Es ist Sonntag, Ende März 2022. Die Schäferei Schöne Schafe hat zur Offenen Lämmerkoppel eingeladen und ich nutzte diese schöne Gelegenheit, mein Patenschaf Rieke zu besuchen. So ging es nach dem Mittagessen mit Kind und Kegel auf nach Biesenthal, nicht ganz eine Stunde nordöstlich von Berlin. Das ist regionale Wolle pur!
Die Schäferei Schöne Schafe in Biesenthal
Die Schäferei Schöne Schafe ist eine kleine Naturschutzschäferei. Die Schafhalterin Carina Vogel züchtet Coburger Fuchsschafe und Gotländische Pelzschafe im Herdbuch, in der Herde finden sich aber auch Kreuzungen aus u.a. Rhönschaf und Gotländischem Pelzschaf, Ouessants und eine Wensleydale-Dame.
Mit ihren Tieren möchte Carina einige der letzten verbliebenen extensiven Grünlandflächen erhalten und schützen. Seit ihre Schafe, Ziegen (Kaschmir!) und Esel hier weiden, haben sich viele Insekten- und Reptilienarten wieder angesiedelt. Ihre Tiere sorgen dafür, dass die Flächen offen bleiben und nicht verbuschen, und so können wertvolle Biotope wie Trockenrasen und aufgelassenes Grünland erhalten werden.
Schafstimmung
Der Himmel ist strahlend blau, das Wetter könnte nicht besser sein, aber der Wind ist noch recht frisch. Als wir um 14 Uhr ankommen, ist schon ziemlich viel Betrieb: Auf einem abgesperrten Teil der Weide parken bereits 10, 15 PKW, und mehrere Besuchergrüppchen stromern über die Schafweide. So viele Besucher hatte ich gar nicht erwartet, letztes Jahr waren es keine zwei Handvoll. Lämmchen mit roten Halsbändern hüpfen herum und kommentieren in den niedlichsten Tönen das ungewohnt lebhafte Treiben.
Kaum aus dem Auto ausgestiegen, geh ich schon in die Knie: ein Rhönschaf-Lämmchen! Es ist so niedlich mit seinem schwarzen Kopf und dem weißen Körper. So richtig sicher steht es allerdings noch nicht, es wackelt hin und her auf seinen Beinen, lässt sich dadurch allerdings auch nicht von der Erkundung des Wassereimers abhalten.
Nach 5 Minuten kann ich mich von dem Kerlchen losreißen, wir gehen weiter auf die Weide. Es gibt ja noch mehr Schafe! Dabei fällt mir deutlich auf, wie trocken und braun die Weide ist. Stimmt, wenn ich so darüber nachdenke, hat es lange nicht mehr geregnet. Das schöne Wetter ist auf einmal gar nicht so schön, wenn ich als Maßstab „verfügbare Futtermengen für die Schafe“ anlege. Nichts wächst, es muss Heu zugefüttert werden, damit die Mutterschafe genug zu fressen haben, um Milch für ihre Lämmer zu haben.
Wir machen Stopp beim Verkaufsstand, den Carina aufgebaut hat. Sie verkauft auch Produkte von ihren Schafen: handgesponnene Wolle (ja, sie spinnt auch!), kardierte Wolle, Schaffelle, Einlegesohlen, Westen, Bettwaren. Fleischprodukte verkauft sie auch, aber die sind heute natürlich nicht dabei (Kühlung auf der Weide ist ein schwieriges Unterfangen).
Dann sind wir endlich im hintersten Winkel der Weide angekommen. Hierher haben sich die Schafe zurückgezogen, sie halten gerade Siesta, liegen in einer großen, lockeren Gruppe und käuen wieder. Einige Lämmchen sind auch direkt eingeschlafen. Carina steht am Heuballen und erzählt den wissbegierigen Besuchern von den Schafen und beantwortet geduldig viele Fragen.
Nach der Siesta steht die Herde auf und sucht sich ein neues Plätzchen. Jetzt können wir auch näher herangehen und die Tiere streicheln, wenn sie das zulassen. Einige Lämmchen sind neugierig und kommen ganz nah, schnuppern an ausgestreckten Händen und versuchen zu knabbern. Ich merke gar nicht, wie die Zeit vergeht, nur wie ich immer ruhiger werde. Schafe haben diesen Beruhigungseffekt, besonders, wenn ich in die Hocke gehe (wenn man optisch kleiner ist, trauen sich die Schafe dichter heran).
Rieke, mein Patenschaf, ist eine Kreuzung aus Rhönschaf (Papa) und Gotländischem Pelzschaf (Mama). Sie hat in diesem Jahr das erste Mal Lämmer bekommen, und dann gleich Drillinge! Das ist eher ungewöhnlich, aber sie schlägt sich ganz hervorragend und kümmert sich prima um ihre drei Jungs. Tick, Trick und Track hat Carina sie getauft – sie sind wohl eine ganz schöne Rasselbande.
Frühlingszeit ist Lämmerzeit
Viele Schafe können das ganze Jahr über trächtig werden. Wenn man als Schafhalter:in also nicht ständig Lämmer haben möchte, muss man die Empfängnis steuern – Mädels und Jungs leben also bis auf eine kurze Zeit im Jahr in getrennten Gruppen (der Begriff „Boy-Group“ drängt sich hier auf…).
Wenn es dann so weit ist, bricht eine sehr arbeitsreiche Zeit heran. Es ist wie bei menschlichen Geburten auch: Man weiß nie so genau, wann es losgeht. Man muss oft nachsehen, wie es läuft, um gegebenenfalls eingreifen und helfen zu können. Nicht jede Geburt läuft problemlos ab. Lammen die Tiere das erste Mal oder haben sie schon Erfahrung? Wenn viele Erstgebärende dabei sind, ist mehr Hilfe nötig.
Die Schattenseiten
Nicht immer läuft alles glatt. Manche Tiere werden tot geboren. Manche sterben nach kurzer Zeit. Manche Geburtsverläufe sind schwer und man muß Geburtshilfe leisten. Dafür gibt es leider keine Vorbereitungskurse…
Das Ganze ist so anstrengend und mit Schlafmangel verbunden, wie es sich anhört. Auch emotional ist es sehr belastend, wenn man morgens auf die Weide kommt und schon wieder ein totes Lamm da liegt, das zu schwach war, oder ein Mutterschaf verendet ist.
Die Bilanz dieses Jahr war traurig: Es gab 16 tote Lämmer (tot geboren oder kurz nach der Geburt verstorben), und auch mehrere Mutterschafe haben es nicht geschafft. In jeder Lammzeit muss man damit rechnen, dass 10 – 15 % der Tiere sterben – weil das Mutterschaf schon alt war, durch Infektionen, Unfälle oder einfach Schwäche.
Flaschenlämmer – was sich so niedlich und süß anhört, ist ein ganz schöner Haufen Arbeit. Es ist ein bisschen wie bei Menschen auch: Die Babys brauchen alle zwei Stunden Nahrung. Wenn die Mutter gestorben ist, nicht genug Milch produziert oder das Lamm verstoßen hat, dann muss Carina oder einer der Helfer ran. Alle zwei Stunden. Bis das Lamm groß genug ist, auch Heu zu fressen und nur noch zugefüttert werden muss.
Das Highlight: Das Füttern der Flaschenlämmer
Natürlich kann ich mich dem Niedlichkeits-Faktor nicht entziehen: Als die Flaschen zubereitet werden und die Lämmchen ganz aufgeregt angetrabt kommen, bin ich natürlich hin und weg. Die Besucherkinder scharen sich um die Helfer, die Carina zur Hand gehen, und alle juchzen und zücken die Handys zum Filmen und Fotografieren. Die sind aber auch zu süß! Und schon in wenigen Wochen sind sie groß, fressen Heu und die Mütter sind froh, wenn es wieder ein bisschen ruhiger wird auf der Koppel. Bis zum nächsten Jahr…
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