In letzter Zeit begegnen mir immer wieder Fragen zu Handkarden. Braucht man die unbedingt? Wenn ja, worauf sollte man beim Kauf achten? Was gibt es überhaupt für welche? Welche sind besonders gut? Gibt es die auch gebraucht? Es wurde also mal Zeit für einen kleinen Artikel zum Thema. Ich habe versucht, für die meisten Fragen Antworten zu geben und hoffe, dass er Dir hilft, die für Dich richtigen Handkarden zu finden.
Was sind Handkarden und wofür brauche ich die?
Handkarden sind Wollverarbeitungsgeräte, mit denen Du Wolle (oder andere Fasern) zum Spinnen vorbereiten kannst. Sie sehen aus wie etwas überdimensionierte Hunde- oder Katzenbürsten, ihre Nadeln bzw. „Borsten“ sind aber stabiler und härter. Durch die Faservorbereitung werden die Fasern gleichmäßig aufgelockert. Das Spinnen geht mit so vorbereiteten Fasern oft leichter von der Hand und das Garn wird gleichmäßiger.
Handkarden bestehen aus einer rechteckigen, manchmal auch quadratischen Platte und einem Handgriff, und sie kommen immer als Paar. Die Platte kann entweder gerade oder gebogen sein. Gebogene und gerade Karden arbeiten sich etwas unterschiedlich (dazu weiter unten mehr), machen aber im Grunde das gleiche (nämlich die Fasern fluffig und besser spinnfähig).
Auf der Platte ist der Kardenbelag befestigt. Der Kardenbelag besteht aus einer Leder- oder Gummi-Matte, in die gebogene Nadeln in unterschiedlicher Dichte eingelassen sind. Gut ist, wenn der Kardenbelag nicht angeklebt sondern nur getackert ist, damit er sich ein wenig beim Kardieren bewegen kann, wenn er muss.
Sind Handkarden Kämme?
Nein, Handkarden sind keine Kämme. Mit Handkarden kardierst Du und stellst kardierte Faservorbereitungen her (z.B. Batts oder Rolags), mit Kämmen kämmst Du und stellst Kammzüge her. Zum Thema Kämmen versus Kardieren schau Dir hierzu gerne auch meinen Artikel zu Kamm- und Streichgarnen an.
Du kannst in manchen Fällen die Karden so benutzen, dass Du etwas dem Kämmen sehr ähnliches machst, aber die Standard-Technik „Kardieren“ ist nicht mit dem Kämmen zu verwechseln.
Was kann ich mit Handkarden machen?
Mit Handkarden kannst Du Deine Fasern zum Spinnen vorbereiten, z.B.
- wenn Du ein geschorenes Vlies hast und nicht aus der Flocke spinnen möchtest
- wenn sie etwas kompaktiert sind und sich nicht gut spinnen lassen,
- wenn Du verschiedene Fasern gleichmäßig mischen möchtest
Zugegeben, beim einheitlichen Mischen großer Mengen Fasern ist das Arbeiten mit einer Trommelkarde leichter (und besser reproduzierbar), aber für alles andere bevorzuge ich die Handkarden.
Es gibt im wesentlichen drei „Produkte“ die Du mit den Handkarden herstellen kannst:
- Batts bzw. Kardenband,
- Rolags und
- Fauxlags
Das einfachste ist das Batt bzw. Vlies. Nach dem Kardieren hebst Du einfach die Fasern von den Nadeln ab – voila: ein Batt! Das kannst Du noch ein bißchen ausziehen und Dir so ein kleines Kardenband machen, oder Du spinnst es einfach so.
Wenn Du noch luftigere Garne machen möchtest, kannst Du die Fasern auf der Karde von der langen Seite her aufrollen und Rolags machen (ich nenne es auch liebevoll „Röllchen drehen“). Dabei wickelst Du die Fasern wie einen Croissant-Teig auf, sodass sie einen kleinen Tornado bilden, wenn Du in das Rolag wie in ein Fernglas schaust.
Alternativ kannst Du die Fasern von der kurzen Seite her aufrollen, sodass die Fasern parallel zur Röllchen-Achse verlaufen, dann hast Du ein Faux-lag (ein falsches Rolag).
Natürlich kannst Du Deine Handkarden auch unkonventionell einsetzen! Du kannst eine einzelne wie eine Flickkarde benutzen, Du kannst auch die Fasern nach dem Kardieren einfach drauflassen und direkt von der Karde abspinnen – Dein Projekt, Deine Regeln!
Wie die Karden ganz genau benutzt werden, läßt sich in einem Video viel besser erklären als in einem Fließtext. Schau mal bei Chanti auf ihrem youtube-Kanal vorbei. Alternativ kannst Du es Dir auch persönlich zeigen lassen: schau einfach, wann es wieder einen Kurs oder Workshop dazu gibt!
Was für Handkarden gibt es?
Bei Handkarden gibt es Unterschiede in der Benadelung (also der Anzahl der Nadeln pro Fläche) und in der Form (gerade vs. gebogen, große oder kleine Grundfläche). Und dann gibt es da noch die kleinen Geschwister der Handkarden, die Flickkarde und die Trommelkardenbürste.
Die Nadeldichte – grob, mittel oder fein
Die Nadeldichte, auf Englisch „teeth per square inch“ oder „tpi“, ist vielleicht das wichtigste Merkmal der Handkarden. Ich kenne Beläge mit 42 tpi, 48 tpi, 72 tpi, 108 tpi, 120 tpi und über 200 tpi. Man kann sie auch in „grob“, „mittel“ und „fein“ einteilen, aber hier scheiden sich manchmal schon die Geister: Manche Hersteller geben bei 48 tpi „mittel“ an, und das wäre für mich schon „grob“. Besser ist also, sich nach der Zahl zu richten.
Welche Nadeldichte man wählt, richtet sich nach den Fasern, die man damit verarbeiten möchte. Als erste Faustregel gilt: Je höher die Nadeldichte desto feiner die Fasern. Wenn Du also ausschließlich Angora oder Kaschmir kardieren möchtest, kannst Du getrost die 48er Karde im Shop lassen und Dir eine 108er kaufen. Baumwollkarden haben meines Wissens die höchste Nadeldichte (über 200).
Ich persönlich arbeite die meiste Zeit mit 72er Karden. Damit kardiere ich hauptsächlich mittelfeine Wollen (von der Skudde über Coburger Fuchs bis zum Ryeland oder Merinofleischschaf, die schon recht fein sind), und ich bin damit sehr zufrieden.
Die Nadeln sind übrigens nicht gerade, sondern haben alle einen Knick. Die Spitze der Nadeln zeigt zum Griff hin. (Wenn die Spitzen vom Griff weg zeigen, hat jemand den Belag falsch herum aufgezogen…)
Gerade oder Gebogen, klein oder groß
Handkarden gibt es einmal mit einem planen Arbeitsbereich (z.B. die von Kromski) und einmal mit einem leicht gebogenen Arbeitsbereich (z.B. bei Ashford). Mit beiden Varianten kann man das Gleiche machen, nämlich kardieren, und sie produzieren auch die gleichen Ergebnisse. Was sich unterscheidet, sind die Bewegungen, die ich beim Kardieren ausführe.
Für die gebogenen Karden machen meine Arme und Handgelenke eine ausladende Schaukelbewegung (das hat ein bißchen was von “Orchester dirigieren”), bei den geraden Karden mache ich eine eher sparsame Parallelbewegung der beiden Karden.
Die Grundfläche der Karde ist z.B. für Baumwollkarden manchmal etwas kleiner (weil weniger tief) oder manchmal eher quadratisch als rechteckig. Je kleiner die Grundfläche einer Karde, desto leichter und weniger ermüdend für die Hände ist das Arbeiten – aber die Menge Fasern pro Kardiervorgang ist natürlich auch kleiner! Hier gilt es, ein gutes Mittelmaß zu finden.
Ich möchte an dieser Stelle gar nicht allzu tief in die Technik einsteigen, aber für mich habe ich festgestellt, dass ich bei den geraden Karden die Fasern leichter von einer Karde auf die andere übertragen (“abstreichen”) kann, und auch die Rolags gelingen mir da manchmal besser. Auf den gebogenen hingegen kann ich besser Fasern mischen – warum auch immer …
Die kleinen Geschwister – Flickkarde und Bürste für die Trommelkarde
Wenn man den Begriff “Handkarde” sehr weit fasst, dann könnte man auch zwei weitere Geräte mit dazuzählen, nämlich die Flickkarde und die Anpress-Bürste für die Trommelkarde. Sie sehen ein bißchen aus wie ganz kleine Mini-Handkarden, aber es gibt einen entscheidenden Unterschied: Sie kommen einzeln und nicht im Paar.
Wofür braucht man die denn jetzt schon wieder…?
Flickkarden sind klein und handlich. Mit ihnen kann man z.B. die Spitzen oder die Schnittkanten einzelner Locken vorsichtig ausbürsten und so öffnen (“flicken”). Dadurch werden sehr kompakte Locken mit verklebten Spitzen manchmal besser für das Kardieren vorbereitet (die Fasern reißen dann nicht so leicht beim kardieren und es bilden sich weniger Knötchen). Flickkarden sind manchmal ganz praktisch, aber ich brauche sie eher selten.
Den Flickkarden zum Verwechseln ähnlich sind die kleinen Bürsten, die es manchmal zu Trommelkarden dazu gibt. Dort verwendet man sie, um die Fasern gut auf die Trommel zu drücken. Und dafür müssen sie einen kleinen aber entscheidenden Unterschied aufweisen: ihr Kardenbelag ist in die “falsche” Richtung aufgezogen. In diesem Fall muss das so sein, damit man bequem gleichzeitig die Trommelkarde und die Bürste bedienen kann. Aber daraus erklärt sich auch, warum man diese Bürsten nicht gut als Flickkarde nehmen kann. Man müsste zum Flicken die Bürste immer irgendwie falsch herum halten… Also: Augen auf beim Flickkardenkauf!
Welche Handkarden verwendet man wofür?
Ich habe es oben schon angedeutet – die Benadelung ist das Hauptkriterium, wenn es darum geht, welche Fasern man mit welchen Karden verarbeitet. Alles andere (gerade, gebogen, flacher oder runder Griff…) spielt eine eher untergeordnete Rolle.
Wenn Du also überlegst, Handkarden zu kaufen, überlege kurz, was Du damit überwiegend machen möchtest.
- Die Wolle Deiner Angorakaninchen mit Seide mischen? Dann würde ich mindestens eine 72er, eher sogar eine 108er Benadelung nehmen.
- Fettwolle von den Coburger Fuchs-Schafen Deiner Oma kardieren? Dann sind 48er oder 72er Karden vermutlich gut geeignet.
- Industriekammzüge auflockern und schöne Farben mischen? Dann kannst Du mit 72er Karden eigentlich nichts falsch machen.
Worauf kannst Du beim Kauf achten?
Die richtige Benadelung für Deine Zwecke
Hauptkriterium beim Kardenkauf war für mich die Nadeldichte. Ich ging davon aus, dass ich mit einer mittleren Benadelung nichts falsch machen kann, und habe mir als erstes ein Paar 72er Karden gekauft. Damit arbeite ich auch immer noch hauptsächlich. Jahre später habe ich mir noch ein 108er Paar für feinere Fasern und ein noch feineres und kleines Paar zum Kardieren von Baumwolle gekauft – das ging mit meinen 72er leider gar nicht… (Wenn Dich meine Baumwoll-Experimente interessieren, dann lies gerne in meine Artikel über farbig gewachsene Baumwolle Teil 1 und meine Spinn-Erfahrungen in Teil 2 rein
Gewicht und Ergonomie
Wenn Du Probleme mit den Händen und der Kraft hast, könnten für Dich auch das Gewicht und die Ergonomie der Karden eine Rolle spielen. Kardieren mit Handkarden geht ganz schön auf Hände und Arme bzw. Schultern, und wenn Du viel kardieren wirst, ist es gut, möglichst leichte und gut in der Hand liegende Karden zu haben.
Ich habe ein Paar, das “aus einem Stück” ist, d.h. Griff und Platte sind nicht separat. Dadurch sind sie zwar etwas leichter, aber der Griff ist nicht rund sondern flach. Diese Karden liegen mir nicht gut in der Hand, sie sind sehr “eckig”. Wenn ich also länger kardieren möchte, greife ich doch lieber zu den Karden mit den runden Griffen (obwohl die schwerer sind).
Am liebsten kardiere ich mit meinen ganz kleinen Karden Baumwolle. Die Karden sind so schön leicht, dass ich ohne Ermüdungserscheinungen relativ lange kardieren kann. Und die kleinen Punis, die ich damit mache, sind einfach herzallerliebst!
Gerade oder gebogen?
Gerade oder gebogen – das ist so ein bißchen die Gretchenfrage. Am besten ist natürlich, wenn Du das mal für Dich ausprobieren kannst. Bei mir ging das damals nicht, und ich hab mir dann einfach die gebogenen von Ashford bestellt und bin gut damit klar gekommen. Mittlerweile habe ich auch ein gerades Modell, und mit etwas Üben finde ich, dass ich bei den geraden Karden von Kromski die Rolags manchmal besser hinbekomme – das kann aber vielleicht auch an den Fasern liegen, manche Fasern wollen einfach keine Rolags sein. Auch das Übertragen der Fasern von einer Karde auf die andere gelingt mir mit geraden Karden manchmal etwas besser.
Fettige oder fettfreie Wolle?
Einen Punkt gibt es, über den Du nachdenken kannst: Wenn Du sowohl fettige Wolle (nur mit Regenwasser gewaschen) als auch z.B. industrielle Kammzüge mit den Handkarden verarbeiten möchtest, könnte es empfehlenswert sein, je ein Paar Karden für die fettige und eines für die fettfreie Wolle zu verwenden. Das Wollfett legt sich auch auf die Karde und hinterlässt dort einen etwas klebrigen Film, der sich mit der fettfreien Wolle nicht gut verträgt. Aber das probierst Du am besten selbst aus.
Gebrauchte Karden kaufen
Gebrauchte Karden sind ein super Einstieg – etwas günstiger als ganz neu, und die meisten Karden halten wirklich ewig!
Wenn Du Karden gebraucht kaufen möchtest, schau vielleicht, ob das Holz gespalten, der Belag beschädigt (rissig) oder die Nadeln verrostet sind. Solche Karden würde ich lieber nicht kaufen, daran wirst Du nicht lange Freude haben. Der Rost könnte sich auf Deine schönen schneeweißen Fasern legen und sie irreversibel verfärben. Zwar kann man den Belag auch austauschen, aber damit habe ich keine Erfahrungen.
Frag vielleicht auch, was vorher damit kardiert wurde. Wenn die Vorbesitzerin damit Fettwolle kardiert hat und Du aber feine Seidenkammzüge mischen möchtest, könnte es sein, dass Du erst mal die Fettrückstände von den Nadeln entfernen musst – oder Du könntest Dich entscheiden, dieses Paar dann doch nicht zu kaufen…
Kardenparade – Alle meine Karden!
Hui, das sind jetzt alles ganz schön viele Überlegungen für einen einfachen Kardenkauf… vielleicht hilft es Dir, wenn ich Dir mal meine Karden kurz vorstelle?
Mein erstes Paar: Ashford 72 tpi
Mein erstes Paar waren die gebogenen Ashford-Karden mit der 72er Benadelung. Das ist auch heute noch mein Arbeits-Paar, mit dem ich das meiste kardiere.
Für feine Fasern: Ashford 108 tpi und Kromski 102 tpi
Später wollte ich versuchen, ob für feinere Fasern nicht auch feinere Karden besser geeignet sind. Ich habe mir also die etwas feineren von Ashford und Kromski bestellt. Diese Karden benutze ich seltener, weil ich nicht so oft feinere Fasern kardiere. Dennoch möchte ich sie nicht missen. Die Nadeln sind nicht nur dichter sondern auch dünner und damit biegsamer und somit vermutlich schonender für die Fasern.
Für Baumwolle: Ashford Baumwollkarden 190 tpi und Louet (110 tpi “extra fein”)
Als ich anfing, mich mit Baumwolle zu beschäftigen, habe ich mir diese Karden zugelegt. Mein Favorit sind die kleineren Louet-Karden – auf den großen Ashfords sind mir die Punis zu lang, das spinnt sich dann für mich nicht so gut. Ich will aber nicht ausschließen, dass das reine Übungssache ist und sehr geübte BaumwollspinerInnen die langen Punis bevorzugen.
Ich hoffe, meine Überlegungen helfen Dir bei der Auswahl der für Dich geeigneten Handkarden. Wenn Du noch Fragen hast oder Dir hier ein wichtiger Aspekt fehlt, hinterlasse gerne einen Kommentar.
Die genannten Handkarden bekommst Du im gut sortierten Fachhandel, wo es Spinnräder gibt. Meine habe ich bei „Das Wollschaf“ gekauft. Schau gerne auf meiner Linkseite vorbei. Dort habe ich einige Quellen gesammelt (es sind keine Affiliate links).
Schreibe einen Kommentar