Einmal im Jahr veranstalten die Berliner Spinner ein Spinnfest – na, zumindest war das bis Corona so, die Pandemie hat da so einiges aus dem Tritt gebracht. Die letzten beiden Feste waren im Großen Saal des Gemeindehauses Berlin Buch, es gab ein unglaublich leckeres Buffet, einen Tisch mit lauter Inspiration (nicht nur spinntechnisch), einen Wettbewerb „wer spinnt den längsten Faden“, eine musikalische Einlage und wer wollte, konnte an einem Fasertausch teilnehmen (sowas wie „Wichteln“ für Spinnerinnen).
Dieses Jahr hat die liebe Doris wieder die Fäden in die Hand genommen und Anfang Juni ein wunderbares Fest organisiert. Wir waren zu Gast auf dem „Pensionsstall und Reitschule Zum alten Gutshof“ in Velten bei Julia und Ingo. Bei schönstem Juni-Wetter saßen wir auf dem riesigen Innenhof und haben es uns gutgehen lassen, geschnackt, Fasern getauscht und die Hofhunde und -katze gestreichelt.
Der Hof ist Heimat für jede Menge Tiere, die woanders niemand mehr haben wollte und die jetzt bei Julia und Ingo ein neues Zuhause haben – darunter Pfauen, Kakadus, ein Papagei, eine Schildkröte, Pferde, Streifenhörnchen, Alpakas und Englische Angorakaninchen. Der Nachbar hat Emus und Kängurus (ohne Quatsch! Das Foto ist leider nichts geworden). Es gibt auch eine Herde Walliser Schwarznasen (von denen wir zwar nur die Jungböcke gesehen haben – aber herrje, waren die knuffig!). Zwei Bernhardiner sind zwischen den Spinnern umher getrottet und haben aufgepasst, und überall flogen Schwalben herum (und verteilten Broschen …) 113 Nester hat Ingo gezählt!
Die liebe Meike aka filzhuhngruenes hat mit Besuchern Mäuse gefilzt, es gab eine Hofführung von Ingo, und nachmittags haben wir sogar vom örtlichen Reitverein eine Reitvorführung bekommen (Quadrillie hieß das) – sehr beeindruckend! Wer noch nicht genug Fasern hatte, konnte sich mit Regionaler Wolle eindecken, unter anderem Carina von der Schäferei Schöne Schafe hatte einen Tisch mit diversen Kardenbändern aufgebaut.
Die Zeit ist wie im Flug vergangen und obwohl ich nur am Schnattern war, habe ich gar nicht mit allen sprechen können. Einige sind von deutlich weiter weg hergekommen, und da sieht man sich eben nicht so oft und muss entsprechend viel nachholen :-). Von der lieben Katja habe ich noch eine coole Geschichte zu ihrem Metallspinnrad gehört – es ist über Umwege zu ihr gekommen, und dann stellte sie am Ende fest, dass es Männer aus ihrem eigenen Dorf in den 50er Jahren gebaut haben! Es spinnt immer noch super, sagt sie.
Leider habe ich auch kaum Fotos gemacht – nächstes Mal. Vielleicht.
Danke liebe Doris fürs Organisieren, es war ein toller Tag!
Bei der letzten Schur blutete mir ja ein kleines bißchen das Herz, als ich sehr schöne Vliesteile aussortieren musste, weil sie eine Farbmarkierung trugen. Solche Farbmarkierungen sind manchmal nötig, um z. B. Tiere zu kennzeichnen, die man ganz schnell auf einen Blick in der Herde wiederfinden will und nicht erst die Ohrmarkennummern raussuchen kann. Oder um zu sehen, welche Schafdame schon Besuch vom Bock hatte 🙂 .
Ich nahm also kurzerhand die aussortierten farbigen Vliesteile mit (es waren zum Glück nicht so viele) und führte ein Wasch-Experiment durch: Geht die Farbe in meinem Standard-Wasch-Prozess raus? Die Hersteller beschreiben diese Farben manchmal als „auswaschbar“, aber z. B. Spinnereien nehmen Wolle mit Farbmarkierungen nicht an.
Die verwendeten Farben
Eine kurze Recherche zum Thema „Farbmarkierungen für Schafe“ brachte zwar etliche Produkte zutage, aber leider fand ich keine genauen Angaben zu Inhaltsstoffen.
Es gibt Wachsblöcke, die als Deckanzeiger für Schafe dienen. Diese Wachsblöcke enthalten (der Name sagt es) neben den Pigmenten Wachs und Paraffine. Wachse und Paraffine sind nicht so richtig gut wasserlöslich und man braucht geeignete Bedingungen (Detergenz, Temperatur), um sie zu lösen und somit von der Wolle zu entfernen.
Neben diesen Wachsblöcken gibt es Markiersprays und als auswaschbar bezeichnete Stempelfarbe. Bei manchen Farbsprays steht „6 Monate regenbeständig“ auf dem Etikett – daraus schließe ich, dass es ebenfalls nicht so richtig gut wasserlöslich ist. Für die meisten Produkte machen die Hersteller zur Löslichkeit (in welchem Lösungsmittel auch immer) keine Angaben.
Ich erinnere mich an eine Charge kardierte Wolle, die ich mal gekauft hatte, die enthielt knallpinke, fest in der Wolle haftende Krümel. Damals vermutete ich auch eine Art Stempelmarkierung, die dann doch nicht auswaschbar war – allerdings konnte ich keine Informationen dazu bekommen, was das für Farbe war.
In Ermangelung von klaren Daten muss ich mir also selber was zusammenreimen, und meine Gedanken dazu gehen in die folgende Richtung:
Die Markierung ist wichtig und soll weithin und lange sichtbar sein (sonst bräuchte man sich diese Mühe nicht machen).
Was lange und weithin sichtbar sein soll, muss auch haltbar sein und sich gut mit der Wolle verbinden. Ergo: es darf sich eigentlich nicht gut auswaschen, ausbleichen oder abklopfen lassen. Der Verwendungszweck der Markierungsmittel steht also im Gegensatz zu der Anforderung, leicht und rückstandsfrei von der Wolle entfernt werden zu können.
Mein Standard-Wasch-Prozess mit Unicorn Power Scour
Für meinen Standard-Wasch-Prozess nehme ich heißes Wasser aus der Leitung und Unicorn Power Scour (die letzten Reste, es ist zu meinem Leidwesen gar nicht mehr so leicht in Europa zu bekommen). Die Wolle tue ich in Wäschenetze, und dann kommt sie erst 15 – 20 min in heißes Wasser ohne alles, um den größten Dreck rauszubekommen. Wenn die Wolle sehr arg dreckig ist, weiche ich sie auch über Nacht in kaltem Wasser ein und trockne sie, bevor es mit dem Detergens weitergeht. Alternativ bleibt sie nass, aber ich erhöhe langsam wieder die Temperatur, bevor sie zum heißen Waschschritt übergeht.
Danach kommt sie wieder in heißes Wasser, diesmal mit Power Scour, wieder 15 – 20 min. Bei der Dosierung richte ich mich nach den Herstellerangaben (1 EL = 10 ml pro 500 g fettige Wolle, tendenziell auch etwas weniger). Wichtig ist dabei, dass die Wolle nicht in dem Detergens-haltigen Wasser wieder abkühlt – das Lanolin wird wieder fest und würde sich wieder auf die Wolle legen, das wollen wir nicht. Anschließend wird sie gespült, bis kein sichtbarer Dreck mehr rauskommt (meist 1–2 x).
Das Ergebnis: Leuchtende Farben
Das Ergebnis nach dem Standard-Waschprogramm: Die Wolle ist schön sauber – und die Farben leuchten …
Bei näherer Betrachtung der gewaschenen Wolle stellte ich fest: Die rote Farbe weichte ordentlich auf und machte rote Finger. Die Farbe fühlte sich schmierig an – vielleicht war das so eine wachshaltige Markierung? Das Rot ließ sich jedenfalls von den Fingern abwaschen, also muss das mit dem „auswaschbar“ ja irgendwie doch stimmen …
Ich nahm also eine rote Locke und rieb die rote Farbe mit den Fingern. Und siehe da: Das Waschwasser (mit einem kleinen Schuß Spüli) wurde knallrot und die Farbe kam ab! Also doch auswaschbar? Ich entfernte die Farbklumpen so gut es ging. Nach dem Trocknen blieb aber leider immer noch ein rötlicher Schimmer auf den Fasern zurück.
Mein Fazit ist also: Ja, kann man Farbmarkierungen auswaschen. Aber es geht nur, wenn man sich jeder Locke einzeln widmet, und selbst dann geht es nicht rückstandsfrei raus. Das ist sehr zeitaufwändig und der Erfolg ist überschaubar. Für mich bleibt es dabei: Diese Vliesteile sortiert man besser raus und verarbeitet sie separat – zu Artyarn vielleicht? Dann muss man die Farbe auch gar nicht rausbekommen.
Aus der Community erreichten mich auch noch Tipps: So soll der Orangenreiniger von Frosch hier sehr gute Ergebnisse erzielen (das werde ich mal probieren). Von anderer Seite wurde mir berichtet, dass der Pottasche-Waschprozess die Farben auch nicht komplett entfernen kann …
Hast Du Erfahrungen mit dem Auswaschen von Farbmarkierungen? Teile sie gerne in den Kommentaren!
Dieser Beitrag erschien in gekürzter Form auf Instagram. Schau gerne dort vorbei und lies die Kommentare aus der Community!
Das „Spinnen im Flug“ ist das, was die meisten Menschen irgendwie vor Augen haben, wenn sie an das Spinnen mit der Handspindel denken: Die Spindel hängt frei drehend am gerade gesponnenen Faden, während die Hände weiter die Fasern ausziehen. Allerdings laufen beim Spinnen im Flug viele Bewegungen und Schritte parallel ab, und das kann ganz schnell Hektik verbreiten und das Gefühl vermitteln, ein drittes Paar Arme zu brauchen…
Die „Park&Draft“-Methode ist eine Spinntechnik, mit der oft die Anfänge des Spinnens an der Handspindel vermittelt werden. Mit dieser Technik kannst Du nämlich langsam und in Ruhe arbeiten, ohne dass die sich drehende Spindel zu viel Hektik verbreitet.
Genau das ist es auch, was mich immer wieder zu dieser Technik zurückkehren lässt, obwohl ich mich nicht mehr als Anfänger sehe. Ich verwende Park & Draft immer dann, wenn ich langsam arbeiten möchte, weil entweder die Fasern etwas schwierig zu arbeiten sind oder meine Hände etwas Neues ausprobieren möchten. Und wenn ich es mir ganz genau überlege, funktioniert das Spinnen mit meinen Lieblingsspindeln im Grunde auch wie Park & Draft – vielleicht ist es deshalb so entspannend?
Beim Park&Draft werden die einzelnen Schritte des Spindelspinnens zeitlich voneinander getrennt und nacheinander abgearbeitet, sodass das Ganze relativ stressfrei ablaufen und Du Dich auf das richtige Ausführen der Bewegungen konzentrieren kannst. Wenn dann die Bewegungen in Fleisch und Blut übergegangen sind, gehst Du meistens automatisch zum Spinnen im Flug über, weil Dir das Park & Draft dann nämlich zu langsam wird.
Was bedeutet „Park & Draft“?
„Park & Draft“ kann man ganz grob mit „Parken und Ausziehen“ übersetzen. Wenn man es ganz genau nehmen wollte, könnte man die Technik auch „Spin, Park & Draft“, also „Drehen, Parken und Ausziehen“ nennen, dann wäre sie quasi selbsterklärend.
So geht Park & Draft
Die einzelnen Schritte beim Spinnen ganz allgemein sind im Grunde:
Fasern ausziehen
Drall einfügen
Aufwickeln
Schritt 1 und 2 laufen beim Spinnen im Flug parallel ab. Für das Park & Draft trennt man die einzelnen Schritte voneinander:
Drall sammeln, indem man die Spindel andreht. Dabei bilden Daumen und Zeigefinger der Faserhand eine Drallsperre. Der Drall sollte nicht in den Faservorrat gelangen.
Parken. Die Spindel wird angehalten und irgendwo eingeklemmt (unter dem Arm, zwischen den Knien), damit sie sich nicht mehr zurückdrehen kann.
Bei geparkter Spindel wird die Drallsperre von der Faserhand an die Spindelhand übergeben. Der Drall sollte dabei nicht an der Sperre vorbei in den Faservorrat flutschen, sonst wird das Ausziehen schwer.
Fasern ausziehen und Drall dabei verteilen. Dabei gleitet man mit den Fingern der Drallsperre an den gerade ausgezogenen Fasern entlang. Es ist nie Drall zwischen Spindelhand und Faserhand. Bei Bedarf geht es zurück zu 1.
Aufwickeln, wenn der Faden eine Armspann-Länge erreicht hat.
Dadurch, dass Du erst den Drall sammelst und danach in Ruhe Stück für Stück die Fasern ausziehst, hast Du alle Zeit, die Du brauchst. Du musst nicht mit einem Auge darauf achten, ob die Spindel schon wieder zurückdreht, während die Finger in Windeseile den von der Spindel produzierten Drall verteilen müssen. Alles läuft nacheinander ab und Du kannst einfach sehen, wie viel Drall Du im Faden hast.
Ich habe an dieser Stelle auf eine umfassende Bebilderung verzichtet, denn bei Chantimanou und anderswo auf youtube gibt es jede Menge Videos dazu.
Mein Park & Draft Cheat Sheet
Aber ich hab hier ein kleines Cheat Sheet für Dich. Lade es Dir gerne herunter, dann hast Du es immer dabei.
Wenn es Dich interessiert: Ich bin dabei, Kurse zum Thema Handspinnen aufzubauen. Im Kurs „Mach Dein eigenes Garn“ gehen wir von der Faser zum Faden all diese Schritte gemeinsam durch und ich kann Dir bei Deinen ersten Schritten an der Handspindel zur Seite stehen.
Wieder einmal habe ich gemerkt, wie himmelweit der Unterschied ist zwischen „Ich habe etwas mit dem Kopf verstanden“ und „Ich habe es mit eigenen Händen und am eigenen Körper erfahren“. Zwischen „Ich hab mir ein paar Videos angeschaut und es nachgemacht. War gar nicht so schwer.“ und „Ich habe einen richtig guten Kurs besucht und einen Aha-Moment nach dem anderen gehabt“.
Flachs ist nicht nur Faserpflanze. Flachs verbindet Menschen, auch über hundertfünfzig Jahre nach seinem Anbau. Er war Lebensversicherung für Frauen, wenn sie in Notlage kamen, konnten sie den Flachs verkaufen. Wolle kann man zur Not noch alleine verarbeiten, aber beim Flachs (insbesondere bei mehr als einer Handvoll) braucht es eine Gemeinschaft.
Raufen.
Trocknen.
Rösten,
Trocknen.
Brechen.
Schwingen.
Hecheln.
Ribben.
Spinnen.
Weben.
Für das Brechen, Schwingen, Hecheln und Ribben braucht es spezielle Werkzeuge und manchmal sogar eine spezielle Feuerstelle. Das kann kein Mensch ganz alleine machen. Vielmehr hat man sich zusammengetan und reihum den Flachs von jedem Hof des Dorfes verarbeitet. Für meine Handvoll Fasern habe ich einen ganzen Nachmittag gebraucht.
Was mir gar nicht so klar war: Flachs wird über die Jahre immer feiner, weil das, was man für eine „Faser“ hält, oftmals ein Bündel Fasern ist, das durch Pektine und Gummis zusammengehalten wird. Erst über die Jahre wird dieser „Kitt“ abgebaut und legt die Fasern frei. Wer also Unterwäsche machen wollte, legte den Flachs erst mal 20 Jahre auf die Seite. Bei Wolle ist das ja anders: Da liegen die einzelnen Fasern von Anfang an vor.
Der heute bei Handspinner*innen so beliebte Langflachs wurde von den Frauen damals allerdings nur ein paar Mal im Leben überhaupt versponnen – er kam ja in die Brautkisten der Mädchen und war ihre Lebensversicherung. Wenn es hart auf hart kam, konnte die Frau den Flachs verkaufen und musste so nicht hungern. Die allermeiste Zeit wurde überwiegend Werg versponnen – für Säcke, Scheuertücher, Heutücher … Arbeitstextilien eben.
Die krasseste Erkenntnis: Alles, was man als Handspinner*in heute an Flachszöpfen kaufen kann, ist alt – und es werden keine neuen Zöpfe mehr für den Verkauf an Handspinner*innen produziert. Flachsanbau für Handspinner*innen passiert im Grunde nur noch für den Eigenbedarf. Und damit verschwindet auch das Wissen um den Anbau und die Verarbeitung. Auch viele regionale Flachs-Varianten sind dem Saatgut für industriell gut verarbeitbaren Flachs gewichen.
In diesem Workshop haben wir nicht nur unglaublich viele Inhalte und spannende Geschichten von Christiane bekommen, sondern wir haben auch besprochen, wie man den Flachsanbau und die -verarbeitung wieder bekannter machen kann. Dazu wird demnächst auf dem Wandelgrund Flachs angebaut, und es sind Mitmach-Aktionen geplant, die den Flachs und Leinen erfahrbar machen sollen. Denn: Flachs ist ein Community-Projekt. Ich freu mich drauf!
“Ihre ergebenste Fräulein” , ein Film von Eva C. Heldmann
Ich bin ja nicht so ein Cineast, aber als ich eine Einladung zu einer Filmpremiere auf der Berlinale 2024 bekam, habe ich keine Sekunde gezögert. Und so fuhr ich an einem frühlingshaften Februartag zum Haus der Kulturen der Welt, um mir den Film anzusehen. Was das mit Wolle und Spinnen zu tun hat? Na, in besagtem Film haben mein Spinnrad und meine spinnenden Hände einen Auftritt!
Lasst uns nochmal kurz zurückspulen: Letztes Jahr kontaktierte mich die Filmemacherin Eva C. Heldmann über die Handspinngilde. Sie arbeitete an einem Film und suchte jemanden, der ihr das Spinnen zeigen konnte. Wir trafen uns auf einen Kaffee und es entspann sich ein sehr interessantes Gespräch über das eigentliche Sujet des Filmes: Catharina Helena Dörrien. Sie war eine Dame gehobeneren Standes, die im 18. Jhd in Frau Heldmanns Heimatstadt Dillenburg als Botanikerin, Malerin und Pädagogin lebte und wirkte. Für den Film war Frau Heldmann auf der Suche nach Informationen und bewegten Bildern rund um das Thema Spinnen.
Mädchen und Frauen wie Catharina Helena Dörrien war es damals im 18. Jhd. nicht möglich, eine ähnlich umfassende Ausbildung zu bekommen, wie sie für Jungen vorgesehen war. Dennoch eignete sie sich viel Wissen selbst an, indem sie im Unterricht ihrer Brüder anwesend war und sich die Lehrinhalte (u.a. Latein) durch aufmerksames Zuhören und ein phänomenales Gedächtnis einprägte. Sie fertigte in ihrer späteren Arbeit über 1400 unglaublich präzise und detailgetreue farbige Zeichnungen von Pflanzen aus ihrer Umgebung an und erhielt dabei viel Unterstützung von ihrem Arbeitgeber (dessen Kinder sie unterrichtete).
In den Film fanden aber nicht nur Zeichnungen, Briefe und pädagogische Schriften von Frau Dörrien Eingang, sondern auch in dieser Zeit veröffentlichte fürstliche Erlasse der damals Herrschenden. Und dabei ging es dann auch um das Spinnen: zum einen als eine für Mädchen und Frauen damals schickliche Tätigkeit, zum anderen als eine Art Zwangsarbeit für Waisenkinder oder säumige Steuerzahler.
Der Film war ganz anders als alle Filme, die ich bislang gesehen hatte. In den Bildern sieht man Dillenburg (den Wirkort von Frau Dörrien) heute, viele schöne Nahaufnahmen von Blumen und Gräsern und an einer Stelle auch meine Hände beim Spinnen. Darübergelegt sind Stimmen, die aus einem Brief der Frau Dörrien vorlesen bzw. im Kontrast dazu aus fürstlichen Erlassen. Es wurden offenbar ziemlich viele Erlasse veröffentlicht – zur Versorgung von Armen, zur Vertreibung nicht gewünschter Personen, ein Verbot von Spinnstuben als Orte des Lasters betreffend. Ein Erlass widmete sich der Einrichtung von Spinnschulen, in denen z. B. Waisenkinder oder mit Abgabenzahlungen im Rückstand befindliche Menschen zwangsweise spinnen (lernen) mussten. Diese Erlasse warfen ein ziemlich gruseliges Bild auf diese Zeit und was es bedeuten musste, dort zu leben und nicht zu der erwünschten Schicht Menschen zu gehören. Als ordentlicher Bürger in dieses Land aufgenommen zu werden, war mit hohen Hürden versehen. Selbst eine Ehe mit einer dort sesshaften Person führte bei einer Ablehnung des Aufnahmeantrags nur dazu, dass auch die Eheperson mit dem Antragsteller ausreisen musste.
Und zwischendrin erkannte ich das Klackern meines Spinnrades und meinen manchmal etwas gesprächigen Knecht, die als Tonspur über einige Bilder gelegt waren. Sogar das Geräusch, wie der Woolee Winder den Faden aufzieht, habe ich erkannt 🙂
Der Film ist eher zart und zurückhaltend, er lässt die Bilder und Zitate sprechen und liefert mir als Zuschauerin keine direkten Wertungen. Dadurch hat er bei mir viel nachgewirkt und mich zum Nachdenken angeregt. Während des Films habe ich natürlich aus Urheberrechtsgründen keine Aufnahmen machen können, aber ihr könnt euch vielleicht selbst noch ein Bild machen. Der Film läuft noch am 21.02.24 und am 25.02.24 auf der Berlinale.
Das Beitragsbild für diesen Artikel ist ein Gemälde von Friedrich Ludwig Hauck (1718-1801) – Portrait of Catharina Helena Dörrien by F. L. Hauck, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=91034735
Neulich habe ich sehr interessante regionale Fasern gesponnen: eine Kreuzung aus Berrichon und Merino. Schöne seidige und lange Fasern, die nicht zu viel Drall mochten, und die sich nach dem Spinnen und Waschen überraschenderweise sehr trocken anfühlten und einen halo entwickelten.
Allerdings: das Kardenband enthielt eine Menge Einstreu. Alle paar Meter musste ich beim Spinnen anhalten und die Pinzette zücken, damit nicht zu viel davon im Garn landet. Auf den Bildern sieht man es nicht so gut, aber es ist immer noch eine ganze Menge im Garn. Anscheinend hat sich da jemand bei der Schur nicht die Mühe gemacht, eingestreute Vliesteile zu entfernen. Oder die Person wusste nicht, dass das Heu nicht einfach so (und schon gar nicht vollständig) beim Spinnen rausfällt, sondern zu großen Teilen im Garn bleibt.
Im industriellen Maßstab wird Wolle vor dem Spinnen ab einem Gewichtsanteil von ca. 5% Vegetabilien carbonisiert. „Vegetabilien“ sind nichts anderes als Pflanzenreste (Heu, Kletten etc.) und bestehen aus Zellulose. Beim Carbonisieren werden die Fasern durch ein Bad aus verdünnter Schwefelsäure gezogen, getrocknet und anschließend auf ca. 100°C für 10-15min erhitzt. Unter diesen Bedingungen verkohlt die Zellulose, während die Wollefasern einigermaßen säuretolerant sind und diese Prozedur recht unbeschadet überstehen. Die Kohle kann anschließend aus der Wolle ausgeklopft werden.
Wie viel Säure braucht man, um z. B. 1 Tonne Wolle zu carbonisieren? Wäre es nicht viel umweltfreundlicher, die Wolle schon bei der Schur so zu sortieren, dass eingestreute Vliesteile entfernt werden? Oder vielleicht sogar schon bei der Haltung der Tiere darauf zu achten, dass sie sich nicht einstreuen können (wenn man weiß, dass die Wolle in die Garnherstellung gehen soll)?
Hattet ihr schon mal Heureste im Garn? Und wenn ja, wie viel? Macht euch das was aus?
Dieser Beitrag ist zuerst am 27. Januar 2022 auf Instagram erschienen:
Endlich ist der finale Bericht zu einer Marktanalyse für deutsche Schafschurwolle da. Die Studie wurde 2021 vom BMEL in Auftrag gegeben.
Der Platz reicht hier auf Insta nicht für alles, aber ich zitiere mal aus der Kurzzusammenfassung:
„Bemühungen zur Verbesserung der derzeitigen Situation sollten sich primär nicht auf einzelne Anwendungsgebiete beziehen, sondern so gerichtet sein, dass sie die Infrastruktur fördern und mehrere Anwendungsgebiete gleichzeitig unterstützen. Dann können vereinzelte Nischenprodukte entstehen, die eine möglichst hohe Wertschöpfung generieren.“
„Schafwolle bietet viele Möglichkeiten, wird bisweilen jedoch unter ihrem Wert verwendet und ist wenig bekannt. Um diese Situation zu ändern, bedarf es einer ganzheitlichen und nachhaltigen Umsetzung einzelner Maßnahmen. (…)“
Einige der empfohlenen Maßnahmen:
Handbuch zur Verbesserung und Vereinheitlichung der Wollqualität
Beauftragung und Durchführung einer Klimabilanzstudie zur Herstellung von Schafschurwolle
Prüfung und Bewertung der Realisierbarkeit einer deutschen Wollwäscherei (wobei da wohl schon einiges läuft)
Aufhebung der Einstufung von Schafschurwolle als Material der Kategorie 3
Entwicklung und Realisierung einer Plattform zur Vernetzung aller relevanten Marktteilnehmer
Interessant zum Punkt 4 der Liste: Das Ministerium, das diese Studie in Auftrag gegeben hat, sieht keine Möglichkeit, an der Einstufung von Wolle als Kategorie 3-Material etwas zu ändern, siehe dazu auch die Dokumentation auf Arte (via youtube) und diesen Beitrag von mir.
Und bezüglich Punkt 5 möchte ich auf Fibershed DACH und den Community Spacehinweisen. Der Community Space ist genau so ein Ort für alle an der Lieferkette Beteiligten zum Vernetzen, zum unkomplizierten Austausch von Wissen, zum Verbinden von Menschen, die sich gegenseitig unterstützen können.
Vor kurzem sah ich eine Reportage auf Arte (hier nochmal eine aktualisierte Version der Doku), in der es um Schafwolle, Probleme bei der Verwendung und Vermarktung sowie um zwei derzeitige Projekte ging, die Abhilfe schaffen wollen. Es sind großartige Projekte, und auch die Reportage ist wirklich sehenswert.
Ich habe aber auch ein paar Anmerkungen dazu (und @chantimanou hat die meisten davon in ihrer Instagram-Story schon genannt). Ergänzen möchte ich hier etwas zu dem Thema Enzyme.
In der Reportage wird ein Forschungsprojekt der Prickly Thistle mit der Universität Edinburgh erwähnt: Sie möchten durch enzymatische Behandlung kratzige Highland-Wolle wieder weicher machen. Auf dem Bildschirm ist kurz das Wort „Keratinase“ zu sehen.
Was ist das?
Keratinasen sind Enzyme (also natürlich vorkommende Proteine), die Keratin (also der Stoff, aus dem Wolle und Haare sind) komplett abbauen können. Durch geschicktes Timing der Behandlung will das Forschungsteam an der Uni die Fasern nicht komplett verdauen, sondern nur die äußere Schicht „andauen“ und entfernen. Dadurch sollen die Fasern feiner (also ihr Durchmesser kleiner) und sie somit weicher werden.
Hmm. Es ist ein zusätzlicher Prozess-Schritt, der nicht ganz billig sein dürfte. Biotechnologische Verfahren sind in der Regel nicht günstig. Enzyme in dem Maßstab herzustellen, dass sie Tonnen von Wolle prozessieren können, ist aufwändig und kostet zusätzliche Energie und Rohstoffe.
Und tut das der Faser wirklich gut? Meine Vermutung: die Wolle ist dann eben ein bissel superwash. Wolle, ja, aber ein bisschen leblos.
Könnte man stattdessen nicht überlegen, mit der vorhandenen Wolle etwas anderes zu machen als Bekleidung? Eine Verwendung finden, die genau zu der Wolle passt, so wie sie ist? Das spart am meisten Ressourcen.
Dieser Beitrag ist zuerst auf Instagram veröffentlicht worden. Hier sind ein paar Gedanken, die dort zu diesem Thema diskutiert wurden (anonymisiert):
Man muss auch mit der Realität arbeiten: deutsche bzw. generell gröbere Wolle hat nun mal einen schlechten Ruf beim Verbraucher und wird daher nicht nachgefragt. Wenn also die enzymatische Behandlung dazu führt, dass die Nachfrage steigt, dann wäre das doch ein Schritt in die richtige Richtung.
Es kann nicht wirtschaftlich sein, die regionale Wolle, die ohnehin schon nicht mit den Weltmarktpreisen mithalten kann, noch mit teuren Verfahren vermarktungsfähig machen zu wollen. Lieber jede Wolle für ihren Zweck verwenden und bei der Zucht wieder auf Wollqualität achten.
Immer wieder begegnet mir in Artikeln und Berichten zum Thema regionale Wolle das Statement, dass Schäfer:innen ihre Wolle verbrennen (müssen), weil sie auf ihr sitzen bleiben. Ich habe das bislang immer so hingenommen. Aber wenn ich mal drüber nachdenke, dann runzle ich die Stirn: Wolle ist doch eigentlich schwer entflammbar und selbstlöschend? So erkennt man sie jedenfalls (unter anderem) beim Flammtest, wenn man nicht weiß, aus welchem Material ein Faden oder ein Stoff besteht.
Woher kommt also ein Satz wie „Schäfer:innen verbrennen ihre Wolle“? Wie machen sie das? Fahren sie damit zur örtlichen Müllverbrennungsanlage? Nimmt die überhaupt tierische Nebenprodukte an? Wenn sie sie auf dem Feld verbrennen – stinkt das nicht ganz übel? Und muss man da nicht immer wieder anzünden, bis alles endlich verbrannt ist?
Kennt ihr Schäfer:innen, die ihre Wolle schon mal verbrannt haben? Habt ihr das selber schon mal machen müssen? Wisst ihr da was drüber?
By the way: es ist wieder #Schafschursaison. Wer also regionale Wolle verarbeiten und vor dem Verbrennen retten möchte: now is the time! Schafhalter:innen in eurer Nähe findet ihr bei den Schafzuchtverbänden eures Bundeslandes. Einfach Mal in die Suchmaschine eures Vertrauens eingeben!
Diesen Beitrag habe ich auf Instagram geteilt. Seitdem habe ich von vielen Menschen gehört, dass sie selbst schon gesehen haben, dass Schafhalter:innen ihre Wolle selbst verbrennen (unter Verwendung von Brandbeschleunigern). Andere fahren zur Müllverbrennungsanlage und lassen sie dort kostenpflichtig (und teuer) entsorgen. Das passiert nicht nur in Deutschland, sondern überall in Europa.
Angespornt von der Pigmentextraktion aus Japanischem Färberknöterich habe ich versucht, eine äquivalente Extraktion aus Waid zu machen. Eine kurze Umfrage auf Social Media führte zu dem Ergebnis, dass die Prozedur wohl prinzipiell die gleiche ist. Ernten, Wasser drauf, Warten, Blätter raus, Alkalisieren und Belüften, Sedimentieren lassen, fertig.
Also habe ich Ende Juni ein paar äußere Blätter geerntet und eine Extraktion angesetzt. Ein kurzer Blick ins Lehrbuch gab noch den Tipp, dafür mit deutlich wärmerem Wasser (60°C) zu arbeiten, als ich es üblicherweise bei dem Färberknöterich mache.
Allerdings: auch nach 2 Tagen war noch kein metallischer Schimmer auf der Flüssigkeit, und Geruch und Farbe passten auch nicht zu meinen bisherigen Erfahrungen.
Also habe ich eine kleine Probe genommen und geprüft, ob es blau wird. Die Flüssigkeit war eher hell und nicht so grünlich (aber beim Waid ist die Farbstoffvorstufe auch eine andere als beim Japanischen Färberknöterich). Und siehe da: Im alkalischen wurde es gelb… definitiv nicht blau.
Zu guter Letzt habe ich dann noch die Probe gemacht, die ich wohl als Erstes hätte machen sollen: Ich habe ein Blatt gehämmert. Der Abdruck vom Waid blieb grün, ein Blatt vom Färberknöterich hingegen wurde vorbildlich blau.
Nun geht es an die Ursachensuche: Vielleicht hätte ich doch ansäuern müssen? Habe ich zu lange gewartet? Im Lehrbuch stand was von 24 h, aber das schien mir deutlich zu wenig.
Da werde ich wohl noch ein wenig experimentieren müssen…
Ab und an überkommt mich das Bedürfnis, ganz tief in meiner Ideenkiste zu kramen. Ganz unten am Boden, ein bisschen eingedrückt und verkrunkelt, liegen meistens ein paar Dinge, die quasi zwei Schritte vor dem Ziel liegengeblieben sind. Manchmal war für diese zwei Schritte keine Kraft mehr, und manchmal war die Zeit einfach noch nicht reif. So wie in diesem Fall, als meine Spinnfertigkeit noch nicht ausreichte, um das Garn zu spinnen, das mir vorschwebte.
Aber mal der Reihe nach.
Meine allerallerallererste Erfahrung mit Naturfarben habe ich mit einem Kit gemacht, den Jule von Hey Mama Wolf Yarns vor einigen Jahren im Sortiment hatte. Ich habe die Ausführung mit Blauholz gewählt, und neben allen Zutaten war ein Strang ihres Garns und ein bisschen Kammzug enthalten. Den ersten Zug habe ich für das Garn genommen. Der entstandene Ton ging etwas ins lila, aber das war fein und erfüllte meine Erwartungen. Die Flotte schien noch nicht erschöpft, und so legte ich anschließend auch den Kammzug hinein. Das Ergebnis war allerdings etwas ungewöhnlich: eine Art hellrosa Teewurstfarbe.
Nuja, dachte ich, farblich passt das schon irgendwie zusammen. Muss ich nur noch ein Garn spinnen, das so wird wie das Industriegarn, dann kann ich die zusammen zweifarbig verstricken. Nur waren wie gesagt, meine Spinnfertigkeiten noch nicht so weit, dass ich das hätte umsetzen können. Und so wanderte das Projekt erst mal in die „irgendwann später“-Kiste.
Fast Forward wenige Jahre.
Beim Umschichten meiner Faservorräte kam mir dieser Kammzug wieder in die Hände. Mittlerweile kann ich ganz gut spinnen, sodass ich es mir jetzt zutraute, ein dreifädiges Garn zu spinnen, das ungefähr die Dimensionen von Jules Nr. 3 hat. Den (mittlerweile etwas komprimierten) Kammzug habe ich mit Handkarden zu Rolags gedreht, die ich dann mit einem Hörbuch auf den Ohren schwuppdiwupp versponnen habe. (Wie gesagt, ich war damals nur 2 m vor dem Ziel …). Nur noch schnell das Entspannungsbad, ein bisschen Unicorn FiberWash für die Pflege rein…
Nanu… was ist denn hier passiert?
Als ich das nächste Mal bei der Wasch-Schüssel vorbeikam, staunte ich nicht schlecht: Die rosa Teewurstfarbe war einem Lila gewichen, das nur ein wenig heller war als der Strang aus dem 1. Zug!
Ob da irgendwo eine pH-Abhängigkeit mit reinspielt? Ein kleines Experiment mit Waschsoda und Essigessenz bestätigt meinen Verdacht: Teewurstfarbe im stark sauren, lila im leicht sauren, blau im alkalischen. Wieder was gelernt.