Wolle Sortieren – wenn aus der Schafwolle am Tier am Ende ein Pullover werden soll, kommt man um diesen Schritt der Wollverarbeitung nicht herum. Die Landwirtschaftsschule Luisenhof bietet hierzu einen tollen Weiterbildungskurs an, in dem Schafhalter und andere Interessierte genau solche Themen besprechen und auch praktische Erfahrungen machen können. Heute nehme ich euch mit auf den Skuddenhof Weseram, wo Kursleiter Christopher Behling aus seiner langjährigen Erfahrung in diesem Bereich recht kurzweilig plauderte und demonstrierte.

Üblicherweise findet der Kurs in dem traditionsreichen Gebäude der Schule in Oranienburg statt. Er umfasst theoretische und praktische Einheiten rund um Schafhaltung, -pflege und -krankheiten, aber auch Themen wie die geschichtliche Entwicklung der Wollverwertung in Brandenburg und Deutschland sowie praktisches Wissen zu Wollqualität und Wollverarbeitung werden besprochen. An diesem regnerischen und windigen Herbsttag ging es aber nach Weseram zum Skuddenhof von Katja und Christoph Behling. Hier gab es praktische Demonstrationen zum Thema Wolle sortieren – was unerlässlich ist, wenn ein Schafhalter die Wolle seiner Tiere verarbeiten lassen möchte.

Die Skudden der Behlings waren recht scheu und nur schwer zu fotografieren.

Der Skuddenhof in Weseram

Christoph Behling ist gelernter Schäfer. Er war lange Jahre Zuchtleiter in verschiedenen Betrieben und hat in seiner aktiven Zeit als Schäfer eine Menge Wolle sortiert und zur Verarbeitung gebracht. Wollqualität und Wollertrag waren damals in der DDR erklärte Zuchtziele, um vom Weltmarkt möglichst unabhängig zu werden. Mittlerweile arbeitet er am Schreibtisch, und zusammen mit seiner Frau Katja züchtet er weiße Skudden auf einem ausgebauten Hof in Weseram , eine gute Autostunde von Berlin entfernt. In der großen Scheune hießen die Behlings alle Kursteilnehmer willkommen und dann ging es einen Tag lang nur um Wolle, Vliese und Wollqualität.

Gute Wollqualität liegt den Behlings sehr am Herzen. Ihre ca. 50 Tiere scheren er und seine Frau selbst mit der Handschere. Skudden sind sehr kleine, robuste Schafe, und ihr Vlies ist mischwollig (hier habe ich schon einmal etwas zu Skudden geschrieben) . Oft wird die Wolle nicht weiter verwendet, aber Christoph berichtet mit leuchtenden Augen von einem archäologischen Projekt, für das mit seiner Wolle eine jahrtausendealte Hose nachgearbeitet wurde (schaut mal hier). Damals (also als die Hose hergestellt wurde) gab es noch keine Merinoschafe, die Schafwolle war deutlich gröber und ähnelte mehr der heutigen Skuddenwolle. Auch Textilkünstler und FilzerInnen wissen die gute Qualität seiner Vliese zu schätzen und nehmen sie ihm immer wieder gerne ab. Wie macht er das also?

Bevor es losging…im Vordergrund ist der Sortiertisch zu erkennen.

Gute Wollqualität

Gute Wollqualität, sagt er, fängt beim Futter an. Die Wolle zeigt genau an, ob es einem Schaf übers Jahr gut ging, oder ob es vielleicht krank war und Fieber hatte. An solchen Stellen wird die Wolle leicht dünner und brüchig, die Fasern reißen leichter. Auch die Art und Weise, wie das Futter (v.a. Heu) dargeboten wird, hat Einfluss auf die Wollqualität. Hängt die Raufe zu hoch und über den Köpfen der Tiere, dann fällt ihnen das Heu auf den Rücken, wird quasi in die Wolle „eingearbeitet“ und macht die Vliese kaum verwertbar. Sehr staubige Weideflächen sind auch nicht gut – der Sand und Staub setzen sich auf das Vlies, dringen in die Wolle ein und machen sie mit der Zeit brüchig und spröde. Der Schurzeitpunkt hat ebenfalls einen Einfluss – werden z.B. die Schafe vor der Aufstallung geschoren, enthalten sie weniger Einstreu.

Der Sortiertisch

Sortiert wird ein Vlies auf einem Sortiertisch. Christoph Behling benutzt eine Eigenkonstruktion aus Holzlatten, die er in angenehmer Arbeitshöhe auf Böcke legt. Es tut aber auch ein alter Lattenrost. Für Vliese, die nicht so gut zusammenhalten (oder für feinere Teile) ist manchmal ein Gitter besser, wie z.B. ein Kompostgitter. Egal, was man verwendet, es ist wirklich hilfreich, eine ergonomische Arbeitshöhe einzustellen – der Rücken und die Schultern danken es nach ein paar Stunden 😊

Der Sortiertisch. Die Latten müssen gar nicht so eng zusammenliegen.

Das Sortieren

Nicht jedes Teil des Vlieses ist gleichermaßen verwertbar, verschiedene Teile müssen entsprechend ihrer Verwertbarkeit getrennt (also sortiert) werden. Eine gute Übersicht zu den verschiedenen Vliesteilen und ihrer Verwertbarkeit habe ich hier gefunden.

Das geschorene Vlies wird zunächst als Ganzes mit der Schnittkante nach oben auf einen Lattenrost gelegt und ausgebreitet (Bild 1). Meist läßt sich relativ leicht bestimmen, wo der Kopf und wo der Popo gewesen sein muss 😉. Das Vlies wird geschüttelt, damit Schmutz und eventuell vorhandene Strohteile von der Oberfläche ab- und durch die Latten fallen. An der Schnittkante kann man schauen, ob der Scherer oft nachziehen musste. Dieser Nachschnitt ist deutlich kürzer als die restlichen Wollfasern und muss entfernt werden, entweder durch Absammeln oder Ausschütteln. Deutlich sichtbare kotverschmutzte Stellen kann man jetzt auch entfernen, indem man die betreffenden Vliesteile einfach abzieht.

Dann wird das Vlies gewendet und mit der Schnittkante nach unten hingelegt. Nochmal kräftig schütteln (Bild 2), und weiterer Nachschnitt und Schmutz fällt heraus, man hört es deutlich rieseln. Jetzt kann man die Fasern beurteilen (Bild 3). Wie lang sind die Stapel? Sind die Fasern brüchig, haben sie Schwachstellen? Sind sie verfilzt? Mit Heukrümeln durchzogen? All diese Faktoren mindern die Wollqualität. Verfilzte Stellen, die sich mit der Hand nicht mehr gut auseinanderziehen lassen, werden entfernt. Auch Pflanzenteile wie Kletten, Stroh oder Heureste sollte man erfühlen und durch Absammeln entfernen. Wenn zu viel davon in einem Vlies ist, lohnt es sich kaum, in stundenlanger Kleinarbeit Fitzelchen für Fitzelchen herauszusammeln. Manchmal ist das auch gar nicht möglich, weil das im Vlies enthaltene Wollfett alles an die Locken klebt. Solche Vliese sind dann eher was zum Düngen – wir nannten sie liebevoll „Tomatenvliese“.

Die besten Vliesteile sind an den Flanken und manchmal – wenn es nicht zu stark gefilzt ist – am Hals. An den Hinterbeinen wird die Wolle meist länger und gröber. Man kann also auch gröbere von feineren Vliesteilen trennen und separat verarbeiten, wenn man das möchte.

Die Spinnradausstellung

Nachdem die Wolle sortiert war, ging es weiter mit einer Führung durch die Spinnradausstellung. Die ist gerade neu gemacht und definitiv einen Abstecher wert für alle, die sich für Faserverarbeitung interessieren. Eine beträchtliche Sammlung von Spinngeräten und Werkzeugen ist in einem Nebengelass zusammengetragen worden und mit viel Enthusiasmus erzählt Christoph von der Geschichte der Räder. Es gibt Flachs-Räder, Hochzeitsräder, große Räder, kleine Räder, Spindelräder, Spindeln, und sogar einen eSpinner. Einige der neueren Modelle werden regelmäßig in den Spinnkursen eingesetzt, zu denen Katja ein Mal im Monat einlädt.

Das Filzen

Nach einer leckeren und wärmenden Suppe ging es im zweiten Teil um eine weitere, sehr alte Wollverarbeitungsart: Das Filzen. Die Kursleiterin Susanne Schächter-Heil hatte Material mitgebracht, und so konnte sich jeder Teilnehmer sein eigenes Andenken herstellen, den meditativen Charakter des Nassfilzens genießen und mit eigenen Händen erfahren, dass Wolle nicht gleich Wolle ist.

Neugierig geworden? Dann schau doch mal bei den Behlings vorbei 🙂