Diesen Sommer tauche ich voll in Pflanzenfarben ein – allerdings eher in verschiedene Techniken als viele bunte Farbtöne. Und obwohl ich eigentlich gar nichts mit Aquarellmalerei am Hut habe (ich kann sowas nicht…), fasziniert mich die Tatsache, dass man offenbar mit Pflanzenfarben nicht nur Textilien färben und Tinte gewinnen kann, sondern auch Pigmente für Aquarellfarben. Eine kurze Recherche im Internet hat verschiedene Anleitungen ergeben, ich hab mir daraus eine eigene gestrickt und zeige euch hier, wie ich es gemacht habe. Da kann man sicher noch dran feilen, aber fürs Erste war ich sehr zufrieden!
Was ist denn ein Lack-Pigment (engl. lake pigment)?
Bei Lack-Pigment könnte man zuerst mal an Autolack denken, aber dem ist nicht so! Das Thema „Pigmente“ ist sehr umfangreich und ich hab da inhaltlich noch nicht mal die Oberfläche angekratzt, daher hole ich hier heute auch nicht sehr weit aus. Wenn Du mehr lesen möchtest, hat Wikipedia einen umfangreichen Übersichtsartikel über Pigmente für Dich.
Lackpigmente sind wasserunlösliche Metallsalz-Verbindungen von organischen Farbstoffen.
Ich versuche es mal in wenigen Worten zu sagen. Farbige Stoffe (genauer gesagt: farbige chemische Verbindungen) unterscheidet man allgemein in Farbstoffe und Pigmente.
Farbstoffe sind (wasser-) lösliche Stoffe, Pigmente hingegen sind nicht in Wasser löslich. (Biologen verkomplizieren die Sache, indem sie alle in einem Organismus vorkommenden Farbstoffe als Pigmente bezeichnen, Löslichkeit hin oder her… Je nachdem, mit wem man spricht, ist die Pigment-Definition also leicht anders!)
Wenn Du aus Pflanzenteilen eine Flotte auskochst, dann extrahierst Du daraus die löslichen Farbstoffe. Eine Besonderheit bei den Pflanzenfarbstoffen ist dabei das Indigo. Indigo wird nicht durch Auskochen gewonnen, sondern durch Fermentation und Umwandlung zum Pigment , das man dann verküpen muss. Nur in seiner reduzierten Leuko-Form ist Indigo wasserlöslich und somit ein Farbstoff. In dieser Form kann Indigo auf Fasern aufziehen. Wird diese Leukoform dann an der Luft oxidiert, wird aus dem Farbstoff ein wasserunlösliches Pigment (das berühmte blau), das auf der Faser liegenbleibt. Die Indigo-Chemie habe ich in diesem Artikel schon einmal zusamengefasst.
Neben Indigo gibt es unter anderem noch mineralische Pigmente (farbige Erden, Ocker) und eben die Lack-Pigmente, um die es hier gehen soll. Lack-Pigmente sind nichts weiter als wasserunlösliche Metallsalz-Verbindungen von organischen Farbstoffen. Klingt erst mal kompliziert, ist aber im Grunde nichts anderes als das, was beim Färben gebeizter Wolle passiert: Beim Beizen binden Metall-Ionen an die Wolle. Bei Kaltbeize oder Alaun ist das Aluminium, bei einer Eisenbeize wäre das Eisen. Sobald man die gebeizte Wolle in eine Färbeflotte legt, binden die Farbstoffe der Flotte das Metall, das ja schon an die Fasern gebunden ist. Diese Metallion-Farbstoff-Verbindung ist nun ein Pigment, d.h. sobald es gebildet ist, wird es unlöslich in Wasser, fällt an Ort und Stelle (also auf bzw. im Inneren der Faser) aus und bewegt sich dort nicht mehr weg. Tadaa: Wolle gefärbt. Dieser chemische Vorgang nennt sich übrigens „Verlackung“, daher auch der Name „Lack-Pigment“ (hier entlang zum Wikipedia-Artikel zu Verlackung).
Die Lack-Pigmente kann man nun nicht nur in und auf der Wollefaser bekommen, sondern auch komplett in Abwesenheit von Wolle. Sobald man nämlich Aluminium-Ionen z. B. in Form von Alaun zu der Färbeflotte gibt, bilden sich besagte Farbstoff-Aluminium-Verbindungen und fallen genauso als Pigment aus. Nur eben nicht auf der Wolle. Das Ganze wird dann noch mit Natron oder Waschsoda neutralisiert und ausgefällt.
So habe ich mein Lack-Pigment gemacht
Auf der Suche nach einer Anleitung habe ich im Internet einige Anleitungen gefunden (die leider chemisch nicht ganz korrekt und daher für mich nicht ganz so vertrauenswürdig waren). Außerdem habe ich in einem meiner Färbebücher (Boutrup & Ellis 2018) ein Rezept gefunden, das ich dir ganz unten im Abschnitt Literatur referenziere.
Schritt 1: Pflanzenmaterial auskochen
Der Prozess ist dem Färben mit Pflanzenmaterial sehr ähnlich: Zuerst kocht man sich eine Flotte. Da bei uns die Goldrute gerade wunderbar blüht, bot sich also Goldrutenpigment an.
Bei einem Abendspaziergang habe ich Blüten gesammelt, einen halben Topf voll. Die Blüten habe ich von den harten Stielen abgezupft, gut mit Wasser bedeckt, über Nacht eingeweicht und am nächsten Tag ausgekocht (ca. 1h, leicht simmernd).
Und weil mich das Experiment so begeistert hat, habe ich im Anschluss gleich ein paar Avocadokerne ausgekocht und ebenfalls das Pigment gefällt (das Vorgehen war das gleiche wie für die Goldrute).
Schritt 2: Pigment mit Alaun fällen
Den etwas abgekühlten Sud (es waren insgesamt 1,75l) habe ich auf zwei Einweckgläser aufgeteilt und zu jedem Glas (ca. 850 ml Flüssigkeit) 20 g Alaun gegeben. Den Sud habe ich dann noch einmal erhitzt, weil das so in der Anleitung stand, die ich gefunden habe. Allerdings war diese Anleitung chemisch nicht ganz korrekt und so bin ich auch gar nicht sicher, ob das weitere Erhitzen wirklich nötig ist. Eine Hälfte des Sudes blieb, wie sie war, der anderen Hälfte setzte ich noch etwas Eisenwasser zu, um ein Grün zu bekommen. Ich habe dem Pigment ca. 10min Zeit gegeben, um sich zu bilden.
Anschließend habe ich mit 10 g Natron neutralisiert (das Alaun ist leicht sauer) und das Pigment ausgefällt. Das Natron habe ich in etwas heißem Wasser so gut es ging gelöst und dann als Lösung zu dem Farb-Pigment-Bad gegeben. Das musste ich wirklich Löffelchen für Löffelchen machen, denn dabei ist ganz schön viel Schaum entstanden. Da kam echt Badeschaumvulkan-Feeling auf! Schaut mal in meinem Instagram – Post dazu, da habe ich ein kurzes Video aufgenommen. Ziel ist es, an einem neutralen pH anzukommen.
Nachdem alles Natron eingerührt war, verschwand der Schaum irgendwann und man konnte das Pigment in großen Klumpen umherwirbeln sehen. Das Ganze stand dann über Nacht, damit sich das Pigment setzen konnte.
Für die erforderliche Menge an Alaun habe ich sehr unterschiedliche und auch unterschiedlich präzise Angaben gefunden. Von „4 Teelöffel auf 250ml Farbsud“ bis „10 g /l“ bei Boutrup & Ellis war alles dabei. Die 20 g Alaun, die ich verwendet habe, sind deutlich mehr, als in der Literatur bei Boutrup & Ellis angegeben ist, aber ich hatte ja auch eine unbenutzte Flotte und folglich vermutlich viel mehr Pigment in der Flotte. Boutrup & Ellis verwenden benutzte Färbeflotten, die noch Restpigment enthalten und recyceln so quasi das Pigment. Entsprechend kann es natürlich sein, dass sie weniger Alaun benötigen. In ihrem Rezept wird die Flotte nach Alaunzugabe auch nicht weiter erhitzt.
Mir fiel auf, dass nach Zugabe des Alauns und des Natrons mein Überstand immer noch gelb war – d. h. ich habe nicht allen Farbstoff ausgefällt, es war zu wenig Alaun. Also hab ich im Nachgang nochmal Alaun zugegeben, und in der Tat fiel noch Pigment aus, allerdings war das nur sehr blass gelb. Offenbar kann man also mit der Alaunmenge etwas spielen.
Schritt 3: Pigment filtrieren und trocknen
Das Pigment habe ich anschließend über einen Kaffeefilter gegeben und so eine Paste bekommen. Diese Paste lässt sich so wie sie ist schon sehr gut zum Malen verwenden!
Um sie haltbar zu machen, habe ich sie allerdings getrocknet. Wenn man mit den getrockneten Pigmenten dann irgendwann malen möchte, empfiehlt es sich, das Pigment im Mörser ganz fein zu reiben und mit Wasser aufzuschlämmen. Für echte Aquarellfarben sollte man wohl auch etwas Gummi Arabicum (bzw. Aquarell-Medium) zugeben, aber damit kenne ich mich wiederum überhaupt nicht aus.
Erste Malversuche haben mich sehr begeistert: Dieses Gelb! Wahnsinn!
Wenn zu viel Pigment auf einer Stelle liegt, dann wird es beim Trocknen brüchig – vielleicht hilft ja hier dieses magische Gummi Arabicum? Da werde ich wohl noch weiter probieren.
Was macht man mit Lack-Pigmenten?
Malen!
Mit Lack-Pigmenten kann man super malen, auch wenn man kein Aquarell-Künstler ist. Ich werde meine Pigmente vermutlich in Kombination mit einer alten neuen Leidenschaft verwenden: Kalligrafie. Ein Hintergrund aus Naturfarben, davor ein schön geschriebener Text. Ich übe schon mal Alphabete!
Textilien bedrucken!
Ansonsten könnte man natürlich (mit dem richtigen Bindemittel) auch Textilien bedrucken. Man muss eben nur dafür sorgen, dass das unlösliche Pigment an den Fasern haften bleibt. Ich habe davon leider überhaupt keine Ahnung. Wenn Du sowas schon mal gemacht hast, schreib gerne einen Kommentar, das würde mich sehr interessieren!
Ich bin nicht sicher, ob sie Lack-Pigmente verwendet, aber drucken auf Textilien mit Pflanzenfarben habe ich schon mal bei Susan Krieger von der Manufaktur Blausieb gesehen. Sie gibt manchmal Workshops, vielleicht auch zu diesem Thema?
Wieder färben!
Boutrup und Ellis beschreiben eine Methode (Rezept Nr. 18), wie man diese Pack-Pigmente zum Färben von Proteinfasern (Wolle) benutzen kann. Dabei werden die Lack-Pigmente wieder in eine lösliche Form überführt (offenbar ist die Verlackung reversibel und bei pH 3,5 trennen sich Metall-Ion und Farbstoff wieder), mit der Wolle in Kontakt gebracht und durch anschließendes Anheben des pH wird das Lackpigment wieder auf der Faser ausgefällt. Sehr interessant!
Habt ihr schon mal versucht, nach dem Färben verbliebene Pigmente aus der Flotte zu fällen, um sie so vollständig zu nutzen? Was sind eure Erfahrungen?
Literatur und weiterführende Links
Joy Boutrup, Catharine Ellis „The Art and Science of Natural Dyes. Principles, Experiments, and Results“ 2018 (Schiffer Publishing Ltd.) ISBN 978-0-7643-5633-9
Elke von Flora und Farbe bietet manchmal Workshops zum Thema Pigmente an, schau mal auf ihrer Website vorbei.
Das ist ein für mich interessanter, sehr komplexer, gut recherchierter und auch spannender Beitrag. Ich habe das Gefühl, trotz mehrerer Jahre färben mit Pflanzenfarbe weiß ich ein Bruchteil von der Vielschichtigkeit unserer Natur, ganz vereinfacht ausgedrückt. Auch ich habe mich mit der Konzentration von Pflanzenfarbstoffen beschäftigt. Für eine sehr fundierte Einführung habe ich das Buch von Helena Arendt,
„Werkstatt Pflanzenfarben“ . . .
Sehr schön wirkt die Pflanzentinte auf Teepapier . . . die Handhabung, das Malen auf Wolle umkreise ich soeben.
Liebe Grüße und ein Danke für diese informative Seite . . .
Susanne
Liebe Susanne,
vielen Dank! Mit den Pflanzentinten befasse ich mich auch gerade näher, mir ist das Buch „Naturfarben“ von Babs Behan dabei in die Hände gefallen, das finde ich sehr hilfreich. Da geht es nicht nur um das Färben als solches, auch um Tinten. Lackpigmente, Drucken, Beizen usw. Viel Spaß weiterhin beim Erkunden der Naturfarben!
Liebe Kathrin, in letzter Zeit begegnen mir beim Stöbern im Netz immer häufiger die Lack-Pigmente. Zuletzt war ich so neugierig geworden, daß ich nach deiner Anleitung einen ersten Versuch gewagt habe. Ich habe Erlenblätter verwendet und ein bräunliches Pigment erhalten, das dünn vermalt einen Ockerton ergibt. Spannend! Jetzt kurbeln die Gedanken…
Die Idee, die Pigmente als Vorrat zum Färben zu nutzen, wenn ich sie durch Säuern wieder löslich machen kann, beschäftigt mich. Dann habe ich ja folglich Farbstoff und Alaun in der Lösung. Nun meine Frage: erübrigt sich dann das vorherige Beizen von Fasern, Garnen oder Stoffen?
Ich bin gespannt auf deine Antwort und grüße dich herzlich
die Eifelspinnerin Barbara
Liebe Barbara,
wie wunderbar, Erlenblätter auszuprobieren! Es freut mich sehr, dass Dich mein Artikel zu eigenen Experimenten angeregt hat 🙂
Zu Deiner Frage: Boutrup & Ellis sagen, dass eine Beize nicht erforderlich ist, wenn man das Lackpigment wieder auflöst. Sie sagen aber auch, dass sie das Verfahren nur für Wolle empfehlen. Ich bin sehr neugierig, wie das bei Dir klappt, schreib mir gerne, wenn Du das mal probierst!
Herzliche Grüße
Kathrin
Liebe Kathrin,
herzlichen Dank für deine Antwort!
Ich bin selber gespannt, habe jede Menge Pflanzen im Sinn, mit denen ich weiter experimentieren will, möchte gerne auch Druckfarben herstellen. Auf jeden Fall ist das eine tolle Möglichkeit, Restflotten bis zum Ende auszuschöpfen und keinen Farbstoff zu vergeuden.
Ganz liebe Grüße
Barbara
Sehr gerne! 🙂