Ein Blog über Handspinnen, Wolle und Schafe

Schlagwort: Spindeln

Handheld Spindles – Spindeln, die in der Hand gehalten werden (Spindeltypen Teil 4/4)

In meiner Serie “Alle meine Spindeln” stelle ich Dir heute meine Lieblingsspindeln vor: Handheld Spindles oder auf deutsch “in der Hand gehaltene Spindeln”. Du kennst sie vielleicht auch als „Spindelstäbe“. Ich weiß heute gar nicht mehr genau, wie ich auf sie gekommen bin. Aber: ich bin froh, sie gefunden zu haben, denn nichts entspannt mich so wie das Spinnen mit diesen Spindeln. Ich habe dadurch sehr viel über mich und meine Art zu spinnen gelernt, weil ich mir immer wieder auf die Finger geschaut habe und erstaunt war, was da alles passiert! Was zunächst aussah wie eine kleine Nische in der Spinn-Welt entpuppte sich im Laufe der Zeit als durchaus weites Feld. Aber lies selbst…

Was sind denn bitte “Spindeln, die in der Hand gehalten werden”?

Spindelstäbe a.k.a. “Mittelalter-Spindeln”

Meistens (aber nicht ausschließlich) begegnen mir diese Spindeln als Spindelstäbe mit Wechselwirtel im Zusammenhang mit dem “Mittelalter” (und ich verwende diesen Begriff hier mal sehr weitgefasst). Oft sind es Videos aus der Re-Enactment-Szene, in denen gezeigt wird, wie man mit Rocken und Spindel spinnt.

Wenn Du jetzt so ein Bild vor Augen hast, auf dem eine mittelalterlich gewandete Person auf der einen Seite einen langen Stab mit aufgebundener Wolle hat, und auf der anderen Seite etwas Stab-ähnliches in der Hand hält, was über einen Faden mit der aufgebundenen Wolle verbunden ist, dann hast Du es ziemlich gut getroffen: Das ist eine Spindel, die in der Hand gehalten wird.

Foto einer mittelalterlichen Darstellung einer spinnenden Frau mit Rocken und Spindel, die in der Hand gehalten wird. Ca. 1170
„Eve spinning“, folio 8r, detail from the
Hunterian Psalter, Glasgow University Library MS Hunter 229 (U.3.2)
By Anonymous – http://special.lib.gla.ac.uk/exhibns/psalter/psalterindex.html, Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2549773

Wir kommen später noch dazu, warum sie immer in der Hand gehalten wird, aber das ist aus meiner Sicht ein wichtiges Merkmal, das diese Spindeln von anderen Spindeltypen abgrenzt. Es ist immer eine Hand an der Spindel. Anders als bei unterstützten Spindeln laufen die in der Hand gehaltenen aber eben nicht in einer Schale und sind somit etwas besser geeignet für das “Spinnen to go”, wie ich das Unterwegs-Spinnen gerne nenne.

Spiralspindeln aus Frankreich und Portugal

Solche Handheld Spindles sind mir aber nicht nur im Mittelalter-Kontext begegnet. Auf Flohmärkten in Frankreich (und auf online-Plattformen wie Etsy) bekommt man z.B. welche aus dem 19./ 20.Jahrhundert, auf denen definitiv noch gesponnen wurde (inklusive Holzwurmlöcher). Diese Spindeln sind wie die SPindelstäbe ebenfalls aus Holz, aber sie haben keinen separaten Wirtel. Sie sind oft länger als die Spindelstäbe, deutlich massiver und somit schwerer. An ihrem oberen Ende haben sie eine eingearbeitete Spirale, sie funktionieren aber durch ihre Form und ihr Gewicht im Prinzip genauso wie die Mittelalterspindel.

handheld spindle Spiralspindel französische antik
Französische Spindeln aus einem Etsy-Shop. Wann sie entstanden sind, konnte ich nicht in Erfahrung bringen, aber sie spinnen wunderbar!

Bei manchen dieser Spindeln ist die Spirale in eine Metallkappe eingearbeitet, die am oberen Ende der Spindel befestigt ist. Dadurch wird die Spindel nochmal etwas schwerer – aber die Spitze ist dünner als bei reinen Holzspindeln, und sie bricht auch nicht so leicht ab wie eine Holzspitze. Es gibt die Metallkappen auch mit Haken statt Spiralen. Offenbar gab es also ganz verschiedene Wege, einen Faden herzustellen, und wer mit der Spirale nicht zurechtkam, baute sich eben etwas, was besser funktionierte. So zumindest meine Vermutung.

handheld spindle Spiralspindel portugiesische Spindel mit Metallspitze
Spiralspindel mit Metalkappe. Durch die Kappe ist die Spindel recht schwer, allerdings ist die Spirale auch nicht so empfindlich wie eine aus Holz.

Ursprünglich dachte ich, die ganz aus Holz bestehenden Spindeln kämen aus Frankreich und die mit der Metallkappe kämen aus Portugal. Aber wie mir eine kurze Recherche auf der Website der Uni Innsbruck zum Thema Spindeln zeigte, sind beide Typen in beiden Ländern zu finden (gewesen). Wie solche Spindeln gesponnen wurden, ob mit Rocken oder ohne, im Alltagsgebrauch oder nur zu dekorativen Zwecken, weiß ich leider nicht. Ich bin keine Historikerin und historisch auch (ich gebe es zu) nicht besonders bewandert. Daher kann ich Dir an dieser Stelle auch keine Hintergrundinformationen zu historischen Funden etc. geben.

Beim Spinnen habe ich überlegt, warum jemand auf die Idee kommt, eine solche Metallkappe zu schmieden und dann passgenau mit dem Spindelstab zu verbinden. Viel einfacher wäre es ja, die Spirale einfach ins Holz zu schnitzen. War die Haltbarkeit der Spitze der Grund? War es so dekorativer und man zeigte so seinen Wohlstand? Die Spindel als Statussymbol? Hm, erscheint mir nicht wirklich plausibel… Aber falls Du etwas dazu weißt oder weiterführende links hast, hinterlasse gerne einen Kommentar!

An dieser Stelle verweise ich gerne nochmal auf das Archiv der Uni Innsbruck.

Spindeln aus dem Osteuropäischen Raum

Spindelstäbe mit oder ohne Wirtel werden auch immer mal wieder auf Plattformen wie Etsy angeboten. Es sind dann meist Dachboden- oder Scheunenfunde aus Bulgarien oder Ungarn, die mehr oder weniger aufbereitet wurden. Oft haben sie eine (vermutlich noch originale) bunte Bemalung und / oder Wurmlöcher. Lange dachte ich, diese Spindeln würden ausschließlich ohne Wirtel gesponnen – bis ich eines Tages eine ungarische Anbieterin fand, die Spindeln mit Holzwirteln anbot.

handheld spindle Spiralspindel bulgarische
Bulgarische Spindelstäbe sind sehr lang (diese hier passen kaum aufs Bild) und leicht. Möglicherweise kann man unten auch einen Wirtel befestigen. Ich spinne meist ohne Wirtel. Eine hat sogar eine Spirale statt eines Knubbels.

Die bulgarischen Spindeln haben oft eine Knubbel statt einer Kerbe am oberen Ende. Der Knubbel hilft, den Halbschlag festzuhalten, mit dem der Faden befestigt wird. Meine ungarischen Spindeln hingegen sind “nackig” und sehr spitz zulaufend.

Obere Spitzen verschiedener bulgarischer Spindelstäbe.
Hier sieht man nochmal besser die verschiedenen Knubbelformen am oberen Ende der Bulgarischen Spindeln. Sie laufen alle relativ spitze zu und lassen sich dadurch gut andrehen.

Erwähnen möchte ich hier noch Spindeln, die ebenfalls in der Hand gehalten, aber nicht mit der mittelalterlichen Technik gesponnen werden. Ich kenne sie als “Rumänische Spindeln”, will aber nicht ausschließen, dass auch woanders auf der Welt so gesponnen wurde (und vielleicht noch wird). Man greift sie, wie man vielleicht eine Rassel oder Ratsche greifen würde (ihr wisst schon, diese Lärmmacher-Dinger bei den Fussball-Spielen). Man hält sie verkehrt herum, also mit dem Spindelfuß nach oben, der Faden geht über die untere Spitze. Man dreht sie, indem man sie locker aus dem Handgelenk “rührt” und sie dabei nur sehr locker festhält. Durch die “Rührbewegung” dreht sich die Spindel in der Hand entgegengesetzt zur “Rührrichtung”, wenn ich das richtig sehe. Ich selbst habe noch nicht versucht, so zu spinnen, aber es steht auf meiner “muss ich mal lernen”-Liste. Da ich darüber noch nicht so viel weiß, werde ich im weiteren Artikel nicht mehr darauf eingehen und verlinke daher schon an dieser Stelle ein Technik-Video.

Technische Merkmale und Spindeldimensionen

Material

In der Hand gehaltene Spindeln sind in allen mir bekannten Fällen aus Holz gefertigt, nur die portugiesischen haben dieses Metallhütchen. Der Spindelstab kann sehr unterschiedlich lang sein, meine sind alle im Bereich von ca 28 – 39 cm lang.

Größe, Form und Gewicht

Die bulgarischen und ungarischen Spindeln sind mit 14 – 21 g tendenziell leichter, die französischen und portugiesischen mit 67 – 79 g etwas schwerer. Bei den Französischen und Portugiesischen muss ich immer an Orenburg-Spindeln (eine Form von unterstützten Spindeln) denken – die Schwungmasse ist quasi in den Spindelstab mit integriert, daher das höhere Gewicht.

Wirtel

Die Wirtel können aus Holz bestehen (ungarische Spindeln), aus meiner Erfahrung verbreiteter sind jedoch Wirtel aus Ton, Stein oder Zinn zum Aufstecken. Die verschiedenen Materialien sind unterschiedlich schwer und man hat so das Laufverhalten der Spindeln über das Wirtelgewicht sehr fein einstellen, wenn man das möchte.

Der Wirtel hat in der Mitte ein Loch, mit dem er auf die Spindel gesteckt wird, und je besser die Lochform und die Spindelform zusammenpassen, desto besser hält der Wirtel. Wenn also der Spindelstab konisch zuläuft, das Loch im Wirtel aber zylindrisch ist, gibt es weniger Reibung zwischen den beiden Flächen und der Wirtel kann leichter abfallen, wenn man ihn nicht fest genug aufgesteckt hat. Solange er aber fest genug sitzt, spielt die Lochform keine Rolle.

Verschiedene Wirtel für handheld spindles bzw. Spindelstäbe. Material: Ebenholz (hintere Reihe), Zinn vorn links und Ton vorn rechts.
Verschiedene Wirtel für Spindelstäbe. Meine sind aus Ebenholz (hintere Reihe), Zinn (vorne links und Mitte) und gebranntem Ton (vorne rechts).

Die Wirtelform beeinflusst, wie bei anderen Spindeltypen auch, die Laufeigenschaften der Spindel. Wenn Du Dich an den Eiskunstläufer erinnerst: Schmale kugelförmige Wirtel erlauben schnelles aber kurzes Drehen, tendenziell breitere, eher scheibenförmige Wirtel lassen die Spindel langsamer aber deutlich länger drehen. Da die Spindeln allerdings mit einer etwas anderen Technik gesponnen werden als z.B. “klassische” Fallspindeln, spielen Form und Gewicht des Wirtels keine so große Rolle wie bei den anderen Spindeln.

Schauen wir uns das mal genauer an.

Spinntechniken

Wir halten uns noch einmal kurz vor Augen: diese Spindeln werden die ganze Zeit in der Hand gehalten. Eine Hand ist also immer an der Spindel, die andere Hand hat mit den Fasern zu tun. Wie kommt das?

Schauen wir uns auch nochmal die Wirtel an: sie sind klein und eher kugelig als scheibenförmig und ausladend. Dadurch drehen die Spindeln tendenziell kurz und schnell. Man kann sie also nicht anstoßen und dann mit beiden Händen gemütlich ellenlang ausziehen, wie man es bei Fallspindeln macht. Die Spindeln drehen sehr schnell nach dem Anstoßen wieder zurück. Damit das nicht passiert, muss man die Spindel schon nach kurzer Zeit fangen (und somit das Zurückdrehen verhindern) und sie erneut andrehen. Das geht am besten, indem man mehr oder weniger ständig eine Hand an der Spindel hat (die Spindelhand). Im Grunde ist das Spinnen also ein ständiges “Stop and Go” des Andrehens und Fangens.

Spinnen ohne Rocken – langer Auszug

Dadurch, dass man eine Hand immer an der Spindel hat, ist zum Ausziehen der Fasern nur noch eine Hand verfügbar. Ich benutze beim Spinnen mit diesen Spindeln keinen Rocken, daher ist in meinem Fall für eine Drallsperre wie beim kurzen Auszug also keine Hand mehr da. Das bedeutet, dass bei mir also in der Regel immer Drall in der Auszugszone ist und somit immer eine Form des langen Auszugs stattfindet. Mitunter ein sehr kurzer langer Auszug, aber dennoch ein langer Auszug.

(Der Vollständigkeit halber sei erwähnt: Ja, man kann schon auch mal die Spindel loslassen und mit beiden Händen ausziehen, so dass die Spindel dann wie eine Fallspindel funktioniert. Aber sie dreht trotzdem sehr sehr schnell zurück in die falsche Richtung. Bequem ist das Spinnen so nicht.)

Spinnen mit Rocken – kurzer Auszug

Um mit diesen Spindeln im kurzen Auszug spinnen zu können, bräuchte man quasi eine dritte Hand, gegen die man mit Drallsperre ausziehen kann. In Ermangelung zusätzlicher Gliedmaßen kann man auch einen Rocken verwenden, am besten eignen sich da ein Gürtelrocken oder ein Standrocken.

Der Faservorrat wird am Rocken befestigt, und der Rocken steht als eigenständige Einheit neben Dir (oder in Deinem Gürtel). Die Faserhand kann jetzt mit Drallsperre immer ein paar Fasern vom Faservorrat auf dem Rocken ausziehen im kurzen Auszug, während die Spindelhand die Spindel dreht.

Bei Verwendung einer Fingerkunkel oder eines Handrockens wird das mit dem kurzen Auszug schon deutlich schwieriger, weil a) die Faserhand jetzt auch noch den Rocken halten muss und b) man eigentlich nichts mehr hat, wogegen man ausziehen kann. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt: Ja, es gibt ein Video, wo jemand eine Art kurzen Auszug mit mehreren Fingern einer Hand und einem Handrocken macht. Diese Technik erscheint mir jedoch nicht besonders intuitiv und erfordert sehr viel Finger-Yoga. Für einen kurzen Auszug würde ich in diesem Fall lieber einen Gürtelrocken oder gleich eine Fallspindel wählen als meine Finger zu verkrampfen.

Ein paar Worte zum Faservorrat

Wer in der Mittelalter-Szene zu Hause ist, wird vermutlich den Faservorrat entweder auf einen Rocken oder eine Fingerkunkel aufwickeln wollen. Ich habe einiges dahingehend ausprobiert, bin aber zu dem Schluß gekommen: Für mich funktioniert das nicht. Ich spinne im Sitzen, mein Täschchen mit Spindelstäben und Faservorrat steht neben mir. Von dem Faservorrat (meist Kardenband) mache ich mir entweder ein Stückchen ab, das ich dann verspinne (oder ich drehe mir Rolags daraus), oder aber ich spinne einfach von der Kardenbandrolle herunter. Ein Rocken bringt mir keinen Mehrwert, daher lass ich ihn einfach weg – und daher kann ich Dir da an dieser Stelle leider keine Tipps geben.

Ich verwende überwiegend Kardenband aus regionalen Wollmühlen. Besonders gut geht das mit Kardenbändern von Mini Mills wie Nafabo.

Mit Halbschlag oder ohne? Das ist die Frage!

Du hast Dich vielleicht schon gefragt: wenn die Spindeln keinen Haken haben, aber auch nicht in einer Schale unterstützt laufen – wie hält denn da der Faden…?

Die Antwort ist: man macht einen Halbschlag in den Faden. Oder auch nicht. (Dazu komme ich gleich.) Ein Halbschlag ist ein bißchen wie ein halber Knoten. Man führt dafür den Faden über Daumen oder Zeigefinger und stülpt die entstehende Schlaufe über die Spindelspitze. Kurz festziehen, und der Faden hält ohne Haken das Gewicht der Spindel. Das Einführen (und bei mir vor allem das Lösen) des Halbschlags unterbricht natürlich ein wenig den Spinnfluss, wenn man darin nicht so geschickt ist oder man es generell mühsam findet. Wer mit Halbschlag arbeiten möchte, hat die Wahl zwischen den ganz glatten Spindelstäben, denen mit Kerbe oder denen mit Knubbel – sie eignen sich alle dafür.

Die Alternative zum Halbschlag ist das Spinnen mit Spiralspindeln. Diese Spindeln haben eine Spiralkerbe, über die der Faden ohne Halbschlag über die Spitze läuft. Wie beim Fahrradfahren hält das Gleichgewicht aus Drehung und Reibung den Faden in der Kerbe, so dass die Spindel kurz frei drehen kann, ohne herunterzufallen. Dadurch, dass kein Halbschlag erforderlich ist, geht das Spinnen und Aufwickeln für mich viel flüssiger von der Hand als es mit Halbschlag der Fall wäre. Mir gibt also die Spiralspindel-Technik nochmal eine Extra-Portion Entspannung. Die einzige Besonderheit, auf die Du bei den Spiralspindeln achten musst, ist die Richtung der Kerbe. Sie muss in dieselbe Richtung verlaufen, in die Du spinnst, sonst funktioniert es nicht. D.h. Du brauchst eine Z-Kerbe, um im Uhrzeigersinn zu spinnen, und eine S-Kerbe, um gegen den Uhrzeigersinn zu spinnen.

Nahaufnahme Spindelspitzen handheld SPindles SPindelstäbe. Oben: glatter Spindelstab, Mitte: Spindelstab mit Kerbe, Unten: Spindelstab mit SPirale.
Verschiedene Ausführungen von Spindelstäben: ganz glatt, mit Kerbe oder mit Spirale.

Wer jetzt denkt: “Moment mal, langer Auszug, spiralartig um die Spindel nach oben wickeln und über die Spitze spinnen, das kommt mir doch bekannt vor!”, der denkt richtig. Ganz ähnlich funktioniert das Spinnen mit Unterstützten Spindeln. Auch dort spinnt man quasi gezwungenermaßen im langen Auszug. Allerdings läuft die Spindel stehend in einer Schale und wird dabei zwischendrin losgelassen. Sie dreht sich lange frei weiter, während man auszieht. Die gehaltenen Spindeln drehen selten völlig frei. Es klappt auch, ein bißchen, mit Übung, aber nicht so lange wie bei Unterstützten Spindeln.

Die Stop-and-Go-Technik

Wie spinne ich denn nun damit, so Schritt für Schritt?

Es ist eigentlich ganz einfach und ich nenne es die “Stop-and-Go-Technik”:

  1. Ich drehe die Spindel an und sammle etwas Drall
  2. Ich stoppe die Spindel, indem ich sie in der Hand fange und greife mit Daumen und Zeigefinger der Spindelhand den Faden
  3. Ich ziehe die Fasern gegen Daumen und Zeigefinger der Spindelhand aus. Meine Faserhand hält mit dem kleinen Finger die Fasern, die restlichen Finger dirigieren die Fasern ins Faserdreieck.
  4. Ich lasse den gesponnenen Faden etwas durchhängen, um zu prüfen, ob ich genug Drall gesammelt habe.
  5. Weiter zu Schritt 1 bis ca. eine Armlänge gesponnen ist (also: Stop – Go – Stop – Go…). Wenn die Arme zu kurz werden, geht es weiter mit Schritt 6.
  6. nochmal Drallprobe und ggf. etwas Drall nachgeben oder etwas ausziehen.
  7. Aufwickeln.
  8. Wieder zu Schritt 1.

Diese Technik funktioniert mit allen in der Hand gehaltenen Spindeln, egal ob mit Halbschlag oder Spirale. Der Faden kann zwischen Daumen und Zeigefinger oder zwischen Zeigefinger und Mittelfinger geführt werden, je nachdem, wie man die Spindel andreht.

Und vielleicht hast Du noch eine ganz andere Methode, damit zu spinnen! Hinterlasse gerne einen Kommentar und teile Deine Technik.

Hier gibt es ein recht anschauliches Video auf youtube dazu von Hershey Fiber Arts. Sie verwendet eine Französische Spindel.

Vorteile der “Stop-and-Go”-Spinntechnik

Es ist wie mit den meisten Sachen: Wenn man verstanden hat, wie es geht und der Knoten beim Üben geplatzt ist, dann ist diese Art zu spinnen sehr entspannt – für mich ist es die entspannteste Art des Spinnens überhaupt. Warum ist das so? Das hat einen ganz einfachen Grund: Ich bestimme die Geschwindigkeit, ich gebe das Tempo vor. Wenn ich aufhöre, die Spindel zu drehen, habe ich alle Zeit, die ich brauche, um auszuziehen. Ich entscheide, wann ich wieder soweit bin, um Drall zu produzieren. Ich muß nicht ein halbes Auge auf der Spindel haben, ob sie noch dreht und wenn ja, in welche Richtung. Ich muss nicht hastig ausziehen, um zu schnell entstehenden Drall auszugleichen. Alles geht in meinem Tempo. Es ist vielleicht nicht die allerschnellste Art zu spinnen, aber es ist für mich die entspannteste.

Mit dieser Technik erfordert es einige Mühe, ein zu hartes oder sogar überdrehtes Garn herzustellen. Alle Garne, die ich bislang damit gesponnen habe, waren dünn, leicht und weich – selbst wenn ich gefühlt recht viel Drall draufgegeben habe.

Dadurch, dass ich oft die Drallmenge kontrolliere, sind die gesponnenen Garne auch etwas konsistenter und gleichmäßiger als z.B. Fallspindelgarne, was die Drallmenge betrifft.

Die Entspannung sieht man wohl auch von außen, und so kam es, dass mich eines Tages die Martina von der Handspinngilde ansprach, ob ich nicht Kurse darin geben wollte, beim Handspinngildetreffen. Ich wollte, und die Kurse waren dann auch immer sehr gut besucht – mittlerweile finden auch etliche andere Menschen das Spinnen mit diesen Spindeln sehr entspannend…

Welche Fasern kann man verwenden?

Prinzipiell möchte ich es mit Wilhelm Busch sagen: Was beliebt, ist auch erlaubt. Für den Einstieg würde ich jedoch eine für den langen Auszug geeignete Faservorbereitung wählen, also nicht zu lange Fasern als Kardenband, Vlies oder Rolag. Es spricht auch nichts dagegen, lange Fasern aus der Falte zu spinnen!

Da bei dieser Spinntechnik nur eine Hand zum Ausziehen zur Verfügung steht, sollten die Fasern besonders gut vorbereitet sein – je besser sie vorbereitet sind, desto gleichmäßiger wird das Garn. Nachschnitt, Heureste etc. kann man natürlich auch beim Spinnen entfernen, aber dafür muss man dann die Spindelhand freimachen (d.h. die Spindel irgendwo einklemmen), um mit beiden Händen an den Fasern arbeiten zu können. Für mich zerstört das dann die entspannte Wirkung und ich komme nicht so richtig in einen guten Flow, wenn ich zu oft anhalten muss, um die Fasern zu korrigieren.

Meine ersten Erfahrungen habe ich mit Kardenband der Firma Nafabo gemacht (das ist eine Mini Mill in Sachsen), und neben Rolags ist das für mich immer noch purer Luxus in Tüten. Aber auch andere Kardenbänder (Kreuzwickel) von regionalen Wollmühlen funktionieren sehr gut. Aufpassen würde ich bei “industriellen Kammzügen” – manchmal sind das Kardenbänder und manchmal sind es wirklich Kammzüge mit sehr parallelen Fasern, die sich dann im langen Auszug etwas schwieriger gleichmäßig ausziehen lassen.

Was für Garne kann man damit spinnen?

Bedingt durch die Anwesenheit von Drall in der Auszugszone wirst Du immer tendenziell fluffigere, weiche und auch leicht unregelmäßige Streichgarne herstellen.

Die Garne werden vermutlich auch eher auf der dünnen Seite sein. Bei Spindeln mit Spiralkerbe gibt die Tiefe und Form der Kerbe auch ein bißchen die mögliche Fadendicke vor – wenn der Faden zu dick wird für die Kerbe, springt er heraus und es spinnt sich nicht mehr wirklich gut. Bei Spindeln ohne Spiralkerbe spielt das aber vermutlich keine So große Rolle.

Augen auf beim Spindelkauf -Worauf kannst Du achten?

Im Grunde kann man bei solchen Spindeln eigentlich nicht viel falsch machen, denn jahrtausendelang haben Menschen mit ähnlichen Modellen gesponnen und kamen offenbar bestens zurecht. Dennoch gibt es einige individuelle Unterschiede, die Dir bei der Auswahl helfen können.

  • die Länge des Spindelstabes (ich komme mit sehr kurzen oder sehr langen nicht gut klar)
  • wie dick oder dünn die Spindel an der oberen Spitze ist (dünnere lassen sich leichter andrehen als dicke)
  • ob Du mit Halbschlag oder ohne spinnst
  • mit welchem Wirtel (Form und Gewicht) Du gerne arbeitest

Wenn Du gerne mit Halbschlag spinnst, hast Du eine breite Palette an Hölzern und Längen zur Auswahl. Bei Bedarf kannst Du Dir auch selbst Kerben in den Stab schneiden, wenn der Halbschlag nicht halten will.

Wenn Du (so wie ich) nicht so gerne mit Halbschlag spinnst, weil das immer so ein ewiges Gefummel ist, dann sind vielleicht die Spiralspindeln etwas für Dich, denn die Spirale ersetzt quasi den Halbschlag und das damit verbundene Gefriemel. Allerdings sind die Kerben auch nicht ganz einfach herzustellen, und Du könntest z.B. auf folgendes achten:

  • Wie tief und lang ist die Kerbe, in welchem Winkel ist sie geschnitten?
  • Ganz wichtig: endet die Kerbe genau im Zentrum des Spindelstab-Querschnitts oder läuft sie eher tangential aus? Wenn sie nicht genau in der Mitte endet, wobbelt die Spindel und dreht nicht wirklich rund. Dadurch springt der Faden leicht aus der Spirale und das Spinnen wird sehr mühsam.

Es ist mir auch schon passiert, dass sich Spindeln nach dem Kauf verzogen haben und eine gewisse “Bananenform” angenommen haben. Derart verzogene Spindeln laufen nicht rund und sind sehr mühsam zu spinnen.

Mein Fazit

Handheld Spindles sind meine absoluten Favoriten, und wann immer es die Faservorbereitung zulässt, greife ich nach meinen Spindelstäben oder in die Schatztruhe meiner Etsy-Funde. Ich arbeite in meinem Tempo und kann diese Spindeln überall hin mitnehmen. Sie fallen kaum herunter, weil ich immer eine Hand an der Spindel habe, und ich habe mir hüstel eine möglicherweise ausreichende Menge an Stäben zugelegt, um nicht ständig Spindeln abwickeln zu müssen.


Spinnen ohne loszulassen – der Spinnkurs zur Spindel

Ich gebe hin und wieder Kurse im Spinnen mit Spiralspindeln. Wenn Dich diese Art zu spinnen interessiert und Du lernen möchtest, so zu spinnen, dann schau gerne auf meiner Kurs-Seite vorbei.


Hier findest Du die Teile 1 – 3 aus der Artikelserie „Alle meine Spindeln“

Alle meine Spindeln (Teil 1/4)

Die Fallspindeln – Kopfspindeln, Fußspindeln und Kreuzspindeln (Teil 2/4)

Keine Angst vor Unterstützten Spindeln (Teil 3/4)

Keine Angst vor Unterstützten Spindeln! (Spindeltypen Teil 3/4)

Das Spinnen mit Unterstützten Spindeln wird oft mit einer gewissen Ehrfurcht besprochen, denn es gilt vielen als “fortgeschrittene” Technik. Ja, die Bewegungsabläufe sind etwas anders als bei Fallspindeln, aber sie sind genauso erlernbar. Also nur keine Angst, wenn Du Dich damit beschäftigen möchtest! Diese Art zu spinnen ist durchaus entspannend!
Im ersten Teil dieser Blogartikel-Serie kannst Du nochmal kurz nachlesen, was ich dort darüber zusammengefasst habe.

Was sind Unterstützte Spindeln?

Unterstützte Spindeln werden manchmal auch Standspindeln genannt. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie immer auf einer Unterlage (z.B. in einer Schale) stehend betrieben werden. Dafür haben sie am unteren Ende eine möglichst dünne Spitze, auf der sie lange laufen können. Am unteren Ende befindet sich auch das Schwungelement, und wenn das ein Wirtel ist, dann sehen diese unterstützten Spindeln einer Fußspindel gar nicht mal unähnlich (im zweiten Teil dieser Artikelserie kannst Du Dir nochmal eine anschauen).

Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied zu einer Fallspindel: an ihrem oberen Ende sind unterstützte Spindeln glatt, d.h. sie haben i.d.R. keinen Haken. Das wird für die Spinntechnik relevant, auf die ich weiter unten eingehe. (Allerdings habe ich auch schon Videos gesehen, in denen jemand unterstützt gesponnen hat, obwohl die Spindel einen Haken hatte. Es ist also nicht prinzipiell unmöglich, üblich ist es aber meines Wissens nicht).

Unterstützte Spindel Supported Tibetische
Tibetische unterstützte Spindel. Sie hat einen Wirtel und sieht einer Fußspindel ähnlich, hat aber keinen Haken.

Standspindeln können aus vielen verschiedenen Materialien gefertigt sein. Es gibt unterstütze Spindeln komplett aus Metall (Tahkli), komplett aus Holz, aus einer Kombination von Holz und Glasspitze, auch Carbonstäbe mit Kreiseln habe ich schon gesehen.

Das Schwungelement bei den Unterstützten Spindeln kann ein separater Wirtel sein, alternativ kann es auch direkt in den Stab integriert sein. Spindeln mit separaten Wirtel sind z.B. Tibetische Spindeln, Tahkli-Spindeln (wird gerne für Baumwolle genommen), oder auch große Bodenspindeln (manchmal auch als “Navajo”-Spindel bezeichnet). Spindeln “aus einem Stück”, also ohne separaten Wirtel, sind beispielsweise Orenburg-Spindeln oder Phang-Spindeln (“Goddess-Spindeln”)

Unterstützte Spindel Supported Orenburg Russische
Eine Orenburg-Spindel mit Metallkugel an der Laufspitze. Sie hat keinen separaten Wirtel, das Schwungelement ist die eiförmige Verdickung am unteren Ende.
Unterstützte Spindel Supported Phang Goddess
Goddess- Spindeln mit Metall- bzw. Holzspitze. Die taillierte Form ist charakteristisch „weiblich“.

Was für Garne kann man damit spinnen?

Ein wesentliches Merkmal dieser Spindeln ist die Tatsache, dass kein Gewicht am entstehenden Faden hängt, d.h. man kann sehr dünne, weiche und fluffige Garne darauf spinnen. Besonders hilfreich ist das z.B. bei sehr kurzen oder glitschigen Fasern wie Hund, Katze oder auch Angora. Solche Fasern sind ungemischt für mich auf Fallspindeln gar nicht spinnbar.

Ich erinnere mich an ein wunderbares Angora-Kardenband, das ich mir von einem Wollefest mitgebracht hatte. Ich nahm meine allerleichteste Mini-Fallspindel zur Hand und versuchte mich an einer Spinnprobe. Nach 2min Testen hängte ich die Fallspindel kurzerhand wieder an den Haken und griff zu einer unterstützten Spindel. Mir ist ständig der Faden gerissen, weil ich nicht genug Drall produzieren konnte, um den entstehenden Faden hinreichend zu stabilisieren, damit er auch das Gewicht der Mini-Spindel hält. Mit der unterstützten Spindel war das dann überhaupt kein Problem und das Spinnen machte wieder Spaß.

Merke: Nicht jede Spindel funktioniert mit jeder Faser. Auch nicht, wenn man schon eine Weile spinnt und meint, Erfahrung zu haben (und hierbei greife ich mir an die eigene Nase).

Die Spinntechnik

Wie spinnt man nun mit unterstützten Spindeln? Wie oben schon erwähnt, werden sie auf eine Unterlage oder in eine Schale gestellt. Mit einer Hand (der Spindelhand) wird die Spindel angedreht und auch stabilisiert. Daumen und Zeigefinger treiben die Spindel an (wenn Du schon mal einen Fingerkreisel angedreht hast, kennst Du diese Bewegung). Nach dem Andrehen formen Daumen und Zeigefinger der Antriebshand ein “O”, innerhalb dessen die Spindel läuft. So wird die Spindel stabilisiert und kann nicht umfallen (sie fällt Dir dann nur in die Hand). Die andere Hand hält den Faservorrat.

Der entstehende Faden wird spiralförmig den Spindelschaft hochgeführt und läuft in einem ca 45 °-Winkel von der Spindelspitze weg. Bei jeder Spindelumdrehung springt er über die Spindelspitze, was ein ganz charakteristisches Geräusch erzeugt.

Aufsicht auf ein Körbchen mit Rolags und einer Unterstützten Spindel, auf der gerade gesponnen wird. Rolags und gesponnener Faden sind weiß. Neben dem Körbchen stehn Handkarden und eine Laufschale für die Spindel.
Meine Tibetische Spindel. Hier habe ich gerade fluffige Rolags versponnen und man sieht gut, wie der Faden spiralförmig hochgeführt wird.

Dadurch, dass eine Hand immer an der Spindel ist und die andere Hand die Fasern hält, ergibt sich zwangsläufig: es ist keine Hand mehr frei für eine zusätzliche Drallsperre. Ergo: mit Unterstützten Spindeln spinnt man mit Drall in der Auszugszone (also im langen Auszug) und die Fasern müssen entsprechend vorbereitet sein. Wir verwenden also meist kardierte Fasern, das geht meiner Erfahrung nach am besten. Im Prinzip kannst Du aber auch gekämmte Fasern verwenden und sie stückchenweise aus der Falte im langen Auszug spinnen. Probiere aus, was für Dich gut funktioniert!

Um bequem spinnen zu können, sollte der Arm, mit dessen Hand man andreht, in einer entspannten Position nahe am Körper gehalten werden. Der Arm mit der Faserhand geht oft weiter vom Körper weg, hier solltest Du gut auf Deine Schulter achtgeben, um Dich nicht zu verletzen.

Mit unterstützten Spindeln spinne ich meist im Sitzen. Im Stehen funktioniert das aber auch, dann brauchst Du entweder eine Abstellfläche in geeigneter Höhe vor oder neben Dir, oder aber eine Art Gürtelhalterung für Deine Spinnschale.

Spinnen mit großen Bodenspindeln

Etwas anders werden die großen Bodenspindeln betrieben. Sie stehen neben dem Oberschenkel und lehnen an den Oberschenkel an. Man rollt sie mit der ganzen flachen Hand am Oberschenkel an (ähnlich, wie man das bei Fallspindeln machen kann), jedoch wird die Spindel in der Daumenbeuge weiterlaufen gelassen und gleich wieder angedreht. Im Gegensatz zu den kleineren Unterstützten Spindeln drehen Bodenspindeln also nie längere Zeit frei. Daher braucht man für Bodenspindeln auch nicht zwingend eine Schale. Ich verwende trotzdem eine, damit mir die Spindel nicht wegrollt. Mit diesen Spindeln werden traditionell Mischwollen zu Teppichgarnen verarbeitet.

Eine Hand hält eine große Bodenspindel vor einem Hintergrund aus grüner Wiese, Spielplatz, Häusern und blauem Himmel. Die Spindel ist voll mit gesponnenem Faden.
Eine große Bodenspindel. Sie ist so groß, dass sie kaum auf das Bild passt… aber das Spinnen ist sehr angenehm, und das entstehende Garn ist schön flauschig und gar nicht mal so dick.

Hier gibt es zwei Videos dazu:
The Sip-n-Spin auf youtube (auf englisch)

Clara Sherman Navajo Weaver auf youtube (sie zeigt Kardieren und Spinnen)

Wie wickelt man das Garn auf?

Geübte Spinnerinnen und Spinner wickeln die gerade gesponnene Armlänge Faden erst mal am oberen Ende des Spindelschaftes auf und sammeln dort ein bißchen Faden (“temporary cop”). Auf diese Weise kann man längere Zeit fließend spinnen, ohne den Spinnprozess für das Aufwickeln unterbrechen zu müssen.

Wenn man ein paar Armlängen gesponnen hat, wird dieses temporäre Wickelknäulchen abgewickelt (z.B. mit einem Butterfly, was in diesem Video zu sehen ist) und dann sorgfältig am unteren Ende über dem Wirtel (oder um den “Bauch” oder die “Taille”, wenn es keinen Wirtel gibt) wieder aufgewickelt. Das Aufwickeln sollte am besten schön fest sein, damit der Faden sich nicht lockert oder ausfranst an den Kanten.

Pu-Yok Tibetische Spindel aus dunklem Holz liegt auf grauem Untergrund und wird gestützt von einem dekorativen Aststück. Daneben steht eine Laufschale aus dem gleichen dunklen Holz. Auf der Spindel ist sehr feiner gesponnener Faden aufgewickelt.
Pu-Yok-Spindel im Tibetischen Stil von Malcolm Fielding. Der Faden wird spiralförmig am Schaft hochgeführt und hier habe ich mit einem Zwischenknäulchen am oberen Ende der Spindel gearbeitet.

Das Arbeiten mit dem temporären Knäulchen macht das Spinnen mit Unterstützten Spindeln produktiv und gleichzeitig meditativ (also: noch meditativer als andere Spindeltechniken). So ganz zufriedenstellend habe ich das aber noch nicht gemeistert und ich arbeite daher oft Armlänge für Armlänge, das funktioniert prima für mich.

Technische Merkmale und Spindeldimensionen

Bei den Unterstützten Spindeln ist mir bislang die größte Modell-Vielfalt begegnet, sowohl bei der Länge des Stabes, der Form des Wirtels bzw. de Schwungelements und dem Gewicht. Bei den Unterstützten Spindeln sind (im Gegensatz zu beispielsweise Fallspindeln) zusätzlich auch die Form und das Material der Spindelspitzen an beiden Enden wichtig – am oberen Ende für das Andrehen, am unteren Ende für die Laufeigenschaften. Schauen wir uns das mal genauer an.

Größe bzw. Länge des Schaftes

Meine größte unterstützte Spindel ist gleichzeitig meine größte Spindel überhaupt. Es ist die oben schon gezeigte Bodenspindel. Ihr Spindelstab ist 68 cm lang, der Wirtel ist eine Scheibe von ca. 9,5 cm Durchmesser. Sie wird über den Oberschenkel angedreht und läuft in einer auf dem Boden neben mir stehenden Schale (siehe auch bei den Spinntechniken). Meine kleinste Unterstützte Spindel ist nur 22 cm lang und hat keinen separaten Wirtel (es ist eine Orenburg-Spindel).

Aufsicht auf verschiedene Modelle von Unterstützten Spindeln vor grauem Hintergrund.
Eine unvollständige Auswahl unterstützter Spindeln, die ich zum Längenvergleich mal nebeneinandergelegt habe. Gang oben liegt meine kürzeste, ganz unten die längste Spindel (mit Ausnahme der Bodenspindel, die nicht auf das Bild gepasst hätte).

Dazwischen habe ich eine Reihe von Spindeln unterschiedlicher Schaftlängen. Beim Arbeiten mit den verschiedensten unterstützten Spindeln ist mir über die Zeit aufgefallen, dass ich mit unterschiedlich langen Spindeln unterschiedlich gut klarkomme. Wenn der Schaft zu lang ist, muß ich meine Hand zum Andrehen etwas höher vor meinem Körper halten, und das ist manchmal für meine Schulter sehr anstrengend. Kürzere Spindeln liegen mir manchmal besser. Um eine bequeme Arbeitshöhe zu erreichen, probiere ich manchmal verschiedene Positionen aus (z.B. auf dem Schoß oder mit der Schale neben mir auf dem Sofa).

Form des Schaftes (obere Spindelspitze)

Die Form der oberen Spindelspitzen hat einen nicht unerheblichen Einfluss darauf, wie schnell ich eine Spindel andrehen kann und dementsprechend wie viel Drall ich mit ihr produzieren kann. Je schmaler die obere Spitze, desto kräftiger und besser kann ich die Spindel andrehen. Ein relativ dick zulaufender Schaft führt bei mir sehr schnell zu Ermüdung des Daumens meiner Antriebshand, und je mehr Garn auf der Spindel ist (d.h. je mehr Gewicht sie am Ende hat und je träger sie somit wird), desto schwieriger wird das Andrehen. Eine Spindel mit “dicker” Spitze macht also für mich fluffigere Garne mit weniger Drall. Das muss ich im Hinterkopf behalten, wenn ich mich für eine bestimmte Faser-Spindel-Kombi entscheide.

Nahaufnahme obere Spindelspitzen von Unterstützten Spindeln.
So unterschiedlich sind die Antriebs-Spitzen meiner Spindeln. Ganz rechts die mit den dicksten Stäben, der schwarze in der Mitte und der ganz linke haben die schlankesten Spitzen. Absolut gesehen sind die Unterschiede nur wenige mm, aber im Spinnverhalten unterscheiden sich diese Spindeln erheblich.

Wirtel bzw. Schwungelement

Bei der Form des Schwungelements gilt das Eisläuferprinzip, das ich auch schon im ersten Artikel dieser Reihe beschrieben hatte. Wie bei allen Spindeln gilt auch hier: langsames Drehen macht dickere, weichere Garne, schnelles Drehen macht feine Garne mit viel Drall.

Für ganz feine Garne mit viel Drall empfiehlt sich eine schlanke Spindel, deren Schwungelement nur eine Verdickung im Stab ist (wie bei einer Orenburg-Spindel oder einer Phang-Spindel). Solche Spindeln laufen sehr schnell und produzieren viel Drall.

Ein schwerer, ausladender Wirtel hingegen läßt sich schwerer andrehen, die Spindel dreht langsamer aber dafür auch länger. Ein gutes Beispiel dafür sind meine Tibetischen Spindeln. Die Kombination “breiter Wirtel” mit einer etwas dicker zulaufenden Spitze bedeutet, dass die damit gesponnenen Garne definitiv keine Lace-Garne mehr sind. Das soll aber nicht heißen, dass man mit Tibetischen Spindeln nicht dünn spinnen kann: Ich habe eine andere Tibetische Spindel (eine Pu-Yok von Malcolm Fielding) mit ausladendem Wirtel aber einer deutlich dünneren Spitze, und mit dieser kann ich viel dünner spinnen.

Aber selbst, wenn die Spindelspitze sehr dünn ist und man sie gut andrehen kann, kann ein sehr ausladender schwerer Wirtel diesen Effekt wieder vermindern. Wie schnell eine Spindel am Ende dreht, ist also immer ein Mehrfaktorenspiel und es ist schwierig, allein von Bildern und Zahlen auf die Laufeigenschaften zu schließen. Wie eine Spindel läuft, weiß man erst, wenn man sie ausprobiert hat.

Gewicht

Das Gewicht ist bei Unterstützten Spindeln nicht ganz so wichtig wie bei Fallspindeln, bzw. spürt man 1 g Unterschied nicht so direkt beim Spinnen. Ganz zu vernachlässigen ist es aber nicht, denn es beeinflusst dennoch die Laufeigenschaften.

Unterstützte Spindeln sind oft etwas schwerer als z.B. Fallspindeln, denn das Gewicht hilft ihnen, länger zu drehen (wenn man sie denn erst mal in Gang gesetzt hat, Stichwort: Trägheit). Unterstützte Spindeln, die zu leicht sind, arbeiten sich für mich nicht so gut. Meine kleinste Orenburg-Spindel ist zwar nur 22 cm lang, hat aber ein Gewicht von 36 g, was sich gerade noch gut arbeitet.

Etwas anders ist das bei den Goddess- und den Phang-Spindeln, sie sind tendenziell etwas leichter, aber durch die Verteilung der Schwungmassen laufen sie dennoch hervorragend (es sind mittlerweile meine liebsten unterstützten Spindeln). Phang-Spindeln stammen ursprünglich aus Ladakh, und auf dieser Seite findest Du weitere Informationen (an dieser Stelle danke für den Hinweis aus der community auf Instagram!)

Unterstützte Spindel Supported Phang
Phang-Spindel von Herrn Locke mit eingelassener Metallkugel an der Lauf-Spitze.

Material

Über das Spindelmaterial kann man (logisch) das Gewicht der Spindeln beeinflussen. Verschiedene Hölzer sind unterschiedlich dicht und damit unterschiedlich schwer, Metall ist noch schwerer und daraus gefertigte Spindeln können sehr klein und trotzdem schwer genug sein (z.B. Tahlkli). Durch Kombination von verschiedenen Materialien (z.B. Holz und Glas) sind die Laufeigenschaften hoch variabel.

Wichtig für das Laufverhalten unterstützter Spindeln ist aber ist nicht nur das Spindelmaterial an sich, sondern auch das Material, auf dem die Spindel läuft. Das beinhaltet sowohl die Laufspitze der Spindel als auch die Schale, in der sie läuft.

Unterstützte Spindel Supported Tahkli
Tahkli-Spindeln sind meist aus Metall gefertigt, oft wird eine Münze als Wirtel verwendet. Im Gegensatz zu den meisten anderen Unterstützten Spindeln haben Tahklis einen Haken.

Die Laufspitze kann z.B. aus Holz, Metall, Glas oder Carbon gefertigt sein. Einige Spindelhersteller arbeiten in ihre Holzspindeln eine Metallkugel in die Holzspitze ein, auf der die Spindel läuft. Diese Materialien sind alle unterschiedlich hart, und je härter die Spitze, desto schneller kann die Spindel sich drehen. Auch eine Glasspitze kann prinzipiell sehr schnell drehen.

Collage aus 4 Bildern von Laufspitzen unterstützter Spindeln. Eine Spitze aus Glas, eine aus Carbon, zwei verschiedene Metallspitzen.
Nahaufnahmen verschiedener Laufspitzen aus Glas, Carbon und Metall.

Laufschalen

Durch die Wahl einer geeigneten Schale kann man das Laufverhalten Deiner Spindeln beeinflussen. Die Kombination Metallkugelspitze und z.B. Keramikschale sorgt über sehr geringe Reibung für sehr hohe Drehzahlen. In einer Holzschale läuft dieselbe Spindel vielleicht etwas anders. Holzspitzen in einer Holzschale sollen nicht ganz so schnell drehen, und es heisst, dass sich eine Holzspitze sogar mit der Zeit sogar abnutzen kann und die Spindel dann nicht mehr so schnell dreht (hierzu habe ich aber noch keine eigenen Beobachtungen gemacht).

Unterstützte Spindel Supported Schälchen
Verschiedene Laufschalen. Die Laufschale ganz vorne kann man sich zwischen die Beine klemmen, sie hat eine Lauffläche aus Glas. Die dahinterliegende Schale aus einer kleinen Baumscheibe hat einen kleinen Keramik-Napf eingelassen.

Durch die Kombination von unterschiedlichen Materialien in der Spindelspitze und der Laufschale läßt sich für jede Spindel das Laufverhalten also etwas variieren. Eine Holzspitze in einer Holzschale wird etwas anders laufen als eine Holzspitze in einer Keramik- oder Glasschale, und eine Metallkugelspitze wird sich auf Holz etwas anders verhalten als in einer Metallschale. Und manchmal geht mir das ständige “Pingdingding” einer Metallspitze in einer Keramikschale fürchterlich auf den Keks und ich greife doch lieber zur Holzspindel…

Es gibt Laufschalen, die man auf eine Oberfläche stellen muss, es gibt welche , die man an einem Stab zwischen die Beine klemmen kann (wie oben auf dem Bild), es gibt welche, die über einen Magneten und ein Band am Oberschenkel fixiert werden können, es gibt ganz kleine, die man als Schmuckstück an einer Kette tragen kann und es gibt sogar welche, die (wieder über Magneten) an kleinen Kissen befestigt sind. Da ich am bequemsten arbeiten kann, wenn die Schale neben mir steht, nützen mir all die Modelle, die man vor sich auf dem Schoß hat, nicht so viel. Aber hier hilft wieder nur: ausprobieren, was für Dich und Deine Schultern funktioniert!

Man muss auch nicht unbedingt extra eine Schale kaufen, Du kannst einfach Dinge nehmen, die Du bereits hast – kleine Asia-Schälchen, Seifenschälchen aus Holz, selbstgeschnitzte Baumscheiben… Gut ist, wenn die Schale möglichst flach ist, damit Du die Spindel zum Aufwickeln des Fadens gut neigen kannst. Wenn Du aber nur tiefe Schüsselchen hast, nimmst Du die Spindel zum Aufwickeln des Fadens einfach aus der Schale heraus.

Was ist eine gute Unterstützte Spindel?

Eine gute Unterstützte Spindel dreht nicht zu schnell und nicht zu langsam. Wenn Du am Anfang noch die Technik üben musst, kannst Du überlegen, ob Du das gleich mit der schnell drehenden Orenburg-Spindel machen möchtest oder ob eine langsamer drehende Tibetische Spindel in Frage kommt. Dabei gibt es kein richtig oder falsch. Wenn Du kannst, fahr zu einem Wollefest, besuche einen Drechsler, frag in Deinem Spinnkreis, ob Du mal eine Spindel ausprobieren kannst. Meistens merkst Du sehr schnell, mit welcher Spindel Du gut klarkommst.

Eine gute Spindel hat einen Schaft, den Du bequem vor Dir auf dem Schoß halten kannst oder auch seitlich neben Dir, ohne dass Dein Arm anstrengende Positionen einnehmen muss. Bei (etwas zu) kurzen Spindeln kannst Du im Zweifel immer ein Buch unterlegen. Ist die Spindel zu lang, wird es schon schwieriger, eine bequeme und schulterfreundliche Position einzunehmen.

Meine erste Unterstützte Spindel war eine recht kleine Orenburg-Spindel. Sie war handlich, ich konnte bequem sitzen und sie halten, und sie drehte auch nicht zu schnell. Danach habe ich mir eine Tibetische Spindel gekauft und war auch damit sehr zufrieden. Mit fortschreitender Fingerfertigkeit bin ich dann zu schneller drehenden Spindeln mit Metallspitze übergegangen. Mein absoluter Favorit ist dabei eine “Derwisch”-Spindel von The Spindle Shop aus Australien (teuer aber jeden Cent wert!).

Worauf kann man beim Kauf achten?

Wenn Du überlegst, Dir eine Unterstützte Spindel zu kaufen, kannst Du Dein Augenmerk auf ein paar Dinge lenken. Am allerbesten ist, wie bei allen Spindeln, das Ausprobieren vor Ort, wenn Du die Möglichkeit dazu hast. Wenn nicht, fallen mir zwei Dinge ein, auf die ich immer achte.

Verarbeitung

Trotz sorgfältiger Verarbeitung bei den Drechslern kann es immer mal sein, dass etwas bei der letzten Qualitätskontrolle durchrutscht. Schau, dass Du nirgends Grat spüren kannst, ganz besonders an der oberen Spitze, denn dort springt Dein Faden drüber und würde dann dort immer hängen bleiben. Falls Du Grat spürst, kannst Du den aber auch ganz leicht selbst entfernen mit ganz feinem Sandpapier oder einer Nagelfeile.

Der Schaft sollte kerzengerade sein und der Wirtel (wenn es einen gibt) fest mit dem Schaft verbunden. Letzteres ist aber eher relevant für Fallspindeln, wo man den Wirtel manchmal wechseln kann. Bei Unterstützten Spindeln ist mir da noch nie ein derartiges Problem begegnet.

Stimmen die Dimensionen mit Deinen Präferenzen überein?

Wenn Du einen schnellen Flitzer suchst, Du aber schon auf den Fotos siehst, dass die obere Spitze relativ dick, der Wirtel mit 8 cm relativ ausladend und das Gewicht mit 116 g angegeben ist, dann schau vielleicht, ob Du nicht doch ein schlankeres Modell findest. Man kann zwar ein Rennauto auch im 1. Gang fahren, aber mit einem Trecker wirst Du vermutlich nie mit 180 über die Autobahn düsen… Will sagen: Du wirst eine Flitzer-Spindel sachte andrehen und dadurch langsamer arbeiten können, aber eine Spindel, die von vornherein nur mühsam in Drehung zu versetzen ist, wirst Du nie so richtig auf Speed bekommen.

Eine meiner ersten Unterstützten Spindeln war eine Tibetische Spindel mit einer relativ dicken oberen Spindelspitze. Die Garne, die ich mit ihr gesponnen habe, wurden irgendwie immer dicker und fluffiger als die mit meiner Orenburg-Spindel. Irgendwann kam ich dann darauf, dass das daran lag, dass diese Spindel einfach nicht so schnell drehte wie die Orenburg-Spindel…

Ob die Länge einer Spindel für Dich funktioniert, kannst Du einfach mit einem Kochlöffel, einem Bleistift oder dem Stock vom letzten Spaziergang austesten. Einfach die Länge mit Klebchen oder Stift markieren und verschiedene Positionen (auf dem Schoß, neben Dir, mit Buch drunter…) ausprobieren und prüfen, ob Arm und Schulter entspannt bleiben.

Mein Fazit

Unterstützte Spindeln sind eine Klasse für sich, und es gibt unglaublich viele Modelle zur Auswahl. Das verführt immer mal wieder die Sammlerin in mir, das gebe ich zu. Auf der anderen Seite kann ich über die Wahl der geeigneten Spindel genau das Garn bekommen, das ich mir vorstelle, und einige Fasern kann ich überhaupt nur unterstützt zu einem Faden verarbeiten.

Die Technik ist am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig, aber auf der anderen Seite eine hervorragende Möglichkeit, in Ruhe den langen Auszug zu üben. Und als es bei mir erst mal Klick gemacht hatte, wollte ich eine ganze Weile lang nichts anderes mehr spinnen…

Spinnst Du gerne unterstützt oder hast jetzt Lust bekommen, es mal zu probieren? Lass es mich gerne in den Kommentaren wissen!


Meine Spindel-Artikel-Reihe

Vielleicht interessieren Dich auch die anderen Teile dieser Artikelserie:

Alle meine Spindeln (Teil 1/4)

Die Fallspindeln – Kopfspindeln, Fußspindeln, Kreuzspindeln (Teil 2/4)

Spinnen mit Spindelstäben (Handheld Spindles, Teil 4/4)

Die Fallspindeln – Kopfspindeln, Fußspindeln, Kreuzspindeln (Spindeltypen Teil 2/4)

Wer an Handspindeln denkt, hat oft das Bild einer “klassischen” Fallspindel vor Augen. Fallspindeln gibt es in ganz verschiedenen Spielarten, und alle spinnen sich etwas unterschiedlich. In diesem Artikel gehe ich verschiedenen Fragen nach: Was für Garne kann man mit Fallspindeln spinnen? Welche Vor- und Nachteile gibt es? Nimmt man besser Kopfspindeln oder Fußspindeln? Worauf kannst Du beim Kauf achten? Hier kommen die Antworten – und ein paar Überlegungen, die Du anstellen kannst, um Deine perfekte Spindel zu finden.

Dieser Artikel ist Teil meiner Artikelserie “Alle meine Spindeln”.

Was für Fallspindelarten gibt es eigentlich?

Fallspindeln kann man im Grunde in zwei ganz grobe Kategorien unterteilen: Kopfspindeln und Fußspindeln. Bei Kopfspindeln ist der Wirtel am Haken-Ende angebracht, bei Fußspindeln am entgegengesetzten Ende. (Im ersten Artikel dieser Serie habe ich dazu schon mal etwas geschrieben.)

Innerhalb dieser Kategorien gibt es viele Variationen in der Wirtelform. Kreuzspindeln, deren Wirtel im Grunde zwei sich kreuzende Leisten sind, gehören zu den Fußspindeln. Auch die Schottische Dealgan gehört dazu. Vielleicht hast Du auch schon mal von den vielerorts beliebten Spulspindeln gehört. Diese Spindeln haben eine kleine abnehmbare Spule, die als Wirtel fungiert. Man schiebt sie auf den Spindelstab, wickelt den Faden auf und kann die volle Spule dann austauschen. Diese Spindeln würde ich zu den Kopfspindeln zählen, da die Spulen meist am Haken-Ende des Spindelstabes angebracht sind. Auch meine englische Lacespindel ist eine Kopfspindel.

Fallspindel Kopfspindel Lacespindel
Englische Lace-Spindel von Peter Locke.

Was für Garne kann man mit Fallspindeln spinnen?

Ganz egal in welche Kategorie man eine Fallspindel einordnen könnte, viel wichtiger ist ja die Frage: Was für Garne kannst Du damit spinnen?

Nun, Fallspindeln sind sehr versatil, d.h. Du kannst sehr unterschiedliche Garne damit spinnen: Dicke Garne und dünne Garne, Kammgarne und Streichgarne. Vielleicht nicht alles mit einer Spindel, aber mit einer kleinen Auswahl Fallspindeln kannst Du ein ziemlich breites Garnspektrum abdecken. Auf Fallspindeln kann man auch problemlos zwirnen, weil man sie in beide Richtungen drehen kann. Ich erwähne das hier explizit, weil es auch Spindeln gibt, bei denen das nicht so ohne weiteres möglich ist (bzw. sehr mühsam).

Das einzige, was mit Fallspindeln wirklich mühsam zu spinnen ist, sind sehr kurze, vor allem kurze und rutschige Fasern. Einmal wollte ich Angorafasern mit einer Fallspindel spinnen. Ich habe meine allerleichteste und allerschnellste Kopfspindel vom Regal genommen – und sie nach 2 Minuten wieder reingehängt. Das war kein Spaß. Ständig riss mir der Faden, bevor ich auch nur ans Ausziehen denken konnte. Ich habe dann stattdessen eine unterstützte Spindel genommen. Also: Angora, aber auch Kaschmir, Baumwolle, Katze etc. lassen sich mit anderen Spindeltypen besser spinnen als mit Fallspindeln.

Welche Garne mit einer spezifischen Spindel möglich sind, wird im wesentlichen von ihren technischen Merkmalen bestimmt. Schauen wir uns das mal genauer an.

Technische Merkmale – die Spindeldimensionen

Im ersten Artikel habe ich schon kurz darüber gesprochen: je nachdem, wie die Spindel (und insbesondere ihr Wirtel) dimensioniert ist, kann man dickere oder dünnere Fäden damit spinnen. Wir erinnern uns, wichtig sind zwei Faktoren:

  1. das Gewicht der Spindel. Der Faden, den ich spinne, muss das gesamte Gewicht der Spindel tragen. Wenn der Faden sehr dünn sein soll und die Spindel sehr schwer ist, dann wird der Faden das Gewicht nicht halten können und oft reißen. Umgekehrt gilt auch: eine sehr leichte Spindel hat einfach nicht genug Wumms (aka Drehmoment), um ein dickes Garn zu verdrehen. Merke: Dünne Fäden – leichte Spindel , dicke Fäden – schwere Spindel.
  2. Durchmesser und Form des Wirtels (und natürlich sein Gewicht, aber das geht in das Gesamtgewicht der Spindel ein). Wir erinnern uns an den Eiskunstläufer, der Pirouetten dreht: Spindeln mit ausladendem Wirtel drehen sich langsamer als Spindeln mit kugelförmigem Wirtel. Bei Spindeln mit ausladendem Wirtel ist der Masseschwerpunkt weit verteilt, sie produzieren also langsamer Drall als Spindeln mit kleinem, kugelartigem Wirtel (Masseschwerpunkt nah am Spindelstab). Merke: breiter Wirtel – langsam, schmaler Wirtel – schnell.

Für dickere Garne würde ich also eine schwerere Spindel mit ausladendem Wirtel wählen (z. B. 30 – 40 g, z. B. 7–8 cm Wirteldurchmesser), für dünne Garne eine deutlich leichtere Spindel mit schmalerem Wirtel (z. B. 15 – 20 g, 4 – 6 cm Durchmesser). Meine Kreuzspindeln kommen bei relativ geringem Gewicht sogar auf 12 cm Wirteldurchmesser (und drehen dadurch immer etwas langsamer als Spindeln mit gleichem Gewicht, aber kleinerem Wirtel). Mit einer Kreuzspindel fällt es mir sehr schwer, zu viel Drall zu produzieren, d. h. die Garne, die ich mit ihnen spinne, können dünn sein (weil die Spindel leicht ist), aber sie sind meist weicher und flauschiger, weil sie wenig Drall haben (die Spindel dreht halt nicht so schnell).

Fallspindel Fuss-Spindel Tiefwirtelspindel
Eine Fußspindel mit quadratischen Wirtel. Sie ist vergleichsweise schwer, spinnt aber ganz hervorragend.

Übrigens müssen Wirtel überhaupt nicht rund sein. Sie müssen nur rund laufen. So habe ich z. B. auch eine Spindel mit quadratischem Wirtel und eine sog. “Trindle”, die 3 Speichen mit aufgesteckten Kugeln als Schwungelement hat (ich will gar nicht von einem Wirtel sprechen). Sie spinnen beide wunderbar.

Meine schwerste Spindel ist von Kromski, ihr Wirtel hat 10 cm Durchmesser, sie wiegt 83 g. Meine allererste Spindel hat einen Wirtel mit 8 cm Durchmesser und wiegt 45 g.

Was sind gute Spindeldimensionen?

Was gute Spindeldimensionen sind, hängt natürlich (Du ahnst es) stark davon ab, was für Garne Du spinnen möchtest. Vieles merkt man auch erst beim Ausprobieren. Am besten, ich erzähle Dir mal von meiner ersten Spindel, dann wird das Ganze etwas anschaulicher.

Meine allererste Spindel war eine recht einfache, hübsch bunt angemalte Kopfspindel. Ich hatte sie für kleines Geld bei einem bekannten Auktionshaus erstanden, und sie kam mit einer kleinen Faserprobe Eiderwolle.

Der Spindelstab war ein Rundstab aus dem Baumarkt, der Wirtel muss auch aus dem Baumarktsortiment stammen (aber ich bin nicht sicher, was es war – ein Spielzeugrad, wie es für viele Spindeln in “Anfängersets” verwendet wird, war es jedenfalls nicht.). Oben war ein Haken eingedreht, ebenfalls Baumarktsortiment, aber die Bemalung war per Hand und mit Liebe zum Detail gefertigt.

Aufsicht auf den bemalten Wirtel einer Hochwirtelspindel. Hellblauer Hintergrund mit kleinen blauen Blüten und grünen Ranken handbemalt.
Meine erste Spindel von oben. Wie man sieht, ist der Haken direkt in den Wirtel eingedreht. Sie ist so hübsch bemalt, dass ich sie total gerne zur Hand genommen habe – wie ich finde ein wichtiger Faktor bei einer Kaufentscheidung.

Die technischen Daten meiner ersten Spindel:

  • Gewicht 45 g
  • Wirteldurchmesser 8 cm
  • Stablänge 31 cm.

Hat die Spindel gut gesponnen? Für meine ersten Garne war sie toll, nicht zuletzt, weil ich sie schon wegen der Bemalung gerne in die Hand genommen habe. Sie hat sich gedreht, ich habe mit ihr Garne rausbekommen und nicht gegen sie gekämpft. Der Spindelstab war schön lang, so dass ich auch mit viel aufgewickeltem Faden noch Platz zum Andrehen der Spindel hatte.

Über die Zeit sammelte erwarb ich weitere Spindeln und konnte sie miteinander vergleichen. Somit fielen mir dann Punkte auf, die ich heute bei einer Spindel eher vermeiden würde.

  1. Über dem Wirtel ist die Spindel zu Ende. Dadurch wird der Faden recht eng über den Wirtel geführt. Mir fällt es dadurch im Spinnfluss nicht ganz so leicht, nach dem Aufwickeln den Faden wieder einzuhaken, weil er auf dem Wirtel entlangrutscht. Wenn ich mir jetzt eine Spindel kaufe, müsste der Spindelstab durch den Wirtel hindurchgehen und oberhalb des Wirtels ca 2cm herausragen.
  2. Der Wirtel hat keine Kerbe. Ich habe für mich festgestellt, dass es sich besser spinnt, wenn der Faden über eine Kerbe zum Haken geführt wird und so nicht durchrutschen kann.
  3. Die Spindel trudelt etwas, weil sie nicht 100% zentriert ist und der Spindelstab sehr lang ist. Das hat am Anfang überhaupt nicht gestört, weil ich ohnehin im Park-and-Draft gearbeitet habe. Aber sobald ich im Flug gesponnen habe, hat sich das bemerkbar gemacht. Durch das Trudeln landet weniger Drall im Faden, und die Energie geht eher in die Taumelbewegung (wenn Du etwas besser in Physik bist als ich, kannst Du das bestimmt genauer erklären).
Fallspindeln Kopfspindeln Fußspindeln. Fallspindeln aufgehängt an einem Lindenast, um Größenvergleich zu ermöglichen.
Verschiedene Fallspindeln. Ganz rechts meine erste Fallspindel mit einem sehr langen Schaft. Links daneben meine schwerste Spindel von Kromski. Ganz links zum Vergleich eine Spindel, mit der ich heute üblicherweise spinne, sie ist im Vergleich viel kleiner und schmaler.

Spinntechniken

Wie wird nun mit Fallspindeln gesponnen? Eine kleine Suche bei youtube wird Dir einen ersten Eindruck vermitteln, ich fasse es hier mal übersichtsmäßig zusammen. Prinzipiell hast Du zwei Möglichkeiten: “Park and Draft” oder “Im Flug”.

Andrehen der Spindel

Die Spindel wird über den Spindelstab in Drehung versetzt und hängt dann am entstehenden Faden (auch wenn die Spindel dabei z. B. in der Park-and-Draft-Methode sich nicht weiter bewegt). Dadurch hast Du beide Hände frei für das Ausziehen der Fasern.
Das Andrehen kann mit den Fingern erfolgen, vor allem wenn man anfangs noch nicht so viel Übung hat. Geübte Spinnerinnen, die auch schnell viel Drall erzeugen wollen, rollen die Spindel über den Oberschenkel an.

Auszugstechniken

Zum Ausziehen kann man bei Fallspindeln sowohl den kurzen als auch den langen Auszug und alle möglichen Zwischenformen verwenden. Ich wähle meine Auszugs-Technik immer danach aus, welche Faservorbereitung ich gerade spinnen möchte.
Für den kurzen Auszug halte ich beide Hände in der Nähe des Faservorrats und ziehe immer etwas weniger als eine Stapellänge aus. Der lange Auszug funktioniert ebenso gut, dafür bleibt eine Hand in der Nähe der Spindel und kontrolliert den ankommenden Drall, die andere Hand (Faserhand) zieht über eine Rückwärtsbewegung die Fasern aus. Dabei kann man bequemerweise auch “um die Ecke” ausziehen, d.h. man arbeitet vor dem Körper in horizontaler Ausrichtung und schont somit die Schultern.

Wenn Dir die ganzen Begriffe nichts sagen, lies gerne nochmal nach zum Thema kurzer Auszug – langer Auszug Kammgarne – Streichgarne. Es gibt auch viele youtube-Videos zu den Techniken, und Videos sind manchmal viel besser zum Erklären einer Technik als ein geschriebener Text. Chanti hat immer tolle Videos für Dich: Spinnen mit der Handspindel für Anfänger und Spinnen im langen Auszug (mit der Handspindel) zum Beispiel.

Wie wickelt man das Garn auf?

Bei Kopfspindeln wird der Faden direkt unter der Wirtelscheibe aufgewickelt und der Faden dann wieder nach oben durch den Haken geführt. Dadurch bleibt ein großes Stück des Spindelstabes frei, um die Spindel z.B. über den Oberschenkel anzudrehen. Der Faden kann entweder fein säuberlich mehr oder weniger parallel aufgewickelt werden oder quick-and-dirty im Zickzack (das geht etwas schneller, sieht aber nicht so hübsch aus).

Kopfspindel Fallspindel Faden aufwickeln
So wickle ich meinen Faden an einer Kopfspindel auf. Immer im Zickzack und dicht unter dem Wirtel. Der Faden geht durch eine Kerbe in der Wirtelscheibe zum Haken (im Bild hinter dem aufgewickelten Faden).

Bei Fußspindeln kenn ich es so, dass der Faden über der Wirtelscheibe aufgewickelt und dann um den Spindelstab spiralförmig nach oben zum Haken geführt wird. Dadurch ist der Spindelstab dann allerdings nicht gut am Oberschenkel anzudrehen (siehe “Andrehen der Spindel”). Meine Fußspindeln drehe ich immer von oben mit den Fingern nahe dem Haken an. Dadurch kann ich mit Fußspindeln nicht ganz so hohe Drehgeschwindigkeiten erreichen wie mit Kopfspindeln, die ich am Oberschenkel andrehe.

Manchmal wird gezeigt, dass der Faden bei einer Fußspindel auch unterhalb des Wirtels entlanggeführt wird, bevor er wieder nach oben zum Haken verläuft. Kann man machen. Muss man aber nicht, geht auch ohne.

Faden aufwickeln bei einer Fußspindel. Man kann den Faden zuerst unter dem Wirtel einmal um den Stab und dann nach oben zum Haken führen. Man kann aber auch einfach nach dem Auswickeln spiralförmig um den Stab nach oben zum Haken gehen. Beides ist möglich.

Eine Besonderheit unter den Fußspindeln sind die Kreuzspindeln. Hier wickelt man die Faser nicht um den Spindelstab, sondern um das Kreuz des Wirtels, immer über zwei Arme und unter einen Arm abwechselnd (über einen und unter zwei ginge vermutlich auch). Das Ergebnis ist ein hübsches Knäul, und wenn man sich den Anfangsfaden so legt, dass man ihn am Ende wiederfindet, kann man Anfang und Ende des Knäuels miteinander verzwirnen – sehr praktisch!

Fallspindel Kreuzspindel Faden aufwickeln
Über zwei und unter einen – so wickelt man den Faden bei Kreuzspindeln auf. Wenn man sehr sorgfältig darauf achtet, den Faden ganz genau neben seinen Vorgänger aus der vorigen Runde zu legen, bekommt man besonders bei bunten Garnen ein tolles Muster. Allerdings dauert das Wickeln so natürlich länger. Wem das zu viel Friemelei ist, kann auch einfach quick & dirty wickeln, das funktioniert auch, ist nur nicht so hübsch.

Eine Fallspindel kaufen – worauf kannst Du achten?

Es gibt so viele schöne Spindeln da draussen, die man kaufen könnte – aber welche ist am besten? Schauen wir uns mal an, worauf Du achten kannst.

Die richtigen Spindeldimensionen wählen

Ich werde nicht müde, es zu betonen: die Spindeldimensionen Gewicht, Länge des Spindelstabes, Wirteldurchmesser und Form müssen zu dem passen, was Du spinnen möchtest. Wenn sich Spindelgewicht und Wirteldimension widersprechen, wirst Du vermutlich wenig Freude damit haben. Außer, Du nutzt sie als Deko-Objekt… (das geht ja immer!). Und weil das natürlich keine besonders hilfreiche Aussage ist, gebe ich Dir wieder Beispiele.

Es gibt z.B. viele hübsche Fallspindeln, die mit alten Türknäufen gemacht sind. Ich habe mir bislang aber keine gekauft, weil für mich das Verhältnis von Gewicht (sehr schwer) und Wirteldurchmesser (sehr klein, d.h. produziert viel und schnell Drall und dreht daher auch schnell wieder zurück) nicht zusammenpasst. Von der Wirteldimension her müsste ich ein eher dünnes Garn mit viel Drall spinnen, aber das hohe Gewicht der Spindel wird dazu führen, dass der Faden schnell reißt. Natürlich könnte ich auch versuchen, dicke Garne damit zu spinnen, die das Spindelgewicht aushalten – aber dicke Garne brauchen viel weniger Drall als die Spindel produziert. Die Spindel wird sich bei dicken Fäden sehr schnell wieder zurückdrehen, und wenn mir das nicht auffällt, reißt mir der Faden trotzdem, weil der Drall sich einfach wieder rausdreht. Um das zu umgehen, könnte ich die Spindel anhalten, sobald sie sich zurückdreht -aber so werde ich alle Nase lang anhalten müssen, und ich komme gar nicht in einen schönen Flow.

Was für diese Art Spindel funktionieren könnte ist, sie in der Hand haltend oder aber unterstützt in einer Schale zu spinnen. (Über solche Spindeln schreibe ich in einem der folgenden Artikel).

Für den Anfang ist es vielleicht lohnenswert, eine schwerere (30 – 40g) Spindel mit breitem Wirtel und danach vielleicht eine leichtere Spindel (ca 20g) mit kleinerem Wirtel zu kaufen. So kannst Du dicke und dünne Garne spinnen und kannst das unterschiedliche Laufverhalten der Spindeln austesten.

Fallspindel Kopfspindel Fussspindel Kreuzspindel. Spindeln hängen an einem Lindenast nebeneinander, um ihre Dimensionen darzustellen.
Verschiedene Fallspindeln mit sehr unterschiedlichen Wirteldimensionen, links Fußspindeln, rechts Kopfspindeln. Ganz rechts zu sehen ist eine Trindle, das ist eine Spindel, deren Schwungelement gar kein klassischer Wirtel ist. Stattdessen werden kleine Carbonstäbe mit daran befestigten Kugeln in eine Neopren-Basis am Schaft gesteckt. Beim Drehen erzeugt das ganz tolle Glitzer-Effekte.

Bei der Länge des Spindelstabes habe ich festgestellt, dass ich lieber etwas längere als zu kurze Spindelstäbe habe. So habe ich immer genug Platz sowohl zum Andrehen als auch zum Aufwickeln des Fadens, auch wenn die Spindel schon recht voll ist. Für mich sind 26 – 28 cm eine gute Länge. Die 31 cm meiner ersten Spindel sind aber schon zu lang.

Laufverhalten und Verarbeitung testen

Am besten ist es immer, wenn man die Spindel des Begehrens kurz anspinnen kann. Dann sieht man, ob sie gut gearbeitet ist , d.h. ob sie ruhig und gerade läuft oder trudelt. Bei Spindeln von Drechslern (besonders von bekannten Herstellern) kann man in der Regel sicher sein, dass sie gut laufen, besonders, wenn der Drechsler von einer Handspinnerin beraten wird. Die habe ich auch schon ohne Ausprobieren gekauft und gute Erfahrungen gemacht.

Manche Drechsler arbeiten in das Holz sogar kleine Gewichte zum Auswuchten ein, wenn die Spindel nach dem Drechseln noch nicht ganz rund läuft. Wenn Du so etwas siehst, ist das also kein Mangel sondern eher ein Zeichen für Qualität und gewissenhaftes Arbeiten des Drechslers.

Bei der Verarbeitung ist mir bei manchen meiner Spindeln aufgefallen, dass es rauhe Stellen gibt, an denen das Holz nicht komplett glatt poliert war. In den allermeisten Fällen macht das nichts, aber als ich mit einer solchen Spindel mal Seide spinnen wollte, blieb ich mit dem Faden immer an so einer leicht rauhen Stelle hängen, und das arbeitete sich nicht so schön. Bei lanolinhaltiger Wolle hätte das vermutlich keinen Unterschied gemacht.

Ein Punkt ist mir mal bei Kreuzspindeln begegnet (die ja immer mal auseinandergebaut werden). Es ist sehr wichtig, dass sich beim Zusammenbauen Wirtel und Spindelstab fest miteinander verbinden. Ist die Verbindung zu lose, dann drehen sich Stab und Wirtel unabhängig voneinander und das Spinnen funktioniert nicht mehr. Bei meiner Spindel musste ich alle Nase lang den Wirtel wieder am Stab arretieren, weil die Passform von Wirtel-Loch und Spindelstab an einer Stelle nicht passte. Manchmal helfen ein paar eingeklemmte Fasern – und manchmal ärgert man sich einfach. Daher: Ausprobieren vor dem Kauf lohnt sich!

Das Aussehen der Spindel

Last but not least – die Spindel sollte Dir gefallen! Wenn alle technischen Daten stimmen und sie sich einfach so gut anfühlt in der Hand, dass Du sie nicht mehr weglegen möchtest, dann ist sie richtig. Oder wenn Du einfach nur spinnst, weil Du ihr dann beim Laufen zusehen kannst – perfekt!

Schade wäre, wenn sie gut aussieht / sich gut anfühlt, aber die technischen Daten nicht stimmen und Du beim Spinnen merkst, dass ihr nicht gut zusammen arbeiten könnt, die Spindel und Du…Solche Spindeln hatte ich auch schon, und die durften dann weiterziehen und jemand anders glücklich machen.

Übrigens, in meiner Linksammlung gibt unter Shops für Spinner es einen Bereich, der Dich interessieren könnte… dort sind keine affiliate links, ich bekomme also nichts dafür, die Shops zu verlinken, aber ich habe dort meist schon gekauft und gute Erfahrungen gemacht.

Kopf- oder Fußspindeln – was ist besser?

Immer wieder werde ich gefragt, was denn nun besser sei, Kopf- oder Fußspindel. Diese Frage ist aber gar nicht so leicht zu beantworten, weil viel davon abhängt, wie Du gerne arbeitest. Wenn Du schon weißt, dass Du gerne sehr dünn spinnst, könnten Kopfspindeln besser sein, weil sie einfach mit der Oberschenkeltechnik angedreht werden können und so viel schneller Drall produzieren als Fußspindeln. Manche Menschen finden es auch schwierig, Fußspindeln anzudrehen und arbeiten deshalb generell lieber mit Kopfspindeln. Ich habe auch schon gehört, dass Kopfspindeln ruhiger laufen sollen als Fußspindeln – wobei sich das aus meiner Erfahrung nicht unbedingt bestätigen lässt.

Meine ersten zwei Spindeln waren eine Fuß- und eine Kopfspindel – ich wollte einfach selber rausfinden, worin der Unterschied besteht und was mir besser gefällt. Wenn Du Dir aus ganz einfachen Materialien selber eine Spindel baust, kannst Du Dir ja jeweils eine Kopf- und iene Fußspindel herstellen und es auch ausprobieren.

Das Fallspindel-Cheat-Sheet – Hilfe bei der Modellauswahl

Fassen wir am Schluß nochmal das wichtigste zusammen:

  • schwere Spindel – breiter Wirtel = langsam – dicke Garne
  • leichte Spindel – schmaler Wirtel = schnell – dünne Garne
  • Kopfspindel: schnelleres Andrehen über den Oberschenkel möglich
  • Fußspindel (Kreuzspindel): Zwirnball möglich
  • kurzer und langer Auszug möglich
  • nicht so gut: sehr kurze und rutschige Fasern (Angora, Kaschmir, Baumwolle, Katze…)

Falls Du ein visueller Lerntyp bist, hilft Dir vielleicht die folgende Abbildung:

Fallspindel Cheat Sheet Abbildung
Zusammenhang zwischen Spindelgewicht, Wirteldurchmesser, Fadendurchmesser und Drallmenge bei Fallspindeln (in einer ersten Näherung. Das Ganze ist nicht mit absoluten Zahlen zu belegen.). Kleines Spindelgewicht und kleiner Wirteldurchmesser = kleiner Fadendurchmesser und viel Drall. Großes Spindelgewicht und großer Wirteldurchmesser = großer Fadendurchmesser und wenig Drall.

Ich hoffe, ich konnte Dir mit diesem Artikel ein paar Denkanstöße geben, die Dir bei der Auswahl der für Dich richtigen Spindel helfen werden.

Falls Du das Spinnen mit der Handspindel lernen möchtest, schau gerne mal auf meiner Kursseite vorbei. Ich bin dabei, Kurse rund um das Thema Spinnen und Wollverarbeitung aufzubauen, und dort erfährst Du, wann es wieder Kurse gibt.

Und nun: viel Spaß beim Ausprobieren! Laß mich gerne wissen, was Deine Lieblingsspindel ist!

Meine Spindel-Artikel-Reihe

Hier findest Du die weiteren Artikel zum Thema Spindeltypen.

Alle meine Spindeln (Teil 1/4)

Keine Angst vor Unterstützten Spindeln (Teil 3/4)

Spinnen mit Spindelstäben (Handheld Spindles, Teil 4/4)

Alle meine Spindeln (Spindeltypen Teil 1/4)

Ich bin Spindelspinnerin, schon von Anfang an. Es begann mit einer Kopfspindel von einem bekannten Auktionshaus, irgendwann kam dann eine unterstützte Spindel dazu, und mittlerweile besitze ich eine breite Auswahl an Modellen. Je nachdem, welches Garn mir mit einer bestimmten Faser vorschwebt, kann ich in meinen Fundus greifen und das jeweils geeignete Modell verwenden. Ganz kurze Fasern, die ich fluffig und weich spinnen will? Das ruft nach einer unterstützten Spindel. Ein glattes Garn im kurzen Auszug? Ich greife zu einer Fallspindel. Oder einfach nur Kardenband im langen Auszug, ohne viel Nachdenken? Dafür hab ich meine Spiralspindeln mit Wechselwirtel.

Wie, da gibt es Unterschiede, höre ich Dich fragen?

Jupp, die gibt es. In diesem Übersichts-Artikel stelle ich Dir die verschiedenen Spindeltypen vor, mit denen ich arbeite. In weiteren Artikeln gehe ich dann nochmal detaillierter auf jeden einzelnen Spindeltyp und seine Besonderheiten ein, um hier nicht den Rahmen zu sprengen.

Also, here goes: die verbreitetsten Spindeltypen.

Genereller Aufbau von Handspindeln

Als erstes schauen wir uns mal den generellen Aufbau von Handspindeln an.
Trotz ihres durchaus unterschiedlichen Aussehens sind im Grunde alle aus den gleichen Bestandteilen aufgebaut: Es gibt einen Spindelstab und ein Schwungelement. Den Spindelstab treibt man an und wickelt meist den gesponnenen Faden darauf auf. Das Schwungelement ist oft (nicht immer) ein sogenannter Wirtel. Dieser Wirtel ist scheiben- oder kugelförmig und fest mit dem Spindelstab verbunden (d.h. er darf sich nicht unabhängig vom Spindelstab drehen lassen). Form, Gewicht und Dimension des Wirtel beeinflussen die Laufeigenschaften der Spindel, darauf gehe ich dann in den einzelnen Beiträgen näher ein. Manchmal ist das Schwungelement auch direkt im Spindelstab mit verarbeitet und es gibt keinen separaten Wirtel (z.B. bei einigen unterstützten Spindeln).

Darüber hinaus kann es Elemente wie Haken, Kerben oder Spiralen geben, über die der Faden geführt wird.

Handspindel mit grauem Kammgarn - Faden liegt auf silbergrauen Kammzügen
So sieht z.B. eine Fallspindel aus. Der Spindelstab ist leicht zu erkennen, als Schwungelement (Wirtel) dient hier die Scheibe am oberen Ende (Kopf) der Spindel. Diese Spindel hat einen Haken.

Der Spindelstab

Der Spindelstab ist sprichwörtlich das zentrale Element jeder Spindel. Seine wichtigste Eigenschaft: er sollte absolut gerade sein. Verzogene, gebogene Stäbe bringen die Spindel ins Trudeln. Damit zerren sie zum einen unnötig am Faden, zum anderen verschenken sie Energie (trudelnde Spindeln laufen nicht so schnell und es wird weniger Drall in den entstehenden Faden eingeführt).

Darüber hinaus sollte der Spindelstab nicht zu dick und nicht zu dünn sein, nicht zu lang und nicht zu kurz. Ja, ich weiß…aber genauer kann ich an dieser Stelle leider nicht werden. Wie genau der Spindelstab geformt sein muss, hängt zum einen mit persönlichen Vorlieben und zum anderen mit der jeweiligen Spindelform zusammen, d.h. für eine unterstützte Spindel muss der Stab leicht andere Eigenschaften haben als für eine Fallspindel. Wenn Du ihn mühelos antreiben kannst, dann ist er genau richtig. Dünnere Stäbe kann man tendenziell in eine etwas schnellere Drehung versetzen.

Der Wirtel – das entscheidende Element

Der Wirtel beeinflusst das Laufverhalten der Spindel über zwei Eigenschaften: über sein Gewicht und über seinen Durchmesser bzw. seine Form (und Gewichtsverteilung innerhalb dieser Form).

Einfluss des Wirtelgewichts auf die Laufeigenschaften

Ein schwerer Wirtel (und damit eine schwere Spindel) erfordert beim Andrehen tendenziell mehr Kraft, dreht aber dafür vielleicht etwas länger bzw. mit mehr Momentum als ein leichter Wirtel.

Wenn das Gewicht der Spindel am Faden hängt, dann beeinflusst das auch die Stärke des entstehenden Fadens. Will ich nämlich ein sehr sehr dünnes feines Garn spinnen und am Ende des gerade gesponnenen Fadens hängt eine 80g schwere Spindel, dann kann es passieren, dass der Faden reißt. Wiegt die Spindel aber nur 17g, wird der Faden das Gewicht der Spindel eher halten können und nicht reißen.

Einfluss von Durchmesser und Form auf die Laufeigenschaften

Zum Einfluss der Wirteldimensionen auf das Laufverhalten von Spindeln merke ich mir immer ein Bild von einem Eiskunstläufer, der eine Pirouette dreht: Mit ausgebreiteten Armen dreht er sich zwar schon auch schnell, aber wenn er in der Pirouette die Arme an den Körper zieht, wird er sich deutlich schneller drehen. Genauso verhält es sich auch mit Wirteln.

Ein ausladender scheibenförmiger Wirtel mit großem Durchmesser (und dazu vielleicht noch dem Masseschwerpunkt am äußeren Rand) wird langsamer drehen und dementsprechend langsamer Drall in den Faden einführen als ein kleiner kugelförmiger Wirtel, dessen Masseschwerpunkt nahe am Spindelstab ist. Ein kleiner kugelförmiger Wirtel wird also sehr schnell sehr viel Drall produzieren.

Du siehst schon: Wenn ich ein sehr dünnes Garn mit sehr viel Drall spinnen möchte, wähle ich nicht die 80g-Spindel mit dem breiten Wirtel, bei dem der Rand noch mit Kugeln beschwert ist. Stattdessen würde ich vielleicht doch zu einer leichteren Spindel mit kugelförmigem Wirtel greifen.

Und nun lass uns etwas mehr in die Details gehen und über Spindeltypen reden.

Die verschiedenen Spindeltypen

Man kann Spindeln nach verschiedenen Gesichtspunkten kategorisieren. Für mich am sinnvollsten ist die Einteilung danach, ob ihr Gewicht am entstehenden Faden hängt oder nicht (oder nur ein bißchen).
Nach dieser Betrachtungsweise unterscheide ich im Wesentlichen drei Spindelkategorien:

  1. Fallspindeln. Das Gewicht der Spindel hängt am gerade gesponnenen Stück Faden.
  2. Spindeln, die in der Hand gehalten werden. Hier hängt das Spindelgewicht für einen kurzen Moment am Faden, danach wird die Spindel gleich wieder von der Hand gehalten.
  3. Unterstützte Spindeln. Das Gewicht der Spindel hängt NICHT am Faden.

Es gibt auch noch spezielle Sonderformen, die in mehrere Kategorien fallen würden (ich denke da an eine Akha-Spindel). Darauf gehe ich dann an geeigneter Stelle ein. Du siehst schon, Kategorien sind nur Anhaltspunkte, und jemand anders würde eine andere Einteilung sinnvoller finden.

Am Ende ist nicht wichtig, in welcher Kategorie eine Spindel ist, sondern wie Du sie nutzt.

Fallspindeln – die “klassische” Handspindel

Fallspindeln (engl drop spindles) sind das, was ich vielleicht eine “klassische Handspindel” nennen würde. Wer mit einer Handspindel spinnen lernen möchte, wird mit großer Wahrscheinlichkeit an diesem Modell lernen. Die Spindel hängt beim Spinnen mit ihrem Gewicht am frisch gesponnenen bzw. gerade entstehenden Faden, man spricht davon “im Flug zu spinnen”. Man dreht die Spindel an, und der dabei entstehende Drall läuft in die Fasern, die man auszieht, solange die Spindel sich dreht.

Wenn man nicht aufpasst und beim Spinnen der Faden reißt, folgt die Spindel der Schwerkraft auf den Boden. Böse Zungen behaupten, dass daher der Begriff “Fallspindel” käme, aber dazu habe ich keine verlässlichen Quellen gefunden.

Fallspindel Kopfspindel Hochwirtelspindel
Die „klassische“ Fallspindel, in diesem Fall eine Hochwirtelspindel mit einem relativ ausladenden scheibenförmigen Wirtel.

Fallspindeln bestehen, wie oben schon erwähnt, aus einem Spindelstab und einem Wirtel.
Der Wirtel kann entweder am oberen Ende (d.h. in der Nähe des Hakens oder der Kerbe) angebracht sein, man spricht dann von einer Hochwirtel- oder Kopfspindel. Ist der Wirtel am unteren (also dem Haken gegenüberliegenden) Ende befestigt, handelt es sich um eine Tiefwirtel- bzw. Fußspindel.

Fallspindel Fuss-Spindel Tiefwirtelspindel
Auch eine Fallspindel, aber der Wirtel ist jetzt am unteren Ende. Wie man sieht, muss der Wirtel nicht unbedingt rund sein, quadratisch geht auch.

Die Wirtelform kann sehr unterschiedlich sein. Es gibt scheiben- oder mehr kugelförmige Wirtel, und sie müssen auch nicht immer kreisrund sein. Manchmal kann ein Wirtel auch einfach nur die Form von zwei Holzleisten haben, die kreuzweise angeordnet sind. Solche Spindeln nennt man (tadaaa…) Kreuzspindeln. Sie sind insofern praktisch, als dass man das entstehende Garn um die Kreuzleisten wickeln kann. Wenn diese Kreuzleisten abnehmbar an der Spindel angebracht sind, kann man das Ganze auseinanderbauen, die Leisten herausziehen und hat gleich ein Zwirnknäul in der Hand, aus dem man zwirnen kann.

Fallspindel Fuss-Spindel Kreuzspindel
Eine kleine Kreuzspindel. der entstehende Faden wird über die Kreuzleisten geführt und dort aufgewickelt.

Kreuzspindeln kenne ich bislang ausschließlich als Fußspindeln. Man könnte das Kreuz auch sicher oben in Hakennähe anbringen, um eine Kopfspindel daraus zu machen. Allerdings darf der Haken dann nicht zu groß sein, damit man das Kreuz über den Haken noch gut abnehmen kann. Das ist deutlich leichter, wenn sich das Kreuz sozusagen am “Fuß” befindet.

Mir ist nur eine besondere Art Fallspindel bekannt, die keinen separaten Wirtel hat. Es handelt sich um sogenannte Lace-Spindeln, deren Schwungelement aus dem gleichen Holzstück gearbeitet ist wie der Spindelstab. Meine Lace-Spindeln haben einen Haken und drehen sehr schnell. Allerdings läßt sich durch die konisch zulaufende Form des Spindelstabes der Faden nicht so richtig gut und fest aufwickeln (oder meine Technik ist einfach nur unzureichend…)

Fallspindel Kopfspindel Lacespindel
Eine sogenannte Lace-Spindel. Die Form des Schwungelements sorgt dafür, dass diese Spindel sehr schnell sehr viel Drall erzeugen kann.

Unterstützte Spindeln

Nachdem ich das Spinnen mit Fallspindeln ganz gut drauf hatte, habe ich mich für unterstützte Spindeln interessiert. Der Begriff “unterstützte Spindel” kommt daher, dass die Spindel nicht am Faden hängt, sondern auf einer Unterlage “stehend” gedreht wird. Die Unterlage kann eine einfache Untertasse oder ein fancy Schälchen sein.

Unterstützte Spindel Supported Schälchen
Verschiedene Laufschalen für unterstützte Spindeln. Laufflächen aus Holz, Glas oder Keramik sorgen für unterschiedliche Laufeigenschaften der Spindeln.

Es gibt unterstützte Spindeln mit separatem Wirtel oder mit Schwungelement als Teil des Spindelstabes, und es gibt sie in ganz klein bis ganz groß. Es gibt relativ langsam drehende (tibetische, Bodenspindeln) und schnell drehende (Orenburg, Phang).

Unterstützte Spindel Supported Tibetische
Tibetische Unterstützte Spindel. Der relativ dicke Spindelstab und der relativ ausladende und schwere Wirtel lassen die Spindel langsamer laufen, die Garne werden dicker und fluffiger.
Unterstützte Spindel Supported Orenburg Russische
Orenburg- oder „Russische“ Spindel. Diese Spindeln drehen sehr schnell. Mit ihnen wurde früher das ganz dünne Garn für die hauchzarten Tücher gesponnen, die man durch einen Ehering ziehen konnte.
Unterstützte Spindel Supported Phang
Eine Phang-Spindel. Als Schwungelement fungiert hier die verdickte Mitte des Spindelstabes.
Unterstützte Spindel Supported Phang Goddess
Auch diese Spindeln habe ich unter dem Namen „Phang“ kennengelernt, man findet sie aber auch unter dem Begriff „Goddess-Spindel“ – sie ist kurvig wie eine Göttin. Der Faden wird quasi in der Taille aufgewickelt.

Der Spindelstab ist am oberen Ende glatt (d.h. es gibt dort keinen Haken oder keine Kerbe zum Arretieren des Fadens). Der Faden wird in einem ca. 45°-Winkel von der sich drehenden Spindel weggeführt.

Die Bewegungsabläufe sind beim Spinnen etwas anders und ich musste anfangs viel probieren, bis ich sozusagen den Dreh raus hatte. Während sich die Spindel nämlich dreht, wird sie immer mit einer Hand leicht geführt. Daraus ergibt sich, dass eine Hand immer an der Spindel ist. Demzufolge steht für das Ausziehen der Fasern nur noch die andere Hand zur Verfügung. Daraus folgt wiederum: mit unterstützten Spindeln kann man ausschließlich im langen Auszug arbeiten (für den Kurzen Auszug braucht man nämlich beide Hände an den Fasern). Aber darauf gehe ich in dem Artikel zu unterstützten Spindeln noch mal genauer ein.

Unterstützte Spindel Supported Tahkli
Der Inbegriff der Support-Spindel und die Hohe Kunst für mich – Baumwolle spinnen mit der Tahkli. Diese Spindeln drehen unfassbar schnell, und das müssen sie für Baumwolle auch. Ich übe noch.

Bei Unterstützten Spindeln hängt somit kein Gewicht am entstehenden Faden. Ich kann also damit z.B. sehr dünne Fäden spinnen, obwohl das Spindelgewicht relativ groß ist. An einer Fallspindel mit dem gleichen Gewicht würden dünne Fäden vermutlich reißen. Meist werden sehr feine, kurze Fasern auf unterstützten Spindeln gesponnen (z.B. Baumwolle, Angora, Kaschmir, auch Katzenhaare habe ich schon damit gesponnen).

Handheld Spindles – Spindeln, die in der Hand gehalten werden

Eine Spindelkategorie, die mir nicht so oft begegnet, sind diese hier:

handheld spindle Spiralspindel mit Wirtel
Eine Spindel mit Spiralkerbe (statt Haken) und Wechselwirtel zum Aufstecken. My favourite!

Ich nenne sie (analog der englischen Bezeichnung und in Ermangelung einer besseren Bezeichnung) “Spindeln, die in der Hand gehalten werden” (handheld spindles). Es sind meine absoluten Lieblingsspindeln, vor allem, wenn sie eine Spiralkerbe haben.

Sie bestehen im Grunde nur aus einem doppelt konisch geformten Stab, der im unteren Drittel etwas verdickt ist. Manchmal haben sie einen aufsteckbaren Wirtel, manchmal eine Kerbe, einen Knubbel, eine Spirale, oder sie sind einfach glatt. Mittelalterspindeln fallen in diese Kategorie, aber auch französische, bulgarische und portugiesische Spindeln.

handheld spindle Spiralspindel portugiesische Spindel mit Metallspitze
Historische Portugiesische Spindel mit Metallspitze. Die Spirale ist in das Metall eingearbeitet. Durch das Metall ist die Spindel relativ schwer.
handheld spindle Spiralspindel französische antik
Historische Französische Spindeln. Inklusive Wurmlöchern.
handheld spindle Spiralspindel bulgarische
Solche manchmal bunt angemalten Spindeln werden oft aus Bulgarien verkauft. Sie spinnen einwandfrei!

Traditionell werden sie oft zusammen mit einem Hand- oder Gürtel-Rocken benutzt, und wie auch bei unterstützten Spindeln ist immer eine Hand an der Spindel und die andere zieht aus. Allerdings ist hier (anders als bei den unterstützten Spindeln) eine größere Bandbreite an Auszugstechniken möglich, wenn man mit einem Rocken arbeitet.

So viele Spindeltypen – Warum?

So, nun hast Du hoffentlich schon mal eine erste Übersicht über verschiedene Spindeltypen. Du siehst, es gibt sehr viele Wege, mit einer Handspindel ein Garn zu machen. Je nachdem, welches Garn ich machen möchte oder welche Faser gerade vor mir liegt, wähle ich eine geeignete Spindel aus (Ich habe ja auch nicht nur einen Schraubendreher zuhause…). Und ja, wenn man nicht aufpasst, kann es passieren, dass man anfängt, eine gewisse Sammelleidenschaft zu entwickeln…

Welche Spindeln ich wofür gerne nutze und was es bei der Auswahl und beim Spinnen zu beachten gibt, das schreibe ich in den nächsten Artikeln dieser Serie.

Hier findest Du weitere Artikel aus dieser Serie

Teil 2: Fallspindeln – Kopfspindeln, Fußspindeln, Kreuzspindeln

Teil 3: Keine Angs vor Unterstützten Spindeln!

Teil 4: Handheld Spindles – Spinnen mit Spindelstäben


Weiterführende links

Wenn Du mal in ein richtiges rabbit hole reinfallen willst, dann klicke auf folgenden link.
link zur Universität Innsbruck

Hier findest Du Spindeln, wie sie in den verschiedensten Ländern der Welt verbreitet und auch verwendet werden. Fair Warning: Nimm Dir nichts weiter vor an dem Tag. Und stell Dir vorher was zu trinken bereit.

Du möchtest selbst eine Spindel bauen? Hier kannst Du nachlesen, wie das geht.

Du lässt lieber andere die Spindeln bauen? Auf meiner Link-Seite habe ich unter „Shops“ ein paar Quellen zusammengetragen (definitiv nicht vollständig).

Wie baue ich eine Handspindel?

Du möchtest gerne mal das Handspinnen ausprobieren? Du bist Dir aber noch nicht sicher, ob das was für Dich ist und möchtest (noch) nicht in eine Spindel investieren? Hier zeige ich Dir eine Anleitung, wie Du mit 3 – 4 einfachen Materialien selber verschiedene Handspindeln bauen kannst – Kopfspindel, Fußspindel oder „Maya“-Spindel. Und falls Du zufällig Zugang zu einem 3D-Drucker hast, kannst Du Dir auch eine Spindel drucken.

Eine Fallspindel bauen

Fallspindeln bestehen aus einem Spindelstab und einem Wirtel (das ist die Scheibe im Bild oben). Der Wirtel kann verschiedenste Formen und Größen haben, und Form und Größe wiederum haben einen Einfluss darauf, wie die Spindel sich dreht (z. B. schnell und kurz oder langsam und lange).

Oft wird am oberen Ende auch ein Haken angebracht, das ist allerdings nicht unbedingt erforderlich.

Je nachdem, wo der Wirtel sitzt, hat man eine Fuß- bzw. Tiefwirtelspindel oder aber eine Kopf- bzw. Hochwirtelspindel in der Hand. Welche Du verwendest, ist eine Frage der Vorliebe und Du probierst es am besten aus. Das Gute ist: mit dieser Anleitung kannst Du beide bauen. 🙂

Zum Bauen selbst ist es hilfreich, wenn Du Säge, Bohrer, Feile, Schleifpapier und Bleistift zur Hand hast.

Du brauchst …

Zutaten zum Bauen einer Spindel liegen auf einem Holztisch. Ein Rundstab, Kabeldurchführungstüllen, ein kleiner Haken, eine Spanscheibe 10 cm mit Loch in der Mitte, eine CD.
Aus diesen Dingen kannst Du eine Kopf- oder eine Fußspindel bauen.

… eine Scheibe mit einem Loch genau in der Mitte, z. B. eine alte CD oder eine Spanplatte. Die Platte sollte nicht zu schwer und nicht zu leicht sein, für die gesamte Spindel ist ein Gewicht von 30 g bis 50 g am Anfang gut geeignet. Eine CD ist eher auf der leichten Seite, eventuell kann man sie durch dekorative Elemente (aufgeklebte Perlen etc.) noch etwas schwerer machen. Auch Spielzeug-Räder aus Holz oder in Scheiben geschnittene Türstopper wären denkbar. Die sind jedoch schwerer und haben einen kleineren Durchmesser, dadurch drehen sie recht schnell. Das finde ich persönlich gerade am Anfang nicht ganz so einfach. Meine Scheibe ist von Bütic (klicke hier entlang) und hat die Maße 10 cm / Loch 1 cm / Dicke 3 mm.

… einen Rundstab, ca 25 -27 cm lang. Der Durchmesser des Stabes sollte 1-2 mm kleiner sein als das Loch in der Scheibe. Mein Rundstab war aus Buche und 8 mm dick. Sowohl die glatten als auch die geriffelten funktionieren, aber sie müssen gerade sein. Im Baumarkt sind viele krumm und schief, daher lege ihn vor dem Kauf gegen eine Regalwand im Baumarkt und prüfe, ob er auch beim Drehen gerade ist.

Kabeldurchführungstüllen (ich liebe dieses Wort!). Die gibt es in verschiedenen Ausführungen zu kaufen, am besten, Du bemühst die Suchmaschine Deiner Wahl mit diesem Suchbegriff. Die Maße der Tüllen müssen auf die Dicke der Scheibe und den Durchmesser des Stabes abgestimmt sein (in meinem Fall 3 mm und 8 mm). Der äußere Durchmesser der Tülle sollte gut in das Loch der Scheibe passen, das war bei mir etwas zu eng (11 mm mussten in 10 mm …) und daher fummelig.

Nahaufnahme Kabeldurchführungstülle in der Mitte des Wirtels einer Handspindel.
So sieht die fertig in das Loch reingefummelte Kabeldurchführungstülle aus. Sie sollte idealerweise dafür sorgen, dass sich der Wirtel in Einheit mit dem Stab dreht (und nicht unabhängig von ihm).

… einen offenen Haken mit Gewinde, wenn Du einen verwenden möchtest. Er sollte nicht zu klein sein, denn da führst Du später den Faden durch. Die Spindel funktioniert aber auch ohne Haken.

So baust Du die Fallspindel zusammen

  1. Bereite den Spindelstab vor, indem Du ihn ggf. auf die richtige Länge absägst und mit Schleifpapier glattschleifst. Eine Länge von 25 – 27 cm sind in der Regel ganz gut (die Stäbe im Bild sind 26 cm lang). Lass sie lieber etwas zu lang als zu kurz.
  2. Prüfe, ob die Kabeldurchführungstüllen (dieses Wort!) gut in das Loch der Scheibe passen. Sie dürfen nicht zu locker sitzen, denn es ist wichtig, dass Stab und Scheibe eine so enge Verbindung haben, dass sie nicht gegeneinander verrutschen. Wenn Du den Stab andrehst, muss der Wirtel mitgetragen werden. Wenn Du das Gefühl hast, es passt gut, verziere gerne noch die Scheibe, bevor Du endgültig die Kabelduchführungstülle einsetzt. Das Einsetzen ist manchmal etwas fummelig.
  3. Nun kannst Du, wenn Du einen Haken verwenden möchtest, ein Loch in eine Stirnseite des Stabes bohren. Den Haken würde ich erst eindrehen, wenn die Scheibe auf dem Stab steckt.
  4. Nun kommt der Stab auf die Scheibe – einfach draufschieben. Je nachdem, ob Du eine Hochwirtel- oder eine Tiefwirtelspindel haben möchtest, ist die Scheibe näher am Haken (=oben) oder weiter weg (=unten). Probiere einfach beides aus.
  5. Haken eindrehen.
  6. Fertig!
Kopfspindel und Fußspindel, selbstgebaut, liegen auf einem Holztisch.
Links eine Fußspindel, rechts eine Kopfspindel. Beide sind aus einfachen Zutaten selbst gebaut.

Wenn Du keinen Haken hast, arbeitest Du am besten mit einem Halbschlag, um den Faden an der Oberseite der Spindel zu befestigen.

Die einfachste Spindel der Welt bauen

Fallspindel zu kompliziert? Du hast grad keine CD zur Hand? Versuch es doch mal mit dieser Art Spindel:

Maya-Spindel, angesponnen mit weißen Fasern, liegt auf einem Holztisch.
Die einfachste Spindel überhaupt (mal abgesehen von einem Zweig): eine Maya-Spindel.

Ich habe sie unter dem Begriff „Maya-Spindel“ kennengelernt, bin mir aber nicht sicher, was die Maya damit zu tun haben. Man hält den Stab fest und wirbelt die flache Leiste einfach immer in eine Richtung herum. In diesem youtube-Video wird gezeigt, wie das funktioniert.

Du brauchst:

... einen Rundstab

… eine Holzleiste ( meine mißt 20 cm x 3 cm)

… eine Perle o.ä.

… Kleber oder Holzleim (für die Perle)

Zutaten zum Bauen einer Maya-Spindel. Rundstab, Holzperle, flache Holzleiste mit Bohrung.
Material für die einfachste Spindel der Welt

So baust Du die einfachste Spindel der Welt

  1. In die Holzleiste an einem Ende mittig ein Loch bohren, das deutlich größer ist als der Stab, der durchgesteckt wird. Die Leiste muss sich leicht um den Stab drehen können.
  2. An einem Ende des Rundstabes klebst Du eine große Perle an. Du kannst auch etwas aus Fimo, Knete oder Ton basteln.
  3. Rundstab durch das Loch der Leiste stecken
  4. Fertig!

Spindeln aus dem 3D-Drucker

Auf einem Workshop habe ich einmal von einer ganz lieben Person eine Spindel geschenkt bekommen, deren Wirtel mit einem 3D-Drucker hergestellt worden war. Das war sehr faszinierend, denn so kann man nicht nur die unterschiedlichsten Formen entwerfen, sondern das Programm sagt einem auch, wie schwer mein Wirtel wird und man kann somit das Spindelgewicht festlegen. Außerdem kann man die Form der Wirtel feintunen für die gewünschten Laufeigenschaften. Wie cool ist das denn bitte?!

zwei 3D-gedruckte Spindeln sitzen auf einem Holzbalken vor Petunien in Blumenkästen. Im Hintergrund ist eine Berglandschaft zu sehen. Die Kreuzspindel hält etwas gesponnenen Faden aus weißer Wolle.
Eine Kreuzspindel (rechts) und eine Tiefwirtelspindel (links) aus dem 3D-Drucker. Der Holzstab ist natürlich nicht aus dem 3D-Drucker, nur die Wirtel. Aber wenn es mal wieder keine geraden Stäbe im Baumarkt gibt, kann man sich sicher auch einen Stab drucken…

Ich habe versucht, mich in so ein Design-Programm einzufuchsen, aber am Ende hat es mich zu viel Zeit gekostet. Und so überlasse ich das dann doch lieber Menschen, die sich damit auskennen und Spaß daran haben. Wenn Du so jemand bist, kannst Du ja mal auf Plattformen wie thingiverse auf die Suche gehen, vielleicht hat jemand auch schon eine Datei hochgeladen. Oder Du erstellst eigene Entwürfe z.B. bei tinkercad oder SketchUp .

Das Material, aus dem gedruckt wird, ist nicht immer „Plastik“. Das Polymer, das in diesen Spindeln verwendet wurde, ist ein Polymer aus Milchsäure, und es gibt sogar etwas auf Holzbasis. Ich glaube, dazu muss ich auch nochmal recherchieren…

Viel Spaß beim Nachbauen!


Noch ein paar Tipps gefällig? Hier habe ich meine besten Empfehlungen für Spinn-Anfänger zusammengefasst. Und hier ist mein Artikel zu verschiedenen Spindeltypen.

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