Ich bin Spindelspinnerin, schon von Anfang an. Es begann mit einer Kopfspindel von einem bekannten Auktionshaus, irgendwann kam dann eine unterstützte Spindel dazu, und mittlerweile besitze ich eine breite Auswahl an Modellen. Je nachdem, welches Garn mir mit einer bestimmten Faser vorschwebt, kann ich in meinen Fundus greifen und das jeweils geeignete Modell verwenden. Ganz kurze Fasern, die ich fluffig und weich spinnen will? Das ruft nach einer unterstützten Spindel. Ein glattes Garn im kurzen Auszug? Ich greife zu einer Fallspindel. Oder einfach nur Kardenband im langen Auszug, ohne viel Nachdenken? Dafür hab ich meine Spiralspindeln mit Wechselwirtel.
Wie, da gibt es Unterschiede, höre ich Dich fragen?
Jupp, die gibt es. In diesem Übersichts-Artikel stelle ich Dir die verschiedenen Spindeltypen vor, mit denen ich arbeite. In weiteren Artikeln gehe ich dann nochmal detaillierter auf jeden einzelnen Spindeltyp und seine Besonderheiten ein, um hier nicht den Rahmen zu sprengen.
Also, here goes: die verbreitetsten Spindeltypen.
Genereller Aufbau von Handspindeln
Als erstes schauen wir uns mal den generellen Aufbau von Handspindeln an.
Trotz ihres durchaus unterschiedlichen Aussehens sind im Grunde alle aus den gleichen Bestandteilen aufgebaut: Es gibt einen Spindelstab und ein Schwungelement. Den Spindelstab treibt man an und wickelt meist den gesponnenen Faden darauf auf. Das Schwungelement ist oft (nicht immer) ein sogenannter Wirtel. Dieser Wirtel ist scheiben- oder kugelförmig und fest mit dem Spindelstab verbunden (d.h. er darf sich nicht unabhängig vom Spindelstab drehen lassen). Form, Gewicht und Dimension des Wirtel beeinflussen die Laufeigenschaften der Spindel, darauf gehe ich dann in den einzelnen Beiträgen näher ein. Manchmal ist das Schwungelement auch direkt im Spindelstab mit verarbeitet und es gibt keinen separaten Wirtel (z.B. bei einigen unterstützten Spindeln).
Darüber hinaus kann es Elemente wie Haken, Kerben oder Spiralen geben, über die der Faden geführt wird.
Der Spindelstab
Der Spindelstab ist sprichwörtlich das zentrale Element jeder Spindel. Seine wichtigste Eigenschaft: er sollte absolut gerade sein. Verzogene, gebogene Stäbe bringen die Spindel ins Trudeln. Damit zerren sie zum einen unnötig am Faden, zum anderen verschenken sie Energie (trudelnde Spindeln laufen nicht so schnell und es wird weniger Drall in den entstehenden Faden eingeführt).
Darüber hinaus sollte der Spindelstab nicht zu dick und nicht zu dünn sein, nicht zu lang und nicht zu kurz. Ja, ich weiß…aber genauer kann ich an dieser Stelle leider nicht werden. Wie genau der Spindelstab geformt sein muss, hängt zum einen mit persönlichen Vorlieben und zum anderen mit der jeweiligen Spindelform zusammen, d.h. für eine unterstützte Spindel muss der Stab leicht andere Eigenschaften haben als für eine Fallspindel. Wenn Du ihn mühelos antreiben kannst, dann ist er genau richtig. Dünnere Stäbe kann man tendenziell in eine etwas schnellere Drehung versetzen.
Der Wirtel – das entscheidende Element
Der Wirtel beeinflusst das Laufverhalten der Spindel über zwei Eigenschaften: über sein Gewicht und über seinen Durchmesser bzw. seine Form (und Gewichtsverteilung innerhalb dieser Form).
Einfluss des Wirtelgewichts auf die Laufeigenschaften
Ein schwerer Wirtel (und damit eine schwere Spindel) erfordert beim Andrehen tendenziell mehr Kraft, dreht aber dafür vielleicht etwas länger bzw. mit mehr Momentum als ein leichter Wirtel.
Wenn das Gewicht der Spindel am Faden hängt, dann beeinflusst das auch die Stärke des entstehenden Fadens. Will ich nämlich ein sehr sehr dünnes feines Garn spinnen und am Ende des gerade gesponnenen Fadens hängt eine 80g schwere Spindel, dann kann es passieren, dass der Faden reißt. Wiegt die Spindel aber nur 17g, wird der Faden das Gewicht der Spindel eher halten können und nicht reißen.
Einfluss von Durchmesser und Form auf die Laufeigenschaften
Zum Einfluss der Wirteldimensionen auf das Laufverhalten von Spindeln merke ich mir immer ein Bild von einem Eiskunstläufer, der eine Pirouette dreht: Mit ausgebreiteten Armen dreht er sich zwar schon auch schnell, aber wenn er in der Pirouette die Arme an den Körper zieht, wird er sich deutlich schneller drehen. Genauso verhält es sich auch mit Wirteln.
Ein ausladender scheibenförmiger Wirtel mit großem Durchmesser (und dazu vielleicht noch dem Masseschwerpunkt am äußeren Rand) wird langsamer drehen und dementsprechend langsamer Drall in den Faden einführen als ein kleiner kugelförmiger Wirtel, dessen Masseschwerpunkt nahe am Spindelstab ist. Ein kleiner kugelförmiger Wirtel wird also sehr schnell sehr viel Drall produzieren.
Du siehst schon: Wenn ich ein sehr dünnes Garn mit sehr viel Drall spinnen möchte, wähle ich nicht die 80g-Spindel mit dem breiten Wirtel, bei dem der Rand noch mit Kugeln beschwert ist. Stattdessen würde ich vielleicht doch zu einer leichteren Spindel mit kugelförmigem Wirtel greifen.
Und nun lass uns etwas mehr in die Details gehen und über Spindeltypen reden.
Die verschiedenen Spindeltypen
Man kann Spindeln nach verschiedenen Gesichtspunkten kategorisieren. Für mich am sinnvollsten ist die Einteilung danach, ob ihr Gewicht am entstehenden Faden hängt oder nicht (oder nur ein bißchen).
Nach dieser Betrachtungsweise unterscheide ich im Wesentlichen drei Spindelkategorien:
- Fallspindeln. Das Gewicht der Spindel hängt am gerade gesponnenen Stück Faden.
- Spindeln, die in der Hand gehalten werden. Hier hängt das Spindelgewicht für einen kurzen Moment am Faden, danach wird die Spindel gleich wieder von der Hand gehalten.
- Unterstützte Spindeln. Das Gewicht der Spindel hängt NICHT am Faden.
Es gibt auch noch spezielle Sonderformen, die in mehrere Kategorien fallen würden (ich denke da an eine Akha-Spindel). Darauf gehe ich dann an geeigneter Stelle ein. Du siehst schon, Kategorien sind nur Anhaltspunkte, und jemand anders würde eine andere Einteilung sinnvoller finden.
Am Ende ist nicht wichtig, in welcher Kategorie eine Spindel ist, sondern wie Du sie nutzt.
Fallspindeln – die “klassische” Handspindel
Fallspindeln (engl drop spindles) sind das, was ich vielleicht eine “klassische Handspindel” nennen würde. Wer mit einer Handspindel spinnen lernen möchte, wird mit großer Wahrscheinlichkeit an diesem Modell lernen. Die Spindel hängt beim Spinnen mit ihrem Gewicht am frisch gesponnenen bzw. gerade entstehenden Faden, man spricht davon “im Flug zu spinnen”. Man dreht die Spindel an, und der dabei entstehende Drall läuft in die Fasern, die man auszieht, solange die Spindel sich dreht.
Wenn man nicht aufpasst und beim Spinnen der Faden reißt, folgt die Spindel der Schwerkraft auf den Boden. Böse Zungen behaupten, dass daher der Begriff “Fallspindel” käme, aber dazu habe ich keine verlässlichen Quellen gefunden.
Fallspindeln bestehen, wie oben schon erwähnt, aus einem Spindelstab und einem Wirtel.
Der Wirtel kann entweder am oberen Ende (d.h. in der Nähe des Hakens oder der Kerbe) angebracht sein, man spricht dann von einer Hochwirtel- oder Kopfspindel. Ist der Wirtel am unteren (also dem Haken gegenüberliegenden) Ende befestigt, handelt es sich um eine Tiefwirtel- bzw. Fußspindel.
Die Wirtelform kann sehr unterschiedlich sein. Es gibt scheiben- oder mehr kugelförmige Wirtel, und sie müssen auch nicht immer kreisrund sein. Manchmal kann ein Wirtel auch einfach nur die Form von zwei Holzleisten haben, die kreuzweise angeordnet sind. Solche Spindeln nennt man (tadaaa…) Kreuzspindeln. Sie sind insofern praktisch, als dass man das entstehende Garn um die Kreuzleisten wickeln kann. Wenn diese Kreuzleisten abnehmbar an der Spindel angebracht sind, kann man das Ganze auseinanderbauen, die Leisten herausziehen und hat gleich ein Zwirnknäul in der Hand, aus dem man zwirnen kann.
Kreuzspindeln kenne ich bislang ausschließlich als Fußspindeln. Man könnte das Kreuz auch sicher oben in Hakennähe anbringen, um eine Kopfspindel daraus zu machen. Allerdings darf der Haken dann nicht zu groß sein, damit man das Kreuz über den Haken noch gut abnehmen kann. Das ist deutlich leichter, wenn sich das Kreuz sozusagen am “Fuß” befindet.
Mir ist nur eine besondere Art Fallspindel bekannt, die keinen separaten Wirtel hat. Es handelt sich um sogenannte Lace-Spindeln, deren Schwungelement aus dem gleichen Holzstück gearbeitet ist wie der Spindelstab. Meine Lace-Spindeln haben einen Haken und drehen sehr schnell. Allerdings läßt sich durch die konisch zulaufende Form des Spindelstabes der Faden nicht so richtig gut und fest aufwickeln (oder meine Technik ist einfach nur unzureichend…)
Unterstützte Spindeln
Nachdem ich das Spinnen mit Fallspindeln ganz gut drauf hatte, habe ich mich für unterstützte Spindeln interessiert. Der Begriff “unterstützte Spindel” kommt daher, dass die Spindel nicht am Faden hängt, sondern auf einer Unterlage “stehend” gedreht wird. Die Unterlage kann eine einfache Untertasse oder ein fancy Schälchen sein.
Es gibt unterstützte Spindeln mit separatem Wirtel oder mit Schwungelement als Teil des Spindelstabes, und es gibt sie in ganz klein bis ganz groß. Es gibt relativ langsam drehende (tibetische, Bodenspindeln) und schnell drehende (Orenburg, Phang).
Der Spindelstab ist am oberen Ende glatt (d.h. es gibt dort keinen Haken oder keine Kerbe zum Arretieren des Fadens). Der Faden wird in einem ca. 45°-Winkel von der sich drehenden Spindel weggeführt.
Die Bewegungsabläufe sind beim Spinnen etwas anders und ich musste anfangs viel probieren, bis ich sozusagen den Dreh raus hatte. Während sich die Spindel nämlich dreht, wird sie immer mit einer Hand leicht geführt. Daraus ergibt sich, dass eine Hand immer an der Spindel ist. Demzufolge steht für das Ausziehen der Fasern nur noch die andere Hand zur Verfügung. Daraus folgt wiederum: mit unterstützten Spindeln kann man ausschließlich im langen Auszug arbeiten (für den Kurzen Auszug braucht man nämlich beide Hände an den Fasern). Aber darauf gehe ich in dem Artikel zu unterstützten Spindeln noch mal genauer ein.
Bei Unterstützten Spindeln hängt somit kein Gewicht am entstehenden Faden. Ich kann also damit z.B. sehr dünne Fäden spinnen, obwohl das Spindelgewicht relativ groß ist. An einer Fallspindel mit dem gleichen Gewicht würden dünne Fäden vermutlich reißen. Meist werden sehr feine, kurze Fasern auf unterstützten Spindeln gesponnen (z.B. Baumwolle, Angora, Kaschmir, auch Katzenhaare habe ich schon damit gesponnen).
Handheld Spindles – Spindeln, die in der Hand gehalten werden
Eine Spindelkategorie, die mir nicht so oft begegnet, sind diese hier:
Ich nenne sie (analog der englischen Bezeichnung und in Ermangelung einer besseren Bezeichnung) “Spindeln, die in der Hand gehalten werden” (handheld spindles). Es sind meine absoluten Lieblingsspindeln, vor allem, wenn sie eine Spiralkerbe haben.
Sie bestehen im Grunde nur aus einem doppelt konisch geformten Stab, der im unteren Drittel etwas verdickt ist. Manchmal haben sie einen aufsteckbaren Wirtel, manchmal eine Kerbe, einen Knubbel, eine Spirale, oder sie sind einfach glatt. Mittelalterspindeln fallen in diese Kategorie, aber auch französische, bulgarische und portugiesische Spindeln.
Traditionell werden sie oft zusammen mit einem Hand- oder Gürtel-Rocken benutzt, und wie auch bei unterstützten Spindeln ist immer eine Hand an der Spindel und die andere zieht aus. Allerdings ist hier (anders als bei den unterstützten Spindeln) eine größere Bandbreite an Auszugstechniken möglich, wenn man mit einem Rocken arbeitet.
So viele Spindeltypen – Warum?
So, nun hast Du hoffentlich schon mal eine erste Übersicht über verschiedene Spindeltypen. Du siehst, es gibt sehr viele Wege, mit einer Handspindel ein Garn zu machen. Je nachdem, welches Garn ich machen möchte oder welche Faser gerade vor mir liegt, wähle ich eine geeignete Spindel aus (Ich habe ja auch nicht nur einen Schraubendreher zuhause…). Und ja, wenn man nicht aufpasst, kann es passieren, dass man anfängt, eine gewisse Sammelleidenschaft zu entwickeln…
Welche Spindeln ich wofür gerne nutze und was es bei der Auswahl und beim Spinnen zu beachten gibt, das schreibe ich in den nächsten Artikeln dieser Serie.
Hier findest Du weitere Artikel aus dieser Serie
Teil 2: Fallspindeln – Kopfspindeln, Fußspindeln, Kreuzspindeln
Teil 3: Keine Angs vor Unterstützten Spindeln!
Teil 4: Handheld Spindles – Spinnen mit Spindelstäben
Weiterführende links
Wenn Du mal in ein richtiges rabbit hole reinfallen willst, dann klicke auf folgenden link.
link zur Universität Innsbruck
Hier findest Du Spindeln, wie sie in den verschiedensten Ländern der Welt verbreitet und auch verwendet werden. Fair Warning: Nimm Dir nichts weiter vor an dem Tag. Und stell Dir vorher was zu trinken bereit.
Du möchtest selbst eine Spindel bauen? Hier kannst Du nachlesen, wie das geht.
Du lässt lieber andere die Spindeln bauen? Auf meiner Link-Seite habe ich unter „Shops“ ein paar Quellen zusammengetragen (definitiv nicht vollständig).
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