Ein Spinntreffen (und ganz besonders das Große Spinntreffen der Handspinngilde) ist ja DIE Möglichkeit, Gleichgesinnte zu treffen, zu fachsimpeln, sich inspirieren zu lassen und weiterzubilden. Endlich ernte ich keine verständnislosen Blicke, wenn ich von Drall, Z-Twist und Support-Spindeln rede! Hier versteht man mich… Es ist ein bißchen wie eine Mischung aus Klassenfahrt und Jahrgangstreffen (mit genauso wenig Schlaf). In diesem Artikel erzähle ich euch vom Jahrestreffen 2023 in Plön, und vielleicht inspiriert das ja den einen oder die andere, nächstes Jahr auch vorbeizukommen. Denn: Du kannst auch teilnehmen, wenn Du kein Mitglied der Handspinngilde bist! Mitglieder haben natürlich eine Art „Vorkaufsrecht“ bei den Kursplätzen, aber freie Plätze kann man auch als Tagesgast vor Ort buchen. Oder eben einfach so zum geselligen Spinnen und für das Rahmenprogramm vorbeikommen.
Ein Spinntreffen – was gibt’s denn da alles?
Das Spinntreffen der Handspinngilde findet einmal im Jahr statt, und zwar (bislang) immer Ende September / Anfang Oktober. Die genauen Termine sind auf der Website der Handspinngilde zu finden. Da dieser Termin schon oft mit internationalen Terminen kollidierte (z. B. der Shetland Wool Week, Wollfestival auf Island), wird es wohl in 2025 einen Termin im Mai geben. Schaut einfach auf der Vereinswebsite unter „Veranstaltungen“, um euch zu informieren.
Das Treffen findet jedes Jahr woanders statt, so daß die Anfahrt für alle mal weiter und mal weniger weit ist. Diesmal war es für mich sehr angenehm, denn der Veranstaltungsort lag im Norden, in Plön in der Nähe von Kiel, also nur knapp 4 h entfernt.
Das Spinntreffen beginnt immer mit den Intensivkursen, die über mehrere Tage gehen und sich umfassend mit einem Thema beschäftigen. Die Themen reichen von Indigofärbekursen über Flachsaufbereitung (bis auf die Röste das volle Programm) bis zu gezieltem Spinnen. Die Kursleiter:innen haben viele Jahre Erfahrung auf ihren jeweiligen Gebieten und man lernt immer was dazu.
Anschließend findet dann das eigentliche Treffen statt. Es beginnt am Anreisetag mit der Mitgliederversammlung und anschließendem geselligen Beisammensein im großen Spinnsaal.
An den nachfolgenden Tagen finden jede Menge Kurse statt, meistens sind es 3-stündige, manchmal auch 6-stündige Kurse (dazu weiter unten mehr).
Es gibt meist Spiele, ein Quiz (dieses Jahr ging es darum, Fasern zu erraten), eine Modenschau und eine Tombola. Es wurde der längste Strang Deutschlands gewickelt – die Teile dafür hatten die Mitglieder dieses Jahr am Worldwide Spin in Public Day gesponnen und eingeschickt. Unter Mitwirkung vieler helfender Arme wurden alle eingesandten Stränge nun zu einem einzigen Strang zusammengefügt – er war am Ende über 4 km lang!
Oft gibt es auch Ausflüge in Museen oder Textilverarbeitungsstätten. So ging es dieses Mal unter anderem zur Spinnerei Blunck. Am zweiten und dritten Tag gibt es einen Marktplatz mit Fasern, Garnen, Spindeln und Zubehör – für viele die einzige Möglichkeit, Fasern, Spinnräder oder Spindeln vor dem Kauf ausgiebig anzuschauen, zu fühlen und zu testen. Dieses Jahr war auch Katrin Sonnemann mit Rohwolle aus ihrer Rohwoll-Kampagne das erste Mal vor Ort – eine wunderbare Gelegenheit, Wolle ab Schaf zu kaufen.
Auch wunderschön: es gab ein Konzert, denn eine Spinnerin ist Musikerin, hat ihr Instrument dick mit Wolle eingepackt und einfach mitgenommen (ich glaube, es war eine Gambe). Und so saßen alle Interessierten an einem Abend im kleinen Saal, die Räder surrten leise, und lauschten den Klängen Alter Französischer Barockmusik.
Unter Spinnern und anderen Faserverrückten
Die Zeit ist immer sehr intensiv – so viele Gespräche, Beisammensein und neue Eindrücke. Es gibt immer einen großen Spinnsaal, in dem sich alle abends (oder auch zwischendurch) treffen und in einer Art moderner Spinnstube sitzen, spinnen und Kontakte knüpfen. Ich sehe altbekannte Gesichter und freue mich über das Wiedersehen. Daneben komme ich ganz schnell mit mir Unbekannten ins Gespräch – „wie hast Du denn das gemacht? Kannst Du mir mal zeigen, wie …?“. So manches Mal kam mir dabei die Erkenntnis „Ach, Du bist die hinter dem Account xyz! Ich folge Dir doch auf Instagram!“
Und ab und an ist es gut, sich mal abzuseilen. Einen Spaziergang zu machen. Luft zu holen. Sonst explodiert nämlich der Kopf. Und dann sieht man viele, denen es genauso geht – man begegnet sich, erkennt sich, lächelt sich wissend zu, und setzt sich alleine auf die Bank am See, um den Wellen zuzuhören und ein wenig zur Ruhe zu kommen.
Die Kurse
Für mich sind die Kurse das Highlight des Spinntreffens. Manchen ist das zu stressig, und sie kommen vor allem des geselligen Teils wegen. Da es aber in Berlin kein so üppiges Kursprogramm gibt, nutze ich das sehr gerne, um Neues zu lernen und über meinen Tellerrand zu schauen.
Dieses Jahr war ich ganz schön übermütig und habe drei Kurse in zwei Tagen belegt, was dazu führte, dass ich am Ende ziemlich fertig war. Nächstes Jahr plane ich mir mehr Pausen ein … glaube ich.
Was mir auch klar wurde: Wer im Kurs ist, kann nicht gleichzeitig shoppen gehen. Das ist zwar gut für den Geldbeutel, aber ich war trotzdem etwas enttäuscht, als das eine Vlies, auf das ich spekuliert hatte, dann doch schon verkauft war. (Es kam dann ein anderes mit mir nach Hause, das fast genauso schön war. Der Geldbeutel hat davon also gar nichts mitbekommen …).
Kursübersicht
Was für Kurse gab es dieses Jahr? Puh, viele.
- Tweed kardieren.
- Fair-Isle Stricken.
- Fingerhandschuhe stricken.
- Spinnen mit Supported-Spindeln und mit Fallspindeln.
- Knöpfe machen.
- Farben entdecken, malen und dann auf das Blending Board übertragen.
- Farbverläufe spinnen bei Verwendung eines Gürtelrockens.
- Mützen filzen.
Und bestimmt noch mehr, die mir jetzt gerade entfallen sind.
Ich hatte mich für „Spinntechniken von der Steinzeit bis heute“, Nadelbinden und Schlaufenflechten entschieden. Witzigerweise stellte sich heraus, dass alle diese Kurse von derselben Kursleiterin gegeben wurden, mein Unterbewusstsein scheint also einen Plan gehabt zu haben … Ulrike Claßen-Büttner ist nämlich Archäologin und kennt sich von Berufs wegen mit der Entwicklung von textilen Techniken aus. Faszinierend, ich sags euch!
Spinntechniken
Vom Kurs zu den Spinntechniken habe ich mir Inspiration für das Demonstrieren der Technik auf Veranstaltungen versprochen und wurde nicht enttäuscht. Ulli hat uns in 3 h durch die gesamte Geschichte des Fäden-Machens, also durch fast 10 000 Jahre (?) Entwicklung geführt. Schritt für Schritt, vom ersten Verdrehen von Fasern mit den Händen bis zur Verwendung von Spindeln tausende Jahre später. Zur Anschauung hatte sie einen ganzen Tisch voller verschiedener Spindelmodelle mitgebracht, die man alle mal anschauen und in die Hand nehmen konnte! Als Spindelspinnerin war ich hin und weg.
Nadelbinden
Es ist schon wieder passiert. Ich dachte beim Buchen des Kurses zum Nadelbinden noch “Ach naja, sieht n bissel komisch und umständlich aus, und das Textil ist bestimmt bretthart. Ist bestimmt nix für Dich, aber probierste halt mal, dann kannste nen Haken dran machen und sagen, Du hast es probiert, aber es war halt nix…”. (Ihr wisst schon, ich muss immer wissen, wie was funktioniert.)
Tja.
Das fällt mal wieder in die Kategorie “Berühmte letzte Worte”. Ich häng jetzt nämlich auch an der Nadel. Nadelbinden ist absolut faszinierend! So ganz hab ich noch nicht verstanden, wie die Schlingen miteinander in Verbindung stehen, aber das Textil ist überhaupt nicht bretthart, sondern weich und elastisch. Allerdings ist das selbst für mich als Autodidakt eine Technik, die ich gezeigt bekommen musste, von Abbildungen konnte ich sie nicht lernen. Alle Anleitungen, die ich bislang gesehen hatte, waren mir ein Buch mit sieben Siegeln geblieben.
An dieser Stelle wie immer ein Disclaimer: Nadelbinden kann süchtig machen. Ich bin jetzt bei drei Beuteln als Musterproben und einer Maus. Fortsetzung folgt.
Schlaufenflechten
Schlaufenflechten wollte ich einfach nur aus Neugier ausprobieren. Es ist, wenn man es einmal gezeigt bekommen hat, recht einfach, und man kann aus kleinen Mengen Garn ganz hübsche kleine Bänder machen. Ab 6 Schlaufen kommt ein gewisses Maß an Fingeryoga ins Spiel, denn man muss die Finger einzeln ansprechen und bewegen. Klingt einfach? Dann versuch doch mal, von 6 unter Spannung gehaltenen Schlaufen nur die eine Schlaufe vom Ringfinger an den kleinen Finger der linken Hand weiterzugeben, ohne die andere Hand, den Nachbarn, Füße oder Zähne zu Hilfe zu nehmen…
Am nächsten Morgen hatte ich Blasen an den Fingern, so dass ich erst mal nicht weiterflechten konnte, sondern mich wieder dem Nadelbinden zuwandte… (siehe oben). Merke: Lockerlassen und dann weiterflechten. Lockerlassen. Lockerlassen.
Premiere: Ich bin jetzt Kursleiterin!
Ich hatte es eigentlich gar nicht geplant, aber dieses Jahr war ich das erste Mal als Kursleiterin beim Spinntreffen dabei. Das kam so: Bei der Grünen Woche 2023 saß ich (wie auch die Jahre davor) mit am Stand der Handspinngilde. Ich bin ja Spindelspinnerin, und so saß ich da mit meiner Lieblingsspindel und spann so vor mich hin. Die Martina schaute immer so zu mir rüber und meinte irgendwann, das sähe so entspannt und schön aus, ob ich nicht Lust hätte, da mal einen Kurs zu geben. Och, dachte ich, warum nicht. Das Thema geriet dann ein wenig aus dem Fokus, aber über den Sommer arbeitete ich an dem Konzept und erstellte ein Workbook. Und nun bin ich Kursleiterin, yeah!
In dem Kurs geht es, na klar, um meine Lieblingsspindeln. Das sind solche mit Spiralkerbe am oberen Ende, entweder als Spindelstäbe mit Wechselwirteln oder als antike französische Modelle. Das Spinnen mit diesen Spindeln vereint für mich das beste aus allen Welten: ich bestimme selber die Geschwindigkeit, in der ich arbeite, meine Arme sind nie zu kurz, es fehlt auch zwischendrin kein dritter Arm wie bei manchen anderen Techniken. Meine Teilnehmerinnen waren jedenfalls die absolute Wucht, es hat richtig viel Spaß gemacht, ihre Lernfortschritte zu beobachten und zu sehen, wie es irgendwann Klick machte.
Ich denke mal, da wird es wohl eine Fortsetzung geben nächstes Jahr in Gerolfingen…
(Ich habe – natürlich – kein einziges Foto von meinem Kurs gemacht…)
Die Handspinngilde
Jetzt habe ich so oft die Handspinngilde erwähnt, drum stelle ich sie noch einmal kurz vor. Die Handspinngilde ist ein gemeinnütziger Verein mit dem Ziel, das Handspinnen als zentrale Kulturtechnik der Menschheit zu fördern. Die Vereins-Website findest Du unter https://www.handspinngilde.org/ .
Die Mitgliedschaft kostet derzeit pro Jahr für einen Erwachsenen 30 Euro. Es gibt zwei Mal im Jahr eine Vereinszeitschrift mit Artikeln rund um Textiles und den Verein. Mitglieder haben die Möglichkeit, Literatur aus der Vereinsbibliothek und Werkzeuge bzw. Geräte aus dem Werkzeugpool auszuleihen. Hinzu kommt natürlich die Vernetzung unter Gleichgesinnten im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus.
Der Verein umfasst ein recht großes Gebiet, und so sind wir bemüht, Regionale Ansprechpartner:innen in den einzelnen Regionen zu etablieren. Wenn ihr also mal irgendwo in Deutschland Urlaub macht und jemanden zum gemeinsamen Spinnen sucht, schaut dort vorbei und scheut euch nicht, Kontakt aufzunehmen. Ich bin beispielsweise die Ansprechpartnerin für Fragen rund ums Spinnen in Berlin und nördlichem Umland. Das heißt nicht, dass ich alles weiß und für alles verantwortlich bin, aber ich kenne vielleicht jemanden, der jemanden kennt…
Mein Fazit – Es lohnt sich immer!
Das Spinntreffen ist immer ein Jahres-Highlight, das noch lange in mir nachklingt. Nirgendwo sonst sieht man so viele verschiedene Räder und Spindeln in Aktion und kann sich mit so vielen Gleichgesinnten austauschen. Als (neue) Kursleiterin sehe ich auch nochmal mit anderen Augen drauf – was da alles an Organisation im Hintergrund abläuft, damit alles reibungslos funktioniert, von der Ausstattung der Kursräume bis zur Zimmervergabe und der Essensplanung. Daher an dieser Stelle ein großes Dankeschön an den Vorstand und alle an der Organisation Beteiligten! Es war wunderbar!
Ich freue mich jetzt schon auf nächstes Jahr. Bis dahin werde ich die Rückmeldungen aus meinem Kurs auswerten und in die nächste Version einfließen lassen. Und ich hab auch schon Ideen für weitere Kurse… aber das muss sicher noch eine Weile reifen. Ich halte euch auf dem laufenden!
Oooooh Kathrin! So ein schöner Bericht, das klingt soooo toll! Seit ich dir letztes Wochenende beim Spinnen zugesehen habe, kann ich bestätigen: Das sieht sehr entspannt aus. Und ist eine Technik, die ich sehr gerne lernen möchte. Vielleicht beim Spinntreffen nächstes Jahr, weiter im Süden? Oje, jetzt fange ich auch noch das Spinnen an… Liebste Grüße, Gabi
Gegen Spinnen ist üüüberhaupt nichts einzuwenden. liebe Gabi! Und ich freue mich schon auf unseren Spinn-Schnack 🙂