“Ihre ergebenste Fräulein” , ein Film von Eva C. Heldmann

Ich bin ja nicht so ein Cineast, aber als ich eine Einladung zu einer Filmpremiere auf der Berlinale 2024 bekam, habe ich keine Sekunde gezögert. Und so fuhr ich an einem frühlingshaften Februartag zum Haus der Kulturen der Welt, um mir den Film anzusehen. Was das mit Wolle und Spinnen zu tun hat? Na, in besagtem Film haben mein Spinnrad und meine spinnenden Hände einen Auftritt!

Blick auf das Haus der Kulturen der Welt an einem bewölkten Tag. Im Vordergrund eine Blumenrabatte.
Das HKW am 16.2.24. Na, könnt ihr den roten Berlinale-Bären oben auf der Treppe erkennen?

Lasst uns nochmal kurz zurückspulen: Letztes Jahr kontaktierte mich die Filmemacherin Eva C. Heldmann über die Handspinngilde. Sie arbeitete an einem Film und suchte jemanden, der ihr das Spinnen zeigen konnte. Wir trafen uns auf einen Kaffee und es entspann sich ein sehr interessantes Gespräch über das eigentliche Sujet des Filmes: Catharina Helena Dörrien. Sie war eine Dame gehobeneren Standes, die im 18. Jhd in Frau Heldmanns Heimatstadt Dillenburg als Botanikerin, Malerin und Pädagogin lebte und wirkte. Für den Film war Frau Heldmann auf der Suche nach Informationen und bewegten Bildern rund um das Thema Spinnen.

Mädchen und Frauen wie Catharina Helena Dörrien war es damals im 18. Jhd. nicht möglich, eine ähnlich umfassende Ausbildung zu bekommen, wie sie für Jungen vorgesehen war. Dennoch eignete sie sich viel Wissen selbst an, indem sie im Unterricht ihrer Brüder anwesend war und sich die Lehrinhalte (u.a. Latein) durch aufmerksames Zuhören und ein phänomenales Gedächtnis einprägte. Sie fertigte in ihrer späteren Arbeit über 1400 unglaublich präzise und detailgetreue farbige Zeichnungen von Pflanzen aus ihrer Umgebung an und erhielt dabei viel Unterstützung von ihrem Arbeitgeber (dessen Kinder sie unterrichtete).

In den Film fanden aber nicht nur Zeichnungen, Briefe und pädagogische Schriften von Frau Dörrien Eingang, sondern auch in dieser Zeit veröffentlichte fürstliche Erlasse der damals Herrschenden. Und dabei ging es dann auch um das Spinnen: zum einen als eine für Mädchen und Frauen damals schickliche Tätigkeit, zum anderen als eine Art Zwangsarbeit für Waisenkinder oder säumige Steuerzahler.

Blick auf eine Kinoleinwand mit einem Still von der Berlinale 2024.
Kurz vor Beginn der Premiere im Kinosaal des HKW. Während der Aufführung habe ich natürlich keine Aufnahmen gemacht.

Der Film war ganz anders als alle Filme, die ich bislang gesehen hatte. In den Bildern sieht man Dillenburg (den Wirkort von Frau Dörrien) heute, viele schöne Nahaufnahmen von Blumen und Gräsern und an einer Stelle auch meine Hände beim Spinnen. Darübergelegt sind Stimmen, die aus einem Brief der Frau Dörrien vorlesen bzw. im Kontrast dazu aus fürstlichen Erlassen. Es wurden offenbar ziemlich viele Erlasse veröffentlicht – zur Versorgung von Armen, zur Vertreibung nicht gewünschter Personen, ein Verbot von Spinnstuben als Orte des Lasters betreffend. Ein Erlass widmete sich der Einrichtung von Spinnschulen, in denen z. B. Waisenkinder oder mit Abgabenzahlungen im Rückstand befindliche Menschen zwangsweise spinnen (lernen) mussten. Diese Erlasse warfen ein ziemlich gruseliges Bild auf diese Zeit und was es bedeuten musste, dort zu leben und nicht zu der erwünschten Schicht Menschen zu gehören. Als ordentlicher Bürger in dieses Land aufgenommen zu werden, war mit hohen Hürden versehen. Selbst eine Ehe mit einer dort sesshaften Person führte bei einer Ablehnung des Aufnahmeantrags nur dazu, dass auch die Eheperson mit dem Antragsteller ausreisen musste.

Und zwischendrin erkannte ich das Klackern meines Spinnrades und meinen manchmal etwas gesprächigen Knecht, die als Tonspur über einige Bilder gelegt waren. Sogar das Geräusch, wie der Woolee Winder den Faden aufzieht, habe ich erkannt 🙂

Still aus dem Film "Ihre ergebenste Fräulein" von Eva C. Heldmann. Nahaufnahme meiner spinnenden Hände am Spinnrad mit einem englischen Untertitel.
Dieses Still aus dem Film „Ihre ergebenste Fräulein“ wurde mir freundlicherweise von Frau Eva C. Heldmann für diesen Blogbeitrag zur Verfügung gestellt.

Der Film ist eher zart und zurückhaltend, er lässt die Bilder und Zitate sprechen und liefert mir als Zuschauerin keine direkten Wertungen. Dadurch hat er bei mir viel nachgewirkt und mich zum Nachdenken angeregt. Während des Films habe ich natürlich aus Urheberrechtsgründen keine Aufnahmen machen können, aber ihr könnt euch vielleicht selbst noch ein Bild machen. Der Film läuft noch am 21.02.24 und am 25.02.24 auf der Berlinale.

Das Beitragsbild für diesen Artikel ist ein Gemälde von Friedrich Ludwig Hauck (1718-1801) – Portrait of Catharina Helena Dörrien by F. L. Hauck, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=91034735