Vor einer Weile habe ich Elke von Tulliver Yarn in ihrer Färbewerkstatt besucht, um mit ihr zusammen einen faszinierenden Farbstoff auszutesten – Lac Dye. Es war ein bunter, erkenntnisreicher und entspannter Tag. Und was Wolle färben mit Schallplatten zu tun hat, erfährst du in diesem Artikel.
Was genau ist “Lac Dye” und wo kommt er her?
Lac Dye ist der Farbstoff aus der Lackschildlaus, er ist also ein Insektenfarbstoff, ähnlich wie Cochenille. Lackschildläuse gehören zum Genus Kerria und werden in Indien und Süd-China seit tausenden von Jahren auf verschiedenen Bäumen kultiviert. Die am weitesten verbreitete der dreizehn beschriebenen Spezies ist die indische Kerria lacca.
Die Insekten enthalten einen roten Farbstoff. Sie leben in Kolonien parasitisch auf den Bäumen und die Weibchen scheiden dabei ein braunes Harz-ähnliches Sekret ab. Dieses Harz umgibt die Weibchen und ihre Brut und schützt sie auf diese Weise. Die Weibchen sterben, wenn die Larven schlüpfen und bleiben im Harz zurück. Durch kleine Gänge im Harz können die geschlüpften Larven nach außen gelangen und neue Zweige besiedeln.
Das Harz umgibt die Äste und Zweige der befallenen Bäume wie eine Hülle. Es wird (je nach Anbaugebiet) vor oder nach dem Schlüpfen der Larven gesammelt und anschließend aufbereitet.
Lac Dye wird in Lac-Farmen angebaut
Bäume, die zur Gewinnung von Lac dienen sollen, werden 8 – 15 Jahre vor der Besiedelung gepflanzt und müssen einen sorgsam ausgewählten Standort haben – weit genug von anderen Bäumen entfernt und gut belüftet. Um Bäume mit den Insekten zu besiedeln, werden befallene Zweige an die noch nicht besiedelten Bäume gebunden, kurz bevor die Larven schlüpfen.
Die befallenen Bäume werden durch Schnitt zum Verzweigen angeregt, um immer genügend junge Triebe für die Insekten zu haben. Zwei Mal im Jahr wird geerntet.
Die Aufbereitung des Farbstoffs
Zunächst werden die befallenen Zweige abgeschnitten und getrocknet (bezeichnet als Stocklack, weil ein Stock in der Mitte ist). Die getrocknete Harzkruste kann dann leicht entfernt werden und man erhält Rohlack. Der Rohlack besteht also aus dem klebrigen Harz und den Überresten der farbstoffhaltigen Insekten. Wenn die Ernte vor dem Abwandern der Larven erfolgte, ist der Farbstoffgehalt höher, weil natürlich mehr Tiere in dem Harz enthalten sind.
Der Rohlack wird dann gemahlen, um anschließend daraus den wasserlöslichen Farbstoff durch Waschen aus dem Harz herauszulösen. Das farbstoffhaltige Wasser wird dann durch langes Kochen verdampft, bis der Farbstoff als Kuchen zurückbleibt. In manchen Verfahren werden die Farbstoffe auch alkalisch extrahiert und dann gefällt. Dieses Fällungsverfahren ist vergleichsweise aufwendig, sodass es heutzutage kaum noch angewendet und hauptsächlich Stocklack oder Rohlack im Angebot ist.
Aus dem zurückbleibenden Harz läßt sich ein weiterer Rohstoff gewinnen: der Schellack. Dazu wird der Rohlack nach der Farbstoffextraktion mehrfach gekocht (und damit das Harz geschmolzen) und gefiltert. Anschließend wird das Harz zu Flocken zerkleinert und als Schellack verkauft. Schellack ist ein sehr vielseitig einsetzbarer Rohstoff, der sowohl in der Pharma-Industrie als auch als Siegellack, Klebstoff und – ihr ahnt es – für die Herstellung von Schallplatten verwendet wird. Jetzt wisst ihr, was Wolle färben mit Schallplatten zu tun hat :-). Schellack und der Lac-Farbstoff ist also ein nachwachsender Rohstoff, der komplett biologisch abbaubar ist, genau wie Wolle.
Die verschiedenen Verfahren, um an den Farbstoff oder den Schellack zu kommen, werden in den Quellen unterschiedlich beschrieben und sicherlich auch danach ausgewählt, ob man eher den Farbstoff oder eher den Schellack erhalten möchte. Im Schweppe wird z. B. speziell der “Färber- Lack” erwähnt. Je nach der Aufbereitungsart enthält der Farbstoff noch beträchtliche Mengen Harz oder es entsteht ein sehr reiner Lac-Dye (Färber-Lack), der für die Textilfärberei entwickelt wurde.
Farblack
Wenn im Zusammenhang mit Pigmenten von Lacken die Rede ist, dann ist damit nicht das gemeint, was man im Baumarkt in Dosen bekommt.
Wikipedia erklärt: „Die Verlackung ist eine Methode der Farbmittelherstellung, mit der aus wasserlöslichen Farbstoffen durch Zugabe von Fällungsmitteln unlösliche Pigmente erzeugt werden. Diese Pigmente sind chemisch gesehen Salze, werden aber industriell als „verlackte Pigmente“ oder auch als „Farblack“ bezeichnet, nicht zu verwechseln mit dem Beschichtungswerkstoff Lack.“
Der Farbstoff “Lac Dye” selbst besteht aus verschiedenen Farbstoffen, die säureempfindlich sind. Hauptbestandteile sind die rötlichen Laccainsäuren (Anthrachinonfarbstoffe). Lac Dye gilt als lichtechter als Cochenille.
Was ich in Deutschland bei meinem bevorzugten Dealer kaufen konnte, war Lac Dye Pulver. Offenbar enthielt es kein Harz mehr, denn es musste nicht mehrfach aufgekocht werden, um Harz zu entfernen.
Vorbereiten der Garne durch Beizen
Beim Färben mit Naturfarben müssen die Garne mit Beize vorbehandelt werden, damit der Farbstoff dauerhaft an die Fasern binden kann.
Schau mal, die Elke von Still Garments hat dazu auch einen schönen Artikel geschrieben.
In ihrem Buch verwendete Frau Fischer verschiedene Beizen, so z.B. Weinsäure und Weinsteinrahm, das wollten wir unbedingt ausprobieren. (Wenn man es ganz genau nimmt, sind das eigentlich keine Beizen, weil sie keine Metallionen zur Verlackung der Farbstoffe auf der Wolle enthalten, aber dazu weiter unten mehr.)
Meine bevorzugte Beize ist ja die Kaltbeize AL – die ist wunderbar praktisch. Ich habe immer eine kleine verschließbare Tonne im Keller, da kommt die Wolle rein, und ein paar Tage später, wenn ich dran denke, hole ich sie wieder heraus. Ich muss nichts erhitzen, kann sie beliebig oft wiederverwenden (also die Beize, nicht die Wolle …) und vor allem – es sind nur 2 min Arbeit.
Was ist Kaltbeize AL?
Kaltbeize AL ist Aluminiumtriformiat, ein Aluminiumsalz der Ameisensäure. Die für die Färbung nötigen Metallionen (in diesem Fall das Aluminium) bindet schon bei Raumtemperatur an die Wolle, zurück bleibt die flüchtige Ameisensäure. Im Gegensatz zur Beize mit Alaun kann das Beizbad so lange verwendet werden, bis alle Aluminiumionen aufgebraucht sind, und kann dann gefahrlos entsorgt werden. Bei Verwendung von Alaun bleibt immer ein Teil des Aluminiums im Beizbad zurück, weshalb die Entsorgung nicht ganz unproblematisch ist.
Das Färberezept
Frau Fischer nimmt in ihren Rezepten teilweise 8 % Farbstoff und mehr. Sie kocht auch den Farbstoff vorher aus, um eventuelle Harzreste von der Wasseroberfläche zu entfernen, damit sie sich nicht auf die Wolle legen.
Da sich bei dem von uns verwendeten Farbstoff keine Harzreste an der Oberfläche zeigten, haben wir auf ein Auskochen verzichtet (offenbar haben wir eine sehr gute Qualität erwischt). Außerdem sind wir wesentlich sparsamer mit dem kostbaren Farbstoff umgegangen und haben nur 1 % (bezogen auf das Trockengewicht der eingesetzten Wolle) verwendet.
Gefärbt haben wir bei ca. 80 °C für 45 min.
Nach dem ersten Zug war noch genügend Farbstoff in der Flotte für einen zweiten Zug. Einen Teil des Garns im zweiten Zug haben wir mit Eisen weiterentwickelt. Allerdings hatte das nicht sehr viel Einfluss auf die Färbung, es blieb rosa und wurde nur etwas schmutziger.
Das Ergebnis: leuchtende, intensive Farbtöne und kaum Ausbluten beim anschließenden Waschen.
Bei den Farbstoffmengen, die Frau Fischer eingesetzt hat, muss nach dem ersten Zug noch ungeheuer viel Farbstoff in der Flotte gewesen sein. Leider schrieb sie nicht dazu, wie viele Züge sie aus so einer Flotte machen konnte.
Das Färben – immer wieder magisch
Und wie man sehen kann – das mit den unterschiedlichen Beizen hat wirklich eine große Wirkung! Die Kaltbeize gab ein Cochenille-ähnliches Rot, während die Weinsäure deutlich dunkler wurde. Weinsteinrahm ergab ein ähnliches Rot wie Kaltbeize.
Ich war ja ehrlich gesagt sehr überrascht, als Frau Fischer in ihrem Buch bei der Vorbehandlung der Wolle mit Weinsteinrahm bzw. Weinsäure von Beizen gesprochen hat, denn meines Wissens sind Beizen immer Metallsalze, die an die Wolloberfläche binden (bzw. auch in die Fasern eindringen) und dann beim Kontakt mit Farbstoffmolekülen aus der Flotte im zweiten Schritt dazu führen, dass die Farbstoffe an der Wolloberfläche (bzw. im Inneren der Faser) präzipitieren und dort mit ihnen unlösliche Verbindungen bilden (besagte Farblacke, siehe Infobox).
Nun, gefärbt hat es auch so, ohne Metallsalze. Dementsprechend gibt der Erfolg der Methode recht. Auch die ersten Wäschen bzw. Spülgänge hat die Färbung mit Weinsäure behandelter Wolle gut überstanden. Wieder was gelernt! Theorie ist eben nicht alles, manchmal muss man auch mal was ausprobieren und sich überraschen lassen.
Ein kleines bißchen Lac Dye hab ich jetzt noch. Ich muss nur noch schneller spinnen, damit ich wieder was zum Färben habe…
Die Lichtechtheit
Die Lichtechtheit ist immer ein Punkt, der beim Färben mit Naturfarben eine größere Rolle spielt als z.B. bei Säurefarben. Also hab ich einfach mal zwei Proben aufgewickelt und von September bis November ins Südfenster gelegt. Zugegeben, das ist nicht die härteste Probe auf Lichtechtheit, aber mehr war erst mal nicht drin und muss auf den nächsten Sommer warten… Auf den ersten Blick scheint die Lichtechtheit ausreichend zu sein.
Hast Du schon mal mit Lac Dye gefärbt? Was sind Deine Erfahrungen?
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Verwendete Literatur
Dorothea Fischer “Lac Dye – Das königliche Rot aus der Natur Asiens” ISBN 978-3-73-926580-3
Dominique Cardon “Natural Dyes. Sources, Trdition, Technology and Science” ISBN 978-1-904-982-00-5
H. Schweppe “Handbuch der Naturfarbstoffe” ISBN 3-933203-46-5
https://de.wikipedia.org/wiki/Schellack Stand 07.01.2022
zum Thema Kaltbeize:
http://www.eberhardprinz.de/blog/?p=4457
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