Ein Blog über Schafe, Wolle und Handspinnen

Von der Faser zum Faden – Wie designe ich ein Garn?

Und immer wieder die Skudden. Die haben sich so ganz heimlich in mein Herz geschlichen. Ihre Wolle wird in meinen Augen komplett unterbewertet – Skudde kann mehr als nur Topfkratzer und Teppichgarn! Also (ihr ahnt es …) startete ich ein Experiment: Welche verschiedenen Garne kann ich aus Skuddewolle herstellen? Dabei zeige ich euch, wie ich beim Spinnen charakteristische Fasereigenschaften bestmöglich herausarbeite.

Es klingelt an der Tür, und ich hüpfe vor Aufregung: Mein Flauschpaket ist da! Ich hatte mir Kardenband von einem Skudden-Schafhof bestellt (die einzige mir bekannte Quelle dafür) und war sehr neugierig auf die Fasern. Bislang war noch jedes Skudde-Vlies, das ich in Händen hatte, einzigartig in seinen Fasern. Farbe, Griff, Faserlänge, Kräuselung, Stichelhaare – kein Schaf gleicht dem anderen, erst recht nicht bei den Bunten Skudden. Hinzu kommt, dass Skudden mischwollig sind und daher fast niemand sich die Mühe macht, daraus Kardenband herzustellen. Hier kannst Du mehr dazu lesen.

hellgraues Skuddegarn auf Handspindel, im Hintergrund der Karton mit der Faser
Die erste Spinnprobe – ich konnte nicht an mich halten – entstand direkt aus dem Karton heraus…

Wie entscheide ich nun, wie ich die Fasern am besten verspinne?

Schritt 1: Fasereigenschaften anschauen

Im allerersten Schritt werfe ich einen genauen Blick auf die Fasern und ihre Eigenschaften. Dabei achte ich auf folgende Punkte:

  • Wie lang sind die Fasern?
  • Sind sie gekräuselt oder eher glatt?
  • Weich (für den Hals oder eher für eine Tasche)?
  • Strubbelig?
  • Seidig und glatt?
  • Matt oder glänzend?
  • Lassen sie sich gut ausziehen?
  • Was für Garne kommen mir in den Kopf, wenn die Finger über die Fasern gleiten?

Am Ende muss ich eine Entscheidung treffen: Welche dieser Eigenschaften möchte ich nutzen und im Garn herausstellen? Dabei spielt natürlich auch eine Rolle, was am Ende daraus werden soll. Das Ganze ist also quasi ein multifaktorieller Prozess, alles beeinflusst einander.

Die Fasereigenschaften verraten mir auch schon viel darüber, was für diese Faser spinntechnisch Sinn ergeben könnte.

  • Sehr lange glatte Fasern würde ich z. B. immer mit sehr wenig Drall spinnen, um keine Paketschnur zu bekommen. (Außer natürlich, ich möchte Paketschnur haben …).
  • Stark gekräuselte kurze Fasern vertragen mehr Drall. Mit zu wenig Drall neigen sie vielleicht zum pilling.
  • Weiche, feine Fasern kann ich meist dünner ausziehen und zu feineren Garnen spinnen als gröbere, stabilere Fasern.
  • Ich schaue auch, ob Stichelhaare enthalten sind – das hat Einfluss darauf, wofür ich das fertige Garn verwenden kann. Stichelhaare kann ich nicht am Hals tragen, wohl aber als zweite Kleidungsschicht. Es würde also keinen Sinn ergeben, ein super feines Lacegarn für ein Tuch zu spinnen, wenn Stichelhaare enthalten sind. In solchem Fall würde ich eher zu einem anderen Garn tendieren.
Skudde Kardenband
Skudde Kardenband. Die Fasern sind ca. 5–7 cm lang und lassen sich gut ausziehen.

In diesem Fall sind die Fasern im Kardenband von einem wunderschönen hellen grau. Sie sind eine Mischung aus dunklen und hellen Fasern – dadurch ergibt sich dieser wunderbare Grau-Ton. Sie fühlen sich erstaunlich weich an – nicht merino-weich, aber definitiv weicher als Steinschaf und Rhönschaf. (Wobei, Rhönschaf kann auch schon relativ weich sein …). Borstige Stichelhaare kann ich auf den ersten Blick nicht erkennen. Die Fasern haben wenig Elastizität, sind ca. 7 cm lang und lassen sich hervorragend ausziehen.

Die Eigenschaften, die ich gerne herausarbeiten möchte, sind vor allem die Weichheit, aber auch die schöne Farbe.

Schritt 2: Wie kann ich die Fasern spinnen?

Nachdem ich entschieden habe, welche Fasereigenschaften ich besonders herausstellen möchte, überlege ich im zweiten Schritt, wie ich die Fasern spinnen kann, um das zu erreichen.

  • Kurzer Auszug oder lieber langer?
  • Soll das Garn stabil oder eher luftig werden?
  • Soll es eher dick oder eher dünn werden?

An dieser Stelle findet ein Wechselspiel statt zwischen zu spinnendem Garn und beabsichtigtem Endprodukt, denn wie oben schon gesagt, ist das Ganze ein multifaktorieller Prozess. Wenn ich ein dickeres Garn möchte, die Fasern sich aber fein ausziehen lassen, könnte ich z. B. 4fach verzwirnen. Wenn ich Socken stricken möchte, muss der Faden viel stabiler werden (und braucht mehr Drall), als wenn mein Ziel ein Lacetuch aus Single Garn ist. Wenn die Fasern schön glänzen und ich diesen Glanz herausarbeiten möchte, bietet sich ein Kammgarn an und ein Glattstreichen der Fasern beim Ausziehen.

Bei diesen Skudde-Fasern bin ich mir noch nicht ganz sicher, wie ich sie spinnen könnte und möchte daher ein möglichst breites Spektrum an Möglichkeiten abdecken. Aufgrund der geringen Kräuselung werden sie vermutlich nicht viel Drall vertragen, bevor sie hart werden. Sie fühlen sich im Kardenband schön weich an, das möchte ich wie gesagt unbedingt erhalten. Welche Möglichkeiten habe ich also?

  1. Ich könnte ein klassisches 2fach gezwirntes Garn spinnen („2ply“). Mit wenig Drall sollte es auch einigermaßen weich bleiben. In glatt rechts gestrickt kommt dabei sicher auch die schöne hellgraue Farbe der Faser zum Tragen.
  2. Ich könnte auch corespinning versuchen. Dabei wird der Hüllfaser überhaupt kein Drall zugeführt und die Weichheit wird maximal erhalten.
  3. Aus anderen Experimenten weiß ich schon, dass auch Single-Garne sehr weich sein können. Ich stricke zwar nicht gerne damit (kleine persönliche Schrulle), aber fürs Weben sind sie hervorragend geeignet.
  4. Ich könnte die Fasern auch mit einer anderen Faser mischen, z.B. recycelte Sari-Seide. Das verändert zwar etwas die Farbe, betont aber vielleicht auch die Weichheit.

Übrigens: für diese Überlegungen sind bis hierher ungefähr drei Minuten vergangen. Ich habe schon viele Garne gesponnen und kann auf ein breites Spektrum an Möglichkeiten zurückgreifen, um mit den Fasereigenschaften und Spinnmöglichkeiten zu spielen. Je mehr man lernt, desto größer die Spielwiese!

Schritt 3: Proben spinnen

In der Theorie kann man hier schon viele Überlegungen anstellen, aber: Die Wahrheit liegt letztendlich im Faden. Wenn ich es also wirklich wissen will, muss ich Proben spinnen, um zu sehen, ob meine Überlegungen dem Realitäts-Check standhalten.

Die Wahrheit liegt letztendlich im Faden.

Probe 1: Klassisch gesponnen, zweifach verzwirnt.

Und wie das so ist im Hause faserexperimente: Ich kann es natürlich nicht erwarten und mache die erste Spindelprobe direkt aus dem Karton raus. Ich merke dabei schon: Im langen Auszug wird der Faden etwas unregelmäßig. Möchte ich das? Hmmm …warum nicht. Das bedeutet, dass ich schön texturierte Flächen mit glatt rechts machen könnte …eine Strickprobe wird es ans Licht bringen.

Skudde 2ply Probe
Der Klassiker: spindelgesponnen, zweifach gezwirnt. Jetzt zeigt sich, dass sich doch das eine oder andere Stichelhaar im Kammzug befindet.

Ich bemerke, dass meine Hände automatisch in den kurzen Auszug nach hinten gehen und ich lasse den Drall “reinschnippen” (d. h. ich kontrolliere ihn nur so halb mit der Drallhand), um etwas Luft in den Faden zu bekommen. Diese Fasern sind ja erstaunlich flauschig, und das möchte ich erhalten. Ein Glattstreichen der Fasern beim Ausziehen würde das zunichtemachen.

Das Ergebnis: Das Probegarn verliert etwas an Weichheit im Vergleich zur Faser. Außerdem lässt sich erkennen, dass in dem Kardenband offenbar doch Stichelhaare versteckt waren. Es sind erstaunlich weiche Stichelhaare, sie stören mich kaum. Dennoch finde ich dieses klassische 2ply-Garn noch nicht überzeugend – da geht noch mehr!

Probe 2: Corespinning

Eine gute Möglichkeit, die Weichheit einer Faser im Garn zu erhalten, ist das Corespinnen (in meinem Lichterketten-Artikel siehst Du ein Beispiel). Beim Corespinnen hat man einen Kernfaden, der mit einer Hüllfaser ungefähr im rechten Winkel umwickelt wird. Die aufgewickelte Faser erhält dabei keinerlei Drall und bleibt schön weich, lediglich der umwickelte Kern muss den Drall abfangen. Garneigenschaften wie Stabilität und Reißfestigkeit werden ausschließlich vom Kernfaden bestimmt, der Griff bzw. die Weichheit aber von der Hüllfaser. Man kann hier also ganz verschiedene Eigenschaften und Fasern miteinander verknüpfen.

Skudde corespun dick auf Spule
Einfaches corespun-Garn. Auch hier finden die Stichelhaare ihren Weg an die Oberfläche.

Man kann das „corespun-Garn“ dann so lassen, wie es ist. Man kann es aber auch nochmal mit sich selbst verzwirnen. Ich habe das früher in einem anderen Experiment schon einmal gemacht und fand das ziemlich cool, daher probier ich das auch hier einmal. Das fertige Garn wird dann vermutlich Richtung Teppichgarn gehen.

Diese Option funktionierte super gut und war für mich die Überraschung schlechthin! Das Garn ist deutlich weicher als das normal gesponnene Garn aus Probe 1. Leider ist es natürlich auch ziemlich dick, das liegt in der Natur des Garns. Ich stricke nicht so gerne mit dicken Garnen, aber vielleicht ist ja weben eine Option?

Skudde corespun plyback-Probe
Corespun-Garn mit sich selbst verzwirnt – mein Favorit!

In einer zweiten Runde habe ich einen dünneren Kernfaden verwendet (ca. Lacestärke). Hier war es deutlich schwieriger für mich, eine gleichmäßige Umhüllung zu erreichen, daher ist das Garn recht unregelmäßig geworden. Aber auch das gefällt mir sehr gut.

Probe 3: Singles, leicht angefilzt

In einem früheren Versuch habe ich Skudde-Fasern zu Singles gesponnen und leicht angefilzt. Diese Garne sollen zum Weben verwendet werden und gefielen mir sehr gut, und so will ich das auch mit diesen Fasern einmal ausprobieren. Der Vorteil von Singles ist: Man hat eine viel höhere Lauflänge und einen Arbeitsschritt weniger (es wird ja nicht gezwirnt)!

Zum Ausprobieren nehme ich meine schöne tibetische Spindel – sie hat einen großen Wirtel und dreht schön langsam, sodass ich nicht Gefahr laufe, den Faden zu überdrehen. Das Spinnen geht schon mal sehr gut, und das Garn selbst ist auch sehr schön weich. Allerdings sieht man in diesem Garn auch sehr deutlich die Stichelhaare – sie stehen drahtbürstig aus dem Faden heraus, denn ohne einen zweiten Faden im Garn können sie sich in alle Richtungen ausbreiten.

Skudde Single auf Spindel im Faserbett
Singles auf meiner liebsten Tibetischen Spindel, in einem Bett aus Kammzug. Die Farbe ist einfach nur fantastisch! Noch sieht man die Stichelhaare nicht, die erscheinen erst nach dem Waschen und anfilzen.

Das Garn ist aber trotzdem sehr schön, und wenn ich etwas weben wollte, wäre das sicher eine gute Variante.

Probe 4: Mischen mit recycelter Sariseide

Recycelte Sariseide kommt meist in sehr leuchtenden Farben und kann einem Garn als Beimischung schon in kleinen Mengen einen wunderschönen Tweedcharakter verleihen. Ich hatte in meinem Vorrat noch einige Pröbchen und entschied mich für ein kühles helles Blau.
Um die Fasern gut zu mischen, stellte ich mir mit Handkarden Rolags her aus 10g Skudde und 1g Sariseide.

Skudde Rolags mit Sari-Seide
Rolags aus Skudde-Kammzug mit 10 % Sari-Seide. Der Sari-Seide-Anteil war etwas zu hoh gegriffen für meinen Geschmack.

Die Rolags spannen sich sehr gut, im Gegensatz zum Kardenband war hier ein langer Auszug an der Fallspindel möglich. Das Garn ist weicher als Probe 1 und, nunja, bunt. Mit dem Anteil an Sariseide hab ich wohl etwas hoch gegriffen – 10 % waren dann doch etwas viel und sind hart an der Grenze, das Garn zu dominieren. Wenn ich mich für diese Probe entscheiden sollte, würde ich definitiv weniger Sariseide nehmen.

Skudde Spinnprobe mit Sari-Seide auf Spindel
Versponnen dominiert die Sari-Seide schon sehr und macht das Garn etwas zu bunt. Eigentlich wollte ich nur so kleine Farbsprenkel. Nunja, dafür sind ja Proben da!

FAZIT: Die Entscheidung fällt schwer.

Mit all diesen Proben in der Hand fällt es mir trotzdem noch schwer, mich für eine Variante zu entscheiden.

Skudde Spinnproben 2ply, corespun 2ply, single, 2ply mit Sariseide
Alle Proben auf einen Streich: v.l.n.r. 2ply, Corespun mit dickem Kern, Corespun mit dünnem Kern, Single, 2ply mit 10 % Sari-Seide.

Das Corespun gefällt mir supergut, aber gestrickt kann ich es mir nicht gut vorstellen. Für einen Pullover ist es mir definitiv zu dick. Es hat immer noch einen ganz leichten Prickelfaktor, also fallen auch Mützen und Stirnbänder raus. Oder vielleicht mit einem Baumwoll-Inlay…?

Vielleicht ist weben doch besser – aber auch hier: Was macht man mit so einem dicken Webstoff? Taschen nähen? Dafür ist das Garn wiederum nicht stabil genug. Vielleicht, wenn ich es noch anfilze …

Filzen! Das ist doch eine gute Möglichkeit, denn Skudde filzt hervorragend. Diese Option habe ich viel zu selten auf dem Schirm, weil ich keine Filzerin bin. Also: Singles spinnen, Stoff weben und dann in der Waschmaschine filzen? O, das klingt gut, wenn ich das jetzt so schreibe. Ich glaube, das mach ich. Als Kettgarn vielleicht ein 2ply mit Sariseide, und die Singles als Schuss. Und DANN vielleicht Taschen draus herstellen.

Na, damit hätte ich ja nicht gerechnet! Was für ein Glück, dass ich Spinnproben mache!

Sobald ich anfange, eine größere Menge zu spinnen, werde ich wieder Proben machen – aber diesmal kleinere, denn ich brauche sie nur, um eine größere Menge konsistentes Garn spinnen zu können. Dafür nehme ich meine Spinnkarten zur Hand.


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2 Kommentare

  1. Marie

    Liebe Kathrin,
    Ich bin vor einigen Tagen auf deinen Blog gestoßen und lese mich jetzt mit Begeisterung durch deine Blogposts! Ich bin schon lange Strickerin, seit kurzem Spinnerin und in wenigen Tagen Skudden-Besitzerin! Mir brennt es unter den Fingern mit den eigenen Vliesen von den eigenen Tieren zu arbeiten, bis es so sauge ich jedes bisschen Information auf, was ich finden kann.
    Deine Einträge sind wirklich super – sehr informativ, gut nachvollziehbar und super spannend! Danke dir <3

    • faserexperimente

      Liebe Marie,

      ganz herzlichen Dank! Wie schön, dass Dir meine Artikel gefallen 🙂
      Und herzlichen Glückwunsch, Deine eigenen Skudden, sehr schön. Mit den Vliesen der eigenen Tiere zu arbeiten ist natürlich das allerbeste! Wenn Du mehr Fragen hast, schreib mir gerne eine email.

      Herzliche Grüße!

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