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Kategorie: Färben

In dieser Kategorie findest Du Beiträge zum Färben von Garnen, meist mit Naturfarben.

Blau machen mal anders – Indigo-Pigment aus Japanischem Färberknöterich gewinnen

Hast Du schon mal Dein eigenes Pigment aus Pflanzen gewonnen? Ich dachte immer, das wäre super kompliziert und aufwändig. Ist es aber gar nicht! Die wichtigste Zutat ist: Zeit.
In diesem Artikel zeige ich Dir meine ersten Versuche (und fails) zur Extraktion von Indigo-Pigment aus Japanischem Färberknöterich.

Japanischer Färberknöterich in einer Ritze
Färberknöterich, der sich im letzten Jahr selbst ausgesät hat. Scheint ihm zu gefallen bei mir!

Auf meiner Terrasse wächst Japanischer Färberknöterich. Nicht nur im Kübel, auch in den Ritzen zwischen den Steinen – offenbar gefällt es ihm bei mir. Mit den Blättern dieser Pflanze habe ich schon auf verschiedene Art und Weise blau gefärbt: z. B. mit der Salz-Methode oder der Eiswasser-Methode.

Das einzige, an das ich mich noch nicht herangetraut habe, ist eine Küpe aus frischen Blättern. Aber meine Pflanze produzierte weiter fleißig Blätter (und Farbstoff!), und da man die möglichst frisch verarbeiten soll, eigneten sie sich nicht so zum Trocknen und Später-Verwenden. Was also tun?

Beim Stöbern im Internet fand ich in einem Blogartikel von Still Garments die Inspiration, die ich brauchte: Pigmentextraktion! Statt die Pigmente quasi gleich im Blatt zum Färben einzusetzen, kann man sie auch extrahieren und so haltbar machen. Mit dem richtigen Know-How kann man damit sogar Aquarellfarben oder Tinten herstellen, oder aber eine Küpe ansetzen. Eine kleine Recherche bei youtube zeigte mir diese hilfreichen Videos zur Ernte, Fermentation und Pigmentgewinnung. Auch Ninja Chickens Video ist sehr informativ. Das wollte ich auch probieren!

Der Farbstoff im Japanischen Färberknöterich

Zu den chemischen Hintergründen der Indigofarbstoffe habe ich schon einmal mehr geschrieben.
Kurz zusammengefasst: Der blaue Farbstoff liegt in den Blättern als farblose Vorstufe vor. Diese Vorstufe heißt Indican. Indican ist ein Molekül, das aus zwei Teilen zusammengesetzt ist: einem Zuckerteil und einem Farbstoffteil, dem sog. Indoxyl. Um den blauen Farbstoff zu bekommen, müssen zwei Dinge nacheinander passieren. Zuerst müssen die Zucker- und Indoxyl-Teile voneinander getrennt werden (Spaltung durch Enzyme). Anschließend verbinden sich zwei Indoxylteile unter Sauerstoffeinwirkung miteinander und bilden so den fertigen blauen Indigofarbstoff, das Indigotin. Auf die einzelnen Schritte gehe ich im nächsten Abschnitt noch näher ein.

Schematische Darstellung der bei der Indigofärbung ablaufenden chemischen Reaktionen. Indican wird zu Indoxyl wird zu Indigotin (blau).

Für diese beiden Reaktionen (1. Spaltung des Indican in Abwesenheit von Sauerstoff, 2. Bildung von blauem Indigotin in Anwesenheit von Sauerstoff) müssen wir also bei der Pigmentextraktion die richtigen Reaktionsbedingungen finden.

Die Pigmentextraktion

Die Pigmentextraktion besteht im Grunde aus 3 einfachen Schritten (plus ein optionaler Wasch-Schritt)

  1. Ernte und Fermentieren der Blätter
  2. Entfernen der Blätter, Belüften und pH anheben
  3. Sedimentieren des Pigments
  4. Optional: Waschen des Pigments

Das brauchst Du, um Dein eigenes Pigment zu extrahieren:

  • Erntereifen Japanischen Färberknöterich
  • Ein bis zwei ausreichend große Gefäße (z. B. Eimer, Wanne), gerne weiß oder durchsichtig
  • Löschkalk (Calciumhydroxid)
  • pH-Messstreifen
  • Wasser
  • ggf. Steine o. ä. zum Beschweren der Blätter

Hier erkläre ich Dir die einzelnen Schritte, was dabei genau passiert, und was zu beachten ist.

Schritt 1: Ernte und Fermentieren der Blätter

Was muss man machen?

Wenn man mit Japanischem Färberknöterich arbeitet, ist es am besten, mit möglichst frischen Blättern zu arbeiten. Man schneidet sich die gewünschte Menge Stängel ab, dabei läßt man die untersten 3-4 Blätter stehen, damit die Pflanze dort wieder austreiben kann. Anschließend zupft man die Blätter ab und legt sie in ein Gefäß mit Wasser.

geerntete Blätter von Japanischem Färberknöterich
Frisch geerntete Stängel. Erst wollte ich alles in ein Wäschenetz geben, um das Herausfischen später zu erleichtern, aber mein Netz war zu klein.

Bei einer größeren Menge Blätter ist es ratsam, in mehreren kleinen Portionen zu arbeiten, damit die Blätter nicht anwelken. In welken Blättern hat der Abbau der farblosen Farbstoff-Vorstufe bereits begonnen und die Pigmentausbeute fällt geringer aus. Alternativ läßt man die Blätter einfach an den Stängeln.

geerntete Blätter von Japanischem Färberknöterich in einem Eimer
Geerntete Blätter im Eimer. Bei mir waren es nicht so viele, daher habe ich alle in einem Schwung verarbeitet.

Drücke die Blätter unter Wasser (evtl. einen Teller oder Sieb darauflegen) und beschwere sie, z. B. mit einem Stein.

Fermentation Japanischer Färberknöterich, Blätter submers
Auf die Blätter im Eimer habe ich einen Teller gelegt und darauf zwei Steine. Alles ist jetzt submers.

Und nun heißt es: Abwarten. Nach einiger Zeit ändert sich die Farbe der Flüssigkeit zu einem hellen grünblau und es bildet sich ein lila- schimmernder Film an der Oberfläche. Das kann, je nach Temperatur, ein paar Stunden bis ein paar Tage dauern. Bei mir hat es ca. 4–5 Tage gedauert.

grünlichblaue Flüssigkeit nach Indigo Fermentation in einem Eimer
Die Flüssigkeit nimmt eine grünliche Farbe an.
lila schimmernder Film auf Indigo-Fermentation in einem Eimer
Nach einigen Tagen hat sich dann der Film an der Oberfläche gebildet. So sah das bei mir aus.

Sobald Du den schimmernden Film auf der Oberfläche siehst, ist der Zeitpunkt gekommen, die Fermentation zu beenden! Die Blätter werden herausgenommen und der Ansatz durch ein Sieb oder ein Käsetuch gegossen, um Pflanzenteile zu entfernen. Die Pflanzenteile würden sonst nachher das Pigment verunreinigen.

Nach der Fermentation können die Blätter noch recht grün aussehen – Orientierungspunkt für den Endpunkt der Fermentation ist daher nicht die Farbe der Blätter, sondern die Farbe der Flüssigkeit.

Wer zu lange fermentiert, verliert Pigment (das wird dann mit der Zeit abgebaut, bis irgendwann gar kein Pigment mehr da ist).

Was passiert hier?

Bei der Fermentation wird die farblose Vorstufe des Indigofarbstoffes, das Indican, freigesetzt und gespalten (man sagt auch „hydrolysiert“). Das heißt, die Blätter fangen an, sich zu zersetzen, die inneren Zellstrukturen zerbrechen und es werden Enzyme frei, die das Indican aufspalten in seinen Zuckerteil und seinen Indoxylteil.

Die Fermentation ist ein anaerober (d. h. unter Luftausschluss stattfindender) Prozess. Die Blätter müssen also in dem Gefäß beschwert werden, sodass sie komplett unter Wasser sind und keine Luft an sie herankommt. Blätter, die oben schwimmen, haben Luftkontakt und vergammeln statt zu fermentieren.

Das Indoxyl ist nicht stabil, zerfällt also mit der Zeit. Wenn Du also zu lange wartest mit der Weiterverarbeitung, riskierst Du verringerte Ausbeuten.

Schritt 2: Belüften und pH anheben

Jetzt kommt der etwas anstrengende Teil: das Belüften des Ansatzes. Der blaue Farbstoff entsteht nämlich erst im alkalischen pH-Bereich und unter Sauerstoffeinwirkung. Den pH heben wir mit Löschkalk (Calciumhydroxid) an, und den Sauerstoff kannst Du auf verschiedene Weisen einführen.

Was muss man machen?

Nun musst Du dafür sorgen, dass möglichst viel Luft in die Flüssigkeit gelangt. Dafür gibt es die verschiedensten Varianten:

  • Bohrmaschinenaufsatz für das Umrühren von Farbeimern
  • Schneebesen (sicher sehr anstregend)
  • Belüftungsanlagen für Aquarien
  • wiederholtes Umschütten von Gefäß zu Gefäß

Ich selbst habe einfach die Flüssigkeit von einem Eimer in den anderen gegossen, hin und her, 15 Mal (also: 15 Mal hin, 15 Mal her, macht 30 Schüttbewegungen). Wichtig ist, dass möglichst viel Luft in die Flüssigkeit gelangt. Das Hin- und Her-Schütten ist natürlich nur praktikabel, wenn Du den Eimer bzw. Dein Gefäß auch noch ohne Probleme anheben kannst. Zu guter Letzt habe ich auch noch mit einem Stock umgerührt.

Die Umwandlung von Indoxyl zu Indigotin benötigt neben Sauerstoff auch einen hohen pH. Das kann man theoretisch mit allem machen, was basisch reagiert (z.B. Waschsoda, Natriumcarbonat, Na2CO3), aber traditionell wird Löschkalk verwendet (Calciumhydroxid, Ca(OH)2). Löschkalk macht das Ganze nicht nur basisch, sondern fungiert auch als Flockungsmittel, um das Pigment auszufällen (also es dazu zu bringen, als Sediment auf den Gefäßboden abzusinken).

Blaue indigohaltige Flüssigkeit nach Fermentation in einem Eimer, wird mit einem Stock schaumig gerührt
Nach dem Belüften und pH anpassen habe ich noch etwas weiter mit einem Stock gerührt – es war einfach magisch!

Man kann erst belüften und dann den pH anheben oder umgekehrt, für beide Vorgehensweisen gibt es Beispiele zu finden.
Ich hatte meine pH-Streifen parat gelegt, löffelweise den Löschkalk zugegeben und immer wieder umgerührt und pH gemessen. Er sollte so zwischen 9 und 10 liegen. Wenn er darüber liegt, wird die Farbe des Pigmentes offenbar verändert.

An dieser Stelle ein Sicherheitshinweis: 
Tragt bitte Handschuhe und eine Schutzbrille, wenn ihr mit Löschkalk umgeht (und auch mit der Flüssigkeit hinterher). Mit Löschkalk ist nicht zu spaßen. Wenn Laugen in die Augen kommen, kann das zu schlimmen Verätzungen führen. Bitte seid achtsam im Umgang mit dieser Chemikalie.

Was passiert hier?

Während dieses Prozesses passiert die Magie: Die Flüssigkeit wird tiefblau.
Die Indoxyl-Teile, die in der Fermentation freigesetzt wurden, finden sich jetzt zu Paaren zusammen und verbinden sich in Anwesenheit von Sauerstoff zu Dimeren. Diese Dimere sind der Indigofarbstoff. Er ist nicht mehr wasserlöslich.

Auf Instagram kannst Du mein Reel dazu ansehen.

Schritt 3: Die Sedimentation

Der Farbstoff liegt nun in seiner endgültigen, blauen Form vor. Diese Form ist nicht wasserlöslich, daher wird sich der Farbstoff über die nächsten Tage am Boden des Gefäßes als Sediment absetzen.

Was muss man machen?

Man muss nun den klaren, bräunlichen Überstand von dem pigmenthaltigen Sediment trennen. Dafür kann man den Überstand entweder abgießen oder abschöpfen. Der Übergang zwischen Sediment und Überstand ist fließend, und so kann man immer nur so viel Überstand abnehmen, dass man das Sediment nicht wieder aufwirbelt. Wenn Pigment aufgewirbelt wird, ist es erst mal Zeit, mit dem Abschöpfen oder Abgießen aufzuhören und das Sediment sich weiter setzen zu lassen.

3 Gläser auf einem Tisch, 2 mit grünlicher klarer Flüssigkeit, eines mit tiefblauer Flüssigkeit (Indigo)
Der klare Überstand war bei mir leicht grünlich, er kann aber auch bräunlich sein. Aber schaut euch das Glas mit der blauen Farbe an! Wahnsinn! Das ist bei uns auf der Terrasse gewachsen!

Wer helle oder sogar durchsichtige Gefäße verwendet, kann den Übergang sehr gut sehen. In dunklen Gefäßen sieht man das nicht und es kann schon mal sein, dass man ein wenig aufgewirbeltes Pigment mit ausgießt. Meine Eimer waren schwarz, aber ich habe ein durchsichtiges Gefäß verwendet, um den klaren Überstand vorsichtig abzuschöpfen.

Wird das Gefäß zu groß für das verbliebene Volumen, kann man das Ganze nach und nach in immer kleinere Gefäße umfüllen. Idealerweise sind die Gefäße nicht nur kleiner, sondern auch schmal und hoch (denke an ein Glas mit Spargel aus dem Supermarkt). Aus so einem Gefäß läßt sich der Überstand leichter abgießen als beispielsweise aus einem sehr flachen, weiten Gefäß.
Beim Umfüllen in ein kleineres Gefäß nehme ich einen kleinen Schluck des abgegossenen klaren Überstandes, um das größere Gefäß restlos zu spülen und jeden kleinen Krümel Pigment in das neue Gefäß zu überführen. Lieber warte ich einen Tag länger auf das Sedimentieren, als Pigment zu verlieren.

Nahaufnahme Indigo Sediment nach Extraktion
Am Ende wurden meine Gefäße immer kleiner, hier ganz zum Schluß ein Marmeladenglas.

Wer noch eine Spritze hat, kann den Überstand auch einfach absaugen, das geht vor allem bei den immer kleiner werdenden Volumina sehr gut. Bitte nicht mit dem Mund über einen Schlauch absaugen! (Ich sage das nur der Vorsicht halber, es gibt Generationen von Menschen, die haben im Studium noch mit dem Mund pipettiert. Macht das bitte nicht.)

Am Ende hat man eine (relativ) dicke Pigmentschicht mit einer relativ dünnen Flüssigkeitsschicht darüber. Das ergibt, wenn man es verrührt, eine dicke Paste.

Du kannst das Pigment als Paste aufbewahren und direkt verwenden, oder Du filterst (z.B. durch Falten- oder Kaffeefilter) und trocknest es. Im getrockneten Zustand ist das Pigment unbegrenzt haltbar, muss dann nur vor der Verwendung wieder mit Wasser vermischt werden, und das ist offenbar nicht so trivial. Aber da bin ich noch nicht. Ich freu mich jetzt erst mal an meinem wunderschönen Pigment.

getrocknetes Indigo-Pigment auf Kaffeefilter
Nach dem Filtrieren und Trocknen blieb nicht sehr viel übrig. Offenbar hatten meine Pflanzen nicht so viel Farbstoff produziert.

Optional kann man das Pigment auch waschen, um lösliche Bestandteile (z.B. das Calciumhydroxid) zu entfernen. Die Farbe soll dadurch noch klarer werden. Aber: mit jeden Schritt, den man zusätzlich macht, riskiert man auch Pigmentverluste (z.B. Reste, die an Filtern, Gefäßwänden etc. zurückbleiben).

Was passiert hier?

Das unlösliche Pigment setzt sich ganz langsam über mehrere Tage am Boden ab. Wer ein Labor mit einer Zentrifuge zur Verfügung hat, kann die natürlich auch benutzen, das ginge dann wesentlich schneller…

Bitte beachte: 
Der klare Überstand, den Du abschöpfst, hat einen pH von 10. Bevor Du ihn irgendwo entsorgst, musst Du ihn mit Essig neutralisieren. Überprüfe den pH (er sollte bei ca. 7 liegen) bevor Du ihn irgendwo hingießt.

Mein Fazit: Sehr befriedigend!

Für mich war diese Erfahrung unglaublich befriedigend. Es ist faszinierend, ja fast magisch, zu wissen, dass dieses blaue Pulver, diese Farbe, in den Pflanzen auf meiner Terrasse gewachsen ist. Ein bißchen wie die eigenen Erdbeeren vielleicht.

Der Arbeitseinsatz für die Pigmentextraktion war insgesamt überschaubar – am aufwändigsten waren das Abzuppeln der Blätter und das Belüften. Und beim nächsten Mal spare ich mir vielleicht auch das Blätter-Abzuppeln und lege einfach die ganzen Stiele ins Wasser. In den Stielen ist zwar kein Farbstoff, aber sie stören auch nicht, halten im Zweifel die Blätter unter Wasser und man kann die Blätter so auch leichter entnehmen. Es kann lediglich sein, dass man ein wenig mehr Flüssigkeit hat.

Man könnte sogar noch weitergehen und seine eigenen Tinten oder Aquarellfarben herstellen. Bei The Dogwood Dyer gibt es einen Kurs, in dem man lernt, Pigmente nicht nur aus Japanischem Färberknöterich, sondern auch aus Reseda zu gewinnen. Den schaue ich mir nächstes Jahr mal genauer an…

Versuch Nummer 2 gleich hinterher

Hach, was war ich angetan! Gleich der erste Versuch so ein phänomenaler Erfolg! Los, gleich nochmal… Man kann doch die Blätter noch ein zweites Mal fermentieren, hab ich gehört…
Ich hatte auch noch ein paar eingefrorene Reste einer Eiswasserfärbung, und auch eingefrorene Blätter aus dem letzten Jahr, als ich grad keine Zeit für eine Färbung hatte. Die sahen zwar schon recht blau aus, aber hey, nur Versuch macht kluch, wie mein Professor immer sagte. Also setzte ich gleich im Anschluß eine zweite Fermentation an, mit Blättern aus der ersten Fermentation plus eingefrorenen Resten aus dem letzten Jahr.

Nahaufnahme fehlgeschlagene Fermentation mit Fäulnisfilm
So sah der Film auf der Oberfläche im zweiten Experiment aus. Eher faulig und schleimig als lila schillernd.

Nunja. Als sich der lila-silbrige Film an der Oberfläche nicht richtig bilden wollte, dachte ich mir noch nichts dabei. Als es übel anfing zu stinken, wurde ich etwas skeptisch. Aber ich dachte mir: im Löschkalk liegt die Wahrheit! Und so war es auch. Vor der Zugabe des Löschkalks stank es und war grüngelbbraun, und nach der Löschkalkzugabe stank es genauso, schäumte, und war leuchtend grüngelbbraun. Was immer da sedimentieren würde – blau würde das nicht werden.

braune schäumende Flüssigkeit in einem Eimer, fehlgeschlagene Fermentation
So sah das Ganze nach Löschkalkzugabe aus: gelbgrünbraun und schaumig. Zum Glück kann man übers Internet nicht riechen…

Also: pH mit Essig neutralisiert und unter ständigem Rühren an die Büsche gegossen. Zum Glück war der Geruch nach ein paar Stunden verflogen.

Auf Instagram habe ich diesen fail mal per Video dokumentiert (schau hier).

Merke: Ohne lila Film auf der Oberfläche kein blauer Farbstoff.

Was war hier passiert?

Ich hatte gehofft, dass beim Einfrieren das Indican zu Zucker und Indoxyl zerfallen war, oder aber schon der fertige Indigofarbstoff vorlag (obwohl der pH sicher nicht alkalisch genug dafür war, aber beim ecoprinting funktioniert das ja auch ohne pH-Änderung). Dann hätte ich ihn quasi nur noch mit dem Löschkalk zum Sedimentieren bewegen müssen. Aber offenbar ist der Farbstoff komplett abgebaut und zerstört worden, bevor irgendetwas eine Chance hatte zu sedimentieren.

Vielleicht hätte ich den Farbstoff auch erst nochmal reduzieren müssen (wie in einer Küpe), um ihn wieder in die wasserlösliche Form zu überführen und ihn dann zusammen mit dem frisch extrahierten Farbstoff zu oxidieren und zu sedimentieren. Aber offenbar haben sich da Effekte mit den bereits fermentierten Blättern überlagert.

Nunja. Für dieses Jahr war jedenfalls erst mal Schluß mit Experimenten. Nächstes Jahr geht es weiter…

…und geht das wirklich nur mit frischen Blättern?

Immer wieder lese ich in Artikeln und höre in Gesprächen, in denen es um Japanischen Färberknöterich geht, dass die Blätter sehr frisch sein müssen. Aber durch Zufall, ich weiß gar nicht mehr wie, bin ich neulich darüber gestolpert, dass es offenbar doch Methoden gibt, den Farbstoff aus getrockneten Blättern zu extrahieren (z.B. bei Deb McClintock oder Kirsten Köster (Achtung: kein https!).

Damit werde ich mich dann demnächst nochmal beschäftigen.

Hast Du schon einmal Pigment extrahiert oder mit getrockneten Blättern gearbeitet? Schreib es mir in den Kommentaren.


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Pinterest Pin Abbildung Indigo Pigment Paste in Kaffeefilter
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Wolle Färben mit Lac Dye – Rot in zauberhaften Tönen

Vor einer Weile habe ich Elke von Tulliver Yarn in ihrer Färbewerkstatt besucht, um mit ihr zusammen einen faszinierenden Farbstoff auszutesten – Lac Dye. Es war ein bunter, erkenntnisreicher und entspannter Tag. Und was Wolle färben mit Schallplatten zu tun hat, erfährst du in diesem Artikel.

Was genau ist “Lac Dye” und wo kommt er her?

Lac Dye ist der Farbstoff aus der Lackschildlaus, er ist also ein Insektenfarbstoff, ähnlich wie Cochenille. Lackschildläuse gehören zum Genus Kerria und werden in Indien und Süd-China seit tausenden von Jahren auf verschiedenen Bäumen kultiviert. Die am weitesten verbreitete der dreizehn beschriebenen Spezies ist die indische Kerria lacca.

Die Insekten enthalten einen roten Farbstoff. Sie leben in Kolonien parasitisch auf den Bäumen und die Weibchen scheiden dabei ein braunes Harz-ähnliches Sekret ab. Dieses Harz umgibt die Weibchen und ihre Brut und schützt sie auf diese Weise. Die Weibchen sterben, wenn die Larven schlüpfen und bleiben im Harz zurück. Durch kleine Gänge im Harz können die geschlüpften Larven nach außen gelangen und neue Zweige besiedeln.
Das Harz umgibt die Äste und Zweige der befallenen Bäume wie eine Hülle. Es wird (je nach Anbaugebiet) vor oder nach dem Schlüpfen der Larven gesammelt und anschließend aufbereitet.

Lac Dye wird in Lac-Farmen angebaut

Bäume, die zur Gewinnung von Lac dienen sollen, werden 8 – 15 Jahre vor der Besiedelung gepflanzt und müssen einen sorgsam ausgewählten Standort haben – weit genug von anderen Bäumen entfernt und gut belüftet. Um Bäume mit den Insekten zu besiedeln, werden befallene Zweige an die noch nicht besiedelten Bäume gebunden, kurz bevor die Larven schlüpfen.

Die befallenen Bäume werden durch Schnitt zum Verzweigen angeregt, um immer genügend junge Triebe für die Insekten zu haben. Zwei Mal im Jahr wird geerntet.

Die Aufbereitung des Farbstoffs

Zunächst werden die befallenen Zweige abgeschnitten und getrocknet (bezeichnet als Stocklack, weil ein Stock in der Mitte ist). Die getrocknete Harzkruste kann dann leicht entfernt werden und man erhält Rohlack. Der Rohlack besteht also aus dem klebrigen Harz und den Überresten der farbstoffhaltigen Insekten. Wenn die Ernte vor dem Abwandern der Larven erfolgte, ist der Farbstoffgehalt höher, weil natürlich mehr Tiere in dem Harz enthalten sind.

Der Rohlack wird dann gemahlen, um anschließend daraus den wasserlöslichen Farbstoff durch Waschen aus dem Harz herauszulösen. Das farbstoffhaltige Wasser wird dann durch langes Kochen verdampft, bis der Farbstoff als Kuchen zurückbleibt. In manchen Verfahren werden die Farbstoffe auch alkalisch extrahiert und dann gefällt. Dieses Fällungsverfahren ist vergleichsweise aufwendig, sodass es heutzutage kaum noch angewendet und hauptsächlich Stocklack oder Rohlack im Angebot ist.

Aus dem zurückbleibenden Harz läßt sich ein weiterer Rohstoff gewinnen: der Schellack. Dazu wird der Rohlack nach der Farbstoffextraktion mehrfach gekocht (und damit das Harz geschmolzen) und gefiltert. Anschließend wird das Harz zu Flocken zerkleinert und als Schellack verkauft. Schellack ist ein sehr vielseitig einsetzbarer Rohstoff, der sowohl in der Pharma-Industrie als auch als Siegellack, Klebstoff und – ihr ahnt es – für die Herstellung von Schallplatten verwendet wird. Jetzt wisst ihr, was Wolle färben mit Schallplatten zu tun hat :-). Schellack und der Lac-Farbstoff ist also ein nachwachsender Rohstoff, der komplett biologisch abbaubar ist, genau wie Wolle.

Die verschiedenen Verfahren, um an den Farbstoff oder den Schellack zu kommen, werden in den Quellen unterschiedlich beschrieben und sicherlich auch danach ausgewählt, ob man eher den Farbstoff oder eher den Schellack erhalten möchte. Im Schweppe wird z. B. speziell der “Färber- Lack” erwähnt. Je nach der Aufbereitungsart enthält der Farbstoff noch beträchtliche Mengen Harz oder es entsteht ein sehr reiner Lac-Dye (Färber-Lack), der für die Textilfärberei entwickelt wurde.

Der Farbstoff “Lac Dye” selbst besteht aus verschiedenen Farbstoffen, die säureempfindlich sind. Hauptbestandteile sind die rötlichen Laccainsäuren (Anthrachinonfarbstoffe). Lac Dye gilt als lichtechter als Cochenille.

Aufsicht auf einen geöffneten Becher mit rotem Lac-Farbstoff.
So sieht der gekaufte Lac Dye aus – ein leuchtendes Rot mit leichtem Gelbstich.

Was ich in Deutschland bei meinem bevorzugten Dealer kaufen konnte, war Lac Dye Pulver. Offenbar enthielt es kein Harz mehr, denn es musste nicht mehrfach aufgekocht werden, um Harz zu entfernen.

Vorbereiten der Garne durch Beizen

Beim Färben mit Naturfarben müssen die Garne mit Beize vorbehandelt werden, damit der Farbstoff dauerhaft an die Fasern binden kann.

Schau mal, die Elke von Still Garments hat dazu auch einen schönen Artikel geschrieben.

mehrere Stränge weißer Wolle liegen in einem Eimer Wasser
Die gebeizten Garne warten auf ihren Einsatz in der Farbflotte.

In ihrem Buch verwendete Frau Fischer verschiedene Beizen, so z.B. Weinsäure und Weinsteinrahm, das wollten wir unbedingt ausprobieren. (Wenn man es ganz genau nimmt, sind das eigentlich keine Beizen, weil sie keine Metallionen zur Verlackung der Farbstoffe auf der Wolle enthalten, aber dazu weiter unten mehr.)

Meine bevorzugte Beize ist ja die Kaltbeize AL – die ist wunderbar praktisch. Ich habe immer eine kleine verschließbare Tonne im Keller, da kommt die Wolle rein, und ein paar Tage später, wenn ich dran denke, hole ich sie wieder heraus. Ich muss nichts erhitzen, kann sie beliebig oft wiederverwenden (also die Beize, nicht die Wolle …) und vor allem – es sind nur 2 min Arbeit.

Das Färberezept

Frau Fischer nimmt in ihren Rezepten teilweise 8 % Farbstoff und mehr. Sie kocht auch den Farbstoff vorher aus, um eventuelle Harzreste von der Wasseroberfläche zu entfernen, damit sie sich nicht auf die Wolle legen.

Da sich bei dem von uns verwendeten Farbstoff keine Harzreste an der Oberfläche zeigten, haben wir auf ein Auskochen verzichtet (offenbar haben wir eine sehr gute Qualität erwischt). Außerdem sind wir wesentlich sparsamer mit dem kostbaren Farbstoff umgegangen und haben nur 1 % (bezogen auf das Trockengewicht der eingesetzten Wolle) verwendet.

Roter Lac-Farbstoff wird mit heißem Wasser aus einem Wasserkocher angerührt.
Der Lac Dye muss in heißem Wasser gelöst werden, bevor er in den großen Färbetopf kommt.
angerührter Lac-Farbstoff wird in den Färbetopf gegeben.
Ein faszinierender Moment, als ich den angerührten Farbstoff in den Färbetopf gegeben habe.

Gefärbt haben wir bei ca. 80 °C für 45 min.

Nach dem ersten Zug war noch genügend Farbstoff in der Flotte für einen zweiten Zug. Einen Teil des Garns im zweiten Zug haben wir mit Eisen weiterentwickelt. Allerdings hatte das nicht sehr viel Einfluss auf die Färbung, es blieb rosa und wurde nur etwas schmutziger.

Garnstränge im Lac-Färbesud zu Beginn der Färbung
Zu Beginn der Färbung sieht die Flotte noch ziemlich orange aus. Das ändert sich aber im Verlauf der Färbung
Garnstränge zu Beginn der Lac-Färbung
Anfang der Färbung (1. Zug).
Die Fasern sahen noch relativ orange aus.

v. l . n. r. Kaltbeize, Weinsäure, Weinsteinrahm.
Zweiter Zug der Lac-Färbung, Garnstränge in rosa
Im 2. Zug ist noch genügend Farbstoff, um die Garne rosa zu färben.
3 Stränge Wolle in verschiedenen Rot-Tönen werden aus einem roten Färbesud herausgehoben.
Ende der Färbung (1. Zug). Nicht mehr orange und deutliche Unterschiede je nach verwendeter Beize.
v. l . n. r. Kaltbeize, Weinsäure, Weinsteinrahm.
mit Eisen behandelter zweiter Zug der Lac-Färbung, die rosa-Färbung des Garns wird schmutzig
Die Nachentwicklung des 2. Zuges mit Eisen hat das rosa nur etwas schmutziger gemacht.

Das Ergebnis: leuchtende, intensive Farbtöne und kaum Ausbluten beim anschließenden Waschen.

Bei den Farbstoffmengen, die Frau Fischer eingesetzt hat, muss nach dem ersten Zug noch ungeheuer viel Farbstoff in der Flotte gewesen sein. Leider schrieb sie nicht dazu, wie viele Züge sie aus so einer Flotte machen konnte.

Das Färben – immer wieder magisch

Und wie man sehen kann – das mit den unterschiedlichen Beizen hat wirklich eine große Wirkung! Die Kaltbeize gab ein Cochenille-ähnliches Rot, während die Weinsäure deutlich dunkler wurde. Weinsteinrahm ergab ein ähnliches Rot wie Kaltbeize.

Ich war ja ehrlich gesagt sehr überrascht, als Frau Fischer in ihrem Buch bei der Vorbehandlung der Wolle mit Weinsteinrahm bzw. Weinsäure von Beizen gesprochen hat, denn meines Wissens sind Beizen immer Metallsalze, die an die Wolloberfläche binden (bzw. auch in die Fasern eindringen) und dann beim Kontakt mit Farbstoffmolekülen aus der Flotte im zweiten Schritt dazu führen, dass die Farbstoffe an der Wolloberfläche (bzw. im Inneren der Faser) präzipitieren und dort mit ihnen unlösliche Verbindungen bilden (besagte Farblacke, siehe Infobox).

Nun, gefärbt hat es auch so, ohne Metallsalze. Dementsprechend gibt der Erfolg der Methode recht. Auch die ersten Wäschen bzw. Spülgänge hat die Färbung mit Weinsäure behandelter Wolle gut überstanden. Wieder was gelernt! Theorie ist eben nicht alles, manchmal muss man auch mal was ausprobieren und sich überraschen lassen.

Ein kleines bißchen Lac Dye hab ich jetzt noch. Ich muss nur noch schneller spinnen, damit ich wieder was zum Färben habe…

Die Lichtechtheit

Die Lichtechtheit ist immer ein Punkt, der beim Färben mit Naturfarben eine größere Rolle spielt als z.B. bei Säurefarben. Also hab ich einfach mal zwei Proben aufgewickelt und von September bis November ins Südfenster gelegt. Zugegeben, das ist nicht die härteste Probe auf Lichtechtheit, aber mehr war erst mal nicht drin und muss auf den nächsten Sommer warten… Auf den ersten Blick scheint die Lichtechtheit ausreichend zu sein.

zwei Karteikarten mit aufgewickelter Wolle in zwei verschiedenen Rottönen aus einer Lac-Färbung
Probe auf Lichtechtheit der Lac-Färbung mit zwei verschiedenen Beizen (oben: Weinsäure, unten: Weinsteinrahm). Die obere Hälfte der Karten war jeweils verdunkelt (ungefähr bis zu dem Bleistiftstrich in der Mitte). In den zwei Monaten von September bis November konnte ich kein Ausbleichen beobachten.

Hast Du schon mal mit Lac Dye gefärbt? Was sind Deine Erfahrungen?


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Pinterest Bild mit Garnen in verschiedenen Rottönen
Pinterest Bild mit Garnen in verschiedenen Rottönen

Verwendete Literatur

Dorothea Fischer “Lac Dye – Das königliche Rot aus der Natur Asiens” ISBN 978-3-73-926580-3

Dominique Cardon “Natural Dyes. Sources, Trdition, Technology and Science” ISBN 978-1-904-982-00-5

H. Schweppe “Handbuch der Naturfarbstoffe” ISBN 3-933203-46-5

https://de.wikipedia.org/wiki/Schellack Stand 07.01.2022

zum Thema Kaltbeize:
http://www.eberhardprinz.de/blog/?p=4457

Zwei schnelle Methoden, wie Du Wolle blau färben kannst

Wolle blau färben – das wollte ich schon immer mal machen! Aber so richtig gut blau wird es nur mit Indigofarbstoffen, und die erfordern ein komplexes Färbeverfahren mit Küpe und Co- dachte ich immer. Daher war ich sehr erfreut, als ich zwei schnelle Färbemethoden fand, die ohne viel Equipment, Erfahrung und Zeit einfach zuhause umsetzbar sind.

Verbreitete Färbepflanzen mit blauen Farbstoffen

Indigo war in früheren Zeiten der einzige blaue Farbstoff mit hervorragender Lichtechtheit. Auf der ganzen Welt wurden bzw. werden Pflanzen zum Blaufärben verwendet. Die drei wichtigsten Vertreter sind sind:

  • Indigopflanzen der Gattung Indigofera (z.B. Indigofera tinctoria in Indien, I. suffruticosa in Mexiko und Südamerika, I. arrecta in Äthiopien, I. australis in Australien)
  • der in Europa wachsende Färberwaid (Isatis tinctoria)
  • der aus Asien stammende Färberknöterich (Polygonum tinctorium, auch Persicaria tinctoria).

Vom Färberknöterich sind verschiedene Varianten bekannt, die sich z.B. in der Blütenfarbe unterscheiden. Ich bekam Anfang 2021 Samen vom Japanischen Färberknöterich geschenkt, und obwohl ich nicht so für meinen Grünen Daumen bekannt bin, musste ich das mal probieren.

Der Färberknöterich ist nicht winterhart und muss daher vorgezogen werden. Im Winter zog ich also aus den Samen auf der Fensterbank kleine Pflänzchen. Im Frühling kamen sie dann in einen größeren Topf auf die Terrasse. Wenn man die Triebe abknipst, werden die Pflanzen wohl etwas buschiger (das habe ich bei meinen Pflanzen vergessen…). Der Standort sollte hell und nicht zu trocken sein, bei zu wenig Wasser lassen die Pflanzen schnell die Köpfe hängen. Aber darum musste ich mir diesen Sommer keine Gedanken machen, denn es war leider eher kühl und nass und die Pflanzen sind nur langsam gewachsen. Anfang August war es dann soweit, ich konnte den ersten Färbeversuch starten.

Selbst jetzt, im Oktober, sind noch genügend Blätter da, um kleine Mengen Wolle färben zu können. Sogar Blüten treiben noch aus.

Etwas Chemie vorneweg – Wie funktioniert Blaufärben?

Bei den meisten anderen Färbungen liegt der Farbstoff direkt in der Färbepflanze vor, er muss nur noch extrahiert und dazu gebracht werden, sich an der Faser „festzuhalten“. Im Gegensatz dazu liegt der Indigofarbstoff in den Blättern Pflanzen als wasser-unlösliche, farblose Vorstufe vor. Diese Vorstufe, Indican genannt, besteht aus einem Zuckerteil und einem Indoxylteil. Sobald die Blätter geerntet sind, wird der Zuckerteil durch freiwerdende Enzyme abgespalten und der Indoxylteil freigesetzt. Indoxyl selbst ist noch farblos. Unter Einwirkung von Sauerstoff (=Oxidation) verbinden sich zwei Indoxyle zu Indigotin, dem blauen Indigofarbstoff. Das Indigotin ist wasserunlöslich.

schematischer Ablauf der enzymatischen Spaltung von Indican, das aus einem Zuckerteil und einem Indoxylteil besteht, zu Indoxl, und weitere Reaktion mit Sauerstoff zu Indigotin, dem Indigofarbstoff.
Dieser Prozess ist hier natürlich stark von mir vereinfacht worden. Wer den gesamten Prozess in all seiner Komplexität und Schönheit verstehen will, dem lege ich den Schweppe oder noch besser den Cardon ans Herz (hier geht’s zu den Quellen).

Der Clou besteht nun darin, den Farbstoff auf die Fasern zu bringen, solange die lösliche Indoxylform vorliegt. Wenn sich das unlösliche, blaue Indigotin bildet, sollte der Farbstoff idealerweise schon auf die Fasern aufgezogen sein. Dafür hat man allerdings nicht sehr lange Zeit, wenn man keine weiteren Vorkehrungen chemischer Natur ergreift (also eine Küpe ansetzt – auf die Küpenfärbung möchte ich in einem separaten Artikel eingehen).

Ein ganz großer Vorteil des Blaufärbens ist: Die Wolle muss nicht gebeizt werden. Der Farbstoff zieht in die Faser ein und schlägt sich dort direkt nieder (er „präzipitiert“ – Hände hoch, wer kennt das Wort noch aus dem Chemieunterricht?). Das spart eine Menge Zeit – vor allem, wenn man wie ich nicht auf Vorrat beizt sondern immer nur mit einem bestimmten Projekt im Kopf.

Zwei schnelle Färbemethoden kurz vorgestellt

Für das schnelle Färben mit Färberknöterich habe ich zwei Methoden finden können: einmal die Salzmethode und einmal die Eismethode. Die Salzmethode habe ich ausprobiert und kann Dir hier meine Ergebnisse zeigen, die Eismethode steht für später auf dem Plan.

1. Blau Färben mit der Salzmethode

Im Netz stieß ich auf diesen wunderbaren Blogartikel bei STILL Garments (die einen ganz tollen Blog zu Färbepflanzen hat und auch Workshops anbietet – schaut da unbedingt mal vorbei!). Im Grunde werden dabei die Blätter mit normalem Salz so lange geknetet, bis eine Flüssigkeit austritt. Diese Flüssigkeit wird dann in das Garn oder den Stoff eingeknetet. Für Kammzüge kann ich mir diese Aufbereitungsmethode allerdings nicht vorstellen, die Gefahr des Filzens wäre mir einfach zu groß.

Ich habe insgesamt 77g Blätter verwendet von Stängeln, die noch keinen Blütenansatz hatten. Meine beiden Wollstränge waren 32g bzw. 21g schwer.

Die Blätter habe ich in einer Edelstahlschüssel mit einer Gartenschere etwas kleingeschnitten und dann einen guten Esslöffel Salz zugegeben (per Augenmaß, ich hatte grad keinen Löffel da). Dann fing ich an, mit den Händen das Salz in die Blätter einzukneten. Nach ca. 3 min trat Flüssigkeit aus und fing an, leicht zu schäumen. Nach insgesamt ca. 10min begann sich ein leichter bläulicher Schimmer abzuzeichnen. An dieser Stelle habe ich die Wolle zugegeben.

Ich schleuderte die vorgeweichten (nicht gebeizten) Wollstränge aus und gab den 30g-Strang zu den Blättern. Das Ganze knetete ich durch und war nicht sehr zart dabei. Nach ca. 2-3 min war überall auf der Wolle Farbe zu sehen, aber um es etwas gleichmäßiger hinzubekommen, knetete ich noch etwas weiter. Als der Farbton mir gefiel (es wurde ein schönes, tiefes blaugrün), nahm ich den Strang heraus und schüttelte die Blätterreste ab, so gut es ging. Die Blattmasse und die verbliebene Flüssigkeit machten den Eindruck, als sei noch ausreichend Farbstoff vorhanden, und so fügte ich für einen zweiten Zug den zweiten ausgeschleuderten Strang hinzu. Die im Strang enthaltene enthaltene Restfeuchtigkeit war sehr hilfreich, um die verbliebene Farbe einzuarbeiten. Es war etwas mühsamer als beim ersten Strang, aber von der Farbintensität unterschieden sich die beiden nicht wesentlich.

Nachdem auch der zweite Strang ca. 5 min geknetet war, drückte und schleuderte ich die Stränge aus und hing sie ohne vorheriges Ausspülen zum Trocknen auf. Nach ca. 1h war die verbliebene Blattmasse deutlich bläulicher als zu Beginn.

Die beiden Garne waren nach einiger Zeit an der Luft deutlich blau geworden.
Nach dem Spülen und Trocknen hat sich der Farbton noch etwas mehr ins Blaue hin verändert.

Von den Farbtönen bin ich sehr angetan. Es ist kein klassisches Indigoblau, aber auch sehr schön! Wer es intensiver mag, kann sicher auch versuchen, bereits gefärbte Garne nochmals zu färben (und so die mehrmaligen Tauchgänge in einer Indigoküpe imitieren).

Alles in allem war ich vom Abschneiden der Zweige bis zum gefärbten Garn nicht mehr als eine halbe Stunde beschäftigt – das ist deutlich schneller als andere Naturfärbungen! Nach ca. 5min begann sich die erste Blaufärbung zu zeigen, aber man hat genügend Zeit, die Flüssigkeit einzuarbeiten. Welche Rolle das Salz dabei spielt, konnte ich noch nicht herausfinden. Meine Vermutungen: es könnte zum Aufschließen der Zellen dienen oder auch die Oxidation des Indoxyls verlangsamen. Wenn Du hier mehr weißt, hinterlass mir doch bitte einen Kommentar!

2. Blau Färben mit der Eismethode

Beim Blau Färben mit der Eismethode brauchst Du ebenfalls nur 2 Zutaten – frische Blätter vom Japanischen Färberknöterich und jede Menge Eis. Beschrieben ist sie in dem Buch „Indigo – Anbau, Färbetechniken, Projekte“ von K. Neumüller und D. Luhanko. Sie beruht im wesentlichen darauf, dass bei niedrigeren Temperaturen die Umwandlung des farblosen Indican zum blauen Indigotin langsamer abläuft. Der Farbstoff muss auf das Färbegut aufgezogen sein, bevor er blau geworden ist.

Die frisch geernteten (oder eingefrorenen) Blätter werden in einen Mixer bzw. Zerkleinerer gegeben, kaltes Wasser und Eiswürfel zugegeben und das Ganze auf Eis püriert. Am besten steht das Püriergefäß ebenfalls in einer Schüssel mit Eiswürfeln. Nicht zu lange pürieren, sonst wird die Flüssigkeit zu warm und die Farbreaktion läuft zu schnell ab. Nach dem Pürieren werden die Blätter abgeseiht und die (vorgekühlte, gut durchfeuchtete) Wolle wird in die Färbeflüssigkeit gelegt. Vom Beginn des Pürierens bis zum Ende der Färbung sollten nicht mehr als 7-10 min vergehen.

Und wie ist es mit der Lichtechtheit?

Manchmal sind Naturfarben nicht ganz lichtecht und vergrauen oder bleichen mit der Zeit aus. Wie ist das mit meiner Färbung nach der Salzmethode? Ich habe mal flugs was vorbereitet, einige Fäden um eine Karteikarte gewickelt und ins Südfenster gelegt. Noch läuft das Experiment, aber ich habe mal geschmult…tja, und leider sieht es so aus, als würde das schöne Blau verblassen. Die genaue Auswertung folgt in ein paar Wochen, wenn ich mit Sicherheit Unterschiede erkennen kann. Stay tuned !

Ergänzung:

Hier sind nun die Ergebnisse der Lichtechtheitsprüfung nach 3 Monaten Exposition im Südfenster. Es ist erkennbar, dass die Farbe bei beiden Strängen etwas verblasst (im Original noch etwas besser als auf den Fotos). Mir persönlich macht das nichts – jetzt bin ich nur noch gespannter darauf, wie es wohl mit einer Küpenfärbung aus dieser Pflanze wäre…

Pflanzen von Japanischem Färberknöterich in leuchtendem Grün stehen vor einer grauen Wand. Eine weiße Blüte ist im Vordergrund zu sehen. Unter dem Bild ist ein Textfeld mit den Worten : Zwei schnelle Methoden ohne Küpe. Wolle Blau Färben.
Wenn Du möchtest, kannst Du Dir dieses Bild pinnen.

Quellen

„Natural Dyes“ D. Cardon (2007), ISBN 978-1-904982-00-5

„The Science of Teaching with Natural Dyes“ J.M. Buccigross (2006), ISBN 1-4196-4104-2

„Handbuch der Naturfarbstoffe“ H. Schweppe (1993), ISBN 3-933203-46-5

„Indigo – Anbau, Färbetechniken, Projekte“ von K. Neumüller und D. Luhanko, Haupt Verlag, ISBN 978 – 3 – 258 – 60212 – 7

Färben mit Naturfarben – macht die Faser den Unterschied?

Nehmen unterschiedliche Schafrassen Naturfarben wie z.B. Krapp unterschiedlich an? Wird auf Merino das gleiche Färbeergebnis erzielt wie auf Coburger Fuchs oder Wensleydale? Diese Frage ließ mich nach einem Frisörbesuch nicht mehr los, also machte ich mich ans Experimentieren. Das Spinnen und Färben sowie die anschließende Auswertung zog sich über ein gutes halbes Jahr hin.
Dieser Artikel erschien in gekürzter Form im Magazin der Handspinngilde „Mit Spinnrad und Spindel“, Ausgabe 31 (Herbst 2020).

Ich saß entspannt beim Frisör, ließ meine Haare färben und blätterte in der Ausgabe „Down Breeds“ des PLY-Magazins (Frühling 2017). Einen Artikel fand ich besonders interessant: es ging um die Färbung verschiedener Rohwollen von Schafen der Down-/ Down-like Gruppe mit Säurefarbstoffen (S. 22-27 dort). Die Autorin erläutert ihre Methode zur Färbung (Redding Method of Dyeing, www.reddingmethod.com) und zeigt, dass Fasern verschiedener Down-Rassen bestimmte (Säure-) Farben unterschiedlich annehmen. Beispielsweise nahm Cheviot besonders rot gut an, Hampshire besonders blau und grün, Oxford hingegen nahm nur grün mit wirklich guter Sättigung an. Dies wurde von der Autorin auf die jeweilige Schuppenstruktur der Fasern (Schuppenfrequenz, -höhe, -breite und –länge) sowie deren internen Struktur (cell membrane complex (CMC), Cortex, sowie Proportionen und Orientierung der Zellen innerhalb des Cortex) zurückgeführt. Die Down-Wollen bezeichnete sie als Wolle mit niedriger Affinität (low affinity wools).

Diese Redding-Methode kannte ich nicht, und auch mit dem genauen Aufbau einer Wollfaser hatte ich mich noch nie auseinandergesetzt. Wie kommt die Farbe in die Faser, und wo genau ist sie da…? Meine Neugier war geweckt.

Etwas Theorie vorneweg

Werfen wir erst einmal einen Blick auf den Aufbau einer Wollfaser. Im Querschnitt einer Faser lassen sich mikroskopisch zwei verschiedene Regionen erkennen: Paracortex und Orthocortex, beide zusammen bilden den Cortex. Manchmal findet man auch einen Mesocortex, der liegt dann zwischen Ortho- und Paracortex. Unterschiede zwischen Ortho- und Paracortex sind, grob vereinfacht, für den Crimp (also die Kräuselung der Faser) verantwortlich.

Der Cortex wird von Cortexzellen gebildet, die sich über die gesamte Länge der Faser aneinanderreihen und das Keratin enthalten. Jede einzelne Cortexzelle ist wiederum von einem Zellmembrankomplex (engl. Cell Membrane Complex, CMC, s.o.) umgeben (vgl. diese Abbildung . Aufgrund von Copyright kann ich sie hier nicht direkt abbilden), eine Art „Zement“, der sich durch die gesamte Faser zieht.

Der äußere Teil der Faser wird von Schuppen ummantelt. Die Schuppen (engl. Cuticle Cells) sind einzelne, sich überlappende Zellen, die ebenfalls mit dem Zellmembrankomplex (dem „Zement“) in Kontakt stehen.

Schematischer Aufbau einer Wollfaser
Schematischer Aufbau einer Wollfaser. Genutzt unter der Creative Commons License. Photographer: Textile and Fibre Technology.
Quelle: https://www.scienceimage.csiro.au/library/textile/i/2489/diagram-of-wool-fibre-structure/3

Wie kommt nun die Farbe in die Faser?

Im Buch „The Coloration of Wool and other Keratin Fibres“ wird beschrieben, dass Farbstoffe hauptsächlich über die Zwischenräume zwischen den Schuppen in die Faser eindringen, sich über den Zellmembrankomplex im Inneren verteilen und schließlich in keratinhaltigen Bereichen binden. Für diesen Prozess werden erhöhte Temperaturen und eine ausreichend lange Verweilzeit im Färbebad benötigt, da sonst die Farbstoffe aufgrund unvollständiger Bindung wieder ausbluten können (S. 66, S. 68 f.). Jeanne M. Buccigross („The Science of Teaching with Natural Dyes“) beschreibt, dass nur ein Teil des Keratins Farbstoffe binden kann, da die großen Farbstoffmoleküle nicht in die dicht gepackten Keratin-Bereiche (Fibrillen) eindringen können sondern nur in lockerer gepackte, sog. Amorphe Bereiche (S.82).

Der Färbevorgang läuft dabei in vier (kontinuierlichen) Schritten ab (nach Lewis & Rippon, S. 60):

  1. Diffusion des Farbstoffes durch das Färbebad zur Faseroberfläche (dieser Schritt läuft am schnellsten ab)
  2. Bindung des Farbstoffs an die Faser
  3. Transport des Farbstoffes über die Faseroberfläche nach innen
  4. Diffusion des Farbstoffes von der Oberfläche durch die gesamte Faser

Faktoren, die Einfluss auf das Färbeergebnis haben können, sind z.B. (unvollständige Liste):

  1. Lanolingehalt (könnte das Eindringen des Farbstoffes in die Faser verhindern),
  2. Menge des Farbstoffes im Färbebad (auch im Verhältnis zur Wollmenge)
  3. Art des Farbstoffs (molekulare / chemische Eigenschaften)
  4. pH, Anwesenheit von Salzen und Benetzungsmitteln

Unterschiede in der natürlichen Zusammensetzung des Zellmembrankomplexes (z.B. in Abhängigkeit von der Schafrasse) könnten diesen Überlegungen zufolge ebenfalls Einfluss auf die Färbeergebnisse haben, indem sie verschiedene Farbstoffe aufgrund ihrer molekularen / chemischen Eigenschaften unterschiedlich gut binden.

Das Experiment

Mir stellte sich nun die Frage, ob Fasern verschiedener Schafrassen Naturfarben genauso unterschiedlich binden wie die Säurefarbstoffe, die Frau Redding benutzt hat. Allerdings hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch keine Erfahrungen mit Naturfarben gesammelt (vom Frisör mal abgesehen…).

So wurde die Idee geboren, Garne verschiedener Schafrassen mit Naturfarben zu färben und nach Unterschieden zu suchen. Da es fertige rassespezifische Garne in Deutschland nur sehr begrenzt zu kaufen gibt, bestellte ich kurzerhand 20 Kammzüge zu 100g beim Wollhändler meines Vertrauens und machte mich ans Spinnen. Jeder fertige 100g-Strang wurde in sechs ca. 15g-Strängchen unterteilt, die für das Färben zur Verfügung standen, die verbliebenen ca. 10g blieben ungefärbt als Referenz.

Auswahl der Fasern

Bei der Auswahl der Fasern sollten möglichst viele Fasergruppen (entsprechend Fleece and Fiber Source Book) berücksichtigt werden.

Die Zuordnung zu den dort definierten Gruppen war jedoch nicht immer eindeutig möglich, z.B. waren regionale Rassen wie etwa Coburger Fuchs im Buch nicht aufgeführt, und einige der kommerziell angebotenen Fasern schienen mehr auf ein Gemisch verschiedener Schafrassen einer Region hinzuweisen als eine wirkliche Rasse (z.B. Falkland, Island, Polarfuchs, Norwegische). In solchen Fällen habe ich die Fasern nach Spinnverhalten zugeordnet (z.B. Falkland), die nachfolgend vorgestellte Einteilung ist daher meine eigene. Wenn mehrere Farbvarianten zur Auswahl standen, habe ich mich für die weiße Faser entschieden.

Als weitere regionale Rasse wollte ich eigentlich neben Cobuger Fuchs auch das Bergschaf im Experiment berücksichtigen. Davon war allerdings zum Zeitpunkt der Bestellung kein Kammzug, sondern nur Vlies erhältlich. Die Faservorbereitung sollte aber für alle Fasern möglichst gleich sein, um Unterschiede in der Farbe durch verschiedene Faservorbereitungen und / oder Spinntechniken auszuschließen. Somit blieb es beim Coburger Fuchs als Deutsche Rasse.

Und so packte ich mir meinen virtuellen Einkaufswagen voll und hatte kurze Zeit später ein riesiges Paket Flausch vor der Tür.

Eine Kiste voller kleiner Tüten mit Kammzügen
Ein Paket voller Flauschrausch 🙂

Nachfolgend stelle ich die Gruppen und jeweils verwendeten Fasern kurz vor. Nicht alle ausgewählten Fasern repräsentieren eine bestimmte Rasse, einige sind nur Bezeichnungen für die Herkunft der Fasern (z.B. Falkland, Polarfuchs, evtl. Finnische, Norwegische).

Gruppe 1: Down Breeds

  • Southdown: Hauptsächlich weiße Faser mit guter Kräuselung. Sie ergibt aus meiner Erfahrung elastische Garne, filzt schlecht und wird von mir daher gerne zum Spinnen von Sockenwolle verwendet
  • Suffolk: Die angebotene Faser war graues Suffolk. Beim Bestellen der Faser habe ich dies nicht hinterfragt, jedoch ist mir bei der genaueren Recherche im Fleece and Fiber Sourcebook ein Kommentar der Autorinnen aufgefallen (S. 80 dort). Sie weisen darauf hin, dass Suffolk weiße Schafe sind, jedoch eine kommerzielle Faser als „graues Suffolk“ angeboten wird. Diese Faser zeigt kaum Ähnlichkeit mit echtem Suffolk bezüglich Stapellänge, Kräuselung usw., eine Recherche der Autorinnen zur Identität der eingeflossenen Fasern erbrachte jedoch keine Ergebnisse. Ich habe die Faser dennoch aufgrund der schönen Naturfarbe im Experiment belassen.

Gruppe 2: Cheviot Gruppe

  • Cheviot: Weiße Fasern mit schöner Kräuselung, Down-ähnliche Eigenschaften, robust, filzt schlecht. Wird in Großbritannien zu den Hochlandrassen (Hill Breeds) gezählt.

Gruppe 3: English Longwools

  • Blue Faced Leicester: Lange, seidige Fasern mit schönem Glanz. Feiner als die anderen Longwools.
  • Teeswater: Sehr lange, glänzende Faser, gröber als Wensleydale, deutlich cremefarben.
  • Wensleydale: Sehr lange, glänzende Faser, gröber als Blue Faced Leicester, weiß.

Gruppe 4: Black Face Mountain Family

  • Swaledale: Den Angaben im Fleece & Fiber Sourcebook zufolge eine grobe Wolle, es hat mich jedoch sehr überrascht, wie weich sie doch war. Sie ist definitiv Pullover-geeignet! Matte, moderat gekräuselte Faser mit hellbrauner Farbe, obwohl die Abbildungen der Schafe weiße Wolle zeigten, nur die Lämmer sind dunkel. Mir stellte sich daher die Frage, ob es sich auch hier (ähnlich wie bei Suffolk) um ein Fasergemisch mit Namen „Swaledale“ handeln könnte, vgl. dazu auch den Abschnitt „What’s in a name?“ auf S. 16 und 17 im Fleece & Fiber Sourcebook. Hier wird die Garnlinie Purelife von Rowan beschrieben, die zwar Namen von Schafrassen tragen, aber aus einem Fasergemisch verschiedener britischer Rassen bestehen.

Gruppe 5: Merino / Fine Wools

  • Bio-Merino: Feine weiche Wolle, die wohl jeder kennt. Ich habe sie für die Färbungen als Referenzfaser verwendet.
  • Rambouillet: Feine, weiche Wolle, weniger Glanz als Merino (eher matt), aber aufgrund der Kräuselung sind die Garne elastischer als Merino.

Gruppe 6: Nordeuropäische Kurzschwanzschafe (Northern European Short-Tailed)

  • Finnische: Finnschaf-Wolle ist (im Gegensatz zu den anderen Rassen der Gruppe) single coated, sie filzt leicht und hat nur moderate Kräuselung. Meine Wolle war mittelweich/ robust und recht lang.
  • Island: Island-Schaf-Wolle ist Double coated. Diese Wolle war weiß, langstapelig und eher grob, anscheinend wurden Deckhaar und Unterhaar gemeinsam verarbeitet.
  • Polarfuchs: Nach meinen Recherchen ebenfalls Island-Wolle, Polarfuchs ist aber deutlich feiner. Möglicherweise wurden die Deckhaare abgetrennt und nur die weiche Unterwolle verarbeitet, dies ist aber nur eine Vermutung aufgrund der Weichheit der Faser. Hellbeige Farbe.
  • Norwegische: Laut „World of Wool“ eine der ältesten Schafrassen der Welt, ist jedoch nicht im Fleece & Fiber Sourcebook gelistet. Gröbere Wolle mit eher längerer Stapellänge, aber feiner als Isländische.
  • Shetland: Sehr vielfältige Wolle hinsichtlich z.B. Farbe und Feinheit, es gibt sowohl single als auch double coated. Interessanterweise kann sich die Bezeichnung „Shetland“ zum einen auf die Rasse beziehen (es gibt auch Shetland-Schafe außerhalb der Shetlandinseln), aber unabhängig von der Rasse auch auf die Herkunft (ähnlich wie bei „Falkland“). Dementsprechend kann ich nicht sicher sagen, ob die von mir verwendeten Fasern rassetypisch sind. Sie waren recht weich und dem Anschein nach nicht von double coated Schafen (wie z.B. Island).

Gruppe 7: Andere (Other)

  • Charollais: Ursprünglich entstanden im 19.Jh. aus der Kreuzung von Leicester Longwool und französischen Landrassen, auch Southdown. Die Fasern sind fein bis mittelweich und recht kurz.
  • Corriedale: Ursprünglich entstanden aus Lincoln, eventuell Leicester, und Merino in Neuseeland. Etwas längere, mittelfeine Fasern, gleichmäßige Kräuselung. Angenehm zu spinnen, robuster als Merino, aber noch recht weich.
  • Jacob: Sehr unterschiedliche Faserqualitäten sind möglich, eher auf der robusten Seite, Stichelhaare sind möglich. Kann Down-Breed ähnliche Eigenschaften aufweisen. Mein Kammzug war für robuste Fasern auf der weichen Seite.
  • Polwarth: Ursprünglich entstanden aus der Kreuzung von Merino-Böcken mit Merino/Lincoln Auen. Sehr feine Fasern, die sehr aufgeflufft sind. Mir ist nicht ganz klar, warum sie nicht unter „Fine Wools“ wie Merino geführt wird im Fleece & Fiber Sourcebook.
  • Falkland: Erwartet habe ich eine Merino- oder Polwarth-ähnliche, weiche Faser. Der Kammzug war jedoch eher auf der groben Seite und verhielt sich spinntechnisch eher wie eine grobe Longwool (lange Stapellänge). Daher habe ich diese Faser bei der Auswertung eher bei den Longwools angesiedelt.

Gruppe 8: Deutsche Rassen

  • Coburger Fuchs: Relativ grobe und matte, wenig gekräuselte Faser, der charakteristische rötliche Schimmer war nur schwach ausgeprägt, mein Kammzug war eher weiß mit wenigen rötlichen Haaren.

Spinnen der Fasern

Gesponnen habe ich die Garne auf meinem Lendrum DT mit dem Woollee Winder. Bei der Wahl der Spinntechnik spielten mehrere Faktoren eine Rolle. Zum einen wollte ich die Länge der jeweiligen Fasern berücksichtigen, zum anderen war mein Ziel, mögliche Unterschiede bei den Färbungen durch die verwendete Spinntechnik auszuschließen. Ein kurzer Auszug mit Glattstreichen der Fasern führt zu einem eher glatten, tendenziell stärker glänzenden Garn, der lange Auszug jedoch eher zu einem matteren Garn, da das Licht von den Fasern in verschiedenste Richtungen reflektiert wird.

Meine Wahl fiel auf den kurzen Auszug, weil dieser für alle Kammzüge geeignet war (ausreichende Stapellänge) und den Glanz und somit die Farbbrillianz begünstigt. Ein langer Auszug hätte sich für die längeren Fasern (Longwools) wahrscheinlich weniger gut geeignet und den Glanz dieser Fasern wohl auch nicht so zur Geltung gebracht (ich habe es aber nicht ausprobiert).

In den meisten Fällen zog ich nach vorn aus, in einigen Fällen (z.B. Rambouillet, Charollais) eignete sich der kurze Auszug nach hinten besser für die Fasern. Glattgestrichen habe ich in beiden Fällen, wobei ich beim Charollais etwas Drall in die Auszugszone gelassen habe.

Um schön weiche Garne zu bekommen, habe ich mit möglichst wenig Spinndrall gesponnen (überwiegend 6:1) und dann mit etwas mehr Drall zweifach verzwirnt (10:1). Die genaue Drallmenge (Anzahl der Tritte pro Auszug / Zwirnlänge) richtete sich nach der jeweiligen Faser (Longwools deutlich weniger als Fasern mit mehr Kräuselung). Bis auf das BFL waren alle Garne für meinen Geschmack gut ausgeglichen.

Und damit das Ganze nicht zu einem Jahresprojekt ausufert, wollte ich die Garne eher etwas dicker als für mich üblich spinnen, wobei ich jedoch keine Ziel-Dicke im Kopf hatte. Innerhalb eines Garns habe ich versucht, so konsistent wie möglich zu spinnen.

Die Longswools habe ich zu Beginn des Projektes gesponnen. Sie sind deutlich dünner und näher an meinem „Autopilot-Garn“ als die zuletzt gesponnenen mit mehr Kräuselung. Dies hat seine Ursache sicher zum einen darin, dass ich mich anfangs noch an das „Dick-Spinnen“ heranarbeiten musste, zum anderen fluffen stärker gekräuselte Fasern nach dem Entspannungsbad aber auch deutlich stärker auf als z.B. die Longwools.

Jeder 100g-Strang wurde in sechs ca. 15g-Strängchen unterteilt, die für das Färben zur Verfügung standen, die verbliebenen ca. 10g blieben ungefärbt als Referenz.

Material: Fasern von „Das Wollschaf“, dort gibt es meines Wissens das größte Sortiment.

Gerät: Lendrum DT, Woolee Winder 6:1 und 10:1

Auszug: überwiegend kurzer Auszug nach vorne, in wenigen Fällen nach hinten (das ging z.B. bei Rambouillet und Charollais besser)

Finish: Entspannungsbad in lauwarmem Wasser, Stränge in Handtüchern ausgedrückt, etwas ausgeschlagen und hängend getrocknet.

Tabelle mit den Garnkennzahlen WPI, Lauflänge, TPI, Zwirnwinkel etc
Kennzahlen der gesponnenen Garne

Färben der Fasern

Für das Färben der Stränge holte ich mir professionelle Hilfe von einer Handfärberin, die sich auf naturgefärbte Garne spezialisiert hat. Da ich nur eine kleine Küche und auch nicht ausreichend Utensilien zum Färben großer Mengen habe, war ich sehr froh, unter Elkes Anleitung und tatkräftiger Mithilfe in ihrer Werkstatt arbeiten zu dürfen. Wir entwarfen einen Färbeplan und entschieden uns für folgende Kombinationen:

Tabelle verwendete Färbematerialien und -bedingungen
Verwendete Färbematerialien und -bedingungen.

Bei der Malvefärbung 1. Zug wurden die Blüten überbrüht und 15min ziehen lassen, bevor der Farbbeutel entfernt und die Wolle für die angegebene Zeit eingelegt wurde. Für den 2. Zug wurde der Färbebeutel wieder hineingegeben und 45 min ausgekocht. Anschließend wurde die Wolle eingelegt und gefärbt.

Die Extrakte wurden aus färbetaktischen Gründen gewählt (kein Einweichen / Auskochen der Droge erforderlich, Pulver kann direkt eingewogen und verwendet werden, das spart deutlich Zeit). Beim Färbevorgang konnte man beobachten, dass die Wollen die Farben unterschiedlich schnell annahmen (siehe unten, Beginn der Färbung mit Blauholz bzw. Zwiebel). Allerdings sind viele der Nuancen am Ende des Färbeprozesses wieder verschwunden, als die Färbung die Sättigung erreichte.

Am Ende der Färbung war das erste, was ins Auge fiel, die deutlich dunklere Färbung des Cheviot. Dies ließ die Vermutung aufkommen, dass es sich möglicherweise um superwash-ausgerüstete Fasern handeln könnte (was ist superwash, fragst Du? Hier habe ich einen Artikel dazu geschrieben). Dieser Vermutung ging ich in einem Ergänzungsversuch bei mir zu Hause auf den Grund. Dafür habe ich verschiedene Kammzüge (Cheviot und Cheviot superwash vom Wollschaf, Cheviot von Flinkhand, sowie zur Vergleichbarkeit bzw. als Kontrolle Falkland und Rambouillet von Flinkhand) auf die gleiche Art gesponnen wie auch die anderen Proben und anschließend mit Malvenblüten gefärbt wie oben beschrieben.

Bemerkenswert ist die deutlich intensivere Färbung der Fasern im Nach-Versuch, obwohl das gleiche Verhältnis Wolle:Färbematerial verwendet wurde. Einzige Unterschiede waren anderes Leitungswasser sowie eine längere Verweilzeit in der Kaltbeize (>2 Tage).

Die Ergebnisse

Für die Auswertung habe ich Fotos der jeweiligen Farben (immer oben im Bild) mit Bio-Merino als Referenz (immer unten im Bild) gemacht. Fasern, die nicht naturweiß / cremefarben waren, sind in der ersten Spalte grau hinterlegt.

Vergleich der Färbung der jeweiligen Rasse mit Merino, Teil 1
Vergleich der Färbung der jeweiligen Rasse mit Merino, Teil 2
Vergleich der Färbung der jeweiligen Rasse mit Merino, Teil 3
Die Farbtreue auf den Fotos ist leider sehr unterschiedlich, je nachdem, welche Farben nebeneinander lagen, wirken sie auf den Fotos dunkler oder heller (der untere Strang ist immer Merino, sieht jedoch in den Bildern immer unterschiedlich aus). Malve II ist in Wirklichkeit viel dunkler als auf den Fotos, ungefähr so, wie auf dem Foto der Bio-Merino alleine.

Auf den Fotos kommen die mit dem Auge wahrnehmbaren Unterschiede nicht immer gut zur Geltung (ich bin leider kein guter Fotograf…), daher habe ich eine Matrix zur schematischen Darstellung der Ergebnisse erstellt, die die Farbintensität der jeweiligen Färbung im Vergleich zu Merino wiedergibt (mit meinen Augen gesehen):

0 = gleich intensiv; /= etwas weniger intensiv; // = deutlich weniger intensiv; + = etwas intensiver; ++ deutlich intensiver

Tabellarische Matrix-Auswertung
Matrix zur schematischen Erfassung der Farbintensitäten auf den verschiedenen Schafrassen.

Um zu schauen, ob innerhalb einer Rasse vielleicht eine Farbe besonders gut angenommen wird, habe ich für jede Rasse alle Färbungen nebeneinandergelegt und fotografiert.

Abbildung der gefärbten Stränge, nach Rasse geordnet, 6 Färbungen und ungefärbt
Darstellung aller Farben, zusammengefasst für jede Schafrasse.

Außerdem habe ich alle 20 Stränge / Rassen in der jeweiligen Färbung sowie ungefärbt fotografiert:

Legende für die Zuordnung der Garne in den Fotos der jeweiligen Färbungen.
Legende für die Zuordnung der Garne in den Fotos der jeweiligen Färbungen.

Auswertung der Ergebnisse

Das erste, was ins Auge fiel, war die deutlich dunklere Färbung der Cheviot-Stränge in allen Färbungen. Dies ließ die Vermutung aufkommen, dass es sich möglicherweise um superwash-ausgerüstete Fasern handeln könnte (s.o., obwohl ich definitiv nicht die superwash-Variante bestellt hatte). Diese Vermutung konnte in einem Ergänzungsversuch bestätigt werden (vgl. diese Abbildungen). Das unbehandelte Cheviot aus zwei verschiedenen Quellen (Wollschaf, Flinkhand) war in seiner Färbung vergleichbar mit Falkland.

Ziehen die Farben nun unterschiedlich auf die Rassen auf?

Ja! Während des Färbevorgangs war zu beobachten, dass die Farben auf die unterschiedlichen Garne unterschiedlich schnell aufzogen (vgl. diese Abbildungen). Jedoch waren die Unterschiede am Ende des Färbevorgangs wieder ausgeglichen: anscheinend dringen die Farbstoffe unterschiedlich schnell in die Fasern ein, am Ende sind jedoch vergleichbare Farbstoffmengen in den verschiedenen Fasern gebunden. Ob es sich hierbei um unterschiedliche Affinitäten der diversen Fasern zu den verschiedenen Farbstoffmolekülen handelt, müsste in weiteren (recht komplexen) Versuchen geklärt werden. Dieser Befund verdeutlicht, warum eine ausreichend hohe Einwirkzeit für das Färben mit Naturfarben erforderlich ist.

Zwiebelschalen brachten die meisten Unterschiede zwischen den Rassen heraus, die wenigsten Unterschiede waren bei den Malve-Färbungen und Reseda zu beobachten.

Zusammenfassende Auswertung der Färbungen im Vergleich zu Merino. Berücksichtigt wurden nur die weißen Fasern.

Gibt es Unterschiede in der Farbaufnahme zwischen den Rassen oder Gruppen?

Die Schafrassen zeigten keine so deutliche Präferenz für bestimmte Farben, wie es im PLY-Artikel für Säurefarben gezeigt wurde. Um die Nuancen besser beurteilen zu können, habe ich jede Faser immer mit Merino als Referenzfaser verglichen und versucht zu ermitteln, ob sie dunkler oder heller gefärbt war als Merino. Diese „augische“ Methode ist natürlich sehr fehleranfällig, da jedes Auge die Farben anders sieht. Ein Labor zur Bestimmung der Farbintensität stand mir jedoch leider nicht zur Verfügung. Da die nicht-weißen Fasern (v.a. Suffolk, Swaledale, Polarfuchs) immer dunkler waren als Merino, liefen sie ein wenig „außer Konkurrenz“. Die zu beobachtenden Effekte (vgl. diese Tabelle ) waren dennoch sehr interessant. So war z.B. Polwarth in fast allen Farben blasser als alle anderen Fasern, während bei den Langwollen BFL und Wensleydale tendenziell intensiver gefärbt waren.

Down Breeds (1): keine Unterschiede in Farbtiefe zu Merino feststellbar (Southdown). Interessante Färbung des naturbraunen Suffolk.

Cheviot (2): deutlich intensiver als Merino (außer bei Reseda, da nur wenig intensiver). Verdacht auf superwash-Ausrüstung. Bestätigt durch 2. Experiment.

Longwools (3): Naturfarbe etwas dunkler (cremefarben), BFL hat Zwiebel, Rotholz und Blauholz besser angenommen, Wensleydale Malve II und Rotholz. Bei Teeswater und Falkland ließ sich kein Unterschied zu Merino feststellen.

Black Face  Mountain (4): Swaledale – durch die Naturfarbe dunklere Färbung bei Reseda, Zwiebel, Rotholz und Blauholz. Interessanterweise ist die Malvenfärbung nicht so intensiv (evtl. zu dicht an der Naturfarbe?).

Fine Wool / Merino (5): Rambouillet- Rot und Orange-Töne etwas intensiver als Merino.

North European Short tailed (6): Fast kein Unterschied zu Merino. Shetland war mit Rotholz etwas intensiver gefärbt als Merino. Trotz der deutlich dunkleren Naturfärbung des Polarfuchs wurden die Farben nur wenig dunkler als bei Merino.

Other (7): Fast keine Unterschiede zu Merino. Charollais ist etwas intensiver gefärbt bei Zwiebel, Rotholz und Blauholz. Polwarth ist außer bei Rotholz und Blauholz blasser als Merino.

Deutsche Rasse (8): Coburger Fuchs ist in der Naturfarbe etwas dunkler als Merino, bei den Farben sieht man aber nur bei Zwiebelschalen ebenfalls eine dunklere Färbung, ansonsten keine Unterschiede zu Merino.

Bewertung in Bezug auf Lanolingehalt und Wolle

Die von mir verwendeten Kammzüge waren industriell hergestellt und enthielten daher auch kein Rest-Lanolin. Ein Einfluss auf das Färbeergebnis ist demnach auszuschließen. Bei der Verwendung von Rohwolle, so wie bei der Redding-Methode, ist es hingegen möglich, dass unterschiedlicher Lanolingehalt (auch wenn Lanolin durch Waschen entfernt wird) die Färbung beeinflusst / beeinträchtigt. Auch sind bei der Verwendung von Vliesen einzelner Tiere im Vergleich zu Industrieware sicherlich größere Unterschiede möglich.

Bewertung in Bezug auf die Farbstoffkonzentration

Alle Färbebäder enthielten große Mengen Farbstoff (Farbstoffüberschuss), keines war am Ende des Färbevorganges erschöpft und man hätte noch mindestens 1 – 2 Züge färben können. Ein „Wettbewerb“ der verschiedenen Fasern um die vorhandenen Farbstoffmoleküle ist daher unwahrscheinlich. Unterschiede in den Farbintensitäten auf den Garnen sind also ausschließlich auf die Eigenschaften der Faser zurückzuführen und nicht auf Farbstoffmangel.

Um Präferenzen für einzelne Farben ganz genau vergleichen zu können (also ob eine Faser stärker rot als blau bindet), wäre es erforderlich, immer gleiche Konzentrationen an Farbstoff einzustellen (z.B. 1%, 5% o.ä.), wie es für Säurefarben gemacht werden kann. Bei Naturfarben ist es aber deutlich schwieriger, einheitliche Färbelösungen herzustellen, da die Menge an Farbstoff im Pflanzenmaterial bzw. in daraus gewonnenen Extrakten nicht auf bestimmte Konzentrationen eingestellt ist. Zudem haben auch Faktoren wie z.B. die Qualität des beim Färben verwendeten Wassers, die Wachstumsbedingungen der Pflanzen, der Erntezeitpunkt sowie Trocknungsbedingungen (um nur einige zu nennen) einen deutlich höheren Einfluss auf das Resultat.

Fasereigenschaften

Interessant ist, dass Polwarth bei den meisten, aber nicht bei allen Farben (nämlich nicht bei Rotholz- und Blauholzextrakt) die Farbe schwächer annahm als Merino. Es wäre interessant zu wissen, worin sich z.B. die Schuppenstruktur oder der CMC des Polwarth von Merino unterscheidet, und auch welche chemische Struktur die Farbstoffe genau haben.

Ausblick

Dieses Experiment hat mir in vielerlei Hinsicht die Augen geöffnet. Einmal mehr wurde mir bewusst, dass es „die Schafwolle“ eigentlich gar nicht gibt, denn die Vielfalt der Fasern verschiedener Schafrassen ist wirklich bemerkenswert. Allein die unterschiedlichen Nuancen in „weißer“ Wolle sind faszinierend, ebenso wie ihr Spinnverhalten und die Verwendungsmöglichkeiten der Fasern. Ich bin immer noch hingerissen von den leuchtenden Farben und vielfältigen Schattierungen, die mit Naturfarben erzielt werden können. Es ist gut vorstellbar, dass das Ganze noch komplexer wird, wenn man keine industriell gefertigten Kammzüge (homogen gemischte Fasern vieler Tiere) sondern einzelne Vliese verarbeitet.

Mir wurde auch noch einmal bewusst, dass ich auch beim Einkauf genau auf das Label schauen muss (vgl. graubraunes Suffolk, Falkland, Polarfuchs), und dass eine superwash-Behandlung nicht immer an der Faser erkannt werden kann, wenn man keine Vergleichsfaser daneben liegen hat.

Ich nehme auch die Erkenntnis mit, dass ich mir der Rasse nur wirklich sicher sein kann, wenn ich das Schaf kannte, von dem die Wolle kam, und ich auch das Vlies verarbeitet habe. Kommerziell aufbereitete und über Großhändler bezogene Wolle ist ein wunderbarer Weg, an viele verschiedene Fasern zu kommen und sie kennenzulernen. Jedoch kann man als Kunde nicht immer problemlos nachvollziehen, welche Fasern zu einem bestimmten Produkt verarbeitet wurden.

Das führt mich direkt zu der Frage nach Struktur-Funktions-Beziehungen bei Wollfasern der unterschiedlichen Rassen: Gibt es z.B. auf molekularer Ebene Unterschiede, die zu verschiedenen Morphologien (Kräuselung, Glanz) führen? Hier wird wohl einiges an Literaturrecherche anstehen. Auch weiterführende Färbeversuche fände ich interessant, z.B. Zeitreihenversuche mit Zwiebelschalen oder Blauholz zu machen, um den Verlauf des Aufzugs der Farbe bis zur Sättigung zu dokumentieren. Oder: Wie verhalten sich die lokalen Schafrassen, die ich hier gar nicht berücksichtigt habe? Ganz sicher ist: es wird weitere Experimente geben!

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Bunte Stränge mit Naturfarben gefärber Wolle in lila, rot, orange, gelb und grün hängen an einer Kleiderstange zum Trocknen

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