
Zum Ansäuern in 2 und 4 gab ich einfach einen Schluck Essigessenz ins Glas (pH war dann ca. 3)
Meine Erwartung war: wenn überhaupt, dann sehe ich bei den jungen Blättern etwas Pigment, und wenn die Literaturangaben stimmen, dann im Sauren mehr als im Neutralen.
Und so wartete ich und beobachtete meine Gläser. In der Literatur wurde eine Extraktion von 2 bis 4 h beschrieben, ich war gespannt, was „mein“ Waid in dieser Zeit machen würde.
Nach 1,5 h hielt ich es nicht mehr aus und führte einen ersten Fällungstest mit kleinen Mengen Flüssigkeit in Reagenzgläsern durch. Ich gab ein Spatelspitzchen Ca(OH)2 hinzu (=Alkalisieren), verschloß das Glas mit einem Stopfen und schüttelte (=Belüften). Und siehe da: überall wurde etwas Pigment ausgefällt! Das war doch durchaus vielversprechend.
Ich inkubierte tapfer weiter und hoffte auf irgendwas neonfarbiges oder einen metallischen Film an der Oberfläche. Nach 8h war immer noch nichts in diese Richtung passiert. Da ich nun schon deutlich über der empfohlenen Zeit war, entschloss ich mich, die Fermentation zu beenden und das Pigment zu fällen.
Ich gab eine großzügige Spatelspitze (und damit vermutlich viel zu viel) Ca(OH)2 zu jedem Glas und schüttelte ca. 30 Sekunden. Und siehe da: überall fiel etwas aus, und es gab in allen Gläsern einen Farbumschlag von gelblich nach grün! Entgegen meinen Erwartungen wurde also auch aus den älteren Blättern Pigment gefällt. Wer hätte das gedacht!
Nachdem sich das Pigment gesetzt hatte, sah es sogar blaugrün aus, der Überstand darüber war gelb. Grünblau ist zwar nicht die Zielfarbe, aber der Überstand war sehr gelb, und gelb + blau = grün, oder?
Eine Frage führt zur nächsten…
Nun, das Pigment war da, aber blau… so richtig blau war es nicht. Eher so potentiell blau. Wenn ich die Informationen aus der Facebook-Gruppe richtig interpretiert habe, dann deutet Grünblau wohl darauf hin, dass der Ansatz überfermentiert war und auch Flavonoide und deren Abbauprodukte mit gefällt wurden. Also doch gelb + blau = grün. Naja. Und schon formte sich das nächste Experiment in meinem Kopf…
Da ich in meiner Küche keine Möglichkeit habe, die chemische Natur des Pigments näher zu untersuchen, wollte ich ihm auf andere Weise auf die Spur kommen. Mir stellten sich zwei Fragen:
Wenn ich das grünblaue Pigment intensiv wasche, bis der Überstand klar ist, wird es dann blauer (nach der Rechnung grün – gelb = blau)?
Ist das Pigment reduzierbar und kann man damit Wolle färben?
Und so schlossen sich nahtlos zwei Folgeversuche an.
Für den Waschversuch verwendete ich Sedimente 2 und 4 (die saure Extraktion). Das Waschen des Pigments aus Glas Nr. 2 mit Wasser (saure Extraktion aus älteren Blättern) war sehr aufwändig, das gelb wurde und wurde nicht weniger. Am Ende war das gewaschene Pigment ein bisschen weniger grün und ein bisschen mehr blau, aber indigo-blau war es definitiv nicht.
In einem letzten Wasch-Schritt habe ich dann etwas Weißweinessig zugesetzt, um auch die letzten Reste kalkhaltiger Verunreinigungen zu entfernen. In der Literatur wurde zwar Citronensäure verwendet, aber die hatte ich grad nicht da. Aber siehe da: in Reagenzglas 2 wurde blau(er)! Houston, wir haben blaues Pigment!
Der Knaller kam dann, als ich das Pigment aus Ansatz 4 (junge Blätter, saure Extraktion) mit Essig wusch: es wurde kanariengelb. Und nach dem Auswaschen des Essigs mit Wasser wurde es wieder grün. Was immer ich da also aus jungen Blättern extrahiert habe, Indigotin war es wohl nicht…
Die Reduzierbarkeit untersuchte ich mit den Sedimenten aus der neutralen Extraktion (Sedimente 1 und 3). In kleinen Gläsern resuspendierte ich das Pigment aus Glas 1 (ältere Blätter) und Glas 3 (jüngere Blätter) mit etwas von dem alkalisierten Überstand, der nach der Extraktion übrig geblieben war. Vorsichtig streute ich eine Spatelspitze Entfärber aus dem Drogeriemarkt darüber (das ist Natriumdithionit, ein starkes Reduktionsmittel). Und siehe da: In beiden Gläsern gab es einen Farbumschlag von grün zu gelb! Meine Pigmente waren also reduzierbar.
Allerdings gab immer noch keinen metallischen Schimmer an der Oberfläche, so wie es in den Anleitungen steht. Dass mein Pigment reduzierbar war, heißt noch nicht, dass es auch Indigo ist. Dafür muss es bei der Re-Oxidation blau werden. Ich legte also für 20min ein kleines Strängchen Wolle in die Gläser ein und wartete gespannt. Und siehe da: der Strang aus Glas 1 wurde an der Luft wieder ganz leicht grün!
Yeah, das Pigment ist reduzierbar und oxidierbar!
Ein zweiter Dip brachte leider keine signifikante Vertiefung der Farbe, und in Glas 3 konnte ich überhaupt keine Färbung der Wolle sehen. Vielleicht war es einfach zu wenig Pigment. Oder eben nicht das richtige (in den Waschversuchen wurde das Pigment ja auch kanariengelb statt blau).
Am nächsten Tag hatte sich in Glas 1 die Oberfläche des Bodensatzes an Pigment schon wieder grünblau gefärbt, es war also schon teilweise zurückoxidiert, während das in Glas 3 noch gelb blieb.
Ein letztes Experiment
Eins ließ mir jedoch keine Ruhe, und ich musste es wissen: Erscheint irgendwann dieser metallische Schimmer auf der Oberfläche des Fermentationsansatzes, der das Pigment anzeigt? Wie verändert sich die Fermentation über die Zeit? Was sehe ich, was rieche ich?
Also schnitt ich noch ein paar mehr Blätter ab und setzte wieder eine kleine Fermentation an, dieses Mal mit kaltem Wasser. Ich wollte einfach nur eine kleine Zeitreihe machen.
Nach 24h beobachtete ich leichte Schaumbildung auf der Oberfläche, einen (unangenehmen) vergorenen Pflanzengeruch und definitiv keine schimmernde Oberfläche. Ein Fällungsversuch brachte ganz leicht hellblaues Pigment.
Nach 48 h roch der Ansatz wirklich übel, es hatte sich eine schimmernde Haut gebildet. Ein erster Hinweis auf Pigment! Die Flüssigkeit war aber sehr trüb, und die Fällung brachte einen eher bräunlichen Niederschlag.
Nach 36h war der Gestank phänomenal, alles war nur noch eine trübe Brühe und der Niederschlag war graubraun. Kein Blau. Nur Bäh.
Ergebnisse
1) Die Fermentationsdauer ist sehr kurz. Die Waid-Fermentation braucht selbst mit kaltem Wasser im August (tagsüber ca. 30°C) deutlich weniger als 1 Tag bis zur Reife. Man müsste das mal im 2h-Abstand testen…
2) Warte nicht auf den Schimmer. Ein Schimmer erschien bei mir erst, als der Ansatz deutlich überfermentiert war. Der beobachtete Film könnte auch einfach eine Kahmhaut sein. Vermutlich ist in so kleinen Ansätzen auch zu wenig Farbstoff für einen Film enthalten.
Was habe ich gelernt?
Eine Menge.
Es geht! Mein Waid enthält Indigo. Sogar die alten Blätter.
Die Fermentation sieht ganz anders aus als die mit Japanischem Färberknöterich. All die visuellen und olfaktorischen Marker, die ich gesetzt hatte in meinem Gehirn, funktionieren nicht für Waid. Für Waid muss ich neue Marker setzen.
Beobachten und interpretieren. Ich muss mich darin üben zu schauen, ob die Annahmen und Erwartungen, mit denen ich in den Versuch gegangen bin, wirklich zutreffen oder nicht. Üben, ergebnisoffen zu experimentieren und nicht voreilig Schlüsse zu ziehen, die meine Annahmen bestätigen.
Mein Waid war nach 8h offenbar überfermentiert. Nächstes Mal kürzer fermentieren (oder einen kalten Ansatz machen oder beides).
Ich brauche mehr Waid.
Ich LIEBE Experimente.
Youtube ist mein Freund. Auch VOR dem Experimentieren.
Darauf achte ich beim nächsten Versuch
Blauschimmer an Grenzflächen. In einem youtube-Video wurde gezeigt, dass man an den Grenzflächen der Flüssigkeit manchmal einen Blauschimmer sehen kann. Ich vermute aber, dass mein Mini-Ansatz dafür zu wenig Pigment enthielt und ich diesen Schimmer deshalb nicht sehen konnte. Offenbar enthält Waid auch deutlich andere Pigmente als Japanischen Färberknöterich und somit ist der Überstand natürlich auch anders gefärbt. Hinzu kommt, dass Waid deutlich weniger Pigment(vorstufen) enthält und somit die anderen Pigmente alles überdecken, was man bei JFK so schön sehen kann.
Blauer Schaum und langes Belüften. Das einzige wirklich sichere Zeichen für Pigment ist offenbar der blau werdende Schaum beim Belüften (und auch das ist bei ganz kleinen Ansätzen nicht immer gegeben). In meinen Gläsern (und auch den Reagenzgläsern) war intensives Belüften nicht gut möglich, sodass dieser Teil des Experimentes vermutlich suboptimal verlaufen ist. In einem größeren Ansatz sollte das besser funktionieren.
Hast Du schon mal mit Waid gearbeitet? Wie sind Deine Erfahrungen?
Literatur und Quellen
H. Schweppe “Handbuch der Naturfarbstoffe” (1993). Nicol Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Hamburg. ISBN 3-933203-46-5
“Handbook of Natural Colorants” 2nd Ed. (2023). Wiley. ISBN 9781119811718
Dominique Cardon “Natural Dyes. Sources, Tradition, Technology and Science”. (2007).Archetype Publications Ltd. ISBN 978-1-904982-00-5.
Sabine Struckmeier “Die Textilfärberei vom Spätmittelalter bis zur Frühen Neuzeit (14.-16.Jh). Eine naturwissenschaftlich-technische Analyse deutschsprachiger Quellen.”(2011). Waxmann.ISBN 978-3-8309-2527-9
Angespornt von der Pigmentextraktion aus Japanischem Färberknöterich habe ich versucht, eine äquivalente Extraktion aus Waid zu machen. Eine kurze Umfrage auf Social Media führte zu dem Ergebnis, dass die Prozedur wohl prinzipiell die gleiche ist. Ernten, Wasser drauf, Warten, Blätter raus, Alkalisieren und Belüften, Sedimentieren lassen, fertig.
Also habe ich Ende Juni ein paar äußere Blätter geerntet und eine Extraktion angesetzt. Ein kurzer Blick ins Lehrbuch gab noch den Tipp, dafür mit deutlich wärmerem Wasser (60°C) zu arbeiten, als ich es üblicherweise bei dem Färberknöterich mache.
Allerdings: auch nach 2 Tagen war noch kein metallischer Schimmer auf der Flüssigkeit, und Geruch und Farbe passten auch nicht zu meinen bisherigen Erfahrungen.
Also habe ich eine kleine Probe genommen und geprüft, ob es blau wird. Die Flüssigkeit war eher hell und nicht so grünlich (aber beim Waid ist die Farbstoffvorstufe auch eine andere als beim Japanischen Färberknöterich). Und siehe da: Im alkalischen wurde es gelb… definitiv nicht blau.
Zu guter Letzt habe ich dann noch die Probe gemacht, die ich wohl als Erstes hätte machen sollen: Ich habe ein Blatt gehämmert. Der Abdruck vom Waid blieb grün, ein Blatt vom Färberknöterich hingegen wurde vorbildlich blau.
Nun geht es an die Ursachensuche: Vielleicht hätte ich doch ansäuern müssen? Habe ich zu lange gewartet? Im Lehrbuch stand was von 24 h, aber das schien mir deutlich zu wenig.
Da werde ich wohl noch ein wenig experimentieren müssen…
Ab und an überkommt mich das Bedürfnis, ganz tief in meiner Ideenkiste zu kramen. Ganz unten am Boden, ein bisschen eingedrückt und verkrunkelt, liegen meistens ein paar Dinge, die quasi zwei Schritte vor dem Ziel liegengeblieben sind. Manchmal war für diese zwei Schritte keine Kraft mehr, und manchmal war die Zeit einfach noch nicht reif. So wie in diesem Fall, als meine Spinnfertigkeit noch nicht ausreichte, um das Garn zu spinnen, das mir vorschwebte.
Aber mal der Reihe nach.
Meine allerallerallererste Erfahrung mit Naturfarben habe ich mit einem Kit gemacht, den Jule von Hey Mama Wolf Yarns vor einigen Jahren im Sortiment hatte. Ich habe die Ausführung mit Blauholz gewählt, und neben allen Zutaten war ein Strang ihres Garns und ein bisschen Kammzug enthalten. Den ersten Zug habe ich für das Garn genommen. Der entstandene Ton ging etwas ins lila, aber das war fein und erfüllte meine Erwartungen. Die Flotte schien noch nicht erschöpft, und so legte ich anschließend auch den Kammzug hinein. Das Ergebnis war allerdings etwas ungewöhnlich: eine Art hellrosa Teewurstfarbe.
Nuja, dachte ich, farblich passt das schon irgendwie zusammen. Muss ich nur noch ein Garn spinnen, das so wird wie das Industriegarn, dann kann ich die zusammen zweifarbig verstricken. Nur waren wie gesagt, meine Spinnfertigkeiten noch nicht so weit, dass ich das hätte umsetzen können. Und so wanderte das Projekt erst mal in die „irgendwann später“-Kiste.
Fast Forward wenige Jahre.
Beim Umschichten meiner Faservorräte kam mir dieser Kammzug wieder in die Hände. Mittlerweile kann ich ganz gut spinnen, sodass ich es mir jetzt zutraute, ein dreifädiges Garn zu spinnen, das ungefähr die Dimensionen von Jules Nr. 3 hat. Den (mittlerweile etwas komprimierten) Kammzug habe ich mit Handkarden zu Rolags gedreht, die ich dann mit einem Hörbuch auf den Ohren schwuppdiwupp versponnen habe. (Wie gesagt, ich war damals nur 2 m vor dem Ziel …). Nur noch schnell das Entspannungsbad, ein bisschen Unicorn FiberWash für die Pflege rein…
Nanu… was ist denn hier passiert?
Als ich das nächste Mal bei der Wasch-Schüssel vorbeikam, staunte ich nicht schlecht: Die rosa Teewurstfarbe war einem Lila gewichen, das nur ein wenig heller war als der Strang aus dem 1. Zug!
Ob da irgendwo eine pH-Abhängigkeit mit reinspielt? Ein kleines Experiment mit Waschsoda und Essigessenz bestätigt meinen Verdacht: Teewurstfarbe im stark sauren, lila im leicht sauren, blau im alkalischen. Wieder was gelernt.
Als ich vor einigen Jahren beschloss, mich mit Naturfarbstoffen zu beschäftigen, klickte ich mich durch das Angebot des Online-Händlers meines Vertrauens … und blieb direkt beim Buchstaben A hängen. Alkanna! Ach, das klingt ja toll, dachte ich, das bestellste gleich mal. Klick! Nichtsahnend begab ich mich anschließend auf die Suche nach einem Rezept. Warum ich mir da gleich wieder was für Fortgeschrittene rausgesucht hatte, erfährst Du in diesem Artikel.
Die Pflanze: Alkanna tinctoria
Alkanna (Alkanna tinctoria) , auch Schminkwurz genannt, gehört zur Familie der Borretschgewächse und ist v.a. in Südosteuropa und Kleinasien heimisch. Die Farbstoffe sitzen v.a. in der Rinde der Wurzel.
Die Pflanze wurde auch zur Herstellung von Schminke (daher der Name) und später auch zum Färben von Wolle verwendet (als Ersatz für das teure Schnecken-Purpur). Heute wird sie z.B. auf Kreta angebaut.
Der Farbstoff selbst kommt auch in anderen Pflanzen vor, die z. B. in China und Japan wachsen (Lithospermum erythrorhizon Siebold & Zuccarini).
Viel interessanter (und öfter verwendet, historisch gesehen) sind die wundheilenden Eigenschaften der Pflanze, die auf die enthaltenen Farbstoffe (v.a. Alkannin) zurückgeführt werden können. Diese Eigenschaften gerieten aber offenbar lange in Vergessenheit und wurden erst durch V. Papageorgiou 1978 wissenschaftlich beschrieben.
Alkannin – ein ganz besonderer Farbstoff
Alkannin ist ein Naphthochinonfarbstoff und chemisch verwandt mit Juglon, dem Farbstoff aus Walnussblättern, und Henna (ein Isojuglon, D. Cardon S.84).
Und hier kommt auch schon der Teil zum Tragen, den ich “für Fortgeschrittene” genannt habe: Der Farbstoff Alkannin ist nicht wasserlöslich. Will man ihn zugänglich machen, muss man ihn erst in Alkohol oder Öl lösen. (Er ist aber dennoch kein Küpenfarbstoff wie Indigo, der ja auch nicht wasserlöslich ist. Indigo muss man erst reduzieren, um ihn in die wasserlösliche Form zu überführen. Alkannin ist einfach generell nicht wasserlöslich. Zur Küpenchemie von Indigo habe ich schon mal einen Artikel geschrieben.)
Der Farbstoff ist zudem hitzeempfindlich und offenbar auch lichtempfindlich. Im Buch „Natural Dyes“ von Dominique Cardon ist sogar zu lesen, „…It is worth noting that no colorant derived from alkanet root has ever been identified on any ancient textile from the mediterranean area.“ , was wohl u. a. auf die schlechte Lichtechtheit zurückzurühren ist. Erst gegen Ende des 18. Jh. wurden industrielle Verfahren zum Färben mit Alkanna entwickelt (im Zuge des calico-printing). Je nach verwendeter Beize waren die erhaltenen Farbtöne sehr unterschiedlich (Eisen: grau, Aluminium: lila). In Asien wurde Alkanna jedoch offenbar zum Färben von Stoffen genutzt: Der Farbstoff wurde in verschiedenen historischen chinesischen Seidenstoffen nachgewiesen (Cardon, S. 68f).
Den Farbstoff gewinnt man durch Extraktion
In Dorothea Fischers Buch ist zu lesen, dass sie einen wässrigen Extrakt aus Alkannawurzeln hergestellt hat und damit graue Farbtöne erzielte. Aber, wir erinnern uns: Der Farbstoff ist nicht wasserlöslich. Was immer da also mit Wasser extrahiert wurde, Alkannin kann es nicht gewesen sein. Im Gegenteil, das Alkannin wird in den Wurzelstückchen zurückgeblieben sein (was für eine Verschwendung …).
Frau Fischer nennt weiter hinten im Buch auch noch Ammoniak als Lösungsmittel, in dem der Farbstoff blau würde. Ich vermute, sie meint ammoniakalische wässrige Lösung, denn reiner Ammoniak (NH3) ist gasförmig und zählt dementsprechend nicht wirklich als „Lösungsmittel“. Mit ammoniakalischer Lösung habe ich jedoch nicht gearbeitet.
Alkannin läßt sich wie gesagt zwar nicht in Wasser, dafür aber sehr gut mit Alkoholen oder Ölen extrahieren. Für das Färben von Wolle erschien mir die alkoholische Extraktion geeigneter, da die Flotte beim Färben eine wässrige Lösung ist und Alkohole in allen Verhältnissen mit Wasser mischbar sind. Mit dem Extrakt lässt sich also (im Gegensatz zum Öl-Extrakt) problemlos eine wässrige Flotte ansetzen. Eine Extraktion in Öl ist wahrscheinlich eher dann sinnvoll, wenn das Öl auch in der anschließenden Verarbeitung zum Tragen kommt, z. B. bei Kosmetik oder beim Einölen und gleichzeitigen Färben von Holz (schon wieder eine Idee …).
Nun denn, eine alkoholische Extraktion musste also her. Alkohole gibt es in verschiedenen Varianten. Vermutlich könnte man ganz ganz billigen Fusel nehmen, aber ich scheue mich immer, Lebensmittel zu verschwenden. Reineren, vergällten Alkohol (Ethylalkohol, Ethanol, C2H5OH) bekommt man in der Apotheke, er kostet aber selbst im Sonderangebot oft einen Arm und ein Bein. Also hab ich mich bei den Reinigungsmitteln umgeschaut, und siehe da, Isopropanol (2-Propanol, C3H7OH) gibt es als eine Art Scheibenreiniger-Konzentrat zu kaufen.
Ich habe sowohl mit (fast) reinem Isopropanol als auch mit 75 % (v/v) und 70 % (v/v) gearbeitet, und alles hat hervorragend funktioniert. Die Alkannawurzel habe ich ohne weitere Zerkleinerungsschritte in ein großes Braunglas gegeben, mit Isopropanol übergossen und einige Tage bis 4 Wochen (je nach Versuch) im Dunkeln stehen lassen (der Farbstoff ist wie gesagt lichtempfindlich).
Mit 100 g Alkannawurzel war fast mein gesamtes Glas ausgefüllt und ich brauchte ungefähr 1 L Isopropanol, um die Wurzeln gescheit zu bedecken. Frau Fischer gibt an, auf 100 g Wurzel nur 500 mL verwendet zu haben. In meinem Fall wäre dann gar nicht alles benetzt gewesen.
Der Extrakt war wunderschön tiefrot.
Das Ding mit der Löslichkeit
Zum Ansetzen der Flotte wird der farbstoffhaltige alkoholische Extrakt dann mit Wasser verdünnt. Laut D. Cardon kommen historisch wohl 2 – 8 Teile Wasser auf 1 Teil alkoholischen Extrakt.
Als ich dann meinen Extrakt verdünnte, fiel mir auf, dass sich die Flotte etwas eintrübte. Und schon drehten sich wieder die kleinen Chemie-Rädchen in meinem Kopf: Eine Trübung deutet immer darauf hin, dass etwas ausfällt (d. h. nicht mehr in Lösung bleibt). Das, was ausfällt, schwimmt als ganz ganz kleine, fein verteilte Partikel in der Lösung herum. Würde man lange genug warten (und vielleicht auch zentrifugieren), würden sich die ausgefallenen Partikel am Boden des Gefäßes sammeln.
Beim Verdünnen des alkoholischen Extraktes mit Wasser wird im Grunde dem Alkannin das Lösungsmittel wieder entzogen. Wenn mehr Wasser als Alkohol in der Flotte ist, hat das Alkannin keinen Grund mehr, in Lösung zu bleiben. (Das gleiche Prinzip (nur andersherum) wird bei der Aufreinigung von DNA verwendet – aber das würde jetzt zu weit führen).
Ich fragte mich: Bis zu welcher Konzentration Isopropanol bleibt Alkannin wohl in Lösung? Leider konnte ich nirgends Angaben dazu finden, und so kann ich nur meine Beobachtungen wiedergeben: Die Farbflotte wird nach dem Verdünnen leicht trüb.
Löslichkeit und Löslichkeitsgrenze: Versuch einer Erklärung.
Die Löslichkeit eines Stoffes gibt an, wie viel (also welche Menge) eines Stoffes in einem anderen (meist einer Flüssigkeit) vorliegt (z. B. 10 g Zucker in 250 mL heißem Tee, das funktioniert meist prima). Allerdings kann ich nicht beliebige Mengen Zucker im Tee auflösen, denn:
Die Löslichkeit hat eine Obergrenze. Wenn die erreicht ist, dann ist es nicht mehr möglich, noch mehr von dem Stoff in der Flüssigkeit zu lösen. Der feste Stoff bleibt dann als fester Bodensatz oder ganz ganz fein verteilt als Trübung in der Lösung. Ein Chemiker würde sagen, es liegen oberhalb der Löslichkeitsgrenze zwei Phasen vor, die feste und die flüssige. Um beim Beispiel zu bleiben: Meine Erfahrung sagt mir, dass ich z. B. nicht 250 g Zucker in 250 mL Tee auflösen kann. Ein großer Teil des Zuckers wird sich nicht lösen und in fester Form als Bodensatz liegenbleiben. Oberhalb des Löslichkeitsproduktes von Zucker bleibt ein Teil des Zuckers eben ungelöst. Die Lösung ist mit Zucker gesättigt.
Die Löslichkeitsgrenze ist zudem meist auch noch temperaturabhängig. In heißem Tee löst sich mehr Zucker als in kaltem (und schneller geht es auch noch).
Bezogen auf Alkannin und das Verdünnen der Flotte: Die Löslichkeitsgrenze für Alkannin in einem Alkohol-Wasser-Gemisch liegt viel niedriger als in reinem Alkohol. Ein Alkohol-Wasser-Gemisch ist also viel schneller „gesättigt“ mit Alkannin, als es bei reinem Alkohol der Fall ist. Alles, was oberhalb der Löslichkeitsgrenze liegt, fällt dann aus und trübt die Lösung.
Erste Versuche – pH-Abhängigkeit der Färbung
Als Erstes machte ich mich ein wenig mit Alkanna vertraut und versuchte, die besten Färbebedingungen herauszufinden. Frau Fischer hatte ja berichtet, dass sie im Sauren (mit Weinsäure) rötliche bis fliederfarbene Ergebnisse erzielt hatte, und dass Alkannin selbst bei Lösung in Ammoniak blau wäre (s. S. 147) Also setzte ich Mini-Flotten an, die jeweils unterschiedliche pH-Werte hatten.
Diese 3 Varianten habe ich untersucht:
nur Farbstoffextrakt (neutral)
Farbstoffextrakt mit Weinsteinrahm (sauer) (Frau Fischer hat 7% Weinsäure benutzt, mit Alaun gebeizt)
Farbstoffextrakt und Weinsteinrahm, mit Pottasche alkalisch gemacht (ja, das mit dem Weinsteinrahm war nicht sehr schlau …)
Das Ergebnis war eindeutig: im Sauren geht der Farbton deutlich ins rötliche Lila, im Alkalischen eher ins Grau. Der lila Farbton sagte mir am meisten zu. Die Blaufärbung im Alkalischen konnte ich nicht bestätigen.
Eines muss ich aber sagen: Der Alkohol in der Luft ist doch recht unangenehm. Ich empfehle dringend, diese Färbung nur zu machen, wenn Du wirklich gut lüften kannst (oder am besten gleich draußen).
Die große Flotte – Färben von Baumwollstoff und Wolle
Nach diesen Vorversuchen hatte ich erst mal genug von dem Alkohol in der Luft, und meine erste Neugier war befriedigt. Bis ich eines Tages einen Workshop bei Elke von Still Garments machte, bei dem wir Baumwollstoffe färbten …
Voller Inspiration und mit dem Wissen, dass da irgendwo in einer Kiste im Keller doch noch ein Rest Alkanna liegt, wollte ich nun Baumwollstoff mit Alkanna färben und schauen, ob sich der Farbton von dem auf Wolle unterscheidet.
Vorgehensweise in Kurzfassung
Gewicht Baumwollstoff: 330 g Gewicht Wolle (2. Zug): 100 g Gewicht Alkannawurzel: 100 g (entspricht 30 % WOF / weight of fabric)
Den Baumwollstoff habe ich angefeuchtet und dann 4 d in Kaltbeize inkubiert, 1-2 x am Tag Stoff bewegt und durchgeknetet, um ihn gleichmäßig zu benetzen.
Alkannawurzel habe ich in 1 L Isopropanol (70 % (v/v)) für ca. 1 Monat extrahiert
Den Extrakt habe in den Färbetopf gegeben und mit ca. 5 L Wasser aufgegossen. Anschließend habe ich den Stoff eingelegt, langsam auf 60–65 °C erhitzt, 1 h die Temperatur gehalten, dann abkühlen lassen. Für den zweiten Zug mit Wolle habe ich die Alkannawurzel mit 300ml 70 % (v/v) Isopropanol übergossen und diese zweite Extraktion plus den Farbbeutel mit in die Flotte gegeben.
Ich habe naturbleichen, etwas robusten Baumwollstoff aus der Stoffkiste gezogen und vorbereitet, wie ich es bei Elke gelernt habe. Gewaschen war er schon, aber ich habe ihn auch nochmal mit Soda ausgekocht und gut gespült. Für das Beizen bin ich dann doch von Elkes Empfehlungen abgewichen. Ich habe eine große Tonne mit Kaltbeize in der Küche zu stehen, in der ich immer mal wieder etwas Wolle einlege, um immer einen ausreichenden Vorrat zu haben. Leider ist die Konzentration der Beize für Wolle höher als die für Stoff. Ich wollte aber nicht extra für den Stoff eine andere Konzentration ansetzen, und so legte ich meinen Stoff einfach in die höher konzentrierte Beize (sie war auch schon recht oft benutzt.)
Nach 4 Tagen nahm ich den Stoff aus der Beize, schleuderte ihn und ließ ihn trocknen. Erst vor dem Färben wurde er nochmal mit Wasser benetzt und damit gespült.
Und dann wurde es spannend. Immer wieder rührte ich im Topf, bei Baumwollstoff muss man ja zum Glück nicht aufpassen, dass er nicht filzt …anfangs noch etwas blass, wurde der Farbton aber zum Schluss etwas, was ich ein sehr sehr schönes Mauve nennen möchte.
Die einmal extrahierten Alkannawurzeln schienen mir noch viel Farbstoff zu enthalten, und ich hatte noch einen 300ml-Rest vom Isopropanol. Spontan entschied ich mich, die Wurzeln einfach noch einmal mit dem Rest Isopropanol zu extrahieren, diesen Extrakt zur Flotte zu geben und einen zweiten Zug anzusetzen, diesmal mit Wolle. (Ein Hoch auf die Kaltbeizetonne und vorgebeizte Stränge!)
Ich wählte die gleichen Bedingungen (60-65°C für 1h), und der Wollstrang kam mit fast dem gleichen Farbton raus.
Aus dem Stoff ist mittlerweile eine Tunika geworden, die ich bei meinen Faserexperimenten anziehen kann – sie hat große Taschen für Stifte, Kurzzeitwecker, Spindeln, Fasern und was ich sonst noch so brauche.
Fazit und abschließende Gedanken
Färben mit Alkanna gibt eine tolle Farbe.
Färben mit Alkanna ist eine Materialschlacht. Für 100 g Alkannawurzel brauchte ich 1 L Alkohol, um die Extraktion zu machen. Die Nachextraktion (die nochmal ordentlich Farbstoff herauslöste) brauchte ebenfalls entsprechende Mengen. Für sehr intensive Farben mit 100 % WOF bräuchte man noch viel mehr Isopropanol, weil die Wurzeln so volumninös sind. Der Alkohol ist nach dem Färben stark verdünnt und kann einfach über die Kanalisation entsorgt werden. Er ist zudem laut diesem Sicherheitsdatenblatt leicht biologisch abbaubar (zu finden unter 12.1).
Wenn ich so über die Löslichkeit und Alkanna nachdenke, dann fällt mir auf, dass die Angabe „WOF“ eigentlich voll ungenau ist. Denn es macht schon einen Unterschied für das Färbeergebnis, wie stark konzentriert eine Flotte ist (d. h. ob die benötigte Menge Farbstoff in 1L oder in 10 L Flotte schwimmt). Ich sehe da schon wieder ein Experiment auf mich zukommen …
Im Nachhinein betrachtet, könnte es interessant sein, erst einen wässrigen Extrakt zu machen und anschließend die Wurzelstückchen nochmal mit Alkohol zu extrahieren. Vielleicht beim nächsten Mal.
Literatur
D. Fischer „Naturfarben auf Wolle und Seide“. ISBN 3-8334-4691-9 D. Carbon „Natural Dyes“, ISBN 978-1-904982-00-5
Hast Du schon mal Dein eigenes Pigment aus Pflanzen gewonnen? Ich dachte immer, das wäre super kompliziert und aufwändig. Ist es aber gar nicht! Die wichtigste Zutat ist: Zeit. In diesem Artikel zeige ich Dir meine ersten Versuche (und fails) zur Extraktion von Indigo-Pigment aus Japanischem Färberknöterich.
Auf meiner Terrasse wächst Japanischer Färberknöterich. Nicht nur im Kübel, auch in den Ritzen zwischen den Steinen – offenbar gefällt es ihm bei mir. Mit den Blättern dieser Pflanze habe ich schon auf verschiedene Art und Weise blau gefärbt: z. B. mit der Salz-Methode oder der Eiswasser-Methode.
Das einzige, an das ich mich noch nicht herangetraut habe, ist eine Küpe aus frischen Blättern. Aber meine Pflanze produzierte weiter fleißig Blätter (und Farbstoff!), und da man die möglichst frisch verarbeiten soll, eigneten sie sich nicht so zum Trocknen und Später-Verwenden. Was also tun?
Beim Stöbern im Internet fand ich in einem Blogartikel von Still Garments die Inspiration, die ich brauchte: Pigmentextraktion! Statt die Pigmente quasi gleich im Blatt zum Färben einzusetzen, kann man sie auch extrahieren und so haltbar machen. Mit dem richtigen Know-How kann man damit sogar Aquarellfarben oder Tinten herstellen, oder aber eine Küpe ansetzen. Eine kleine Recherche bei youtube zeigte mir diese hilfreichen Videos zur Ernte, Fermentation und Pigmentgewinnung. Auch Ninja Chickens Video ist sehr informativ. Das wollte ich auch probieren!
Der Farbstoff im Japanischen Färberknöterich
Zu den chemischen Hintergründen der Indigofarbstoffe habe ich schon einmal mehr geschrieben. Kurz zusammengefasst: Der blaue Farbstoff liegt in den Blättern als farblose Vorstufe vor. Diese Vorstufe heißt Indican. Indican ist ein Molekül, das aus zwei Teilen zusammengesetzt ist: einem Zuckerteil und einem Farbstoffteil, dem sog. Indoxyl. Um den blauen Farbstoff zu bekommen, müssen zwei Dinge nacheinander passieren. Zuerst müssen die Zucker- und Indoxyl-Teile voneinander getrennt werden (Spaltung durch Enzyme). Anschließend verbinden sich zwei Indoxylteile unter Sauerstoffeinwirkung miteinander und bilden so den fertigen blauen Indigofarbstoff, das Indigotin. Auf die einzelnen Schritte gehe ich im nächsten Abschnitt noch näher ein.
Für diese beiden Reaktionen (1. Spaltung des Indican in Abwesenheit von Sauerstoff, 2. Bildung von blauem Indigotin in Anwesenheit von Sauerstoff) müssen wir also bei der Pigmentextraktion die richtigen Reaktionsbedingungen finden.
Die Pigmentextraktion
Die Pigmentextraktion besteht im Grunde aus 3 einfachen Schritten (plus ein optionaler Wasch-Schritt)
Ernte und Fermentieren der Blätter
Entfernen der Blätter, Belüften und pH anheben
Sedimentieren des Pigments
Optional: Waschen des Pigments
Das brauchst Du, um Dein eigenes Pigment zu extrahieren:
Erntereifen Japanischen Färberknöterich
Ein bis zwei ausreichend große Gefäße (z. B. Eimer, Wanne), gerne weiß oder durchsichtig
Löschkalk (Calciumhydroxid)
pH-Messstreifen
Wasser
ggf. Steine o. ä. zum Beschweren der Blätter
Hier erkläre ich Dir die einzelnen Schritte, was dabei genau passiert, und was zu beachten ist.
Schritt 1: Ernte und Fermentieren der Blätter
Was muss man machen?
Wenn man mit Japanischem Färberknöterich arbeitet, ist es am besten, mit möglichst frischen Blättern zu arbeiten. Man schneidet sich die gewünschte Menge Stängel ab, dabei läßt man die untersten 3-4 Blätter stehen, damit die Pflanze dort wieder austreiben kann. Anschließend zupft man die Blätter ab und legt sie in ein Gefäß mit Wasser.
Bei einer größeren Menge Blätter ist es ratsam, in mehreren kleinen Portionen zu arbeiten, damit die Blätter nicht anwelken. In welken Blättern hat der Abbau der farblosen Farbstoff-Vorstufe bereits begonnen und die Pigmentausbeute fällt geringer aus. Alternativ läßt man die Blätter einfach an den Stängeln.
Drücke die Blätter unter Wasser (evtl. einen Teller oder Sieb darauflegen) und beschwere sie, z. B. mit einem Stein.
Und nun heißt es: Abwarten. Nach einiger Zeit ändert sich die Farbe der Flüssigkeit zu einem hellen grünblau und es bildet sich ein lila- schimmernder Film an der Oberfläche. Das kann, je nach Temperatur, ein paar Stunden bis ein paar Tage dauern. Bei mir hat es ca. 4–5 Tage gedauert.
Sobald Du den schimmernden Film auf der Oberfläche siehst, ist der Zeitpunkt gekommen, die Fermentation zu beenden! Die Blätter werden herausgenommen und der Ansatz durch ein Sieb oder ein Käsetuch gegossen, um Pflanzenteile zu entfernen. Die Pflanzenteile würden sonst nachher das Pigment verunreinigen.
Nach der Fermentation können die Blätter noch recht grün aussehen – Orientierungspunkt für den Endpunkt der Fermentation ist daher nicht die Farbe der Blätter, sondern die Farbe der Flüssigkeit.
Wer zu lange fermentiert, verliert Pigment (das wird dann mit der Zeit abgebaut, bis irgendwann gar kein Pigment mehr da ist).
Was passiert hier?
Bei der Fermentation wird die farblose Vorstufe des Indigofarbstoffes, das Indican, freigesetzt und gespalten (man sagt auch „hydrolysiert“). Das heißt, die Blätter fangen an, sich zu zersetzen, die inneren Zellstrukturen zerbrechen und es werden Enzyme frei, die das Indican aufspalten in seinen Zuckerteil und seinen Indoxylteil.
Die Fermentation ist ein anaerober (d. h. unter Luftausschluss stattfindender) Prozess. Die Blätter müssen also in dem Gefäß beschwert werden, sodass sie komplett unter Wasser sind und keine Luft an sie herankommt. Blätter, die oben schwimmen, haben Luftkontakt und vergammeln statt zu fermentieren.
Das Indoxyl ist nicht stabil, zerfällt also mit der Zeit. Wenn Du also zu lange wartest mit der Weiterverarbeitung, riskierst Du verringerte Ausbeuten.
Schritt 2: Belüften und pH anheben
Jetzt kommt der etwas anstrengende Teil: das Belüften des Ansatzes. Der blaue Farbstoff entsteht nämlich erst im alkalischen pH-Bereich und unter Sauerstoffeinwirkung. Den pH heben wir mit Löschkalk (Calciumhydroxid) an, und den Sauerstoff kannst Du auf verschiedene Weisen einführen.
Was muss man machen?
Nun musst Du dafür sorgen, dass möglichst viel Luft in die Flüssigkeit gelangt. Dafür gibt es die verschiedensten Varianten:
Bohrmaschinenaufsatz für das Umrühren von Farbeimern
Schneebesen (sicher sehr anstregend)
Belüftungsanlagen für Aquarien
wiederholtes Umschütten von Gefäß zu Gefäß
Ich selbst habe einfach die Flüssigkeit von einem Eimer in den anderen gegossen, hin und her, 15 Mal (also: 15 Mal hin, 15 Mal her, macht 30 Schüttbewegungen). Wichtig ist, dass möglichst viel Luft in die Flüssigkeit gelangt. Das Hin- und Her-Schütten ist natürlich nur praktikabel, wenn Du den Eimer bzw. Dein Gefäß auch noch ohne Probleme anheben kannst. Zu guter Letzt habe ich auch noch mit einem Stock umgerührt.
Die Umwandlung von Indoxyl zu Indigotin benötigt neben Sauerstoff auch einen hohen pH. Das kann man theoretisch mit allem machen, was basisch reagiert (z.B. Waschsoda, Natriumcarbonat, Na2CO3), aber traditionell wird Löschkalk verwendet (Calciumhydroxid, Ca(OH)2). Löschkalk macht das Ganze nicht nur basisch, sondern fungiert auch als Flockungsmittel, um das Pigment auszufällen (also es dazu zu bringen, als Sediment auf den Gefäßboden abzusinken).
Man kann erst belüften und dann den pH anheben oder umgekehrt, für beide Vorgehensweisen gibt es Beispiele zu finden. Ich hatte meine pH-Streifen parat gelegt, löffelweise den Löschkalk zugegeben und immer wieder umgerührt und pH gemessen. Er sollte so zwischen 9 und 10 liegen. Wenn er darüber liegt, wird die Farbe des Pigmentes offenbar verändert.
Nachtrag: In Foren zum Thema Pigmentextraktion (z.B. auf Facebook) habe ich auch schon gelesen, dass der pH auf 10-11 angehoben wird. Besonders in kleinen Volumina ist es manchmal gar nicht so leicht, den pH gut zu treffen – man schießt schnell über das Ziel hinaus. Wenn ich ca. 5 – 8 Liter habe, taste ich mich mit halben Teelöffeln voll heran und messe den pH nach jeder Zugabe und Umrühren.
An dieser Stelle ein Sicherheitshinweis:
Tragt bitte Handschuhe und eine Schutzbrille, wenn ihr mit Löschkalk umgeht (und auch mit der Flüssigkeit hinterher). Mit Löschkalk ist nicht zu spaßen. Wenn Laugen in die Augen kommen, kann das zu schlimmen Verätzungen führen. Bitte seid achtsam im Umgang mit dieser Chemikalie.
Was passiert hier?
Während dieses Prozesses passiert die Magie: Die Flüssigkeit wird tiefblau. Die Indoxyl-Teile, die in der Fermentation freigesetzt wurden, finden sich jetzt zu Paaren zusammen und verbinden sich in Anwesenheit von Sauerstoff zu Dimeren. Diese Dimere sind der Indigofarbstoff. Er ist nicht mehr wasserlöslich.
Der Farbstoff liegt nun in seiner endgültigen, blauen Form vor. Diese Form ist nicht wasserlöslich, daher wird sich der Farbstoff über die nächsten Tage am Boden des Gefäßes als Sediment absetzen.
Was muss man machen?
Man muss nun den klaren, bräunlichen Überstand von dem pigmenthaltigen Sediment trennen. Dafür kann man den Überstand entweder abgießen oder abschöpfen. Der Übergang zwischen Sediment und Überstand ist fließend, und so kann man immer nur so viel Überstand abnehmen, dass man das Sediment nicht wieder aufwirbelt. Wenn Pigment aufgewirbelt wird, ist es erst mal Zeit, mit dem Abschöpfen oder Abgießen aufzuhören und das Sediment sich weiter setzen zu lassen.
Wer helle oder sogar durchsichtige Gefäße verwendet, kann den Übergang sehr gut sehen. In dunklen Gefäßen sieht man das nicht und es kann schon mal sein, dass man ein wenig aufgewirbeltes Pigment mit ausgießt. Meine Eimer waren schwarz, aber ich habe ein durchsichtiges Gefäß verwendet, um den klaren Überstand vorsichtig abzuschöpfen.
Wird das Gefäß zu groß für das verbliebene Volumen, kann man das Ganze nach und nach in immer kleinere Gefäße umfüllen. Idealerweise sind die Gefäße nicht nur kleiner, sondern auch schmal und hoch (denke an ein Glas mit Spargel aus dem Supermarkt). Aus so einem Gefäß läßt sich der Überstand leichter abgießen als beispielsweise aus einem sehr flachen, weiten Gefäß. Beim Umfüllen in ein kleineres Gefäß nehme ich einen kleinen Schluck des abgegossenen klaren Überstandes, um das größere Gefäß restlos zu spülen und jeden kleinen Krümel Pigment in das neue Gefäß zu überführen. Lieber warte ich einen Tag länger auf das Sedimentieren, als Pigment zu verlieren.
Wer noch eine Spritze hat, kann den Überstand auch einfach absaugen, das geht vor allem bei den immer kleiner werdenden Volumina sehr gut. Bitte nicht mit dem Mund über einen Schlauch absaugen! (Ich sage das nur der Vorsicht halber, es gibt Generationen von Menschen, die haben im Studium noch mit dem Mund pipettiert. Macht das bitte nicht.)
Am Ende hat man eine (relativ) dicke Pigmentschicht mit einer relativ dünnen Flüssigkeitsschicht darüber. Das ergibt, wenn man es verrührt, eine dicke Paste.
Du kannst das Pigment als Paste aufbewahren und direkt verwenden, oder Du filterst (z.B. durch Falten- oder Kaffeefilter) und trocknest es. Im getrockneten Zustand ist das Pigment unbegrenzt haltbar, muss dann nur vor der Verwendung wieder mit Wasser vermischt werden, und das ist offenbar nicht so trivial. Aber da bin ich noch nicht. Ich freu mich jetzt erst mal an meinem wunderschönen Pigment.
Optional kann man das Pigment auch waschen, um lösliche Bestandteile (z.B. das Calciumhydroxid) zu entfernen. Die Farbe soll dadurch noch klarer werden. Aber: mit jeden Schritt, den man zusätzlich macht, riskiert man auch Pigmentverluste (z.B. Reste, die an Filtern, Gefäßwänden etc. zurückbleiben).
Was passiert hier?
Das unlösliche Pigment setzt sich ganz langsam über mehrere Tage am Boden ab. Wer ein Labor mit einer Zentrifuge zur Verfügung hat, kann die natürlich auch benutzen, das ginge dann wesentlich schneller…
Bitte beachte:
Der klare Überstand, den Du abschöpfst, hat einen pH von 10. Bevor Du ihn irgendwo entsorgst, musst Du ihn mit Essig neutralisieren. Überprüfe den pH (er sollte bei ca. 7 liegen) bevor Du ihn irgendwo hingießt.
Mein Fazit: Sehr befriedigend!
Für mich war diese Erfahrung unglaublich befriedigend. Es ist faszinierend, ja fast magisch, zu wissen, dass dieses blaue Pulver, diese Farbe, in den Pflanzen auf meiner Terrasse gewachsen ist. Ein bißchen wie die eigenen Erdbeeren vielleicht.
Der Arbeitseinsatz für die Pigmentextraktion war insgesamt überschaubar – am aufwändigsten waren das Abzuppeln der Blätter und das Belüften. Und beim nächsten Mal spare ich mir vielleicht auch das Blätter-Abzuppeln und lege einfach die ganzen Stiele ins Wasser. In den Stielen ist zwar kein Farbstoff, aber sie stören auch nicht, halten im Zweifel die Blätter unter Wasser und man kann die Blätter so auch leichter entnehmen. Es kann lediglich sein, dass man ein wenig mehr Flüssigkeit hat.
Man könnte sogar noch weitergehen und seine eigenen Tinten oder Aquarellfarben herstellen. Bei The Dogwood Dyer gibt es einen Kurs, in dem man lernt, Pigmente nicht nur aus Japanischem Färberknöterich, sondern auch aus Reseda zu gewinnen. Den schaue ich mir nächstes Jahr mal genauer an…
Versuch Nummer 2 gleich hinterher
Hach, was war ich angetan! Gleich der erste Versuch so ein phänomenaler Erfolg! Los, gleich nochmal… Man kann doch die Blätter noch ein zweites Mal fermentieren, hab ich gehört… Ich hatte auch noch ein paar eingefrorene Reste einer Eiswasserfärbung, und auch eingefrorene Blätter aus dem letzten Jahr, als ich grad keine Zeit für eine Färbung hatte. Die sahen zwar schon recht blau aus, aber hey, nur Versuch macht kluch, wie mein Professor immer sagte. Also setzte ich gleich im Anschluß eine zweite Fermentation an, mit Blättern aus der ersten Fermentation plus eingefrorenen Resten aus dem letzten Jahr.
Nunja. Als sich der lila-silbrige Film an der Oberfläche nicht richtig bilden wollte, dachte ich mir noch nichts dabei. Als es übel anfing zu stinken, wurde ich etwas skeptisch. Aber ich dachte mir: im Löschkalk liegt die Wahrheit! Und so war es auch. Vor der Zugabe des Löschkalks stank es und war grüngelbbraun, und nach der Löschkalkzugabe stank es genauso, schäumte, und war leuchtend grüngelbbraun. Was immer da sedimentieren würde – blau würde das nicht werden.
Also: pH mit Essig neutralisiert und unter ständigem Rühren an die Büsche gegossen. Zum Glück war der Geruch nach ein paar Stunden verflogen.
Auf Instagram habe ich diesen fail mal per Video dokumentiert (schau hier).
Merke: Ohne lila Film auf der Oberfläche kein blauer Farbstoff.
Was war hier passiert?
Ich hatte gehofft, dass beim Einfrieren das Indican zu Zucker und Indoxyl zerfallen war, oder aber schon der fertige Indigofarbstoff vorlag (obwohl der pH sicher nicht alkalisch genug dafür war, aber beim ecoprinting funktioniert das ja auch ohne pH-Änderung). Dann hätte ich ihn quasi nur noch mit dem Löschkalk zum Sedimentieren bewegen müssen. Aber offenbar ist der Farbstoff komplett abgebaut und zerstört worden, bevor irgendetwas eine Chance hatte zu sedimentieren.
Vielleicht hätte ich den Farbstoff auch erst nochmal reduzieren müssen (wie in einer Küpe), um ihn wieder in die wasserlösliche Form zu überführen und ihn dann zusammen mit dem frisch extrahierten Farbstoff zu oxidieren und zu sedimentieren. Aber offenbar haben sich da Effekte mit den bereits fermentierten Blättern überlagert.
Nunja. Für dieses Jahr war jedenfalls erst mal Schluß mit Experimenten. Nächstes Jahr geht es weiter…
…und geht das wirklich nur mit frischen Blättern?
Immer wieder lese ich in Artikeln und höre in Gesprächen, in denen es um Japanischen Färberknöterich geht, dass die Blätter sehr frisch sein müssen. Aber durch Zufall, ich weiß gar nicht mehr wie, bin ich neulich darüber gestolpert, dass es offenbar doch Methoden gibt, den Farbstoff aus getrockneten Blättern zu extrahieren (z.B. bei Deb McClintock oder Kirsten Köster (Achtung: kein https!).
Damit werde ich mich dann demnächst nochmal beschäftigen.
Hast Du schon einmal Pigment extrahiert oder mit getrockneten Blättern gearbeitet? Schreib es mir in den Kommentaren.
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Vor einer Weile habe ich Elke von Tulliver Yarn in ihrer Färbewerkstatt besucht, um mit ihr zusammen einen faszinierenden Farbstoff auszutesten – Lac Dye. Es war ein bunter, erkenntnisreicher und entspannter Tag. Und was Wolle färben mit Schallplatten zu tun hat, erfährst du in diesem Artikel.
Was genau ist “Lac Dye” und wo kommt er her?
Lac Dye ist der Farbstoff aus der Lackschildlaus, er ist also ein Insektenfarbstoff, ähnlich wie Cochenille. Lackschildläuse gehören zum Genus Kerria und werden in Indien und Süd-China seit tausenden von Jahren auf verschiedenen Bäumen kultiviert. Die am weitesten verbreitete der dreizehn beschriebenen Spezies ist die indische Kerria lacca.
Die Insekten enthalten einen roten Farbstoff. Sie leben in Kolonien parasitisch auf den Bäumen und die Weibchen scheiden dabei ein braunes Harz-ähnliches Sekret ab. Dieses Harz umgibt die Weibchen und ihre Brut und schützt sie auf diese Weise. Die Weibchen sterben, wenn die Larven schlüpfen und bleiben im Harz zurück. Durch kleine Gänge im Harz können die geschlüpften Larven nach außen gelangen und neue Zweige besiedeln. Das Harz umgibt die Äste und Zweige der befallenen Bäume wie eine Hülle. Es wird (je nach Anbaugebiet) vor oder nach dem Schlüpfen der Larven gesammelt und anschließend aufbereitet.
Lac Dye wird in Lac-Farmen angebaut
Bäume, die zur Gewinnung von Lac dienen sollen, werden 8 – 15 Jahre vor der Besiedelung gepflanzt und müssen einen sorgsam ausgewählten Standort haben – weit genug von anderen Bäumen entfernt und gut belüftet. Um Bäume mit den Insekten zu besiedeln, werden befallene Zweige an die noch nicht besiedelten Bäume gebunden, kurz bevor die Larven schlüpfen.
Die befallenen Bäume werden durch Schnitt zum Verzweigen angeregt, um immer genügend junge Triebe für die Insekten zu haben. Zwei Mal im Jahr wird geerntet.
Die Aufbereitung des Farbstoffs
Zunächst werden die befallenen Zweige abgeschnitten und getrocknet (bezeichnet als Stocklack, weil ein Stock in der Mitte ist). Die getrocknete Harzkruste kann dann leicht entfernt werden und man erhält Rohlack. Der Rohlack besteht also aus dem klebrigen Harz und den Überresten der farbstoffhaltigen Insekten. Wenn die Ernte vor dem Abwandern der Larven erfolgte, ist der Farbstoffgehalt höher, weil natürlich mehr Tiere in dem Harz enthalten sind.
Der Rohlack wird dann gemahlen, um anschließend daraus den wasserlöslichen Farbstoff durch Waschen aus dem Harz herauszulösen. Das farbstoffhaltige Wasser wird dann durch langes Kochen verdampft, bis der Farbstoff als Kuchen zurückbleibt. In manchen Verfahren werden die Farbstoffe auch alkalisch extrahiert und dann gefällt. Dieses Fällungsverfahren ist vergleichsweise aufwendig, sodass es heutzutage kaum noch angewendet und hauptsächlich Stocklack oder Rohlack im Angebot ist.
Aus dem zurückbleibenden Harz läßt sich ein weiterer Rohstoff gewinnen: der Schellack. Dazu wird der Rohlack nach der Farbstoffextraktion mehrfach gekocht (und damit das Harz geschmolzen) und gefiltert. Anschließend wird das Harz zu Flocken zerkleinert und als Schellack verkauft. Schellack ist ein sehr vielseitig einsetzbarer Rohstoff, der sowohl in der Pharma-Industrie als auch als Siegellack, Klebstoff und – ihr ahnt es – für die Herstellung von Schallplatten verwendet wird. Jetzt wisst ihr, was Wolle färben mit Schallplatten zu tun hat :-). Schellack und der Lac-Farbstoff ist also ein nachwachsender Rohstoff, der komplett biologisch abbaubar ist, genau wie Wolle.
Die verschiedenen Verfahren, um an den Farbstoff oder den Schellack zu kommen, werden in den Quellen unterschiedlich beschrieben und sicherlich auch danach ausgewählt, ob man eher den Farbstoff oder eher den Schellack erhalten möchte. Im Schweppe wird z. B. speziell der “Färber- Lack” erwähnt. Je nach der Aufbereitungsart enthält der Farbstoff noch beträchtliche Mengen Harz oder es entsteht ein sehr reiner Lac-Dye (Färber-Lack), der für die Textilfärberei entwickelt wurde.
Farblack
Wenn im Zusammenhang mit Pigmenten von Lacken die Rede ist, dann ist damit nicht das gemeint, was man im Baumarkt in Dosen bekommt.
Wikipedia erklärt: „Die Verlackung ist eine Methode der Farbmittelherstellung, mit der aus wasserlöslichen Farbstoffen durch Zugabe von Fällungsmitteln unlösliche Pigmente erzeugt werden. Diese Pigmente sind chemisch gesehen Salze, werden aber industriell als „verlackte Pigmente“ oder auch als „Farblack“ bezeichnet, nicht zu verwechseln mit dem Beschichtungswerkstoff Lack.“
Der Farbstoff “Lac Dye” selbst besteht aus verschiedenen Farbstoffen, die säureempfindlich sind. Hauptbestandteile sind die rötlichen Laccainsäuren (Anthrachinonfarbstoffe). Lac Dye gilt als lichtechter als Cochenille.
Was ich in Deutschland bei meinem bevorzugten Dealer kaufen konnte, war Lac Dye Pulver. Offenbar enthielt es kein Harz mehr, denn es musste nicht mehrfach aufgekocht werden, um Harz zu entfernen.
Vorbereiten der Garne durch Beizen
Beim Färben mit Naturfarben müssen die Garne mit Beize vorbehandelt werden, damit der Farbstoff dauerhaft an die Fasern binden kann.
In ihrem Buch verwendete Frau Fischer verschiedene Beizen, so z.B. Weinsäure und Weinsteinrahm, das wollten wir unbedingt ausprobieren. (Wenn man es ganz genau nimmt, sind das eigentlich keine Beizen, weil sie keine Metallionen zur Verlackung der Farbstoffe auf der Wolle enthalten, aber dazu weiter unten mehr.)
Meine bevorzugte Beize ist ja die Kaltbeize AL – die ist wunderbar praktisch. Ich habe immer eine kleine verschließbare Tonne im Keller, da kommt die Wolle rein, und ein paar Tage später, wenn ich dran denke, hole ich sie wieder heraus. Ich muss nichts erhitzen, kann sie beliebig oft wiederverwenden (also die Beize, nicht die Wolle …) und vor allem – es sind nur 2 min Arbeit.
Was ist Kaltbeize AL?
Kaltbeize AL ist Aluminiumtriformiat, ein Aluminiumsalz der Ameisensäure. Die für die Färbung nötigen Metallionen (in diesem Fall das Aluminium) bindet schon bei Raumtemperatur an die Wolle, zurück bleibt die flüchtige Ameisensäure. Im Gegensatz zur Beize mit Alaun kann das Beizbad so lange verwendet werden, bis alle Aluminiumionen aufgebraucht sind, und kann dann gefahrlos entsorgt werden. Bei Verwendung von Alaun bleibt immer ein Teil des Aluminiums im Beizbad zurück, weshalb die Entsorgung nicht ganz unproblematisch ist.
Frau Fischer nimmt in ihren Rezepten teilweise 8 % Farbstoff und mehr. Sie kocht auch den Farbstoff vorher aus, um eventuelle Harzreste von der Wasseroberfläche zu entfernen, damit sie sich nicht auf die Wolle legen.
Da sich bei dem von uns verwendeten Farbstoff keine Harzreste an der Oberfläche zeigten, haben wir auf ein Auskochen verzichtet (offenbar haben wir eine sehr gute Qualität erwischt). Außerdem sind wir wesentlich sparsamer mit dem kostbaren Farbstoff umgegangen und haben nur 1 % (bezogen auf das Trockengewicht der eingesetzten Wolle) verwendet.
Gefärbt haben wir bei ca. 80 °C für 45 min.
Nach dem ersten Zug war noch genügend Farbstoff in der Flotte für einen zweiten Zug. Einen Teil des Garns im zweiten Zug haben wir mit Eisen weiterentwickelt. Allerdings hatte das nicht sehr viel Einfluss auf die Färbung, es blieb rosa und wurde nur etwas schmutziger.
Das Ergebnis: leuchtende, intensive Farbtöne und kaum Ausbluten beim anschließenden Waschen.
Bei den Farbstoffmengen, die Frau Fischer eingesetzt hat, muss nach dem ersten Zug noch ungeheuer viel Farbstoff in der Flotte gewesen sein. Leider schrieb sie nicht dazu, wie viele Züge sie aus so einer Flotte machen konnte.
Das Färben – immer wieder magisch
Und wie man sehen kann – das mit den unterschiedlichen Beizen hat wirklich eine große Wirkung! Die Kaltbeize gab ein Cochenille-ähnliches Rot, während die Weinsäure deutlich dunkler wurde. Weinsteinrahm ergab ein ähnliches Rot wie Kaltbeize.
Ich war ja ehrlich gesagt sehr überrascht, als Frau Fischer in ihrem Buch bei der Vorbehandlung der Wolle mit Weinsteinrahm bzw. Weinsäure von Beizen gesprochen hat, denn meines Wissens sind Beizen immer Metallsalze, die an die Wolloberfläche binden (bzw. auch in die Fasern eindringen) und dann beim Kontakt mit Farbstoffmolekülen aus der Flotte im zweiten Schritt dazu führen, dass die Farbstoffe an der Wolloberfläche (bzw. im Inneren der Faser) präzipitieren und dort mit ihnen unlösliche Verbindungen bilden (besagte Farblacke, siehe Infobox).
Nun, gefärbt hat es auch so, ohne Metallsalze. Dementsprechend gibt der Erfolg der Methode recht. Auch die ersten Wäschen bzw. Spülgänge hat die Färbung mit Weinsäure behandelter Wolle gut überstanden. Wieder was gelernt! Theorie ist eben nicht alles, manchmal muss man auch mal was ausprobieren und sich überraschen lassen.
Ein kleines bißchen Lac Dye hab ich jetzt noch. Ich muss nur noch schneller spinnen, damit ich wieder was zum Färben habe…
Die Lichtechtheit
Die Lichtechtheit ist immer ein Punkt, der beim Färben mit Naturfarben eine größere Rolle spielt als z.B. bei Säurefarben. Also hab ich einfach mal zwei Proben aufgewickelt und von September bis November ins Südfenster gelegt. Zugegeben, das ist nicht die härteste Probe auf Lichtechtheit, aber mehr war erst mal nicht drin und muss auf den nächsten Sommer warten… Auf den ersten Blick scheint die Lichtechtheit ausreichend zu sein.
Hast Du schon mal mit Lac Dye gefärbt? Was sind Deine Erfahrungen?
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Verwendete Literatur
Dorothea Fischer “Lac Dye – Das königliche Rot aus der Natur Asiens” ISBN 978-3-73-926580-3
Dominique Cardon “Natural Dyes. Sources, Trdition, Technology and Science” ISBN 978-1-904-982-00-5
H. Schweppe “Handbuch der Naturfarbstoffe” ISBN 3-933203-46-5
https://de.wikipedia.org/wiki/Schellack Stand 07.01.2022
zum Thema Kaltbeize: http://www.eberhardprinz.de/blog/?p=4457
Wolle blau färben – das wollte ich schon immer mal machen! Aber so richtig gut blau wird es nur mit Indigofarbstoffen, und die erfordern ein komplexes Färbeverfahren mit Küpe und Co- dachte ich immer. Daher war ich sehr erfreut, als ich zwei schnelle Färbemethoden fand, die ohne viel Equipment, Erfahrung und Zeit einfach zuhause umsetzbar sind.
Verbreitete Färbepflanzen mit blauen Farbstoffen
Indigo war in früheren Zeiten der einzige blaue Farbstoff mit hervorragender Lichtechtheit. Auf der ganzen Welt wurden bzw. werden Pflanzen zum Blaufärben verwendet. Die drei wichtigsten Vertreter sind sind:
Indigopflanzen der Gattung Indigofera (z.B. Indigofera tinctoria in Indien, I. suffruticosa in Mexiko und Südamerika, I. arrecta in Äthiopien, I. australis in Australien)
der aus Asien stammende Färberknöterich (Polygonum tinctorium, auch Persicaria tinctoria).
Vom Färberknöterich sind verschiedene Varianten bekannt, die sich z.B. in der Blütenfarbe unterscheiden. Ich bekam Anfang 2021 Samen vom Japanischen Färberknöterich geschenkt, und obwohl ich nicht so für meinen Grünen Daumen bekannt bin, musste ich das mal probieren.
Der Färberknöterich ist nicht winterhart und muss daher vorgezogen werden. Im Winter zog ich also aus den Samen auf der Fensterbank kleine Pflänzchen. Im Frühling kamen sie dann in einen größeren Topf auf die Terrasse. Wenn man die Triebe abknipst, werden die Pflanzen wohl etwas buschiger (das habe ich bei meinen Pflanzen vergessen…). Der Standort sollte hell und nicht zu trocken sein, bei zu wenig Wasser lassen die Pflanzen schnell die Köpfe hängen. Aber darum musste ich mir diesen Sommer keine Gedanken machen, denn es war leider eher kühl und nass und die Pflanzen sind nur langsam gewachsen. Anfang August war es dann soweit, ich konnte den ersten Färbeversuch starten.
Selbst jetzt, im Oktober, sind noch genügend Blätter da, um kleine Mengen Wolle färben zu können. Sogar Blüten treiben noch aus.
Etwas Chemie vorneweg – Wie funktioniert Blaufärben?
Bei den meisten anderen Färbungen liegt der Farbstoff direkt in der Färbepflanze vor, er muss nur noch extrahiert und dazu gebracht werden, sich an der Faser „festzuhalten“. Im Gegensatz dazu liegt der Indigofarbstoff in den Blättern Pflanzen als wasser-unlösliche, farblose Vorstufe vor. Diese Vorstufe, Indican genannt, besteht aus einem Zuckerteil und einem Indoxylteil. Sobald die Blätter geerntet sind, wird der Zuckerteil durch freiwerdende Enzyme abgespalten und der Indoxylteil freigesetzt. Indoxyl selbst ist noch farblos. Unter Einwirkung von Sauerstoff (=Oxidation) verbinden sich zwei Indoxyle zu Indigotin, dem blauen Indigofarbstoff. Das Indigotin ist wasserunlöslich.
Dieser Prozess ist hier natürlich stark von mir vereinfacht worden. Wer den gesamten Prozess in all seiner Komplexität und Schönheit verstehen will, dem lege ich den Schweppe oder noch besser den Cardon ans Herz(hier geht’s zu den Quellen).
Der Clou besteht nun darin, den Farbstoff auf die Fasern zu bringen, solange die lösliche Indoxylform vorliegt. Wenn sich das unlösliche, blaue Indigotin bildet, sollte der Farbstoff idealerweise schon auf die Fasern aufgezogen sein. Dafür hat man allerdings nicht sehr lange Zeit, wenn man keine weiteren Vorkehrungen chemischer Natur ergreift (also eine Küpe ansetzt – auf die Küpenfärbung möchte ich in einem separaten Artikel eingehen).
Ein ganz großer Vorteil des Blaufärbens ist: Die Wolle muss nicht gebeizt werden. Der Farbstoff zieht in die Faser ein und schlägt sich dort direkt nieder (er „präzipitiert“ – Hände hoch, wer kennt das Wort noch aus dem Chemieunterricht?). Das spart eine Menge Zeit – vor allem, wenn man wie ich nicht auf Vorrat beizt sondern immer nur mit einem bestimmten Projekt im Kopf.
Zwei schnelle Färbemethoden kurz vorgestellt
Für das schnelle Färben mit Färberknöterich habe ich zwei Methoden finden können: einmal die Salzmethode und einmal die Eismethode. Die Salzmethode habe ich ausprobiert und kann Dir hier meine Ergebnisse zeigen, die Eismethode steht für später auf dem Plan.
1. Blau Färben mit der Salzmethode
Im Netz stieß ich auf diesen wunderbaren Blogartikel bei STILL Garments (die einen ganz tollen Blog zu Färbepflanzen hat und auch Workshops anbietet – schaut da unbedingt mal vorbei!). Im Grunde werden dabei die Blätter mit normalem Salz so lange geknetet, bis eine Flüssigkeit austritt. Diese Flüssigkeit wird dann in das Garn oder den Stoff eingeknetet. Für Kammzüge kann ich mir diese Aufbereitungsmethode allerdings nicht vorstellen, die Gefahr des Filzens wäre mir einfach zu groß.
Ich habe insgesamt 77g Blätter verwendet von Stängeln, die noch keinen Blütenansatz hatten. Meine beiden Wollstränge waren 32g bzw. 21g schwer.
Blätter zupfen……kneten mit Salz……das Ganze in den ersten Strang einkneten……und in den zweiten Strang (unten in der Schüssel).
Die Blätter habe ich in einer Edelstahlschüssel mit einer Gartenschere etwas kleingeschnitten und dann einen guten Esslöffel Salz zugegeben (per Augenmaß, ich hatte grad keinen Löffel da). Dann fing ich an, mit den Händen das Salz in die Blätter einzukneten. Nach ca. 3 min trat Flüssigkeit aus und fing an, leicht zu schäumen. Nach insgesamt ca. 10min begann sich ein leichter bläulicher Schimmer abzuzeichnen. An dieser Stelle habe ich die Wolle zugegeben.
Ich schleuderte die vorgeweichten (nicht gebeizten) Wollstränge aus und gab den 30g-Strang zu den Blättern. Das Ganze knetete ich durch und war nicht sehr zart dabei. Nach ca. 2-3 min war überall auf der Wolle Farbe zu sehen, aber um es etwas gleichmäßiger hinzubekommen, knetete ich noch etwas weiter. Als der Farbton mir gefiel (es wurde ein schönes, tiefes blaugrün), nahm ich den Strang heraus und schüttelte die Blätterreste ab, so gut es ging. Die Blattmasse und die verbliebene Flüssigkeit machten den Eindruck, als sei noch ausreichend Farbstoff vorhanden, und so fügte ich für einen zweiten Zug den zweiten ausgeschleuderten Strang hinzu. Die im Strang enthaltene enthaltene Restfeuchtigkeit war sehr hilfreich, um die verbliebene Farbe einzuarbeiten. Es war etwas mühsamer als beim ersten Strang, aber von der Farbintensität unterschieden sich die beiden nicht wesentlich.
Nachdem auch der zweite Strang ca. 5 min geknetet war, drückte und schleuderte ich die Stränge aus und hing sie ohne vorheriges Ausspülen zum Trocknen auf. Nach ca. 1h war die verbliebene Blattmasse deutlich bläulicher als zu Beginn.
Die beiden Garne waren nach einiger Zeit an der Luft deutlich blau geworden.Nach dem Spülen und Trocknen hat sich der Farbton noch etwas mehr ins Blaue hin verändert.
Von den Farbtönen bin ich sehr angetan. Es ist kein klassisches Indigoblau, aber auch sehr schön! Wer es intensiver mag, kann sicher auch versuchen, bereits gefärbte Garne nochmals zu färben (und so die mehrmaligen Tauchgänge in einer Indigoküpe imitieren).
Alles in allem war ich vom Abschneiden der Zweige bis zum gefärbten Garn nicht mehr als eine halbe Stunde beschäftigt – das ist deutlich schneller als andere Naturfärbungen! Nach ca. 5min begann sich die erste Blaufärbung zu zeigen, aber man hat genügend Zeit, die Flüssigkeit einzuarbeiten. Welche Rolle das Salz dabei spielt, konnte ich noch nicht herausfinden. Meine Vermutungen: es könnte zum Aufschließen der Zellen dienen oder auch die Oxidation des Indoxyls verlangsamen. Wenn Du hier mehr weißt, hinterlass mir doch bitte einen Kommentar!
2. Blau Färben mit der Eismethode
Beim Blau Färben mit der Eismethode brauchst Du ebenfalls nur 2 Zutaten – frische Blätter vom Japanischen Färberknöterich und jede Menge Eis. Beschrieben ist sie in dem Buch „Indigo – Anbau, Färbetechniken, Projekte“ von K. Neumüller und D. Luhanko. Sie beruht im wesentlichen darauf, dass bei niedrigeren Temperaturen die Umwandlung des farblosen Indican zum blauen Indigotin langsamer abläuft. Der Farbstoff muss auf das Färbegut aufgezogen sein, bevor er blau geworden ist.
Die frisch geernteten (oder eingefrorenen) Blätter werden in einen Mixer bzw. Zerkleinerer gegeben, kaltes Wasser und Eiswürfel zugegeben und das Ganze auf Eis püriert. Am besten steht das Püriergefäß ebenfalls in einer Schüssel mit Eiswürfeln. Nicht zu lange pürieren, sonst wird die Flüssigkeit zu warm und die Farbreaktion läuft zu schnell ab. Nach dem Pürieren werden die Blätter abgeseiht und die (vorgekühlte, gut durchfeuchtete) Wolle wird in die Färbeflüssigkeit gelegt. Vom Beginn des Pürierens bis zum Ende der Färbung sollten nicht mehr als 7-10 min vergehen.
Und wie ist es mit der Lichtechtheit?
Manchmal sind Naturfarben nicht ganz lichtecht und vergrauen oder bleichen mit der Zeit aus. Wie ist das mit meiner Färbung nach der Salzmethode? Ich habe mal flugs was vorbereitet, einige Fäden um eine Karteikarte gewickelt und ins Südfenster gelegt. Noch läuft das Experiment, aber ich habe mal geschmult…tja, und leider sieht es so aus, als würde das schöne Blau verblassen. Die genaue Auswertung folgt in ein paar Wochen, wenn ich mit Sicherheit Unterschiede erkennen kann. Stay tuned !
Ergänzung:
Hier sind nun die Ergebnisse der Lichtechtheitsprüfung nach 3 Monaten Exposition im Südfenster. Es ist erkennbar, dass die Farbe bei beiden Strängen etwas verblasst (im Original noch etwas besser als auf den Fotos). Mir persönlich macht das nichts – jetzt bin ich nur noch gespannter darauf, wie es wohl mit einer Küpenfärbung aus dieser Pflanze wäre…
Wenn Du möchtest, kannst Du Dir dieses Bild pinnen.
Quellen
„Natural Dyes“ D. Cardon (2007), ISBN 978-1-904982-00-5
„The Science of Teaching with Natural Dyes“ J.M. Buccigross (2006), ISBN 1-4196-4104-2
„Handbuch der Naturfarbstoffe“ H. Schweppe (1993), ISBN 3-933203-46-5
„Indigo – Anbau, Färbetechniken, Projekte“ von K. Neumüller und D. Luhanko, Haupt Verlag, ISBN 978 – 3 – 258 – 60212 – 7
Nehmen unterschiedliche Schafrassen Naturfarben wie z.B. Krapp unterschiedlich an? Wird auf Merino das gleiche Färbeergebnis erzielt wie auf Coburger Fuchs oder Wensleydale? Diese Frage ließ mich nach einem Frisörbesuch nicht mehr los, also machte ich mich ans Experimentieren. Das Spinnen und Färben sowie die anschließende Auswertung zog sich über ein gutes halbes Jahr hin. Dieser Artikel erschien in gekürzter Form im Magazin der Handspinngilde „Mit Spinnrad und Spindel“, Ausgabe 31 (Herbst 2020).
Ich saß entspannt beim Frisör, ließ meine Haare färben und blätterte in der Ausgabe „Down Breeds“ des PLY-Magazins (Frühling 2017). Einen Artikel fand ich besonders interessant: es ging um die Färbung verschiedener Rohwollen von Schafen der Down-/ Down-like Gruppe mit Säurefarbstoffen (S. 22-27 dort). Die Autorin erläutert ihre Methode zur Färbung (Redding Method of Dyeing, www.reddingmethod.com) und zeigt, dass Fasern verschiedener Down-Rassen bestimmte (Säure-) Farben unterschiedlich annehmen. Beispielsweise nahm Cheviot besonders rot gut an, Hampshire besonders blau und grün, Oxford hingegen nahm nur grün mit wirklich guter Sättigung an. Dies wurde von der Autorin auf die jeweilige Schuppenstruktur der Fasern (Schuppenfrequenz, -höhe, -breite und –länge) sowie deren internen Struktur (cell membrane complex (CMC), Cortex, sowie Proportionen und Orientierung der Zellen innerhalb des Cortex) zurückgeführt. Die Down-Wollen bezeichnete sie als Wolle mit niedriger Affinität (low affinity wools).
Diese Redding-Methode kannte ich nicht, und auch mit dem genauen Aufbau einer Wollfaser hatte ich mich noch nie auseinandergesetzt. Wie kommt die Farbe in die Faser, und wo genau ist sie da…? Meine Neugier war geweckt.
Etwas Theorie vorneweg
Werfen wir erst einmal einen Blick auf den Aufbau einer Wollfaser. Im Querschnitt einer Faser lassen sich mikroskopisch zwei verschiedene Regionen erkennen: Paracortex und Orthocortex, beide zusammen bilden den Cortex. Manchmal findet man auch einen Mesocortex, der liegt dann zwischen Ortho- und Paracortex. Unterschiede zwischen Ortho- und Paracortex sind, grob vereinfacht, für den Crimp (also die Kräuselung der Faser) verantwortlich.
Der Cortex wird von Cortexzellen gebildet, die sich über die gesamte Länge der Faser aneinanderreihen und das Keratin enthalten. Jede einzelne Cortexzelle ist wiederum von einem Zellmembrankomplex (engl. Cell Membrane Complex, CMC, s.o.) umgeben (vgl. diese Abbildung . Aufgrund von Copyright kann ich sie hier nicht direkt abbilden), eine Art „Zement“, der sich durch die gesamte Faser zieht.
Der äußere Teil der Faser wird von Schuppen ummantelt. Die Schuppen (engl. Cuticle Cells) sind einzelne, sich überlappende Zellen, die ebenfalls mit dem Zellmembrankomplex (dem „Zement“) in Kontakt stehen.
Schematischer Aufbau einer Wollfaser. Genutzt unter der Creative Commons License. Photographer: Textile and Fibre Technology. Quelle: https://www.scienceimage.csiro.au/library/textile/i/2489/diagram-of-wool-fibre-structure/3
Wie kommt nun die Farbe in die Faser?
Im Buch „The Coloration of Wool and other Keratin Fibres“ wird beschrieben, dass Farbstoffe hauptsächlich über die Zwischenräume zwischen den Schuppen in die Faser eindringen, sich über den Zellmembrankomplex im Inneren verteilen und schließlich in keratinhaltigen Bereichen binden. Für diesen Prozess werden erhöhte Temperaturen und eine ausreichend lange Verweilzeit im Färbebad benötigt, da sonst die Farbstoffe aufgrund unvollständiger Bindung wieder ausbluten können (S. 66, S. 68 f.). Jeanne M. Buccigross („The Science of Teaching with Natural Dyes“) beschreibt, dass nur ein Teil des Keratins Farbstoffe binden kann, da die großen Farbstoffmoleküle nicht in die dicht gepackten Keratin-Bereiche (Fibrillen) eindringen können sondern nur in lockerer gepackte, sog. Amorphe Bereiche (S.82).
Der Färbevorgang läuft dabei in vier (kontinuierlichen) Schritten ab (nach Lewis & Rippon, S. 60):
Diffusion des Farbstoffes durch das Färbebad zur Faseroberfläche (dieser Schritt läuft am schnellsten ab)
Bindung des Farbstoffs an die Faser
Transport des Farbstoffes über die Faseroberfläche nach innen
Diffusion des Farbstoffes von der Oberfläche durch die gesamte Faser
Faktoren, die Einfluss auf das Färbeergebnis haben können, sind z.B. (unvollständige Liste):
Lanolingehalt (könnte das Eindringen des Farbstoffes in die Faser verhindern),
Menge des Farbstoffes im Färbebad (auch im Verhältnis zur Wollmenge)
Art des Farbstoffs (molekulare / chemische Eigenschaften)
pH, Anwesenheit von Salzen und Benetzungsmitteln
Unterschiede in der natürlichen Zusammensetzung des Zellmembrankomplexes (z.B. in Abhängigkeit von der Schafrasse) könnten diesen Überlegungen zufolge ebenfalls Einfluss auf die Färbeergebnisse haben, indem sie verschiedene Farbstoffe aufgrund ihrer molekularen / chemischen Eigenschaften unterschiedlich gut binden.
Das Experiment
Mir stellte sich nun die Frage, ob Fasern verschiedener Schafrassen Naturfarben genauso unterschiedlich binden wie die Säurefarbstoffe, die Frau Redding benutzt hat. Allerdings hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch keine Erfahrungen mit Naturfarben gesammelt (vom Frisör mal abgesehen…).
So wurde die Idee geboren, Garne verschiedener Schafrassen mit Naturfarben zu färben und nach Unterschieden zu suchen. Da es fertige rassespezifische Garne in Deutschland nur sehr begrenzt zu kaufen gibt, bestellte ich kurzerhand 20 Kammzüge zu 100g beim Wollhändler meines Vertrauens und machte mich ans Spinnen. Jeder fertige 100g-Strang wurde in sechs ca. 15g-Strängchen unterteilt, die für das Färben zur Verfügung standen, die verbliebenen ca. 10g blieben ungefärbt als Referenz.
Auswahl der Fasern
Bei der Auswahl der Fasern sollten möglichst viele Fasergruppen (entsprechend Fleece and Fiber Source Book) berücksichtigt werden.
Die Zuordnung zu den dort definierten Gruppen war jedoch nicht immer eindeutig möglich, z.B. waren regionale Rassen wie etwa Coburger Fuchs im Buch nicht aufgeführt, und einige der kommerziell angebotenen Fasern schienen mehr auf ein Gemisch verschiedener Schafrassen einer Region hinzuweisen als eine wirkliche Rasse (z.B. Falkland, Island, Polarfuchs, Norwegische). In solchen Fällen habe ich die Fasern nach Spinnverhalten zugeordnet (z.B. Falkland), die nachfolgend vorgestellte Einteilung ist daher meine eigene. Wenn mehrere Farbvarianten zur Auswahl standen, habe ich mich für die weiße Faser entschieden.
Als weitere regionale Rasse wollte ich eigentlich neben Cobuger Fuchs auch das Bergschaf im Experiment berücksichtigen. Davon war allerdings zum Zeitpunkt der Bestellung kein Kammzug, sondern nur Vlies erhältlich. Die Faservorbereitung sollte aber für alle Fasern möglichst gleich sein, um Unterschiede in der Farbe durch verschiedene Faservorbereitungen und / oder Spinntechniken auszuschließen. Somit blieb es beim Coburger Fuchs als Deutsche Rasse.
Und so packte ich mir meinen virtuellen Einkaufswagen voll und hatte kurze Zeit später ein riesiges Paket Flausch vor der Tür.
Ein Paket voller Flauschrausch 🙂
Nachfolgend stelle ich die Gruppen und jeweils verwendeten Fasern kurz vor. Nicht alle ausgewählten Fasern repräsentieren eine bestimmte Rasse, einige sind nur Bezeichnungen für die Herkunft der Fasern (z.B. Falkland, Polarfuchs, evtl. Finnische, Norwegische).
Gruppe 1: Down Breeds
Southdown: Hauptsächlich weiße Faser mit guter Kräuselung. Sie ergibt aus meiner Erfahrung elastische Garne, filzt schlecht und wird von mir daher gerne zum Spinnen von Sockenwolle verwendet
Suffolk: Die angebotene Faser war graues Suffolk. Beim Bestellen der Faser habe ich dies nicht hinterfragt, jedoch ist mir bei der genaueren Recherche im Fleece and Fiber Sourcebook ein Kommentar der Autorinnen aufgefallen (S. 80 dort). Sie weisen darauf hin, dass Suffolk weiße Schafe sind, jedoch eine kommerzielle Faser als „graues Suffolk“ angeboten wird. Diese Faser zeigt kaum Ähnlichkeit mit echtem Suffolk bezüglich Stapellänge, Kräuselung usw., eine Recherche der Autorinnen zur Identität der eingeflossenen Fasern erbrachte jedoch keine Ergebnisse. Ich habe die Faser dennoch aufgrund der schönen Naturfarbe im Experiment belassen.
Gruppe 2: Cheviot Gruppe
Cheviot: Weiße Fasern mit schöner Kräuselung, Down-ähnliche Eigenschaften, robust, filzt schlecht. Wird in Großbritannien zu den Hochlandrassen (Hill Breeds) gezählt.
Gruppe 3: English Longwools
Blue Faced Leicester: Lange, seidige Fasern mit schönem Glanz. Feiner als die anderen Longwools.
Teeswater: Sehr lange, glänzende Faser, gröber als Wensleydale, deutlich cremefarben.
Wensleydale: Sehr lange, glänzende Faser, gröber als Blue Faced Leicester, weiß.
Gruppe 4: Black Face Mountain Family
Swaledale: Den Angaben im Fleece & Fiber Sourcebook zufolge eine grobe Wolle, es hat mich jedoch sehr überrascht, wie weich sie doch war. Sie ist definitiv Pullover-geeignet! Matte, moderat gekräuselte Faser mit hellbrauner Farbe, obwohl die Abbildungen der Schafe weiße Wolle zeigten, nur die Lämmer sind dunkel. Mir stellte sich daher die Frage, ob es sich auch hier (ähnlich wie bei Suffolk) um ein Fasergemisch mit Namen „Swaledale“ handeln könnte, vgl. dazu auch den Abschnitt „What’s in a name?“ auf S. 16 und 17 im Fleece & Fiber Sourcebook. Hier wird die Garnlinie Purelife von Rowan beschrieben, die zwar Namen von Schafrassen tragen, aber aus einem Fasergemisch verschiedener britischer Rassen bestehen.
Gruppe 5: Merino / Fine Wools
Bio-Merino: Feine weiche Wolle, die wohl jeder kennt. Ich habe sie für die Färbungen als Referenzfaser verwendet.
Rambouillet: Feine, weiche Wolle, weniger Glanz als Merino (eher matt), aber aufgrund der Kräuselung sind die Garne elastischer als Merino.
Gruppe 6: Nordeuropäische Kurzschwanzschafe (Northern European Short-Tailed)
Finnische: Finnschaf-Wolle ist (im Gegensatz zu den anderen Rassen der Gruppe) single coated, sie filzt leicht und hat nur moderate Kräuselung. Meine Wolle war mittelweich/ robust und recht lang.
Island: Island-Schaf-Wolle ist Double coated. Diese Wolle war weiß, langstapelig und eher grob, anscheinend wurden Deckhaar und Unterhaar gemeinsam verarbeitet.
Polarfuchs: Nach meinen Recherchen ebenfalls Island-Wolle, Polarfuchs ist aber deutlich feiner. Möglicherweise wurden die Deckhaare abgetrennt und nur die weiche Unterwolle verarbeitet, dies ist aber nur eine Vermutung aufgrund der Weichheit der Faser. Hellbeige Farbe.
Norwegische: Laut „World of Wool“ eine der ältesten Schafrassen der Welt, ist jedoch nicht im Fleece & Fiber Sourcebook gelistet. Gröbere Wolle mit eher längerer Stapellänge, aber feiner als Isländische.
Shetland: Sehr vielfältige Wolle hinsichtlich z.B. Farbe und Feinheit, es gibt sowohl single als auch double coated. Interessanterweise kann sich die Bezeichnung „Shetland“ zum einen auf die Rasse beziehen (es gibt auch Shetland-Schafe außerhalb der Shetlandinseln), aber unabhängig von der Rasse auch auf die Herkunft (ähnlich wie bei „Falkland“). Dementsprechend kann ich nicht sicher sagen, ob die von mir verwendeten Fasern rassetypisch sind. Sie waren recht weich und dem Anschein nach nicht von double coated Schafen (wie z.B. Island).
Gruppe 7: Andere (Other)
Charollais: Ursprünglich entstanden im 19.Jh. aus der Kreuzung von Leicester Longwool und französischen Landrassen, auch Southdown. Die Fasern sind fein bis mittelweich und recht kurz.
Corriedale: Ursprünglich entstanden aus Lincoln, eventuell Leicester, und Merino in Neuseeland. Etwas längere, mittelfeine Fasern, gleichmäßige Kräuselung. Angenehm zu spinnen, robuster als Merino, aber noch recht weich.
Jacob: Sehr unterschiedliche Faserqualitäten sind möglich, eher auf der robusten Seite, Stichelhaare sind möglich. Kann Down-Breed ähnliche Eigenschaften aufweisen. Mein Kammzug war für robuste Fasern auf der weichen Seite.
Polwarth: Ursprünglich entstanden aus der Kreuzung von Merino-Böcken mit Merino/Lincoln Auen. Sehr feine Fasern, die sehr aufgeflufft sind. Mir ist nicht ganz klar, warum sie nicht unter „Fine Wools“ wie Merino geführt wird im Fleece & Fiber Sourcebook.
Falkland: Erwartet habe ich eine Merino- oder Polwarth-ähnliche, weiche Faser. Der Kammzug war jedoch eher auf der groben Seite und verhielt sich spinntechnisch eher wie eine grobe Longwool (lange Stapellänge). Daher habe ich diese Faser bei der Auswertung eher bei den Longwools angesiedelt.
Gruppe 8: Deutsche Rassen
Coburger Fuchs: Relativ grobe und matte, wenig gekräuselte Faser, der charakteristische rötliche Schimmer war nur schwach ausgeprägt, mein Kammzug war eher weiß mit wenigen rötlichen Haaren.
Spinnen der Fasern
Gesponnen habe ich die Garne auf meinem Lendrum DT mit dem Woollee Winder. Bei der Wahl der Spinntechnik spielten mehrere Faktoren eine Rolle. Zum einen wollte ich die Länge der jeweiligen Fasern berücksichtigen, zum anderen war mein Ziel, mögliche Unterschiede bei den Färbungen durch die verwendete Spinntechnik auszuschließen. Ein kurzer Auszug mit Glattstreichen der Fasern führt zu einem eher glatten, tendenziell stärker glänzenden Garn, der lange Auszug jedoch eher zu einem matteren Garn, da das Licht von den Fasern in verschiedenste Richtungen reflektiert wird.
Meine Wahl fiel auf den kurzen Auszug, weil dieser für alle Kammzüge geeignet war (ausreichende Stapellänge) und den Glanz und somit die Farbbrillianz begünstigt. Ein langer Auszug hätte sich für die längeren Fasern (Longwools) wahrscheinlich weniger gut geeignet und den Glanz dieser Fasern wohl auch nicht so zur Geltung gebracht (ich habe es aber nicht ausprobiert).
In den meisten Fällen zog ich nach vorn aus, in einigen Fällen (z.B. Rambouillet, Charollais) eignete sich der kurze Auszug nach hinten besser für die Fasern. Glattgestrichen habe ich in beiden Fällen, wobei ich beim Charollais etwas Drall in die Auszugszone gelassen habe.
Die gesponnenen Stränge der 20 verschiedenen Schafrassen (links) wurden anschließend in 140 Mini-Stränge aufgeteilt, um sie für die Färbung vorzubereiten.
Um schön weiche Garne zu bekommen, habe ich mit möglichst wenig Spinndrall gesponnen (überwiegend 6:1) und dann mit etwas mehr Drall zweifach verzwirnt (10:1). Die genaue Drallmenge (Anzahl der Tritte pro Auszug / Zwirnlänge) richtete sich nach der jeweiligen Faser (Longwools deutlich weniger als Fasern mit mehr Kräuselung). Bis auf das BFL waren alle Garne für meinen Geschmack gut ausgeglichen.
Und damit das Ganze nicht zu einem Jahresprojekt ausufert, wollte ich die Garne eher etwas dicker als für mich üblich spinnen, wobei ich jedoch keine Ziel-Dicke im Kopf hatte. Innerhalb eines Garns habe ich versucht, so konsistent wie möglich zu spinnen.
Die Longswools habe ich zu Beginn des Projektes gesponnen. Sie sind deutlich dünner und näher an meinem „Autopilot-Garn“ als die zuletzt gesponnenen mit mehr Kräuselung. Dies hat seine Ursache sicher zum einen darin, dass ich mich anfangs noch an das „Dick-Spinnen“ heranarbeiten musste, zum anderen fluffen stärker gekräuselte Fasern nach dem Entspannungsbad aber auch deutlich stärker auf als z.B. die Longwools.
Jeder 100g-Strang wurde in sechs ca. 15g-Strängchen unterteilt, die für das Färben zur Verfügung standen, die verbliebenen ca. 10g blieben ungefärbt als Referenz.
Material: Fasern von „Das Wollschaf“, dort gibt es meines Wissens das größte Sortiment.
Gerät: Lendrum DT, Woolee Winder 6:1 und 10:1
Auszug: überwiegend kurzer Auszug nach vorne, in wenigen Fällen nach hinten (das ging z.B. bei Rambouillet und Charollais besser)
Finish: Entspannungsbad in lauwarmem Wasser, Stränge in Handtüchern ausgedrückt, etwas ausgeschlagen und hängend getrocknet.
Kennzahlen der gesponnenen Garne
Färben der Fasern
Für das Färben der Stränge holte ich mir professionelle Hilfe von einer Handfärberin, die sich auf naturgefärbte Garne spezialisiert hat. Da ich nur eine kleine Küche und auch nicht ausreichend Utensilien zum Färben großer Mengen habe, war ich sehr froh, unter Elkes Anleitung und tatkräftiger Mithilfe in ihrer Werkstatt arbeiten zu dürfen. Wir entwarfen einen Färbeplan und entschieden uns für folgende Kombinationen:
Verwendete Färbematerialien und -bedingungen.
Bei der Malvefärbung 1. Zug wurden die Blüten überbrüht und 15min ziehen lassen, bevor der Farbbeutel entfernt und die Wolle für die angegebene Zeit eingelegt wurde. Für den 2. Zug wurde der Färbebeutel wieder hineingegeben und 45 min ausgekocht. Anschließend wurde die Wolle eingelegt und gefärbt.
Die Extrakte wurden aus färbetaktischen Gründen gewählt (kein Einweichen / Auskochen der Droge erforderlich, Pulver kann direkt eingewogen und verwendet werden, das spart deutlich Zeit). Beim Färbevorgang konnte man beobachten, dass die Wollen die Farben unterschiedlich schnell annahmen (siehe unten, Beginn der Färbung mit Blauholz bzw. Zwiebel). Allerdings sind viele der Nuancen am Ende des Färbeprozesses wieder verschwunden, als die Färbung die Sättigung erreichte.
BlauholzZwiebelschale
Am Ende der Färbung war das erste, was ins Auge fiel, die deutlich dunklere Färbung des Cheviot. Dies ließ die Vermutung aufkommen, dass es sich möglicherweise um superwash-ausgerüstete Fasern handeln könnte (was ist superwash, fragst Du? Hier habe ich einen Artikel dazu geschrieben). Dieser Vermutung ging ich in einem Ergänzungsversuch bei mir zu Hause auf den Grund. Dafür habe ich verschiedene Kammzüge (Cheviot und Cheviot superwash vom Wollschaf, Cheviot von Flinkhand, sowie zur Vergleichbarkeit bzw. als Kontrolle Falkland und Rambouillet von Flinkhand) auf die gleiche Art gesponnen wie auch die anderen Proben und anschließend mit Malvenblüten gefärbt wie oben beschrieben.
Bemerkenswert ist die deutlich intensivere Färbung der Fasern im Nach-Versuch, obwohl das gleiche Verhältnis Wolle:Färbematerial verwendet wurde. Einzige Unterschiede waren anderes Leitungswasser sowie eine längere Verweilzeit in der Kaltbeize (>2 Tage).
Für die Auswertung habe ich Fotos der jeweiligen Farben (immer oben im Bild) mit Bio-Merino als Referenz (immer unten im Bild) gemacht. Fasern, die nicht naturweiß / cremefarben waren, sind in der ersten Spalte grau hinterlegt.
Die Farbtreue auf den Fotos ist leider sehr unterschiedlich, je nachdem, welche Farben nebeneinander lagen, wirken sie auf den Fotos dunkler oder heller (der untere Strang ist immer Merino, sieht jedoch in den Bildern immer unterschiedlich aus). Malve II ist in Wirklichkeit viel dunkler als auf den Fotos, ungefähr so, wie auf dem Foto der Bio-Merino alleine.
Auf den Fotos kommen die mit dem Auge wahrnehmbaren Unterschiede nicht immer gut zur Geltung (ich bin leider kein guter Fotograf…), daher habe ich eine Matrix zur schematischen Darstellung der Ergebnisse erstellt, die die Farbintensität der jeweiligen Färbung im Vergleich zu Merino wiedergibt (mit meinen Augen gesehen):
0 = gleich intensiv; /= etwas weniger intensiv; // = deutlich weniger intensiv; + = etwas intensiver; ++ deutlich intensiver
Matrix zur schematischen Erfassung der Farbintensitäten auf den verschiedenen Schafrassen.
Um zu schauen, ob innerhalb einer Rasse vielleicht eine Farbe besonders gut angenommen wird, habe ich für jede Rasse alle Färbungen nebeneinandergelegt und fotografiert.
Darstellung aller Farben, zusammengefasst für jede Schafrasse.
Außerdem habe ich alle 20 Stränge / Rassen in der jeweiligen Färbung sowie ungefärbt fotografiert:
BlauholzMalve IMalve IIResedaRotholzZwiebelschalenNaturLegende für die Zuordnung der Garne in den Fotos der jeweiligen Färbungen.
Auswertung der Ergebnisse
Das erste, was ins Auge fiel, war die deutlich dunklere Färbung der Cheviot-Stränge in allen Färbungen. Dies ließ die Vermutung aufkommen, dass es sich möglicherweise um superwash-ausgerüstete Fasern handeln könnte (s.o., obwohl ich definitiv nicht die superwash-Variante bestellt hatte). Diese Vermutung konnte in einem Ergänzungsversuch bestätigt werden (vgl. diese Abbildungen). Das unbehandelte Cheviot aus zwei verschiedenen Quellen (Wollschaf, Flinkhand) war in seiner Färbung vergleichbar mit Falkland.
Ziehen die Farben nun unterschiedlich auf die Rassen auf?
Ja! Während des Färbevorgangs war zu beobachten, dass die Farben auf die unterschiedlichen Garne unterschiedlich schnell aufzogen (vgl. diese Abbildungen). Jedoch waren die Unterschiede am Ende des Färbevorgangs wieder ausgeglichen: anscheinend dringen die Farbstoffe unterschiedlich schnell in die Fasern ein, am Ende sind jedoch vergleichbare Farbstoffmengen in den verschiedenen Fasern gebunden. Ob es sich hierbei um unterschiedliche Affinitäten der diversen Fasern zu den verschiedenen Farbstoffmolekülen handelt, müsste in weiteren (recht komplexen) Versuchen geklärt werden. Dieser Befund verdeutlicht, warum eine ausreichend hohe Einwirkzeit für das Färben mit Naturfarben erforderlich ist.
Zwiebelschalen brachten die meisten Unterschiede zwischen den Rassen heraus, die wenigsten Unterschiede waren bei den Malve-Färbungen und Reseda zu beobachten.
Zusammenfassende Auswertung der Färbungen im Vergleich zu Merino. Berücksichtigt wurden nur die weißen Fasern.
Gibt es Unterschiede in der Farbaufnahme zwischen den Rassen oder Gruppen?
Die Schafrassen zeigten keine so deutliche Präferenz für bestimmte Farben, wie es im PLY-Artikel für Säurefarben gezeigt wurde. Um die Nuancen besser beurteilen zu können, habe ich jede Faser immer mit Merino als Referenzfaser verglichen und versucht zu ermitteln, ob sie dunkler oder heller gefärbt war als Merino. Diese „augische“ Methode ist natürlich sehr fehleranfällig, da jedes Auge die Farben anders sieht. Ein Labor zur Bestimmung der Farbintensität stand mir jedoch leider nicht zur Verfügung. Da die nicht-weißen Fasern (v.a. Suffolk, Swaledale, Polarfuchs) immer dunkler waren als Merino, liefen sie ein wenig „außer Konkurrenz“. Die zu beobachtenden Effekte (vgl. diese Tabelle) waren dennoch sehr interessant. So war z.B. Polwarth in fast allen Farben blasser als alle anderen Fasern, während bei den Langwollen BFL und Wensleydale tendenziell intensiver gefärbt waren.
Down Breeds (1): keine Unterschiede in Farbtiefe zu Merino feststellbar (Southdown). Interessante Färbung des naturbraunen Suffolk.
Cheviot (2): deutlich intensiver als Merino (außer bei Reseda, da nur wenig intensiver). Verdacht auf superwash-Ausrüstung. Bestätigt durch 2. Experiment.
Longwools (3): Naturfarbe etwas dunkler (cremefarben), BFL hat Zwiebel, Rotholz und Blauholz besser angenommen, Wensleydale Malve II und Rotholz. Bei Teeswater und Falkland ließ sich kein Unterschied zu Merino feststellen.
Black Face Mountain (4): Swaledale – durch die Naturfarbe dunklere Färbung bei Reseda, Zwiebel, Rotholz und Blauholz. Interessanterweise ist die Malvenfärbung nicht so intensiv (evtl. zu dicht an der Naturfarbe?).
Fine Wool / Merino (5): Rambouillet- Rot und Orange-Töne etwas intensiver als Merino.
North European Short tailed (6): Fast kein Unterschied zu Merino. Shetland war mit Rotholz etwas intensiver gefärbt als Merino. Trotz der deutlich dunkleren Naturfärbung des Polarfuchs wurden die Farben nur wenig dunkler als bei Merino.
Other (7): Fast keine Unterschiede zu Merino. Charollais ist etwas intensiver gefärbt bei Zwiebel, Rotholz und Blauholz. Polwarth ist außer bei Rotholz und Blauholz blasser als Merino.
Deutsche Rasse (8): Coburger Fuchs ist in der Naturfarbe etwas dunkler als Merino, bei den Farben sieht man aber nur bei Zwiebelschalen ebenfalls eine dunklere Färbung, ansonsten keine Unterschiede zu Merino.
Bewertung in Bezug auf Lanolingehalt und Wolle
Die von mir verwendeten Kammzüge waren industriell hergestellt und enthielten daher auch kein Rest-Lanolin. Ein Einfluss auf das Färbeergebnis ist demnach auszuschließen. Bei der Verwendung von Rohwolle, so wie bei der Redding-Methode, ist es hingegen möglich, dass unterschiedlicher Lanolingehalt (auch wenn Lanolin durch Waschen entfernt wird) die Färbung beeinflusst / beeinträchtigt. Auch sind bei der Verwendung von Vliesen einzelner Tiere im Vergleich zu Industrieware sicherlich größere Unterschiede möglich.
Bewertung in Bezug auf die Farbstoffkonzentration
Alle Färbebäder enthielten große Mengen Farbstoff (Farbstoffüberschuss), keines war am Ende des Färbevorganges erschöpft und man hätte noch mindestens 1 – 2 Züge färben können. Ein „Wettbewerb“ der verschiedenen Fasern um die vorhandenen Farbstoffmoleküle ist daher unwahrscheinlich. Unterschiede in den Farbintensitäten auf den Garnen sind also ausschließlich auf die Eigenschaften der Faser zurückzuführen und nicht auf Farbstoffmangel.
Um Präferenzen für einzelne Farben ganz genau vergleichen zu können (also ob eine Faser stärker rot als blau bindet), wäre es erforderlich, immer gleiche Konzentrationen an Farbstoff einzustellen (z.B. 1%, 5% o.ä.), wie es für Säurefarben gemacht werden kann. Bei Naturfarben ist es aber deutlich schwieriger, einheitliche Färbelösungen herzustellen, da die Menge an Farbstoff im Pflanzenmaterial bzw. in daraus gewonnenen Extrakten nicht auf bestimmte Konzentrationen eingestellt ist. Zudem haben auch Faktoren wie z.B. die Qualität des beim Färben verwendeten Wassers, die Wachstumsbedingungen der Pflanzen, der Erntezeitpunkt sowie Trocknungsbedingungen (um nur einige zu nennen) einen deutlich höheren Einfluss auf das Resultat.
Fasereigenschaften
Interessant ist, dass Polwarth bei den meisten, aber nicht bei allen Farben (nämlich nicht bei Rotholz- und Blauholzextrakt) die Farbe schwächer annahm als Merino. Es wäre interessant zu wissen, worin sich z.B. die Schuppenstruktur oder der CMC des Polwarth von Merino unterscheidet, und auch welche chemische Struktur die Farbstoffe genau haben.
Ausblick
Dieses Experiment hat mir in vielerlei Hinsicht die Augen geöffnet. Einmal mehr wurde mir bewusst, dass es „die Schafwolle“ eigentlich gar nicht gibt, denn die Vielfalt der Fasern verschiedener Schafrassen ist wirklich bemerkenswert. Allein die unterschiedlichen Nuancen in „weißer“ Wolle sind faszinierend, ebenso wie ihr Spinnverhalten und die Verwendungsmöglichkeiten der Fasern. Ich bin immer noch hingerissen von den leuchtenden Farben und vielfältigen Schattierungen, die mit Naturfarben erzielt werden können. Es ist gut vorstellbar, dass das Ganze noch komplexer wird, wenn man keine industriell gefertigten Kammzüge (homogen gemischte Fasern vieler Tiere) sondern einzelne Vliese verarbeitet.
Mir wurde auch noch einmal bewusst, dass ich auch beim Einkauf genau auf das Label schauen muss (vgl. graubraunes Suffolk, Falkland, Polarfuchs), und dass eine superwash-Behandlung nicht immer an der Faser erkannt werden kann, wenn man keine Vergleichsfaser daneben liegen hat.
Ich nehme auch die Erkenntnis mit, dass ich mir der Rasse nur wirklich sicher sein kann, wenn ich das Schaf kannte, von dem die Wolle kam, und ich auch das Vlies verarbeitet habe. Kommerziell aufbereitete und über Großhändler bezogene Wolle ist ein wunderbarer Weg, an viele verschiedene Fasern zu kommen und sie kennenzulernen. Jedoch kann man als Kunde nicht immer problemlos nachvollziehen, welche Fasern zu einem bestimmten Produkt verarbeitet wurden.
Das führt mich direkt zu der Frage nach Struktur-Funktions-Beziehungen bei Wollfasern der unterschiedlichen Rassen: Gibt es z.B. auf molekularer Ebene Unterschiede, die zu verschiedenen Morphologien (Kräuselung, Glanz) führen? Hier wird wohl einiges an Literaturrecherche anstehen. Auch weiterführende Färbeversuche fände ich interessant, z.B. Zeitreihenversuche mit Zwiebelschalen oder Blauholz zu machen, um den Verlauf des Aufzugs der Farbe bis zur Sättigung zu dokumentieren. Oder: Wie verhalten sich die lokalen Schafrassen, die ich hier gar nicht berücksichtigt habe? Ganz sicher ist: es wird weitere Experimente geben!
Du kannst diesen Artikel als pdf hier herunterladen, wenn Du möchtest (ca. 7MB):