Ein Blog über Schafe, Wolle und Handspinnen

Schlagwort: Skudde

Tweedgarne aus Garnresten herstellen (featuring: die Skudde!)

Kann man eigentlich Garnreste verwenden, um wieder neue Garne herzustellen? Diese Frage kam auf, während ich mit Mona auf dem Sofa saß und wir aus Skudde-Wolle Rolags kardierten. Ich kenne nur eine einzige Firma, die Garnreste in ihre Garne einarbeiten lässt, der Prozess ist also offenbar nicht so ganz trivial. Ich wollte es mal wieder genauer wissen und startete ein Experiment, um der Frage auf den Grund zu gehen. In diesem Artikel zeige ich Dir, wie ich Garnreste aufbereitet habe, warum das nicht so einfach war, und warum Sari-Seide auch nicht die Lösung ist.

Was ist eigentlich „Tweed“?

Das erwähnte, mit Garnresten hergestellte kommerzielle Garn ist von Hedgehog Fibres. Es hat einen gewissen Tweed-Charakter und viele interessante bunte Sprenkel. „Tweed“ ist aber eigentlich weniger die Bezeichnung für ein Garn, sondern eher für einen bestimmten Stoff mit charakteristischem Aussehen. Dieser Stoff wird traditionell aus Wolle von Cheviot- und Scottish Blackface-Schafen hergestellt (das sagt zumindest Wikipedia über Harris Tweed).

Das Besondere ist: gefärbt wird die Wollflocke und nicht das fertig gesponnene Garn. Durch Mischen verschieden gefärbter Wollflocken nach genauen Rezepten schon vor dem Kardieren entstehen dann beim Kardieren fein nuancierte Farbtöne. Die Farbe entsteht also durch optische Mischung vieler Farben und wirkt dadurch viel lebendiger als Stoffe, die im Garn gefärbt wurden. Wenn die Fasern dabei nicht zu 100 % gleichmäßig gemischt sind, bleiben im Garn manchmal kleine andersfarbige „Speckles“ oder Nuppsies. Die beleben das Garn und vermitteln den Tweed-Charakter, den die meisten von uns vor Augen haben, wenn wir an „Tweed“ denken. Wer sich genauer dazu informieren möchte, findet auf der Website von Harris Tweed viele Informationen.

Harris Tweed Stoffe in blau und schwarz weiß
Zwei verschiedene Harris-Tweed-Stoffe. Hier wurden Stoff-Reste zu Projekttaschen verarbeitet.

Wie kann ich den Tweed-Effekt erzeugen?

Wie kann ich nun (ohne 30 Portionen Wolle in der Flocke zu färben) mit Fasern aus meinem Vorrat den Tweed-Effekt imitieren? Wie muss ich die Materialien vorbereiten und einsetzen, um den gewünschten Effekt zu erreichen?

Der erste Anstoß kam, ich sagte es schon, durch den Besuch von Mona. Mona webt sehr gerne Schals für ihr Projekt #fromfarmtoscarf. Mittlerweile sind es über 40 Schals, und über die Zeit sammelten sich bei ihr viele Garnreste an, für die sie eine sinnvolle Verwendung suchte. Wir hatten uns für das Skudde-Projekt mit Fibershed DACH getroffen und ich zeigte Mona, wie man Wolle kardiert und mit der Handspindel spinnt. Und als wir dann ihre Garnreste mit den Skuddefasern zusammen kardierten, kamen sehr interessante Garne heraus.

Sofort ploppten die Ideen in meinem Kopf hoch. Und wie dann das so ist im Hause faserexperimente – das wollte ich mir unbedingt noch näher ansehen und auch mit anderen Materialien und Herangehensweisen experimentieren. Ich hatte da nämlich noch recycelte Sariseide irgendwo in einer Kiste … Und waren nicht vor einiger Zeit mal „Tweed”-Kammzüge in Mode? Mit Farb-Nuppsies aus Viskose? Richtig, in den Tiefen meines Vorrates fand ich einen (ein Impulskauf am Ende eines sehr schönen Wollefestes in Leipzig). Ich war also bestens präpariert – es konnte losgehen!

Das Ausgangsmaterial

Diese Materialien und Quellen habe ich verwendet:

  • Entgrannte Wolle von Bunten Skudden für die Vorversuche
  • Skudde-Kardenband vom Skudden- und Island-Schafhof für die weiteren Versuche
  • Recycelte Sariseide vom Wollschaf
  • Garnreste von Mona
  • Trommelkarde
  • Handkarde, Hundebürsten
  • Artikel aus dem Magazin „PLY“ (Ausgabe 37 Sommer 2022 „Mix“, S. 10 ff.)

Vorversuch: Garnreste mit Handkarden einkardieren

Für die Vorversuche mit Mona hatte ich entgrannte Wolle von Bunten Skudden mit der Hand zu Rolags kardiert. Die Fasern waren ca. 4 cm lang. Während des Kardiervorganges legte ich Garnreste längs zwischen die Fasern und kardierte sie mit ein.

Nahaufnahme Rolags Skudde Wolle (entgrannt, hellgrau) mit einkardierten Garnresten.
Die in die Rolags einkardierten Garnreste lagen quer zur Spinnrichtung und waren insgesamt gut eingearbeitet.

Die Garnreste waren alle ca. 2 – 4 cm lang. Zuerst legte ich die kompletten Fäden (meist zweifach gezwirnt) ein. Beim Spinnen merkte ich, dass diese Fäden durch ihre Dicke sich nicht so gut mit den umliegenden Fasern verbinden und herausstehen. Ich ging dann dazu über, die Garnreste in ihre Einzelfäden zu trennen, bevor ich sie auf die Karde legte. Das gefiel mir besser und die einzelnen Fäden verbanden sich sehr gut mit den Fasern zum Faden.

Durch die Rolag-Struktur und das Spinnen im langen Auszug wurden die bunten Garnreste gut in den entstehenden Faden eingezogen und ich musste nicht sehr viel mit den Fingern manipulieren.

Ergebnis

Das Ergebnis waren Garne mit längeren, farblich abgesetzten Abschnitten im Faden. Beim Zwirnen mit sich selbst traf ein bunter Abschnitt überwiegend einen weißen Abschnitt, sodass eine Art „barber-pole“- oder Zuckerstangen-Effekt entstand.

Nahaufnahme Skudde-Tweedgarn mit Garnresten.
Vorversuche mit Garnschnipseln von Monas gewebten Schals. Das Bild wurde mir freundlicherweise von Mona Knorr zur Verfügung gestellt.

Im Gewebe sah das sehr schön und dezent aus:

Schal handgewebt mit grau weißem Garn und bunten Sprenkeln.
Bei diesem Schal hat Mona einen Streifen des „Tweed“-Garns mit eingewebt.

Versuch 1: Garnreste mit der Trommelkarde einkardieren

Das Kardieren von Rolags ist an sich eine sehr meditative Sache. Allerdings dauert es seine Zeit. Im nächsten Versuch wollte ich es mit der Trommelkarde versuchen, denn damit geht Kardieren um ein Vielfaches schneller. Das dabei entstehende Batt spinnt sich etwas anders als die Rolags, nicht ganz so luftig.

Zu Hilfe kam mir auch ein Artikel aus der PLY (Ausgabe 37 / Sommer 2020, S. 10 ff)). Dort stand, man kann die Fadenreste auch mit Hundebürsten aufrauhen, bevor man sie auf die Trommelkarde gibt. Aha! Also hab ich die Hundebürsten geholt und Fasern aufgerubbelt.

Hundebürste mit aufgearbeiteten Garnresten
So ungefähr sahen die Garnreste nach der Bearbeitung mit der Hundebürste aus – etwas strubbelig, aber ansonsten noch relativ unbeeindruckt.

Dazu habe ich Fadenreste, so wie sie kamen, auf die Hundebürste gelegt und “kardiert”. Hmmm. Die Metall-Borsten der Hundebürsten sehen zwar aus wie die bei meinen Handkarden, sie sind aber viel weicher und biegsamer. So richtig was anhaben konnten sie den Fadenresten nichts. Die waren nach der Behandlung immer noch als solche erkennbar (wenn auch oberflächlich deutlich aufgerauht).

Nun, nur Versuch macht kluch, und so kardierte ich jeweils 5g aufgerauhte Fadenreste und 50g Kardenband zusammen auf der Trommelkarde in insgesamt 2 Durchgängen. Fasern und Fadenreste habe ich in mehreren Schichten abwechselnd aufgebracht, dabei habe ich die Fadenreste direkt auf die Trommel gelegt und nicht über den Anschiebetisch zugegeben.

Die Batts habe ich längs in 4 Streifen geteilt und diese Streifen nacheinander von der Spitze im (mehr oder weniger) langen Auszug gesponnen, jedes Batt auf eine Spule. Die Fäden der beiden Spulen habe ich anschließend miteinander verzwirnt.

Ergebnis

Wie ich schon vermutet hatte, stellte sich heraus, dass sich die Fadenreste nicht so gut einarbeiten ließen und oftmals aus dem Garn hervorstanden. Das Spinnen war dadurch etwas mühsam, denn ich musste viel mit den Fingern eingreifen und manipulieren, damit die Garnreste nicht einfach aus dem gesponnenen Faden rausfallen.

Nahaufnahme Skudde Tweedgarn mit groben Garnresten
Garn Nummer 1 war an manchen Stellen sehr dick und dünn durch die doch recht kompakt gebliebenen Garnreste im Faden. Manchmal verband sich der Garnrest auch nicht gut mit dem versponnenen Faden.

An manchen Stellen ist das fertige Garn sehr unregelmäßig und dick und dünn, vor allem dort, wo zwei Fadenreste im gezwirnten Garn aufeinandertreffen.

Versuch 2: Garnreste aufbereiten und dann auf der Trommelkarde einkardieren

Wenn die Fadenreste gut in den Faden integriert werden sollen, kommt man wohl offenbar um eine ordentliche Vorbereitung der Fadenreste nicht herum. Also hab ich in den sauren Apfel gebissen und mit einem guten Hörbuch auf den Ohren jeden Faden in seine Einzelfäden zerlegt und anschließend mit einer richtigen Handkarde (72 tpi) bearbeitet, bis ich ein flauschiges buntes kleines Batt erhielt. Für die 10 g Fäden habe ich ca. eine Stunde gebraucht.

fein kardierte und vorbereitete Garnreste für Skudde Tweed Garn
Mit etwas mehr Aufbereitung waren die Garnreste deutlich fluffiger und ließen sich besser einarbeiten. Allerdings war dieser Arbeitsschritt durchaus aufwändig.

Auch hier habe ich wieder 2 × 50 g Kardenband und je 5 g aufbereitete Fadenreste auf der Trommelkarde in zwei Durchgängen kardiert. Die Batts habe ich ebenfalls wieder längs in vier Streifen geteilt und im mehr oder weniger langen Auszug gesponnen.

Ergebnis

Das sah doch schon sehr viel besser aus! Die Fäden integrierten sich deutlich leichter und standen nicht mehr so aus dem Garn heraus. Das Garn war gleichmäßiger und nicht mehr stellenweise sehr dick (wo zwei Fadenreste plus die Skudde-Fasern aufeinandertrafen).

Skudde-Tweegarn aus Garnresten (fein vorbereitet) in grau mit bunten Sprenkeln
Im zweiten Versuch mit etwas sorgfältigerer Aufbereitung der Garnreste war das neu gesponnene Garn deutlich gleichmäßiger und die Sprenkel etwas dezenter.

So richtig „tweedig“ wirkte das Garn allerdings noch nicht…

Versuch 3: blaue Sariseide auf der Trommelkarde einkardieren

Um dem Tweed-Charakter etwas näher zu kommen, wollte ich es jetzt durch Mischen der Fasern mit recycelter Sari-Seide probieren.

Recycelte Sari-Seide im Kammzug gibt es in vielen verschiedenen leuchtenden Farben im online-Handel zu kaufen. In weiser Voraussicht (hüstel) hatte ich vor einigen Jahren verschiedene Farben gekauft und seitdem gestreichelt und gehütet, bis die richtige Faser um die Ecke kam. Enter stage left: Skudde-Kardenband. Ich holte also die Kiste mit Sari-Seide aus dem Keller und fing an abzuwiegen. Keine Vorbereitung nötig, einfach wiegen und dann los, yay!

Wie auch bei den Fadenresten habe ich zwei Portionen Kardenband und Sariseide abgewogen (jeweils 50 g bzw. 5 g) und in zwei Durchgängen zu zwei Batts kardiert. Auch hier habe ich wieder abwechselnd viele dünne Schichten Skudde und Seide aufgetragen. Das Kardenband lief normal über den Anschiebetisch, die Sariseide ließ ich direkt auf die Trommel laufen.

Nahaufnahme Batt Skudde Sariseide blau Tweed
Im Batt sah das Ganze sehr schön gesprenkelt und bunt getupft aus. Skudde mit Sariseide in blau.

Die fertigen Batts habe ich, genau wie oben beschrieben, wieder längs in vier Streifen gerissen und im langen Auszug auf zwei Spulen gesponnen. Die fertigen beiden Singles habe ich miteinander verzwirnt.

Und dann ist es passiert.

(cue: dramatische Musik)

Ich hab das fertige Garn im Entspannungsbad vergessen.

Das Waschwasser war tief blau.

Ihr ahnt es schon: Die Sariseide hat stark ausgeblutet. Seufz.

Ergebnis

Das Garn hat Farbnupsies, ist aber mit einem lila Farbton überlegt.

Nahaufnahme Skudde Tweeg Garn mit Sari-Seide blau grau
Das Garn hat einen deutlichen Blau-Lila-Stich. Die Farbsprenkel gefallen mir aber sehr gut.

Meine Vermutung: Farbreste aus der Sariseide haben sich herausgelöst und auf die Wollfasern gelegt. Man kennt das Phänomen des Ausblutens von handgefärbten Garnen. Dabei werden beim Waschen des fertigen Strickstücks überschüssige Farbpigmente ausgespült. An sich ist es nicht dramatisch, solange man einfarbige Strickstücke hat. Bei zweifarbigen Mustern führt es aber dazu, dass die ausgewaschenen Pigmente der einen Farbe vom Garn der anderen Farbe (vorzugsweise von weiß) aufgenommen werden. Dann hat man z. B. nicht mehr ein blau-weißes, sondern ein blau-hellblaues Muster … sehr ärgerlich. Und in meinem Fall wollte ich eigentlich schönes hellgraues Garn mit einigen blauen Sprenkeln. Nunja.

In all dem Ärger fragte ich mich dann: woher kommt eigentlich diese recycelte Sari-Seide? Bislang dachte ich immer, die wird farblich sortiert aufbereitet, aber so wie das ausblutet, ist das eher einfach nochmal gefärbt worden. Und schon hab ich gar nicht mehr ein so schönes Gefühl dabei, recycelte Sari-Seide zu verwenden…

Versuch 4: nochmal Sariseide und nicht zu lange waschen

Nun musste ich natürlich diesen Versuch wiederholen. Bei längerem Überlegen kam mir nämlich noch die Idee, dass im Falle der Sari-Seide ja auch die Fasern etwas anders gemischt wurden. Die Sari-Seide war sehr fein verteilt in den Skudde-Fasern, und beim Spinnen könnte es auch zu optischen Misch-Effekten kommen. Um zu schauen, ob dieser lila Unterton nur durch das Ausbluten verursacht wird oder auf optische Mischung der Fasern zurückzuführen ist, wollte ich dieses Mal nur ganz ganz kurz waschen, um ein Ausbluten der Farben zu verhindern.

Zum Glück hatte ich noch ausreichend Kardenband und Sariseide, allerdings keine blaue mehr, sondern nur noch rote. In der Hoffnung, dass sich rote Farbstoffe ähnlich verhalten wie blaue, damit die Vergleichbarkeit beider Versuche gegeben ist, wog ich nochmal Fasern ab. Zweimal 50 g Kardenband und 5 g Seide, zwei Batts, zwei Fäden, ein Garn. Definitiv nicht im Waschwasser vergessen (das Waschwasser war definitiv nicht so stark verfärbt). Und doch….

Ergebnis

Das fertige Garn hat definitiv einen Rotschimmer. Demzufolge ist nicht alleine ein Ausbluten der Farbstoffe in der Sariseide die Ursache für den Schimmer, sondern die feine Mischung der Fasern im Batt und beim Spinnen spielt mindestens eine ähnliche Rolle für das Erscheinungsbild des fertigen Garnes. Dazu kommt, dass ich den Faden relativ fein gesponnen habe – dadurch wird der Effekt der optischen Mischung auch stärker, als es bei einem dicken Garn der Fall wäre. Statt feiner, klar abgegrenzter Farbkleckse entstand so beim Spinnen dieser Schleier. Das wollte ich so eigentlich nicht.

Versuch 5: Der „Tweed“ – Kammzug

Dann war da ja noch der kommerzielle Tweed-Kammzug, von ganz unten im Faservorrat. Und weil das quasi wie Tütensuppe zum Spinnen ist und keine Vorbereitung erforderlich war, hab ich den auch noch schnell versponnen. Als Vergleich, sozsagen.

Nahaufnahme Tweed-Kammzug von Dibadu
Solche „Tweed“-Kammzüge waren vor einigen Jahren mal unter Spinner:innen sehr beliebt.

Leider konnte ich dem Label nicht entnehmen, welche Schafrasse das war. Die bunten Sprenkel waren aus Viskose, die eine andere Farbe als die Fasern hatte. Demzufolge war dieser Kammzug nicht handgefärbt, sondern wurde ziemlich sicher rein industriell hergestellt.

Die Fasern (und auch das fertige Garn) waren jedenfalls deutlich weicher als die Skuddefasern in den anderen Garnen. Und irgendwie …nichtssagender? charakterloser? Ich bin nicht ganz sicher, wie ich es beschreiben soll. Nichtssagend weich. Ja, das trifft es einigermaßen.

Versponnenes Single aus dem Tweed-Kammzug. Die Viskose-Nuppsies fielen beim Spinnen immer mal heraus und saßen nicht wirklich fest.

Das Garn hatte Nuppsies (aus Viskose), die teilweise während des Spinnens herausfielen. Es sieht nicht schlecht aus, ist sehr gleichmäßig, und der tweedige Charakter ist definitiv vorhanden.

Nahaufnahme handgesponnenes Tweed Garn in Rot-Tönen (Dibadu)
Das ist der fertig gesponnene „Tweed“-Kammzug. Farblich…so ganz anders als die Skudde-Garne.

Es ist aber ein bisschen doll bunt für meinen Geschmack. Der Tweed-Charakter, der ja eigentlich eher dezenter Natur ist, geht vor den bunten Farben etwas verloren.

Fazit: Das schönste Tweed-Garn von allen

Was habe ich nun gelernt? Und welches Garn ist das schönste?

handgesponnene Skudde Tweed Garne in Grautönen
Hier sind nun die ersten vier Skudde-„Tweed“-Garne: v.l.n.r. Nr. 3 (blaue Sariseide), Nr. 4 (rote Sariseide), Nr. 1 (grobe Garnreste) und Nr. 2 (fein aufgearbeitete Garnreste). Garn Nr. 4 mit roter Sariseide wohnt mittlerweile bei Mona und wird vielleicht eines Tages zu einem schönen Schal. Man sieht deutlich, wie die linken beiden Stränge einen blauen bzw. rötlichen Farbstich haben im Vergleich zu den linken beiden Strängen.

1. Garnreste einkardieren ist nicht so einfach, wie es klingt (jedenfalls nicht, wenn das Ergebnis gut werden soll). Im Nachhinein würde ich sagen: Am besten arbeitet es sich mit dem Rolags, denn durch die Röllchenform und die Verwirbelung der Fasern werden die einkardierten Fäden quasi in den entstehenden Faden hineingezogen. Beim Spinnen aus den geteilten Batts standen die Fäden eher mal heraus und waren etwas störrischer beim Einarbeiten. Wie bei vielem lohnt sich also auch hier das langsamere Arbeiten und der Extra-Arbeitsschritt.

2. Die gute Vorbereitung der Garnfäden ist ein Extra-Arbeitsschritt, der sich lohnt, wenn die Garnreste gut in das neue Garn integriert werden sollen. Hundebürsten haben zu weiche Borsten, es müssen aus meiner Erfahrung schon Handkarden sein.

3. Auflegen ist vermutlich besser als Auflaufen lassen. Beim Einkardieren von Sari-Seide wäre es für weniger „Schleier-Effekt“ vermutlich besser gewesen, die Seide nicht bei drehender Trommel auf die Trommelkarde auflaufen zu lassen, sondern bei stehender Trommel einzelne Tupfen zu setzen. Vermutlich war es auch viel zu viel Seide. 10 % erschien mir ausreichend niedrig. Bei einem nächsten Versuch würde ich es vielleicht mit 5 % und Auflegen versuchen.

Die entstandenen Garne sind alle recht unterschiedlich (nicht nur durch die Farben und die verwendeten Materialien), aber sie gefallen mir auf ihre Weise alle gut. Und wie ich über die Jahre gelernt habe, liegt die Wahrheit nicht nur im Garn, sondern darüber hinaus auch in der fertigen Probe. Ich wollte also wissen: wie sehen die Garne verarbeitet aus? Die Pröbchen vom Zoom Loom haben es gezeigt:

Zoom Loom Proben der handgesponnenen Tweedgarne aus Garnresten und Sariseide
Webproben der fertigen „Tweed“-Garne. Garn 1 u.r. , Garn 2 o.r. , Garn 3 u.l., Garn 4 o.l. Von Garn Nr. 5 habe ich keine Webprobe gemacht.

Das Garn Nr. 1 mit den grob vorbereiteten Garnresten (unten rechts) gibt deutliche bunte Sprenkel und Farbtupfer. Durch die Leinwandbindung werden längere bunte Stücke etwas unterbrochen und das Ganze kommt dem “Nuppsi”-Charakter etwas näher.

Garn Nr. 2 mit den feineren und besser eingearbeiteten Fadenresten (oben rechts) ergibt zumindest in dem Probestück auch dezentere Farbtupfer. Der Unterschied zu Garn Nr. 1 ist deutlich. Und obwohl ich Garn Nr. 2 eigentlich schöner finde, gefällt mir Garn Nr. 1 im Webstück deutlich besser. Es zeigt sich wieder: die Wahrheit liegt im fertigen Stück und nicht unbedingt im Garn!

Die Garne mit der Sariseide (Nr. 3 und 4) haben den jeweiligen farblichen Unterton der verwendeten Seide. Die farblichen Sprenkel sind wiederum eher dezent, sodass die textile Fläche recht einheitlich wirkt. Für ein graues Garn mit bunten Sprenkeln war diese Methode nicht geeignet. Die Garne sind aber trotzdem schön, und wenn ich mehr davon hätte, könnte ich mir einen zweifarbigen Norweger-Pullover daraus vorstellen. Ich darf ihn nur nicht im Ennspannungsbad vergessen…

Garn Nr. 5 ist nett, aber ich finde, es kann mit den anderen Garnen nicht ganz mithalten. Der dezente Tweed-Charakter wird durch die bunten Farben etwas zunichte gemacht. Für dieses Garn habe ich dann nicht mal mehr den Zoom Loom bemüht – dezenter würde es wohl auch gewebt nicht werden… Als Farbtupfer gemischt mit neutraleren Garnen kann ich mir dieses Garn aber gut vorstellen.

… zuguterletzt

Und als ich fertig war mit meinem Experiment, was hab ich da gefunden?

Natürlich ein tolles Video von Chanti zur Herstellung von Garnen aus Garnresten, die die gleiche Idee etwas früher hatte (lach). Schaut mal bei ihr vorbei, sie zeigt eine etwas effizientere Methode der Vorbereitung der Garnreste.

In ihrem Videopodcast spricht Antje Vajen mit dem Tweed-Weber Hans Merkel (zu sehen auf youtube).


Von der Faser zum Faden – Wie designe ich ein Garn?

Und immer wieder die Skudden. Die haben sich so ganz heimlich in mein Herz geschlichen. Ihre Wolle wird in meinen Augen komplett unterbewertet – Skudde kann mehr als nur Topfkratzer und Teppichgarn! Also (ihr ahnt es …) startete ich ein Experiment: Welche verschiedenen Garne kann ich aus Skuddewolle herstellen? Dabei zeige ich euch, wie ich beim Spinnen charakteristische Fasereigenschaften bestmöglich herausarbeite.

Es klingelt an der Tür, und ich hüpfe vor Aufregung: Mein Flauschpaket ist da! Ich hatte mir Kardenband von einem Skudden-Schafhof bestellt (die einzige mir bekannte Quelle dafür) und war sehr neugierig auf die Fasern. Bislang war noch jedes Skudde-Vlies, das ich in Händen hatte, einzigartig in seinen Fasern. Farbe, Griff, Faserlänge, Kräuselung, Stichelhaare – kein Schaf gleicht dem anderen, erst recht nicht bei den Bunten Skudden. Hinzu kommt, dass Skudden mischwollig sind und daher fast niemand sich die Mühe macht, daraus Kardenband herzustellen. Hier kannst Du mehr dazu lesen.

hellgraues Skuddegarn auf Handspindel, im Hintergrund der Karton mit der Faser
Die erste Spinnprobe – ich konnte nicht an mich halten – entstand direkt aus dem Karton heraus…

Wie entscheide ich nun, wie ich die Fasern am besten verspinne?

Schritt 1: Fasereigenschaften anschauen

Im allerersten Schritt werfe ich einen genauen Blick auf die Fasern und ihre Eigenschaften. Dabei achte ich auf folgende Punkte:

  • Wie lang sind die Fasern?
  • Sind sie gekräuselt oder eher glatt?
  • Weich (für den Hals oder eher für eine Tasche)?
  • Strubbelig?
  • Seidig und glatt?
  • Matt oder glänzend?
  • Lassen sie sich gut ausziehen?
  • Was für Garne kommen mir in den Kopf, wenn die Finger über die Fasern gleiten?

Am Ende muss ich eine Entscheidung treffen: Welche dieser Eigenschaften möchte ich nutzen und im Garn herausstellen? Dabei spielt natürlich auch eine Rolle, was am Ende daraus werden soll. Das Ganze ist also quasi ein multifaktorieller Prozess, alles beeinflusst einander.

Die Fasereigenschaften verraten mir auch schon viel darüber, was für diese Faser spinntechnisch Sinn ergeben könnte.

  • Sehr lange glatte Fasern würde ich z. B. immer mit sehr wenig Drall spinnen, um keine Paketschnur zu bekommen. (Außer natürlich, ich möchte Paketschnur haben …).
  • Stark gekräuselte kurze Fasern vertragen mehr Drall. Mit zu wenig Drall neigen sie vielleicht zum pilling.
  • Weiche, feine Fasern kann ich meist dünner ausziehen und zu feineren Garnen spinnen als gröbere, stabilere Fasern.
  • Ich schaue auch, ob Stichelhaare enthalten sind – das hat Einfluss darauf, wofür ich das fertige Garn verwenden kann. Stichelhaare kann ich nicht am Hals tragen, wohl aber als zweite Kleidungsschicht. Es würde also keinen Sinn ergeben, ein super feines Lacegarn für ein Tuch zu spinnen, wenn Stichelhaare enthalten sind. In solchem Fall würde ich eher zu einem anderen Garn tendieren.
Skudde Kardenband
Skudde Kardenband. Die Fasern sind ca. 5–7 cm lang und lassen sich gut ausziehen.

In diesem Fall sind die Fasern im Kardenband von einem wunderschönen hellen grau. Sie sind eine Mischung aus dunklen und hellen Fasern – dadurch ergibt sich dieser wunderbare Grau-Ton. Sie fühlen sich erstaunlich weich an – nicht merino-weich, aber definitiv weicher als Steinschaf und Rhönschaf. (Wobei, Rhönschaf kann auch schon relativ weich sein …). Borstige Stichelhaare kann ich auf den ersten Blick nicht erkennen. Die Fasern haben wenig Elastizität, sind ca. 7 cm lang und lassen sich hervorragend ausziehen.

Die Eigenschaften, die ich gerne herausarbeiten möchte, sind vor allem die Weichheit, aber auch die schöne Farbe.

Schritt 2: Wie kann ich die Fasern spinnen?

Nachdem ich entschieden habe, welche Fasereigenschaften ich besonders herausstellen möchte, überlege ich im zweiten Schritt, wie ich die Fasern spinnen kann, um das zu erreichen.

  • Kurzer Auszug oder lieber langer?
  • Soll das Garn stabil oder eher luftig werden?
  • Soll es eher dick oder eher dünn werden?

An dieser Stelle findet ein Wechselspiel statt zwischen zu spinnendem Garn und beabsichtigtem Endprodukt, denn wie oben schon gesagt, ist das Ganze ein multifaktorieller Prozess. Wenn ich ein dickeres Garn möchte, die Fasern sich aber fein ausziehen lassen, könnte ich z. B. 4fach verzwirnen. Wenn ich Socken stricken möchte, muss der Faden viel stabiler werden (und braucht mehr Drall), als wenn mein Ziel ein Lacetuch aus Single Garn ist. Wenn die Fasern schön glänzen und ich diesen Glanz herausarbeiten möchte, bietet sich ein Kammgarn an und ein Glattstreichen der Fasern beim Ausziehen.

Bei diesen Skudde-Fasern bin ich mir noch nicht ganz sicher, wie ich sie spinnen könnte und möchte daher ein möglichst breites Spektrum an Möglichkeiten abdecken. Aufgrund der geringen Kräuselung werden sie vermutlich nicht viel Drall vertragen, bevor sie hart werden. Sie fühlen sich im Kardenband schön weich an, das möchte ich wie gesagt unbedingt erhalten. Welche Möglichkeiten habe ich also?

  1. Ich könnte ein klassisches 2fach gezwirntes Garn spinnen („2ply“). Mit wenig Drall sollte es auch einigermaßen weich bleiben. In glatt rechts gestrickt kommt dabei sicher auch die schöne hellgraue Farbe der Faser zum Tragen.
  2. Ich könnte auch corespinning versuchen. Dabei wird der Hüllfaser überhaupt kein Drall zugeführt und die Weichheit wird maximal erhalten.
  3. Aus anderen Experimenten weiß ich schon, dass auch Single-Garne sehr weich sein können. Ich stricke zwar nicht gerne damit (kleine persönliche Schrulle), aber fürs Weben sind sie hervorragend geeignet.
  4. Ich könnte die Fasern auch mit einer anderen Faser mischen, z.B. recycelte Sari-Seide. Das verändert zwar etwas die Farbe, betont aber vielleicht auch die Weichheit.

Übrigens: für diese Überlegungen sind bis hierher ungefähr drei Minuten vergangen. Ich habe schon viele Garne gesponnen und kann auf ein breites Spektrum an Möglichkeiten zurückgreifen, um mit den Fasereigenschaften und Spinnmöglichkeiten zu spielen. Je mehr man lernt, desto größer die Spielwiese!

Schritt 3: Proben spinnen

In der Theorie kann man hier schon viele Überlegungen anstellen, aber: Die Wahrheit liegt letztendlich im Faden. Wenn ich es also wirklich wissen will, muss ich Proben spinnen, um zu sehen, ob meine Überlegungen dem Realitäts-Check standhalten.

Die Wahrheit liegt letztendlich im Faden.

Probe 1: Klassisch gesponnen, zweifach verzwirnt.

Und wie das so ist im Hause faserexperimente: Ich kann es natürlich nicht erwarten und mache die erste Spindelprobe direkt aus dem Karton raus. Ich merke dabei schon: Im langen Auszug wird der Faden etwas unregelmäßig. Möchte ich das? Hmmm …warum nicht. Das bedeutet, dass ich schön texturierte Flächen mit glatt rechts machen könnte …eine Strickprobe wird es ans Licht bringen.

Skudde 2ply Probe
Der Klassiker: spindelgesponnen, zweifach gezwirnt. Jetzt zeigt sich, dass sich doch das eine oder andere Stichelhaar im Kammzug befindet.

Ich bemerke, dass meine Hände automatisch in den kurzen Auszug nach hinten gehen und ich lasse den Drall “reinschnippen” (d. h. ich kontrolliere ihn nur so halb mit der Drallhand), um etwas Luft in den Faden zu bekommen. Diese Fasern sind ja erstaunlich flauschig, und das möchte ich erhalten. Ein Glattstreichen der Fasern beim Ausziehen würde das zunichtemachen.

Das Ergebnis: Das Probegarn verliert etwas an Weichheit im Vergleich zur Faser. Außerdem lässt sich erkennen, dass in dem Kardenband offenbar doch Stichelhaare versteckt waren. Es sind erstaunlich weiche Stichelhaare, sie stören mich kaum. Dennoch finde ich dieses klassische 2ply-Garn noch nicht überzeugend – da geht noch mehr!

Probe 2: Corespinning

Eine gute Möglichkeit, die Weichheit einer Faser im Garn zu erhalten, ist das Corespinnen (in meinem Lichterketten-Artikel siehst Du ein Beispiel). Beim Corespinnen hat man einen Kernfaden, der mit einer Hüllfaser ungefähr im rechten Winkel umwickelt wird. Die aufgewickelte Faser erhält dabei keinerlei Drall und bleibt schön weich, lediglich der umwickelte Kern muss den Drall abfangen. Garneigenschaften wie Stabilität und Reißfestigkeit werden ausschließlich vom Kernfaden bestimmt, der Griff bzw. die Weichheit aber von der Hüllfaser. Man kann hier also ganz verschiedene Eigenschaften und Fasern miteinander verknüpfen.

Skudde corespun dick auf Spule
Einfaches corespun-Garn. Auch hier finden die Stichelhaare ihren Weg an die Oberfläche.

Man kann das „corespun-Garn“ dann so lassen, wie es ist. Man kann es aber auch nochmal mit sich selbst verzwirnen. Ich habe das früher in einem anderen Experiment schon einmal gemacht und fand das ziemlich cool, daher probier ich das auch hier einmal. Das fertige Garn wird dann vermutlich Richtung Teppichgarn gehen.

Diese Option funktionierte super gut und war für mich die Überraschung schlechthin! Das Garn ist deutlich weicher als das normal gesponnene Garn aus Probe 1. Leider ist es natürlich auch ziemlich dick, das liegt in der Natur des Garns. Ich stricke nicht so gerne mit dicken Garnen, aber vielleicht ist ja weben eine Option?

Skudde corespun plyback-Probe
Corespun-Garn mit sich selbst verzwirnt – mein Favorit!

In einer zweiten Runde habe ich einen dünneren Kernfaden verwendet (ca. Lacestärke). Hier war es deutlich schwieriger für mich, eine gleichmäßige Umhüllung zu erreichen, daher ist das Garn recht unregelmäßig geworden. Aber auch das gefällt mir sehr gut.

Probe 3: Singles, leicht angefilzt

In einem früheren Versuch habe ich Skudde-Fasern zu Singles gesponnen und leicht angefilzt. Diese Garne sollen zum Weben verwendet werden und gefielen mir sehr gut, und so will ich das auch mit diesen Fasern einmal ausprobieren. Der Vorteil von Singles ist: Man hat eine viel höhere Lauflänge und einen Arbeitsschritt weniger (es wird ja nicht gezwirnt)!

Zum Ausprobieren nehme ich meine schöne tibetische Spindel – sie hat einen großen Wirtel und dreht schön langsam, sodass ich nicht Gefahr laufe, den Faden zu überdrehen. Das Spinnen geht schon mal sehr gut, und das Garn selbst ist auch sehr schön weich. Allerdings sieht man in diesem Garn auch sehr deutlich die Stichelhaare – sie stehen drahtbürstig aus dem Faden heraus, denn ohne einen zweiten Faden im Garn können sie sich in alle Richtungen ausbreiten.

Skudde Single auf Spindel im Faserbett
Singles auf meiner liebsten Tibetischen Spindel, in einem Bett aus Kammzug. Die Farbe ist einfach nur fantastisch! Noch sieht man die Stichelhaare nicht, die erscheinen erst nach dem Waschen und anfilzen.

Das Garn ist aber trotzdem sehr schön, und wenn ich etwas weben wollte, wäre das sicher eine gute Variante.

Probe 4: Mischen mit recycelter Sariseide

Recycelte Sariseide kommt meist in sehr leuchtenden Farben und kann einem Garn als Beimischung schon in kleinen Mengen einen wunderschönen Tweedcharakter verleihen. Ich hatte in meinem Vorrat noch einige Pröbchen und entschied mich für ein kühles helles Blau.
Um die Fasern gut zu mischen, stellte ich mir mit Handkarden Rolags her aus 10g Skudde und 1g Sariseide.

Skudde Rolags mit Sari-Seide
Rolags aus Skudde-Kammzug mit 10 % Sari-Seide. Der Sari-Seide-Anteil war etwas zu hoh gegriffen für meinen Geschmack.

Die Rolags spannen sich sehr gut, im Gegensatz zum Kardenband war hier ein langer Auszug an der Fallspindel möglich. Das Garn ist weicher als Probe 1 und, nunja, bunt. Mit dem Anteil an Sariseide hab ich wohl etwas hoch gegriffen – 10 % waren dann doch etwas viel und sind hart an der Grenze, das Garn zu dominieren. Wenn ich mich für diese Probe entscheiden sollte, würde ich definitiv weniger Sariseide nehmen.

Skudde Spinnprobe mit Sari-Seide auf Spindel
Versponnen dominiert die Sari-Seide schon sehr und macht das Garn etwas zu bunt. Eigentlich wollte ich nur so kleine Farbsprenkel. Nunja, dafür sind ja Proben da!

FAZIT: Die Entscheidung fällt schwer.

Mit all diesen Proben in der Hand fällt es mir trotzdem noch schwer, mich für eine Variante zu entscheiden.

Skudde Spinnproben 2ply, corespun 2ply, single, 2ply mit Sariseide
Alle Proben auf einen Streich: v.l.n.r. 2ply, Corespun mit dickem Kern, Corespun mit dünnem Kern, Single, 2ply mit 10 % Sari-Seide.

Das Corespun gefällt mir supergut, aber gestrickt kann ich es mir nicht gut vorstellen. Für einen Pullover ist es mir definitiv zu dick. Es hat immer noch einen ganz leichten Prickelfaktor, also fallen auch Mützen und Stirnbänder raus. Oder vielleicht mit einem Baumwoll-Inlay…?

Vielleicht ist weben doch besser – aber auch hier: Was macht man mit so einem dicken Webstoff? Taschen nähen? Dafür ist das Garn wiederum nicht stabil genug. Vielleicht, wenn ich es noch anfilze …

Filzen! Das ist doch eine gute Möglichkeit, denn Skudde filzt hervorragend. Diese Option habe ich viel zu selten auf dem Schirm, weil ich keine Filzerin bin. Also: Singles spinnen, Stoff weben und dann in der Waschmaschine filzen? O, das klingt gut, wenn ich das jetzt so schreibe. Ich glaube, das mach ich. Als Kettgarn vielleicht ein 2ply mit Sariseide, und die Singles als Schuss. Und DANN vielleicht Taschen draus herstellen.

Na, damit hätte ich ja nicht gerechnet! Was für ein Glück, dass ich Spinnproben mache!

Sobald ich anfange, eine größere Menge zu spinnen, werde ich wieder Proben machen – aber diesmal kleinere, denn ich brauche sie nur, um eine größere Menge konsistentes Garn spinnen zu können. Dafür nehme ich meine Spinnkarten zur Hand.


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Topfkratzer oder Schmusewolle? Experimente zur Verarbeitung von Skuddenwolle

Skuddenwolle hat nicht den Ruf, besonders weich zu sein. Sie wird auch nicht besonders oft zu Garn verarbeitet. Das liegt vor allem an ihrer Beschaffenheit und den nötigen Verarbeitungschritten, die sich daraus ergeben. Bis vor etwa zwei Jahren hatte ich von Skudde-Wolle gelesen und gehört, aber „in echt“ hatte ich sie noch nie bearbeitet. Dann besuchte ich Sigi und ihre Bunten Skudden in Stahnsdorf. Sie schenkte mir ein Stück Vlies, und damit begann ich eine Reihe sehr interessanter Experimente zu unterschiedlichen Verarbeitungsweisen und war erstaunt über die Ergebnisse.

Vliesstück hellgrau Bunte Skudde
Ein Stück Vlies einer Bunten Skudde in herrlichem silbergrau.

Wie ist ein Skuddenvlies beschaffen?

Skudden gehören zu den Nordischen Kurzschwanzschafen (wie z. B. auch Shetland-Schafe) und sind mischwollig. Ihr Vlies wiegt meist nicht viel mehr als 1 kg und besteht im Grunde aus drei verschiedenen Faserarten:

  • Lange Deckhaare (Grannenhaare)
  • Feine Unterwolle
  • Stichel- bzw. Borstenhaare

Mit diesen drei Fasertypen sind die Schafe perfekt an die Witterungsbedingungen angepasst, unter denen sie leben. Die langen Deckhaare leiten Regenwasser ab und sorgen dafür, dass das Tier nicht bis auf die Haut durchnässt. Die feine Unterwolle ist gekräuselt und wärmt, und die Stichel- bzw. Borstenhaare sorgen wie ein Gerüst dafür, dass die Stapel bzw. Strähnen aufrecht bleiben und die wärmenden Lufteinschlüsse in der Wolle gehalten werden. (Ein Schäfer, der es ja wissen muss, hat mir erklärt, dass man bei Mischwollen nicht von „Stapeln“ spricht, Stapel gibt es nur bei mernio-artigen Vliesen. Bei Skudde spricht man eher von Strähnen oder Locken).

Diese drei Faserarten sind sowohl hinsichtlich der Faserlänge als auch ihrer Beschaffenheit sehr unterschiedlich. Die langen Deckhaare können gut und gerne 30 cm lang sein, und sie sind in der Regel auch sehr glatt. Die Unterwolle hingegen ist deutlich kürzer und auch gekräuselt. Diese Kräuselung sorgt für das Einschließen von Luftpolstern und Wärme. In den Vliesen, die ich bearbeitet habe, hatte die Unterwolle eine Länge von ca. 5-7 cm.

Ein Stapel eines weißen Skudde-Vlieses
Eine Locke aus einem weißen Skudde-Vlies. Dieser war nur knapp 20 cm lang, manche können bis zu 30 cm lang sein.
Skudde Stapel aufgetrennt
Eine Strähne Skudde-Wolle, aufgetrennt in Deckhaare (ganz unten) und Unterwolle. In diesem Fall sind nur sehr wenig Deckhaare vorhanden und deutlich mehr Unterwolle. Das Verhältnis von Deckhaaren zu Unterwolle ist variabel. Auch gut erkennbar: dieses Schaf hatte Schuppen (ganz oben).

Die gemeinsame Verarbeitung von Fasern so unterschiedlicher Länge ist eine Herausforderung, da sich nicht so einfach eine homogene Mischung erreichen lässt. Beim Kämmen trennen sich die langen von den kurzen Haaren, und beim Kardieren wickeln sich die langen Haare um kleinere Walzen. Eine maschinelle Verarbeitung ist daher ohne ein vorheriges Zerschneiden der Fasern kaum möglich.

Als Handspinner:in hat man bei der Verarbeitung mehr Möglichkeiten (und nein, man muss die Fasern nicht zerschneiden). Der Prozess ist jedoch aufwändiger, als man es vielleicht von gleichmäßigeren Vliesen gewohnt ist, und er lässt sich auch nicht gut beschleunigen.

Wie kann ich ein Skuddenvlies verarbeiten?

Wie kann man nun so unterschiedliche Faserarten am besten verarbeiten?
Einige Inspiration dazu erhielt ich durch die fantastischen Webinare von Josefin Waltin. Die schwedische Spinnerin arbeitet viel mit den mischwolligen Vliesen Schwedischer Landrassen, die ebenfalls zur Gruppe der Nordischen Kurzschwanzschafe gehören. In den Webinaren berichtet sie, wie sie die Wolle vorbereitet und wonach sie entscheidet, wie sie sie verarbeitet. Die Garne, die sie spinnt und zeigt, sind absolut fantastisch.

Die Erkenntnisse fasst sie auch in wunderbaren Blogartikeln zusammen – wie in diesem hier zu Rya-Wolle, Aland-Wolle und diesem hier über Mischwolle (engl. dual coat). Sie hat eine faszinierende und sehr schöne Methode entwickelt, diese Wollen vorzubereiten und zu verarbeiten (wie hier z. B. in diesem Video erklärt).

Skuddenwolle ist offenbar den schwedischen Landrassen ähnlich, aber dennoch scheint es Unterschiede zu geben. Das Verhältnis von Deckhaar zu Unterwolle ist bei schwedischen Landrassen eher bei 50/50 oder 40/60. Die Skudde-Vliese, die ich bearbeitet habe, enthielten deutlich weniger Deckhaar. Auch enthielten die meisten Skudde-Vliese, die ich in der Hand hatte, deutlich mehr Stichelhaare als schwedische Landrassen (soweit ich das über das Video beurteilen kann). Meiner Erfahrung nach fallen die Stichelhaare nicht alle während der Verarbeitung heraus, sie bleiben relativ lange im Garn und sie stören mich auch wirklich, wenn ich aus dem Garn ein Kleidungsstück herstellen möchte (hier habe ich über das Empfinden von Weichheit bei Wolle geschrieben).

Josefin verarbeitet mischwollige Vliese entweder so, wie sie vom Tier kommen (Deckhaare und Unterwolle gemeinsam), oder aber sie trennt die Deckhaare von der Unterwolle und verarbeitet diese Faserarten separat. Diese Herangehensweise erschien mir absolut logisch und so folgte ich in diesem Experiment ihrem Beispiel. Ich wollte wissen: Wie kann ich das Beste aus der Skudde-Wolle herausholen? Wie viel Aufwand ist das? Und lohnt sich das überhaupt?

Versuch 1: Vergleich von zusammen und getrennt verarbeiteten Fasern

Das erste Stück Skudde-Vlies, das ich in den Händen hielt, stammte von einer Bunten Skudde aus der Herde von Sigis Schafe. Inspiriert von Josefins Ansatz wollte ich die verschiedenen Faserarten sowohl getrennt voneinander als auch zusammen verarbeiten.

So habe ich die Fasern verarbeitet

In einem ersten Versuch habe ich das Vliesstück vor der Verarbeitung bei ca. 60°C mit PowerScour gewaschen und danach in zwei ungefähr gleich große Teile geteilt.

Für die gemeinsame Verarbeitung habe ich die gesamten Fasern mit meinen Handkarden (72tpi) zu Rolags kardiert. Die Rolags waren erstaunlich gut herzustellen. Zwar waren die Fasern unterschiedlich lang, aber der Längenunterschied war für das Kardieren nicht hinderlich, solange ich sorgfältig gearbeitet habe und die Fasern sich nicht auf sich selbst zurückfalteten.

Rolags und Handkarden, Skudde, zusammen verarbeitet
Für diese Rolags habe ich Deckhaare und Unterwolle zusammen kardiert.
Rolags, Nahaufnahme, Skuddenwolle zusammen verarbeitet
Nahaufnahme der zusammen kardierten Fasern. Die dunklen Haare sind recht spröde und pieksig, für Kemp sind sie allerdings zu lang.

Bei der getrennten Verarbeitung habe ich per Hand nach dem Waschen die Deckhaare ausgezogen. Das war durchaus mühsam, da die Schnittkanten leicht angefilzt waren. Das Kardieren der Rolags war jedoch ebenso einfach wie bei den gemeinsam verarbeiteten Fasern. Leider erinnere ich mich nicht mehr genau, wie ich die Deckhaare vorbereitet habe. Möglicherweise habe ich sie nicht gekämmt, sondern nur in die Handkarden eingehängt und von dort aus direkt gesponnen.

Rolags Skudde nur Unterwolle
Rolags nur aus der Unterwolle kardiert enthielten deutlich weniger dieser schwarzen pieksigen Haare. Dementsprechend wurde das Garn deutlich heller.

Die drei Garne – sehr charakteristisch

Die drei Garne, (gemeinsam verarbeitet, nur Deckhaar, nur Unterwolle) waren durchaus unterschiedlich in der Haptik. Alle drei Garne waren keine Schmusegarne, da in diesem Vliesstück auch eine Menge Stichelhaare waren, die sich beim Kardieren nicht vollständig entfernen ließen (lies hier nochmal nach, was Stichelhaare sind). Auf der anderen Seite habe ich auch schon Garne produziert, die einen deutlich höheren, wie soll ich sagen, “Durchblutungsfaktor” hatten.

Nahaufnahme helle Garne von Bunten Skudden, Deckhaaare, Unterwolle und gemeinsam verarbeitet
Die drei Garne aus dem ersten Versuch: links aus gemeinsam verarbeiteten Fasern, in der Mitte nur aus Unterwolle, rechts aus den Deckhaaren.

Von den drei Garnen war das, was nur aus Unterwolle gesponnen war, erwartungsgemäß das weicheste (auch wenn ich es nicht als „flauschig“ bezeichnen würde). Interessant sind auch die Farbunterschiede: Die Unterwolle war in diesem Fall heller als die Deckhaare. Und wie sich bei einem Blick auf das Vlies auch schon vermuten lässt, enthält es deutlich mehr Unterwolle als Deckhaare.

Versuch 2: Deckhaare und Unterwolle getrennt verarbeiten

In einem zweiten Versuch habe ich die Deckhaare VOR dem Waschen mit der Hand ausgezogen. Durch das noch enthaltene Lanolin war eine Art natürliches Gleitmittel in den Fasern enthalten, das die Trennung von Deckhaaren und Unterwolle in der Theorie erleichtern sollte, und das wollte ich unbedingt ausprobieren.

Für diesen Versuch habe ich ein dunkles Vliesstück verarbeitet, das fast keine Stichelhaare enthielt – ich ging also davon aus, dass die Garne weniger pieksig sein würden als im ersten Versuch.

Die Schnittkanten des Vliesstücks waren nicht angefilzt,

So habe ich das Vliesstück vorbereitet und verarbeitet

Ich bin Locke für Locke durch das Vlies gegangen, habe mit den Händen eine Locke abgetrennt und die Schnittkante mit einer Hand festgehalten. Mit der anderen habe ich die Spitze mit den Deckhaaren zwischen Daumen und Zeigefinger festgehalten und durch leichtes Hin- und Herziehen die beiden Faserarten getrennt. Mit den Händen allein ging es teilweise schon ganz gut, noch besser ging es aber mit Kämmen. Das Prinzip ist das gleiche:

  • einige Locken (nicht zu viele) mit der Schnittkante in den Kamm einlegen
  • Spitze zwischen Daumen und Zeigefinger einklemmen, so dass nur die Deckhaare erfasst werden
  • langsames Ziehen und hin- und her-Bewegen trennt die Deckhaare recht gut vom Rest der Strähne

Deckhaare und Unterwolle habe ich anschließend getrennt gewaschen und dann aufbereitet.

Die Deckhaare ließen sich gut kämmen. Ich habe daraus Kammzüge gezogen, die ich mit der Handspindel zu einem Kammgarn mit sehr wenig Drall verarbeitet habe.

Kämmen von Deckhaar, Bunte Skudden
Die ausgezogenen Deckhaare habe ich nach dem Waschen gekämmt und kleine Nester aus Kammzug gemacht. Ich hätte sie auch gut vom Kamm spinnen können.
Skudde Deckhaare auf Spindel Garn hellgrau
Das Kammgarn auf der Spindel. Ich habe eine langsam drehende Kopfspindel dafür gewählt, um möglichst wenig Drall zu erzeugen.

Die Unterwolle habe ich nach dem Waschen mit Kämmen geöffnet (Josefin Waltin zeigt das ganz wunderbar in diesem Video). Nach 2–3 Kämmvorgängen habe ich mit beiden Händen die Wolle von den Kämmen gezogen (keinen Kammzug, sondern einfach in Büscheln herausgezogen). Die so geöffneten Fasern ließen sich anschließend mit Handkarden (72tpi) wunderbar leicht zu Rolags verarbeiten.

Die Fasern waren deutlich kürzer als die Deckhaare und fühlten sich weich und seidig an (das Fehlen von Stichelhaaren hat sicher geholfen …). Nachdem ich eine Weile gearbeitet hatte, fiel mir auf, dass das, was ich für Unterwolle gehalten hatte, offenbar wiederum aus zwei verschiedenen Fasertypen bestand. Zum einen waren da längere Fasern, wie man sie vielleicht auch vom Gotländischen Pelzschaf kennt oder vom Rauhwolligen Pommerschen Landschaf. Etwas gewellt, nicht sehr biegsam, d. h. etwas Haar-artig. Und dann waren da noch ganz, ganz feine dunkelbraune Flaumfasern. Das muss die echte Unterwolle gewesen sein. Sie ließ sich leider nicht wirklichfotografieren und auch nicht durch Kämmen von den anderen Fasern trennen, dafür waren die beiden Faserarten wohl zu gleichartig in der Länge. Beim Kämmen zieht man ja quasi systembedingt immer erst die langen Fasern vom Kamm und dann immer kürzere, sodass man theoretisch Fasern der Länge entsprechend trennen könnte.

Skudde Unterwolle Rolags im Korb Garn auf Spindel
Rolags aus der Unterwolle und eine etwas schneller drehende Spindel.

Die getrennten Garne – eines flauschig, eines fest

Durch die Trennung der Faserarten fiel mir auf, dass auch bei diesem Vliesstück (wie auch in Versuch 1 schon beschrieben) die Deckhaare eine andere Farbe hatten als die Unterwolle. Anders als bei der Probe aus Versuch 1 ist hier das Unterhaar dunkler als das Deckhaar. Für beide Garne habe ich nur wenig Drall zugefügt, sodass die Garne für mich dadurch sehr weich wurden (das Fehlen der Stichelhaare mag auch dazu beigetragen haben).

Das Garn aus den Deckhaaren hat kaum Elastizität (das Deckhaar ist kaum gekräuselt) und würde sich sicher hervorragend für ein Kettgarn beim Weben eignen. Das Garn aus der Unterwolle wird vermutlich schön warm, denn die etwas steiferen der beiden Faserarten sorgt für Stand und den Lufteinschluss, den es für die Wärmeisolation braucht. Noch habe ich es nicht weiterverarbeitet, aber ich bin schon sehr gespannt darauf.
Aus der Unterwolle habe ich sowohl ein zweifädiges als auch ein dreifädiges Garn hergestellt. Das zweifädige gefällt mir etwas besser, weil es mehr Luft und Leichtigkeit vermittelt. Das dreifädige wirkt irgendwie schwerer und fast schon wuchtig.

Nahaufnahme graues Garn aus Deckhaar von Bunten Skudden
Das Kammgarn aus den Deckhaaren. Leider etwas unscharf, aber man erkennt den lockeren Zwirn und die schöne melierte Farbe,
Nahaufnahme Skudde Unterwolle Garn dunkelgrau
Das Streichgarn aus der Unterwolle. Ganz andere Farbe, anderer Zwirnwinkel. Durch die Abwesenheit von Kemp ist dieses Garn wirklich sehr flauschig.
3 Stränge graues Garn aus Bunten Skudden, Deckhaare und Unterwolle
… und noch mal ein Gruppenfoto! Oben das Garn aus den Deckhaaren, darunter aus der Unterwolle. Definitiv kein 50:50-Verhältnis!

Mein Fazit: Kratzig oder flauschig, beides ist möglich – ich bin fasziniert!

Ich bin fasziniert. Skudde muss nicht so rau oder kratzig sein, wie viele berichten. Mittlerweile habe ich Vliesstücke von mehreren Tieren verarbeitet, und dabei habe ich wieder einmal gemerkt, dass es bei Wolle nicht Den Einen Weg gibt. Die Variabilität der Wolle von Tier zu Tier erscheint mir bei der Skudde besonders groß zu sein. Es hängt immer davon ab, was man für ein Vlies vor sich hat und was man erreichen möchte.
Es gibt definitiv Vliese, die ein super … nunja, äh … Teppichgarn (oder, um mal im Bild von eingangs zu bleiben: Topfkratzer) geben. Aber es gibt auch durchaus flauschige Skudden! In die dunklen Garne bin ich regelrecht verschossen und träume jetzt schon von verschiedenen Verarbeitungsmöglichkeiten. Nur Stricken ist da definitiv zu eng gedacht. Das Kammgarn aus den Deckhaaren würde definitiv ein tolles Kettgarn für ein Webstück geben – gestrickt zeigt es sich sicher nicht von seiner besten Seite. Das Streichgarn aus der Unterwolle könnte man sehr wohl stricken, aber es wäre auch hervorragend für den Schuss geeignet. Und dann kann man ja noch mit Mustern spielen …in Josefins Blogartikel hat sie einen wirklich sehr interessanten Gedanken: Wenn man ein Twill-Gewebe herstellt, dann bekommt man ein zwei-seitiges Gewebe. Auf der einen Seite wäre die robustere Kette dominant, auf der anderen Gewebeseite der weichere Schuss. Perfekt für eine Innen- und eine Außen-Seite …die Möglichkeiten sind schier endlos.

Und das ist genau der Punkt, der mich so fasziniert: Als Handspinnerin kann ich beide Garne verarbeiten! Ich kann das Beste aus mehreren Welten vereinen, wenn ich mich dafür entscheide. Vermutlich hat man das auch früher so gemacht, weil man es sich nicht leisten konnte, einen Teil der Wolle einfach so wegzuwerfen. Es wurde genutzt, was da war. Dadurch entstand eine Vielfalt an Möglichkeiten der Verarbeitung, derer man sich heutzutage beraubt, wenn Maschinen nur begrenzte Faserlängen verarbeiten können.

Kurz vor der Finalisierung dieses Artikels lief mir ein Blogartikel zu einem ganz ähnlichen Projekt über den Weg (danke, Universum!). Kerstin Neumüller aus Stockholm möchte aus der Wolle von Island-Schafen ein Gewebe herstellen, das völlig plastikfrei und doch funktional ist – eine Seite soll flauschig werden, die andere wasserabweisend (da hab ich doch gleich an Josefins Artikel gedacht!). Das Allercoolste: Sie bekommt sogar ein Stipendium des Staates Schweden dafür! Ich bin schon sehr gespannt, was sie berichten wird.

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